Der erste Brief an die Korinther
Kapitel 8
Der Apostel beantwortet in diesem Kapitel eine Frage wegen des Götzenbildes und des ihm dargebrachten Opfers (Vers 1), wobei er den allgemeinen Grundsatz feststellt, das schwache Gewissen nicht zu verletzen. Zuerst nimmt er durch diesen Gegenstand Veranlassung, einige Worte über die Wertlosigkeit der bloßen Erkenntnis zu sagen (Vers 2). Sie bläht den auf, der sie besitzt, und bringt dem anderen keinen Nutzen; während die Liebe erbaut und so die Förderung des Nächsten bewirkt. Wenn ich an meiner Erkenntnis Gefallen habe, so beweise ich zunächst, dass diese Erkenntnis eine äußerliche und oberflächliche ist (Vers 2), dass ich sie nicht nach ihrem wahren und wesentlichen Inhalt aufgenommen habe und dann, dass ich Gefallen an dem habe, was ich in mir finde, was ich als mein Teil betrachte, an meiner Erkenntnis, und ich halte mich für groß in meinen eigenen Augen; wohingegen die wahre christliche Erkenntnis etwas in Gott findet; und je mehr Gott selbst erkannt wird, desto größer wird Er der Seele und desto geringer alles, was in uns ist. Gott ist Liebe; und nur wer Gott liebt, erkennt Ihn und ist auch von Ihm erkannt, und nicht der Wissende (Vers 3). Die, die Erkenntnis ohne Liebe haben, denken nur an sich! und richten andere, deren Erkenntnis oder Wissen schwächer ist; die Liebe aber verleugnet sich selbst und erbaut andere; und diese Liebe ist allein fähig, auf eine gesegnete Weise zu handeln.
Die gestellte Frage über das Essen des Götzenopfers bewies deutlich, dass nicht alle durch geistliche Einsicht in das völlige Licht darüber gebracht waren. Der Apostel geht nun auf diesen Gegenstand näher ein, indem er sagt: „Denn wenn es nämlich solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf der Erde (wie es ja viele Götter und viele Herren gibt), so ist doch für uns ein Gott, der Vater, von dem alle Dinge sind, und wir für ihn, und ein Herr, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir durch ihn“ (Verse 5.6). Die Heiden hatten viele Götter und viele Herren oder Gewalten. Der Apostel bestätigt selbst, dass es solche Obergewalten und Herrschaften gibt, Wesen, die mit den Menschen in Verbindung sind und in gewisser Beziehung über ihnen stehen (vgl. Eph 6,12). Er sagt in Kap. 10,20: „Das, was die Nationen opfern, opfern sie den Dämonen“. Für uns aber ist nur ein Gott der Vater, der die Quelle aller Dinge ist, und wir gehören Ihm und Jesus Christus, der Herr, der die Kraft und das Mittel ist, wodurch alle Dinge sind und wir durch Ihn. Er ist unser Herr, und durch Ihn sind wir von jeder anderen Macht befreit.
Doch diese Erkenntnis war nicht in allen (Vers 7), nicht jeder war von dem Einfluss der falschen Götter befreit. Wenn auch vielleicht gegen seinen Willen, so waren sie doch noch etwas für ihn. Sein schwaches Gewissen wurde beim Essen beunruhigt, indem er das, was den Götzen geopfert war, nicht einfach als eine von Gott gegebene Speise aß. Der Gedanke an das Vorhandensein eines solchen Götzen fand beim Essen der Götzenopfer wieder Raum in seinem unbefestigten Herzen, und deshalb wurde sein Gewissen befleckt (Vers 7). Vor Gott aber hatte das Essen oder Nichtessen durchaus keinen Wert. „Speise aber macht uns vor Gott nicht angenehm; weder haben wir, wenn wir nicht essen, einen Nachteil, noch haben wir, wenn wir essen, einen Vorteil“ (Vers 8). Doch wurde die Freiheit des Essens wichtig, sobald es sich um das schwache Gewissen des Bruders handelte, indem ihm dadurch ein Stein des Anstoßes in den Weg gelegt wurde, und deshalb ermahnt der Apostel: „Gebt aber Acht, dass nicht etwa dieses euer Recht den Schwachen zum Anstoß wird“ (Vers 9). Wenn der, dessen Gewissen stark genug war, im Götzentempel zu essen, durch seine Freiheit den, der schwach war, ermutigte, dasselbe zu tun, so wurde dessen Gewissen untreu und befleckt. Er tat es nicht aus Glauben; und alles, was nicht aus Glauben kommt, ist Sünde. Auf diese Weise verdarb jener, soweit es von ihm abhing, durch seine Erkenntnis einen Bruder, indem er dessen Gewissen befleckte und ihn durch Untreue dazu brachte, sich von Gott abzuwenden. Wenn auch Gott gnädig war, um ihn von der Wirkung dieser Untreue zu befreien, so verringerte dies doch in keiner Weise die Sünde dessen, der den Schwachen verleitet hatte, gegen sein Gewissen zu handeln, wodurch dieser bezüglich seiner Verantwortlichkeit zu Schaden kam. Ich verderbe durch das Essen einer Speise den, den Er durch seinen Tod errettet hat. Ich will für einen Bruder nicht einmal meine Freiheit in Bezug auf eine Speise aufgeben, während Christus für ihn, da er noch Sünder war, sein Leben gelassen hat (Vers 11). Zugleich aber sündige ich auch gegen Christus selbst, indem ich den verderbe, den Er durch die Hingabe seines eigenen Lebens errettet und durch sein eigenes Blut für sich erworben hat; ich verderbe sein Eigentum (Vers 12). Deshalb wird der, der die Liebe Christi in seinem Herzen hat, gewiss weit lieber nie Fleisch essen oder etwas tun, was seinem Bruder irgendeinen Anstoß geben und ihn zum Straucheln bringen könnte (Vers 13). Der Apostel war völlig bereit, darauf zu verzichten. Wie lieb hatte er die Herde des Herrn!