Der Prophet Daniel

Kapitel 1

Dreimal zog Nebukadnezar mit seinen Heeren gegen Jerusalem. Dabei stürzte er die Könige Jojakim, Jojakin und Zedekia. Bei der ersten Begebenheit wurden Daniel und seine drei Freunde mit einer ganzen Anzahl Jugendlicher von königlicher oder fürstlicher Abstammung in die Gefangenschaft geführt. Man betrachtete sie als geistig besonders hoch stehend. Der scharfsinnige Babylonierkönig wollte seine Position mit den begabtesten Männern der besiegten Nationen stärken. Er fasste sie zu einem Heer von Magiern zusammen, - Männer, die mit dämonischen Mächten verkehrten und ihm Ratschläge gaben auf Grund ihres okkultistischen Treibens.

Daniel und seinen Freunden stand also eine Ausbildung bevor, die ihnen Kenntnis und Einsicht vermitteln sollte. Dieses Wissen stand aber zweifellos in Verbindung mit den «vorwitzigen Künsten», so genannt in Apostelgeschichte 19,19, wie sie auch zu jener späteren Zeit in Ephesus betrieben wurden. Wenn der große babylonische Herrscher die Anzahl der Männer erhöhen konnte, die ihm übernatürliche Weisheit und Beratung zu geben vermochten, wuchs auch seine Macht.

Von jetzt an wurde ihnen die Nahrung nach spezieller Verordnung vorgeschrieben: ein Tagtägliches von der Tafelkost des Königs. Das bedeutete: vom Besten des Landes, das aber zweifellos in Verbindung mit götzendienerischen Riten stand. Und weiter wurden ihnen durch den Obersten der Kämmerer die ursprünglichen Namen abgenommen. Sie waren unter einen neuen Besitzer gekommen und dies wurde hervorgehoben durch neue Namen heidnischen Ursprungs und abgöttischer Bedeutung. Das war die Stellung, in die sich Daniel und seine Gefährten versetzt sahen.

Beim Lesen des 8. Verses werden wir unwillkürlich durch die Worte getroffen: «Und Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht ... zu verunreinigen». Welch eine bedeutungsvolle Aussage! Hätte er es sich nicht vorgenommen, gäbe es kein Buch Daniel in unserer Bibel. Haben wir bemerkt, dass der Geist Gottes in seinem Bericht den heidnischen Namen nicht anerkennt und dafür seinen ursprünglichen verwendet? Daniel bedeutet: «Richter ist Gott». Dieser Mann lebte offensichtlich im Licht seines Namens, denn wir lesen nicht, dass er es sich in seinem Kopf, dem Sitz seiner Intelligenz, vornahm, sondern im Herzen, dem Sitz seiner Liebe zu Gott, vor Dem er lebte. Ein solcher Vorsatz hat Bestand und wird sich nicht verändern.

Im Weiteren stellen wir fest, dass es die Verunreinigung war, die er entschieden vermeiden wollte. Vom materiellen Standpunkt aus gesehen, war die Nahrung sicher rein. Es war die geistliche Verunreinigung, an die er dachte. Babylon war von jeher die Brutstätte des Götzendienstes. In Vers 8 werden seine drei Freunde nicht genannt. Aber in Kapitel 3,18 zeigen sie genau die gleiche Einstellung und den gleichen Vorsatz wie er.

Lasst uns die Lektion, die uns hier begegnet, ernsthaft zu Herzen nehmen. Das Geheimnis der ungewöhnlichen Kraft Daniels lag in der vorsätzlichen Absonderung von der bösen Welt, die ihn umgab. Er kannte ihre Macht der Verunreinigung und lehnte sie entschieden ab. Etwa fünf Jahrhunderte später enthüllte sich ihr wahrer Charakter vollkommen und endgültig im Kreuz Christi. Der Herr Jesus selbst sagte damals: «Jetzt ist das Gericht dieser Welt» (Joh 12,31). Wir leben jetzt im Licht dieser Tatsache. Wir wissen, dass sie durch Satan regiert wird, denn er wird «der Gott dieser Welt» genannt (2. Kor 4,4). Wie nötig ist es daher für uns, mit ganzem Herzensentschluss uns von der Welt abzusondern, mehr noch als für Daniel.

Trotz seiner großen Entschiedenheit war ein Geist der Weisheit und Demut in ihm, in welchem er seinen Entschluss bekannt gab. Gott handelte zu seinen Gunsten, indem Er ihm das Wohlwollen des Obersten der Kämmerer sowie des Aufsehers zuwandte. Doch nahm er sich deswegen nichts heraus, um überheblich zu reden. Vielmehr brachte er seinen Wunsch vor und unterbreitete das Gesuch, dass er und seine Freunde zum Test während zehn Tagen Gemüse und Wasser bekommen sollten. Erst nachher, auf Grund der Resultate, sollte endgültig über die Sache beschlossen werden. Gott war mit ihnen und als Ergebnis wurden sie von der Verunreinigung befreit, die sie sonst betroffen hätte.

Lasst uns aus dieser Begebenheit eine Lektion lernen. Absonderung von aller Verunreinigung ist immer der Weg Gottes für die Seinen, aber viel hängt davon ab, in welchem Geist sie ausgelebt wird. Wird sie in einem strengen und überheblichen Geist verwirklicht, anstatt in einem Geist der Sanftmut und Unterwürfigkeit, dann wird das Zeugnis gegenüber andern wirkungslos. Wenn wir sie in einem Geist praktizieren, der da sagt: «Bleib dort, wo du stehst; komm nicht in meine Nähe; denn ich bin heiliger als du» - dieser Geist kennzeichnete die Pharisäer zur Zeit des Herrn Jesus - dann werden wir das Böse fördern, von dem wir bekennen uns abzusondern. Daniel und seine Freunde begehrten sich abzusondern und führten es auch im richtigen Geist aus.

Deshalb war Gott mit ihnen in einer ganz ungewöhnlichen Weise. Nicht nur zeigte sich ihr Aussehen besser und völliger an Fleisch als dasjenige aller Jünglinge, sondern sie waren auch in Kenntnis und Einsicht in aller Schrift und Weisheit allen überlegen, die von der Tafelkost des Königs aßen. Und zudem wurde Daniel übernatürliches Verständnis zuteil, für alle Gesichte und Träume, durch die Gott in jenen Tagen öfters seine Absichten kundtat.

Die Prüfung vor Nebukadnezar brachte alles klar zu Tage. Die Schriftgelehrten und Beschwörer waren Männer, die mit finsteren Mächten verkehrten, um so zu übernatürlichem Wissen zu kommen. Aber im Vergleich mit den vier Männern, die von Gott belehrt waren, erwiesen sich diese ihnen zehnmal überlegen. Das erstaunt uns eigentlich nicht. Wir finden das Gleiche noch deutlicher ausgedrückt in 1. Korinther 2, wo wir lesen, dass die Fürsten dieses Zeitlaufs nichts wissen von der Weisheit Gottes, sonst «würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben». Der einfachste Gläubige hingegen beurteilt oder unterscheidet alles, weil er den Heiligen Geist besitzt und von Ihm geleitet wird.

Bevor wir das erste Kapitel verlassen, ist vielleicht noch zu erwähnen, dass die Frage über Speisen, die durch götzendienerische Handlungen verunreinigt waren, auch die Gläubigen in Korinth beschäftigte. Paulus belehrte sie darüber in 1. Korinther 8 und 10,25-31. Fleisch, das auf dem Markt verkauft wurde, oder das sie als Gast vorgesetzt bekamen, sollten sie essen, ohne Fragen zu stellen. Sobald sie aber sicher wussten, dass es Götzenopferfleisch war, sollten sie nichts davon genießen. Ein Christ sollte sich von jeder Verbindung mit Götzendienst freihalten, genauso wie es Daniel und seine Freunde taten.

 

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