Der erste Brief an die Korinther
Kapitel 7
Außer den Berichten über den Zustand der Versammlung hatte Paulus auch einen Brief von Korinth erhalten, worin er um seine Ansicht über einige Besonderheiten befragt wurde. Der Apostel beantwortet jetzt die an ihn gerichtete Frage, die zwar verschiedene Punkte berührt, ganz allgemein mit den wenigen Worten des 17. Verses: „Wie der Herr einem jeden zugeteilt hat, wie Gott einen jeden berufen hat, so wandle er.“
Was nun zunächst das Heiraten oder Nichtheiraten anbetrifft, so sagt der Apostel im Allgemeinen: „Es ist für einen Menschen gut, keine Frau zu berühren“ (Vers 1). Hier könnte aber gefragt werden: Hat nicht der Herr bei Adam gesagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei?“ Es ist wahr, Gott selbst hat die Ehe eingeführt, Er selbst hat das Verhältnis zwischen Mann und Frau geschaffen, und sicher wird Er den nicht ungestraft lassen, der es entweiht und verachtet. Es ist aber die Sünde hineingekommen und hat alles, was der Natur, was der Schöpfung angehört, verdorben. Nun hat Gott eine andere Macht eingeführt – eine Macht, die außerhalb der Natur und über ihr steht – die Macht des Geistes; und wer dieser Macht gemäß lebt, hat das beste Teil erwählt; wer frei von den Ansprüchen der Natur sich in dieser Welt dem Dienst des Herrn weiht, tut gut daran, diese Gabe zu benutzen. Doch ist es eine Gabe, die nur wenige besitzen; und nicht selten hat das Stehen außerhalb dieses Verhältnisses, das Gott nach der Natur verordnet hat, geheime und offenbare Sünden zur Folge gehabt. Aus diesem Grund ist es besser, verheiratet zu sein (Vers 2). Und sobald ein eheliches Verhältnis besteht, treten gegenseitige Verpflichtungen ein. „Der Mann leiste der Frau die eheliche Pflicht, ebenso aber auch die Frau dem Mann“ (Vers 3). Keiner kann in dieser Beziehung mehr eigenmächtig über seinen Körper verfügen. Der Mann ist das Eigentum seiner Frau und die Frau das Eigentum ihres Mannes (Vers 4). Sie können sich zwar aus beiderseitigem Einverständnis eine Zeitlang enthalten, um sich auf eine besondere Weise dem Gebet und dem Umgang mit Gott zu widmen; aber danach sollen sie unter Anerkennung der Zusammengehörigkeit wieder zusammenkommen, damit sie wegen ihrer Unenthaltsamkeit nicht vom Satan versucht werden (Vers 5). Wenn sie keine Kraft haben, sich länger zu enthalten, so kann Satan diesen Mangel an Enthaltsamkeit leicht benutzen, um in ihren Herzen allerlei Zweifel zu erwecken und ihr Vertrauen auf Gott und seine Liebe zu schwächen.
Diese Anordnung hinsichtlich des Verhaltens im ehelichen Leben war nicht ein Gebot des Herrn, gegeben durch Offenbarung – durch Eingebung des Heiligen Geistes – sondern war eine Frucht von Erfahrungen, die der Apostel in einem Leben voll hingebender Treue durch die Kraft und Hilfe des Heiligen Geistes erlangt hatte. Wenn der Apostel in diesem Kapitel so bestimmt hervorhebt: „Dies sage ich, nicht der Herr“, so gibt uns dies einerseits einen deutlichen Beweis von der Niedrigkeit der Dinge, um die es sich hier handelt, indem der Heilige Geist es nicht für nötig zu erachten scheint, in solchen geringfügigen Angelegenheiten besondere Unterweisungen durch Offenbarung zu geben, da die geistlichen Erfahrungen des Apostels, seine Weisheit und Einsicht, die er zwar durch den Geist, aber in Verbindung mit den Übungen seines eigenen persönlichen Lebens erlangt hatte, ihn völlig befähigten, in solchen Dingen Anweisungen zu geben und Ratschläge zu erteilen, die Gott gemäß waren. Andrerseits sehen wir in diesem Kapitel so deutlich, welch einen genauen Unterschied der Apostel zwischen solchen, aus seiner eigenen Erfahrung hervorgehenden Unterweisungen und denen macht, die durch Offenbarung gegeben sind, wodurch die Eingebung seiner Schriften absolut bestätigt wird. In den wenigen Fällen, in denen diese nicht vorhanden war, wird es ausdrücklich bemerkt. Doch waren diese Eingebungen des Geistes, der in ihm wohnte, zugleich seine eigenen Gedanken und in Übereinstimmung mit seinen eigenen Erfahrungen, während die Propheten des Alten Testamentes selbst untersuchen mussten, was sie auf Eingebung des Geistes hin ausgesprochen hatten (1. Pet 1,10.11).
Der Apostel wünscht nun bezüglich des Heiratens, dass alle Menschen sein möchten, wie er selbst; „aber“, fügt er hinzu, „jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so“ (Vers 7); und dieses Bewusstsein ist geeignet, jede Überhebung in dieser Sache in Bezug auf andere zu unterdrücken.
In Bezug auf die Unverheirateten und die Witwen sagt der Apostel, dass es gut sei, wenn sie blieben wie er (Vers 8). Wenn sie sich aber nicht enthalten konnten, wenn sie nicht fähig waren, ihre geschlechtliche Kraft in Unterwürfigkeit zu halten und ihr Herz in Keuschheit zu bewahren, so war es besser, zu heiraten. Das Aufleben der Begierde übt auf das christliche Leben einen verderblichen Einfluss aus, und in diesem Fall ist immer das Band der Ehe vorzuziehen (Vers 9). Die Verheirateten aber sollen sich nicht trennen. Dies war der bestimmte Befehl des Herrn und nicht der Rat christlicher Erfahrung (Vers 10). Weder sollte die Frau vom Mann sich scheiden, noch dieser jene entlassen. Selbst wenn sie getrennt lebten, so sollte dennoch das Band der Ehe dadurch nicht als aufgelöst betrachtet werden; entweder sollten sie ledig bleiben oder sich gegenseitig aussöhnen (Vers 11). Dies galt besonders für Situationen, in der beide, Mann und Frau, gläubig waren.
Es gab aber auch solche Ehen, in denen der Mann gläubig und die Frau ungläubig war und umgekehrt. Gefiel es nun dem ungläubigen Teil, bei dem gläubigen zu wohnen, so sollte dieser keine Trennung herbeiführen (Verse 12.13). Das Gesetz des Alten Bundes erklärte zwar, dass sich ein Mann durch Verbindung mit einer heidnischen Frau verunreinigte, und er war deshalb genötigt, sie mit ihren Kindern zu entlassen (siehe Esra 10,3); unter der Gnade war es nicht so. „Denn“, sagt der Apostel, „der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den Bruder“ (Vers 14). Der persönliche Zustand des Ungläubigen verunreinigte also dieses Verhältnis nicht – es wurde vielmehr durch den Gläubigen geheiligt – und deshalb hatte dieser auch nicht nötig, sich von jenem zu trennen. Würde aber in diesem Fall das Verhältnis unrein gewesen sein, so wären auch die Kinder einer solchen Ehe unrein und machten gleichfalls eine Trennung notwendig; wie auch der Apostel sagt: „Sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig“, nicht ihrer Natur, sondern ihrer Stellung nach. Durch das geheiligte Verhältnis von dem Unreinen abgesondert, befanden sie sich äußerlich mit dem gläubigen Vater oder der gläubigen Mutter auf demselben Boden der Segnungen, indem sie sich nicht nur einer durch den Heiligen Geist geleiteten Zucht und Unterweisung vonseiten des Gläubigen erfreuen konnten, sondern auch als die Kinder derer, die die besonderen Gefäße der Liebe und Gunst Gottes sind, eine bevorzugte Stellung in seinem Herzen einnahmen. Allein ebenso wenig wie das Geheiligtsein des ungläubigen Mannes oder der ungläubigen Frau eine persönliche Bekehrung unnötig macht, wie wir ganz deutlich in Vers 16 sehen, ebenso wenig konnten diese tatsächlich an den Vorrechten der Versammlung teilnehmen, es sei denn durch ihren persönlichen Glauben an Jesus Christus.
Es hatte also der gläubige Mann seine ungläubige Frau nicht fortzuschicken noch die gläubige Frau ihren ungläubigen Mann zu verlassen; wenn aber der ungläubige Teil, sei es Mann oder Frau, die Ehe auflöste, so durfte der gläubige Teil diese Trennung anerkennen. Er war frei und nicht mehr gebunden, sich mit jenem in einem ehelichen Verhältnis zu betrachten (Vers 15). Doch hatte Gott sie zum Frieden berufen; und dieses Bewusstsein sollte sie bewahren, dass sie nicht auf irgendeine Weise eine solche Trennung herbeizuführen suchten. Außerdem gab es noch einen anderen Beweggrund, um jegliche Trennung dieser Art zu vermeiden. „Denn was weißt du, Frau, ob du den Mann erretten wirst? Oder was weißt du, Mann, ob du die Frau erretten wirst?“ (Vers 16).
Übrigens hat jeder nach der ihm verliehenen Gabe und nach der ihm von Gott gegebenen Berufung zu leben (Vers 17). Dies war die allgemeine Regel, die nun der Apostel von Vers 18–24 auf die verschiedenen Stellungen und Beschäftigungen in dieser Welt anwendet. Wollte der eine darin einen besonderen Vorzug erblicken, dass er in seiner Stellung als Heide, und der andere, dass er als Jude von Gott berufen war, so sagte der Apostel (Vers 18), dass weder das eine noch das andere vor Gott Wert habe, sondern nur „das Halten der Gebote Gottes“ (Vers 19). Ebenso wenig kommt es auf den äußeren Stand oder Beruf an, in dem wir berufen sind. Wir können in dem Stand bleiben, in dem uns Gott bei seiner Berufung findet; es sei denn, dass wir nicht mit einem guten Gewissen vor Gott darin bleiben können. Es ist auch nicht wichtig, was für eine Beschäftigung wir haben, sondern ob wir mit Gott darin leben und seinen Namen verherrlichen. In jedem Stand, in jeder Lage und in jedem Verhältnis auf der Erde ist dies die allein nötige und wichtige Sache. Erscheint uns das eine oder andere zu niedrig und zu kleinlich für uns, so stehen wir selbst hoch in unseren eigenen Augen. Oder beschäftigen wir uns nur mit den Unannehmlichkeiten und sind deshalb bemüht, aus diesen herauszukommen, so versäumen wir, den kostbaren Namen des Herrn darin zu verherrlichen. Wir denken oft, an einem anderen Ort oder in einer anderen Stellung Gott besser dienen zu können; aber Gott gedenkt uns da zu segnen und da unseren Dienst entgegenzunehmen, wo wir uns gerade befinden. Der Sklave soll sich trösten, ein Befreiter des Herrn zu sein; aber im Blick auf die Schwierigkeit, den Willen eines heidnischen und ungeistlichen Herrn mit dem Willen Gottes in Übereinstimmung zu bringen, sollte er die Gelegenheit, frei werden zu können, benutzen (Vers 21); dagegen sollte der Befreite nicht vergessen, dass er ein Sklave des Christus war (Vers 22). Er ist ja völlig sein Eigentum; denn „ihr seid um einen Preis erkauft“ (Vers 23); und diese gesegnete Tatsache sollte ihn nicht nur in steter Unterwürfigkeit erhalten, sondern ihn auch davor bewahren, sich jemals als Sklave an irgendeinen Menschen zu verkaufen und somit der Dienstknecht eines Menschen zu werden. Übrigens bleibt zu jeder Zeit und in allen Lagen das Wort des Apostels beherzigenswert: „Jeder, worin er berufen worden ist, Brüder, darin bleibe er bei Gott“ (Vers 24).
Der Apostel hat nun bisher bezüglich der Ehe von den Unverheirateten, Witwen und Verheirateten gesprochen und kommt jetzt auf jene zu sprechen, die nie in irgendeiner ehelichen Verbindung gewesen waren. In diesem Punkt hatte er kein bestimmtes Gebot vom Herrn und konnte nur als einer, der vom Herrn begnadigt war, treu zu sein, seine Meinung mitteilen (Vers 25). Schon im Blick auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten und die Anforderungen eines christlichen Lebens auf der Erde hielt er es für gut, wenn sie blieben, wie sie waren (Vers 26). „Bist du an eine Frau gebunden, so suche nicht frei zu werden; bist du frei von einer Frau, so suche keine Frau“ (Vers 27). Es war besser, nicht zu heiraten; wer aber heiratete, der sündigte nicht. „Solche“, sagt der Apostel, „werden aber Trübsal im Fleisch haben“ (Vers 28). Diese Trübsal ist heilsam für die, die außer der Ehe nicht imstande sind, ihre geschlechtliche Kraft in Unterwürfigkeit zu halten; sie ist ein mächtiges Gegengewicht für die unbezwingbare Natur.
Paulus dachte in Bezug auf die Korinther nur an Schonung, weshalb er auch in diesem Punkt so viele Freiheit ließ; doch im Blick auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten, die bis zur Ankunft des Herrn fortdauern und nicht erlauben werden, in äußerlicher Ruhe dem Herrn zu leben, spricht er die ernsten und beherzigenswerten Worte aus: „Dies aber sage ich, Brüder: Die Zeit ist gedrängt. Im Übrigen, dass auch die, die Frauen haben, seien, als hätten sie keine, und die Weinenden als nicht Weinende und die sich Freuenden als sich nicht Freuende und die Kaufenden als nicht Besitzende und die die Welt Gebrauchenden als sie nicht als Eigentum Gebrauchende, denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (Verse 29–31). In der Tat, eine ernste und sehr beherzigenswerte Ermahnung für alle Zeiten und für alle Christen, die in dieser Welt in solchen Beziehungen gefunden werden! Auf dieser Erde an sich selbst zu denken und für sich selbst besorgt zu sein, bringt keinen Nutzen, sondern vielmehr Schaden. Das Bewusstsein unserer kurzen Zeit auf dieser Erde und die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge und Verhältnisse soll uns stets davor bewahren, uns durch das Sichtbare einnehmen und aufhalten zu lassen, und darum ist es nötig, in allen Dingen unsere Natur zu unterdrücken und uns selbst zu verleugnen. Der Dienst des Herrn ist viel zu wichtig und zu gesegnet, als dass wir uns durch Selbstsucht und durch die Dinge dieses Lebens darin aufhalten lassen sollten.
Der Apostel wünschte, dass die Korinther ohne Sorgen ihren Lauf vollenden und ungeteilt ihrem Herrn dienen möchten (Vers 32). Doch nur der Unverheiratete kann sich dieses Vorrechts erfreuen, wenn die Liebe und die ungeteilte Sorge für die Dinge des Herrn ihn eine solche Stellung haben wählen lassen. Er lebt gemäß dem Geist und nicht gemäß der Natur, sogar in jenen Dingen, die Gott mit Rücksicht auf die Natur als gut verordnet hat; während der Verheiratete für die Dinge dieses Lebens besorgt sein muss, indem das eheliche Verhältnis ihm ständige Verpflichtungen gegen seine Frau und Kinder auferlegt (Verse 33.34). Doch kann er jetzt, da durch das eheliche Band die Anforderungen seiner Natur zum Schweigen gebracht sind, mit einem ruhigen Herzen vorangehen und Gott durch ein heiliges und Ihm wohlgefälliges Leben verherrlichen.
Der Apostel gab aber nicht deshalb dem ledigen Stand so entschieden den Vorzug, um dadurch die Herzen der Korinther zu beunruhigen, sondern zu ihrem Nutzen. Es war in der Tat lobenswert, um des Herrn willen dem ehelichen Leben zu entsagen, weil sie nur dann imstande waren, Ihm ungeteilt ihren ganzen Dienst und ihr ganzes Leben widmen zu können (Vers 35). „Wenn aber jemand denkt, er handle ungeziemend mit seiner Jungfrauschaft, wenn er über die Jahre der Blüte hinausgeht, und es muss so geschehen, so tue er, was er will; er sündigt nicht; sie mögen heiraten. Wer aber im Herzen feststeht und keine Not, sondern Gewalt hat über seinen eigenen Willen und dies in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrauschaft zu bewahren, der wird wohltun. Also, wer heiratet, tut wohl, und wer nicht heiratet, wird besser tun“ (Verse 36–38). Es handelt sich hier nicht, wie man nach verschiedenen Übersetzungen vermuten könnte, um die Tochter eines Christen, sondern um die persönliche Stellung eines Unverheirateten, seien es Mann oder Frau. Wenn es jemand für passend hält, zu heiraten, so hat er die Freiheit, es zu tun – er sündigt nicht; hat er aber Macht über sich selbst, ist er fähig, seine geschlechtliche Kraft in Unterwürfigkeit zu halten und ohne Not und Unruhe ledig zu bleiben und ist dazu in seinem Herzen entschlossen, so ist es besser.
Dieselbe Freiheit hat auch eine Frau, deren Mann gestorben ist. „Sie ist frei, sich zu verheiraten, mit wem sie will, nur im Herrn“ (Vers 39), d. h. in Gemeinschaft mit Ihm. „Glückseliger ist sie aber, wenn sie so bleibt, nach meiner Meinung; ich denke aber, dass auch ich Gottes Geist habe“ (Vers 40). Diese Ratschläge sind zwar keine göttlichen Offenbarungen, aber es sind die Ratschläge eines Mannes, der, geleitet durch diesen Geist, mit Einsicht und Weisheit erfüllt war und der, wie kein anderer, sagen konnte: „Auch ich habe Gottes Geist.“ Und in der Tat ist es sehr bewunderungswürdig, die Heiligkeit in allen diesen Anordnungen, in den Dingen, die die Wünsche des Fleisches so sehr berühren, zu sehen; Anordnungen, die uns nach allen Seiten hin ein sicheres Geleit in den momentanen Lebenssituationen und gegenüber der Sünde geben und uns gleichzeitig ein herrliches und vollkommenes Zeugnis von der Liebe und Herablassung Gottes gegen sein Volk während dessen Zeit auf der Erde zeigen.