Wenn das erste Kapitel unseres Briefes vor allem die Tatsache betont, daß das Kreuz Christi das Ende des Menschen nach dem Fleische bedeutet, weil das Verhalten der Korinther die Frucht ungerichteten Fleisches war, so gibt uns das 15. Kapitel einen noch viel einfacheren Begriff vom Kreuz. Unter den Korinthern gab es gewisse Leute, welche die Lehre von der Auferstehung angriffen, indem sie lehrten, „es gebe keine Auferstehung der Toten“, und man ließ sie ruhig gewähren. Diese Lehre „zerstörte“ aber den Glauben; daher wiederholt der Apostel zwei- oder dreimal, daß, wenn die Korinther sie annähmen, ihr „Glaube eitel sei“. Bei dieser Gelegenheit erinnert er sie an das einfache Evangelium, das er ihnen gepredigt hatte; und ich muß sagen, daß ich keine Stelle im ganzen Neuen Testament kenne, die uns das Evangelium einfacher und klarer in seinen Grundzügen darstellte. Bevor ich aber näher auf das Kapitel eingehe, möchte ich bemerken, daß der Feind, wenn er die Lehre Christi angreift, stets bezweckt, unsere Seelen vom Himmel zu lösen und sie auf die Erde herabzuziehen. Ich führe drei Beispiele zum Beweis dieser Behauptung an. Als erstes Hymenäus und Philetus. (2. Tim 2,17+18) Diese beiden Männer behaupteten, daß „die Auferstehung schon gestehen sei“, und zerstörten auf diese Weise den Glauben etlicher. Zweitens die Leute, die in der Versammlung zu Korinth lehrten, daß es „keine Auferstehung der Toten gebe“. Nun, wenn es überhaupt keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist uns der Himmel verschlossen, und wir können niemals mit unseren verherrlichten Leibern dort einziehen, denn in diesem ganzen Kapitel handelt es sich um die Auferstehung des Leibes. Wenn anderseits die Auferstehung schon geschehen ist, dann sind wir dazu verurteilt, in dieser Welt zu bleiben, mit all unseren irdischen Gedanken und ohne jede himmlische Hoffnung. Um diese ihre falsche Lehre zu stützen, beriefen sich jene Männer zweifellos auf den Ausspruch des Apostels, daß wir mit Christo auferweckt sind. In einem dritten Fall (2. Thes 2,2) lehrten falsche Lehrer, daß „der Tag des Herrn“ da sei. Die armen Thessalonicher mochten in der Drangsal der Verfolgung, die sie zu erleiden hatten, wohl versucht sein zu denken, der Tag des Gerichts sei gekommen. Aber das Kommen Christi geht dem Tage des Herrn voraus. Indem nun diese falsche Lehre jene Tatsache untergrub, entzog sie zugleich der Wahrheit von dem Kommen des Herrn in Gnade, der Hoffnung der Thessalonicher, den Boden. Wir leben heute in den traurigen Zeiten des Endes, und da gilt es, ebenso wie damals, sich davor zu hüten, unser Ohr solch schriftwidrigen Lehren zu leihen. Der Zweck Satans ist, wie gesagt, uns von Christo zu trennen und uns in die Welt einzureihen, so als ob wir immer in ihr zu bleiben hätten. Wie überaus wichtig ist es in solchen Tagen, die Lehre des Evangeliums festzuhalten! Ich habe schon oft Christen sagen hören: „Ich lege nicht so viel Wert auf die Lehre. Was uns nötig ist, ist praktisches Christentum.“ Wer aber so denkt, setzt sich der Gefahr aus, durch den Feind vom Herrn und Seinem Wort abgelenkt zu werden. So würde ein Angriff auf die Lehre von der Auferstehung und der Ankunft des Herrn nichts anderes bedeuten, als die Seelen wieder auf einen Boden zurückzuführen, wo Satan alle Gewalt über sie hat. In den gefährlichen Zeiten, durch die wir hindurch müssen, ist es vor allem wichtig, hierauf mit aller Entschiedenheit hinzuweisen. Der 2. Brief an die Thessalonicher, der 2. an Timotheus, der 2. Brief des Petrus und der des Judas zeigen uns, daß Satan weniger oft sucht, die Seelen in sittliches Verderben und Böses zu stürzen, als ihnen vielmehr den Geschmack an dem lauteren Evangelium zu nehmen, denn er weiß sehr wohl, daß wir in seiner Macht sind, wenn wir das Evangelium preisgeben. Die gotteslästerlichen Lehren des Unglaubens sind die deutlichsten Kennzeichen der Endzeit. Viele Christen lassen sich in ihrem Urteil durch die Tatsache beirren, daß sie anerkannt Ungläubige manchmal ein äußerlich tadelloses Leben führen sehen. Sie vergessen dabei, daß Gott vor allem darüber Rechenschaft fordern wird, wie die Menschen Seinen geliebten Sohn behandelt und Sein Werk gewürdigt haben. Kommen wir jetzt auf die ersten Verse unseres Kapitels zurück! „Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe“ (V. 3). Die Korinther hatten das Evangelium durch Vermittlung des Apostels empfangen, der es seinerseits auch empfangen hatte. Paulus sagt hier nicht: „von dem Herrn empfangen“ - als eine besondere Offenbarung - sondern einfach „empfangen“. „Die Schriften“ hatten ihn über das belehrt, was er den Korinthern mitgeteilt hatte. Wie der Apostel besitzen wir, um das Evangelium kennen zu lernen, eine einzige Quelle: „die Schriften“. Dieses einfache Evangelium hatten die Korinther aufgenommen und waren durch dasselbe „errettet“ worden. Und worin bestand es? Darin, daß „Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften; und daß er begraben wurde, und daß er auferweckt worden ist am dritten Tage, nach den Schriften“. Wir finden am Kreuze Christi einen unerschöpflichen Schatz von Wahrheiten. Betrachten wir es im einzelnen, so finden wir, daß sich die Stunden am Kreuz aus verschiedenen Abschnitten zusammensetzen, und die Betrachtung eines jeden einzelnen dieser Abschnitte ist unendlich kostbar. Hier aber stellt der Apostel das Kreuz als ein Ganzes dar. „Christus ist für unsere Sünden gestorben, nach den Schriften.“ Die Seele, welche dieses Evangelium aufgenommen hat, ist errettet. Sie braucht nichts anderes mehr. Die Schriften geben Zeugnis von der Tatsache. Das Alte Testament ist voll davon. Das Gesetz stellt uns von Anfang bis Ende ein Opfer vor Augen, das für die Sünden des Volkes gestorben ist. Abel tritt vor Gott mit einem Opferlamm und empfängt das Zeugnis, daß er gerecht sei. Die Psalmen zeigen uns, daß die Opfer nur als Vorbilder auf den Tod des Lammes Gottes Wert haben. (vgl. Ps 40,6+7) Der erste der Propheten, Jesaja, verkündigt diesen Tod. Einer der letzten, Sacharja, bestätigt ihn: „Schwert, erwache wider meinen Hirten!“ Nach den Schriften beruht jede Segnung auf der Grundlage, daß Christus für unsere Sünden gestorben ist. Welche Kraft liegt doch in dem einfachen Evangelium! Weiter:“Er wurde begraben.“ Sein Sühnungswerk hat im Grabe sein Ende gefunden, wo alle Sünden, die Er getragen hat, gleichsam mit Ihm begraben worden sind. Schließlich: “Er ist auferweckt worden am dritten Tage, nach den Schriften.“ Hinweise auf diese Seine Auferstehung am dritten Tage finden sich ebenso wie diejenigen auf seinen Tod von Anfang bis Ende in den Schriften. So steht Isaak drei Tage unter dem Urteil des Todes. Dann findet Abraham einen Stellvertreter für ihn und erhält am dritten Tage seinen Sohn gleichsam in Auferstehung zurück. Jonas ist drei Tage im „Schoße des Scheols“ im Bauch des großen Fisches. Am dritten Tage wird er ans Land ausgespieen und schaut das Licht wieder. In den Evangelien weist der Herr zu verschiedenen Malen auf diese große Tatsache hin. Immer wieder kündigt Er dem Volk und Seinen Jüngern diesen dritten Tag an. Der Prophet Hosea sagt: „Er wird uns nach zwei Tagen wieder beleben, am dritten Tage uns aufrichten“ (Kap. 6,2). Doch wir wollen die Anführungen hierüber nicht noch mehr häufen. Wie gesagt, zeugen die Schriften von Anfang bis Ende von diesen Dingen. Jedoch bedurfte es neben dem Zeugnis der Schriften noch dessen der Augenzeugen der Auferstehung. Wir finden sie in den folgenden Versen. Gott hat dafür Sorge getragen, daß ihrer viele sind. Außer von den Zwölfen ist der auferstandene Herr von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal gesehen worden, wahrscheinlich in Galiläa. Angesichts solcher Zeugnisse war es trotz aller Bemühungen des Feindes unmöglich, dieses Ereignis zu leugnen. Was wäre auch geworden, wenn die Auferstehung nicht stattgefunden hätte? Wir wären noch in unseren Sünden, rettungslos verloren. So sind diese beiden Tatsachen, der Tod und die Auferstehung Christi, unzertrennlich miteinander verbunden, wie es im Römerbrief heißt: „Er ist unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm 4,25). Wenn Gott Jesum im Grabe gelassen hätte, so wäre damit erwiesen, daß das zu unserem Heil unternommene Werk kläglich gescheitert ist, und die Jünger wären als falsche Zeugen erfunden worden. Es scheint fast so, als ob die Leute, welche den Korinthern diese umstürzlerischen Lehren brachten, die Auferstehung Christi nicht geleugnet hätten. Sie zogen aber keinerlei Rückschlüsse daraus. Wie die Sadducäer leugneten sie die Auferstehung der Toten. Es ist der Apostel, der den Schluß zieht, daß in diesem Fall der Mensch Christus Jesus auch nicht auferweckt worden sei. Wenn die Menschen nicht auferstehen, hat auch Christus nicht auferstehen können.
Von all den Zeugen der Auferstehung war der Apostel selbst ihr ganz besonderer Zeuge. Jesus war von ihm gesehen worden wie von einer unzeitigen Geburt, einem vorzeitig geborenen Kinde, das kein Recht hat zu leben. Trotzdem hatte er das Vorrecht gehabt, als der erste den auferstandenen Herrn in der Herrlichkeit zu schauen. Die Apostel hatten Ihn nach Seiner Auferstehung in ihrer Mitte gesehen, sodann, wie Er, sie verlassend, vor ihren Augen entschwand. Paulus aber hatte etwas ganz anderes gesehen. Für ihn hatte sich der Himmel geöffnet, und er hatte sich diesem Menschen Jesus gegenüber befunden - dem Gott, der Licht ist - und war davon in den Staub geworfen worden. Aber diese selbe Persönlichkeit hatte voller Gnade mit ihm geredet. Der, welcher Licht ist, ist auch Liebe, Paulus war in diesem Menschen Gott begegnet zum Heil. „Ich bin nicht würdig, ein Apostel genannt zu werden“, sagt er, „aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Er, der sich selbst keinerlei Verdienst beimißt, wird der größte der Apostel. „Und seine Gnade gegen mich ist nicht vergeblich gewesen“ (V. 10). Immer die Gnade! Wenn Paulus das Mittel geworden ist, um dieses Evangelium mit einer ganz besonderen Kraft zu verkündigen, so doch nur durch die Gnade Gottes in Christo. Wenn man das Evangelium der Auferstehung nicht annimmt, stürzt alles zusammen: das Werk des Heils, die Vergebung der Sünden, die Rechtfertigung, ja, der Erlöser selbst ist verloren. Wie ist doch sogar die bekennende orthodoxe Christenheit, welche die Auferstehung bejaht, weit davon entfernt, ihr die Bedeutung zu geben, die ihr zukommt! Die Auferstehung des Leibes findet wenig Raum in der Predigt. Es scheint manchmal, wenn man diese im übrigen durchaus achtenswerten Christen hört, als ob der Zustand der Seele nach dem Tode alles sei, was ihre Gedanken beschäftigt. Möge Gott uns davor bewahren, irgend etwas von dem Evangelium, wie die Schriften es lehren, aufzugeben! Möge es uns im Gegenteil geschenkt sein, in diesen gefahrvollen Zeiten unverrückt an diesem einfachen Evangelium festzuhalten: dem Tod Christi für unsere Sünden und Seiner Auferstehung, welche gleichzeitig die Besiegelung Seines Werkes und die Gewähr für unsere eigene Auferstehung ist. Satan wird immer darauf ausgehen, diese großen Wahrheiten in unseren Herzen zu verkleinern, um uns den irdischen Dingen anzupassen, die uns weder Kraft, noch Freude, noch Gewißheit zu geben vermögen. Daher schreibt Paulus mit Recht an Timotheus: „Halte im Gedächtnis Jesum Christum, auferweckt aus den Toten“ (2. Tim 2,8).