Mose, der Mann Gottes

Noch 38 Jahre ...

Mose, der Mann Gottes

... in Ungemach mit dem Volk Gottes

In 5. Mose 2,14-15 lesen wir: „Die Tage aber, die wir von Kades-Barnea gegangen sind... waren 38 Jahre, bis das ganze Geschlecht der Kriegsleute aus dem Lager aufgerieben war.“ Diese Männer hatten in Kades-Barnea eine Wahl getroffen: Sie hatten nicht den Glauben gehabt, hinaufzusteigen, um das Land der Kanaaniter in Besitz zu nehmen, wozu Kaleb und Josua sie aufgerufen hatten. Aus Furcht vor den Feinden hatten sie es aufgegeben. Sowohl für die Errettung als auch für das Glaubensleben gibt es entscheidende Tage im Leben, wo man sich vor einer Wegkreuzung befindet. Entscheidet sich der Einzelne wirklich für den Herrn, um Ihm anzuhangen und Ihm den ersten Platz zu geben? Oder will er noch für eine kleine Zeit, wie man so oft denkt, die Dinge der Welt genießen? Dann wird ihn der breite Weg von der Gemeinschaft mit dem Herrn weit weg führen. Für die Israeliten gab es kein Zurück, keine Wiederherstellung. Unter der Regierung Gottes haben ihre Gräber die Wege in der Wüste markiert.

Wir werden uns nicht bei den verschiedenen Ereignissen dieser langen Jahre aufhalten, wovon das Wort berichtet, mit Ausnahme von dreien, die den Charakter Moses besonders hervorheben: Die Verleumdung Mirjams, die Empörung Korahs, der Hader von Meriba.

1. Sanftmut und Demut gegenüber Eifersucht und Empörung

a) Die Verleumdung Mirjams (4. Mose 12)

Mirjam, die ältere Schwester Moses, hatte mit ihm Ägypten verlassen, hatte die Frauen im Reigen angeführt beim Triumphgesang am Roten Meer und sich ohne Zweifel eine bedeutende Stellung erworben, sowohl im Kreis der Familie, durch ihr Alter, als auch unter dem Volk (Micha 6,4) 1.

Aber nun erschien Zippora 2, die für eine Zeit von Mose getrennt war, wieder auf der Bildfläche (2. Mo 18,2). Mose war jetzt von seiner Frau begleitet, und Mirjam konnte nicht mehr ganz denselben Platz einnehmen wie vorher! Wie es in ähnlichen Fällen so leicht vorkommt, beginnt sie ihren Bruder zu kritisieren, gegen ihn zu reden, ihn zu verleumden.

Sie gewinnt Aaron für ihre Sache und beide wagen es einzuwerfen: „Hat der HERR nur mit Mose allein geredet? Hat er nicht auch mit uns geredet?“ (4. Mo 12,2). Wie oft führen auch unter Glaubenden Neid und Eifersucht zu übler Nachrede, wenn nicht gar zu Verleumdung. In 1. Petrus 2,1 wird uns gezeigt, dass Neid und alles üble Nachreden abzulegen sind, wenn man sich von der vernünftigen Milch des Wortes nähren, sich dem Herrn nähern und Gottesdienst üben will. Unser Kapitel unterstreicht den Ernst dieser Verfehlungen. Zudem, verblendet durch die Wichtigkeit, die sie sich selbst beimessen, anerkennen Mirjam und Aaron nicht den Platz, den Gott Mose gegeben hat.

„Der HERR hörte es“ (4. Mo 12,2). Man glaubt, nur eine Verleumdung ins Ohr seines Bruders oder seiner Schwester geflüstert zu haben, unter dem Vorbehalt, ja nichts auszuplaudern! Aber denken wir daran: Der Herr hat es gehört, und Er wird die erforderlichen Konsequenzen daraus ziehen. Mose hatte wohl Kenntnis von den bösen Worten, die Mirjam gegen ihn ausstreute. Aber die Schrift sagt deutlich, dass er sehr sanftmütig war, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren. Mose schweigt in seiner Demut, wie auch sein Meister es nach ihm tun wird. Wenn man Gegenstand übler Nachrede geworden ist und Verleumdungen wahrnimmt, ist es da nicht geziemend, sich Gott zu übergeben, der im richtigen Augenblick Licht geben und kein größeres Maß an schlimmen Folgen zulassen wird, als Er für Seinen Diener nötig findet?

„Plötzlich“ tritt der HERR dazwischen. Er gebietet Mose, Aaron und Mirjam, zum Zelt der Zusammenkunft hinauszugehen. Die letzteren zwei bilden sich vielleicht ein, es werde sich nun wiederholen, was soeben mit den siebzig Ältesten geschehen war: Der HERR werde von dem Geist nehmen, der auf ihrem jüngeren Bruder war und ihn auf sie legen! Wenn dies ihre Gedanken sind, werden sie jetzt rasch ernüchtert! Der HERR ruft Aaron und Mirjam, sie sollen allein vor Ihm erscheinen und Seine Worte hören. Er ergreift die Verteidigung Moses und sagt:

„Warum habt ihr euch nicht gefürchtet, gegen meinen Knecht, gegen Mose, zu reden?“ Ein Vers, den wir in unserer Bibel wohl unterstreichen und beherzigen sollten, um vor ähnlichem Tun bewahrt zu werden. Wie leicht kritisiert man die Diener Gottes, ihren Dienst und ihr Verhalten!

Der Zorn des HERRN entbrennt, die Wolke weicht von dem Zelt „und siehe, Mirjam war aussätzig wie Schnee“. Sie muss die Folgen ihres Vergehens tragen. Mose tritt für sie ein, ein neuer Beweis seiner Liebe und seiner Demut. Aber das ganze Volk wird nun erfahren, welche Züchtigung über die Prophetin gekommen ist, weil sie sich nicht gefürchtet hat, Schlechtes über ihren Bruder zu sagen. Sieben Tage lang muss sie aus dem Lager ausgeschlossen bleiben. Israel wird auf seiner Reise aufgehalten, bis Mirjam wieder aufgenommen ist. Es genügt nicht, ein Vergehen zu bedauern; man muss in seinem Innersten empfinden, wie schwerwiegend es in den Augen Gottes und vielleicht auch in den Augen der Menschen gewesen ist.

Heben wir die Haltung Moses hervor, der für seine Schwester bittet und sich für sie verwendet, wie Hiob es für seine Freunde getan hat! Auch der Apostel Johannes leitet an, so zu handeln, wenn man seinen Bruder sündigen sieht (1. Joh 5,16). Matthäus 18 lehrt uns, zu einem solchen Bruder zu gehen, mit der Absicht, ihn zu gewinnen. Wenn ein solcher Schritt zu keinem Ergebnis führt, obwohl er im Geist von Johannes 13 (Fußwaschung) getan wird, so müssen noch zwei oder drei Brüder zugezogen werden, um zu versuchen, den Bruder wiederherzustellen. Erst nachdem sich die Nutzlosigkeit dieses zweiten Besuches erwiesen hat, wird gesagt, dass der Versammlung Mitteilung gemacht werden soll, vorausgesetzt, dass der Fall schwerwiegend genug ist. Auf keinen Fall darf das Böse nach links und nach rechts ausgebreitet werden. Vergessen wir nicht was es Mirjam gekostet hat!

b) Die Empörung Korahs (4. Mose 16)

Dieses Kapitel berichtet von der ernstesten Schwierigkeit, die Mose während der vierzig Wüstenjahre begegnet ist. Korah, ein Levit und Kehathiter, erhebt sich in seinem Geist, schart 250 Männer, Fürsten der Gemeinde, um sich und möchte die religiösen Macht an sich ziehen: Warum sollte das Priestertum nur auf die Familie Aarons begrenzt sein? Weshalb sollten die Leviten nicht auch Zugang dazu haben? Übrigens ist doch die ganze Gemeinde Israels heilig, der HERR ist ja in ihrer Mitte! Warum erheben sich Mose und Aaron über die Versammlung des HERRN? - Nicht erst heute ist es so, dass der Eifer für die Heiligkeit der Versammlung oft nur ein Mittel ist, um sich selbst in den Vordergrund zu stellen und sich wichtig zu machen.

Dathan, Abiram und On, die Rubeniter, trachten nach der zivilen Autorität Moses, so würden wir sagen. „Ist es zu wenig..., dass du dich auch zum Herrscher über uns aufwirfst?“ (Vers 13).

Die doppelte Empörung nimmt immer größere Formen an und ergreift die ganze Versammlung (Vers 19).

Was wird Mose tun? Wie so viele andere Male fällt er auf sein Angesicht (während Korah seinen Geist erhebt!) und überlässt Gott die Entscheidung: „Morgen, da wird der HERR kundtun... wen er erwählt hat“ (Vers 5). Einerseits lässt Mose Gott entscheiden und die Stellung bestätigen, die Er einem jeden gegeben hat, anderseits aber wartet er auf „morgen“ und will nichts übereilen, sondern Korah und seinen Anhängern trotz der ernsten Lage, noch Zeit zur Buße einräumen.

Angesichts einer solchen Undankbarkeit, einer solchen Empörung hätte der Führer verzichten, davongehen und das Volk seinem Schicksal überlassen können. Er bleibt jedoch, der Verantwortung bewusst, die ihm die von Gott gegebene Stellung auferlegte. Er bewahrt sich alle Autorität, obwohl in sich selbst von Demut und Gnade durchdrungen.

Ist das nicht die wichtige Lektion, die aus unserem Kapitel hervorgeht: Die Stellung, die Gott einem jeden inmitten Seines Volkes gegeben hat, muss anerkannt werden. Im Leib des Christus haben die Glieder nicht alle dieselbe Aufgabe. Gott hat jedes in dem Leib gesetzt, wie es Ihm gefallen hat. Die einen können nicht zu den anderen sagen: Wir brauchen euch nicht; noch ist es zulässig, von den scheinbar weniger wichtigen Gliedern zu denken, dass, weil sie nicht das ganze Ansehen eines anderen haben, sie nicht von dem Leib wären. Die Leviten, Mose hebt es hervor, haben eine bevorzugte Stellung. Sie können dem HERRN nahen, um den Dienst der Wohnung zu verrichten (Vers 9). Warum also auch nach dem Priestertum trachten? Wenn Gott es der Familie Aarons anvertrauen wollte, muss man dann nicht ihre Stellung anerkennen? Desgleichen, wenn Gott Mose mit Autorität bekleidet hat, gilt es dann nicht, zu gehorchen und sich ihr zu unterwerfen?

Heute verhält es sich nicht mehr ganz gleich, weil alle Gläubigen Priester sind. Aber das Wort anerkennt Älteste und Führer, denen man unterworfen sein muss. Solche, die am Wort dienen, sind umso mehr in Liebe zu achten. Ist es nicht vor allem wichtig, den Platz zu unterscheiden, den Dienst, den der Herr jedem einzelnen persönlich anvertraut hat? Dann aber gilt es, durch die Gnade, die Er geben will, und in Seiner Abhängigkeit, Ihm treu zu entsprechen suchen, ohne auf das Gebiet, das der Herr anderen anvertraut hat, übertreten zu wollen.

Angesichts der Unverschämtheit von Dathan und Abiram vertraut sich Mose ein weiteres Mal dem HERRN an (Vers 15). Anderntags versammelt Korah seine 250 Männer. Alle miteinander bringen am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft Räucherwerk dar und üben so die Funktion von Priestern aus.

Von neuem droht der HERR, das ganze Volk zu vernichten (Vers 21). Aufgrund der Fürbitte Moses verschont Er es jedoch unter der Bedingung, dass die Gemeinde von der Wohnung Korahs, Dathans und Abirams weiche und sich von ihnen absondere. Der Fall ist zu ernst, als dass Gott Barmherzigkeit üben könnte oder dass diese Menschen einfach aus der Gemeinde ausgeschlossen werden sollten. Man muss sich von ihnen entfernen und sie ihrem Los überlassen.

Sie selbst ziehen daraus keine Lehre. Im Gegenteil, sie postieren sich am Eingang ihrer Zelte mit ihren Frauen und ihren Söhnen und ihren kleinen Kindern und zeigen keinerlei Schuldbewusstsein. Plötzlich tut der Erdboden seinen Mund auf und verschlingt sie. Auch geht Feuer von dem HERRN aus und frisst die 250 Männer, die das Räucherwerk dargebracht hatten. Das ganze Volk soll so erkennen, dass einzig die Fürbitte Moses, ein Vorbild von Christus, sie vor dem Verderben bewahren konnte, aber auch dass das Gericht Gottes die unbußfertigen Schuldigen nicht verschont.

Anderntags ist die Ruhe nicht wiederhergestellt wie nach der Sache des goldenen Kalbes. Die ganze Gemeinde murrt von neuem gegen Mose und gegen Aaron und klagt sie an, das Volk des HERRN getötet zu haben. Eine Plage kommt über sie, die sie vernichtet hätte, wenn nicht Aaron auf Veranlassung Moses die Räucherpfanne genommen und sich zwischen die Toten und die Lebendigen gestellt hätte, um der Plage zu wehren. Das Räucherwerk redet von einem Opfer, dessen Wohlgeruch zu Gott emporstieg - ein Bild von dem vollkommenen Opfer Christi, das allein die vom ewigen Tod zu erretten vermag, die auf Ihn vertrauen. Dieses Mal wurden 14 700 Personen getroffen. Das zeigt, wie ernst es ist, sich gegen das Gericht Gottes aufzulehnen, wenn es sich deutlich offenbart hat.

Gott wollte das Priestertum Aarons jedoch noch öffentlich bestätigen. Er gibt ein Zeichen, um den, den Er erwählt hat, deutlich zu bestimmen. Nicht ein Zeichen des Todes, wie das Feuer es war, das die 250 Männer verzehrte, sondern das Zeichen des Lebens: den Stab Aarons, der zusammen mit den Stäben der Fürsten der zwölf Stämme ins Heiligtum gelegt wurde, Sprossen trieb, Blüten brachte und Mandeln reifte. Ist Aaron hierin nicht das Bild jenes anderen Priesters, der nicht nach dem Gesetz eines fleischlichen Gebots eingesetzt worden ist, sondern nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens? (Heb 7,16).

2. Der Hader von Meriba

„Und die Kinder Israel, die ganze Gemeinde, kamen in die Wüste Zin, im ersten Monat; und das Volk blieb in Kades; und Mirjam starb dort und wurde dort begraben.
Und es war kein Wasser da für die Gemeinde, und sie versammelten sich gegen Mose und gegen Aaron. Und das Volk haderte mit Mose, und sie sprachen und sagten: Wären wir doch umgekommen, als unsere Brüder vor dem HERRN umkamen! Und warum habt ihr die Versammlung des HERRN in diese Wüste gebracht, dass wir da sterben, wir und unser Vieh? Und warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt, um uns an diesen bösen Ort zu bringen? Es ist kein Ort der Aussaat und der Feigenbäume und der Weinstöcke und der Granatbäume, und es gibt kein Wasser zu trinken.
Und Mose und Aaron gingen von der Versammlung weg zum Eingang des Zeltes der Zusammenkunft und fielen auf ihr Angesicht; und die Herrlichkeit des HERRN erschien ihnen. Und der HERR redete zu Mose und sprach: Nimm den Stab und versammle die Gemeinde, du und dein Bruder Aaron, und redet vor ihren Augen zu dem Felsen, so wird er sein Wasser geben; und du wirst ihnen Wasser aus dem Felsen hervorbringen und der Gemeinde zu trinken geben und ihrem Vieh. Und Mose nahm den Stab vor dem HERRN weg, so wie er ihm geboten hatte. Und Mose und Aaron versammelten die Versammlung vor dem Felsen; und er sprach zu ihnen: Hört doch, ihr Widerspenstigen! Werden wir euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen? Und Mose erhob seine Hand und schlug den Felsen mit seinem Stab zweimal; da kam viel Wasser heraus, und die Gemeinde trank und ihr Vieh.
Da sprach der HERR zu Mose und zu Aaron: Weil ihr mir nicht geglaubt habt, mich vor den Augen der Kinder Israel zu heiligen, darum sollt ihr diese Versammlung nicht in das Land bringen, das ich ihnen gegeben habe. Das ist das Wasser von Meriba, wo die Kinder Israel mit dem HERRN haderten und er sich an ihnen heiligte“ (4. Mo 20,1-13).

Nun sind wir beim vierzigsten Jahre in der Wüste angekommen. Seit der Begebenheit der Kundschafter, im zweiten Jahr, ist das Volk nach links und nach rechts umhergeirrt, und sammelt sich schließlich in Kades.

Da stirbt Mirjam und wird begraben. Das Geschwistertrio löst sich auf.

Wieder einmal fehlt es an Wasser. Wie wird nun die neue, in der Wüste aufgewachsene Generation, die das Gesetz und dessen Verordnungen kennt, die das Gedächtnis des Passahs gefeiert hat und in dessen Mitte die Stiftshütte ist, auf diese Schwierigkeit reagieren? Man könnte verstehen, wenn die, die in Ägypten aufgewachsen sind, gemurrt hätten. Aber die Jungen, die die Unterweisung Moses gehört und seine Pflege erfahren haben, die so oft die Herrlichkeit des HERRN erscheinen sahen, werden sie sich nicht besser betragen? Das ist nicht so. Das Menschenherz bleibt sich immer gleich. Von neuem gab es Murren, Vorwürfe und vielerlei Warum.

Mose und Aaron fallen auf ihr Angesicht, nicht vor der Versammlung wie bei anderen Gelegenheiten, nein, sie gehen „von der Versammlung hinweg zum Eingang des Zeltes der Zusammenkunft“ (4. Mo 20,6). Die Herrlichkeit des HERRN erscheint ihnen, diesmal nicht, um das Volk zu vernichten, sondern um Gnade zu üben, aufgrund des Priestertums, das durch das im Stab Aarons offenbarte Leben bestätigt worden ist. Der HERR gibt Mose genaue Anweisungen: Er soll „den Stab vor den HERRN“, der gesprosst hatte, wegnehmen, die Gemeinde versammeln und vor ihren Augen zu dem Felsen reden. Mose nimmt den Stab, wie der HERR ihm geboten hat, und die beiden Brüder versammeln die Gemeinde vor dem Felsen. Augenblick der Spannung, der Gereiztheit, der Entrüstung seitens Moses, dessen unbedachte Handlung seinen Lauf abbrechen wird: „Höret doch, ihr Widerspenstigen! Werden wir euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen?“ Und Mose erhob seine Hand und schlug den Felsen mit seinem Stab zweimal.

Hatte der Glaube Moses nachgelassen? Hatte ihn die anhaltende Undankbarkeit des Volkes ermüdet? Wie dem auch sei, es fehlt ihm an Glauben, um einfach zum Felsen zu reden. Er will durch das Schlagen mit seinem Stab seiner Autorität Ausdruck geben und ist dadurch dem genauen Wort des HERRN gegenüber ungehorsam, der ihm doch gebot, einfach zum Felsen zu reden, mit dem Stab der Gnade in seiner Hand, der mit dem Priestertum verbunden war. In der Tat, nur die Gnade konnte das Volk in das Land einführen, niemals die Autorität, noch der Stab des Gerichts. Auch sollte Christus, vorgebildet durch den Felsen, nur einmal geschlagen werden. Selbst, wenn Mose nicht die ganze Tragweite seines Tuns zu erfassen vermochte, so war es doch sehr ernst, den Felsen ein zweites Mal zu schlagen.

„Weil ihr mir nicht geglaubt habt, mich vor den Augen der Kinder Israel zu heiligen, deswegen sollt ihr diese Versammlung nicht in das Land bringen“ (Vers 12). Der göttliche Urteilsspruch scheint uns in keinem Verhältnis zum Fehler zu stehen. Aber der HERR hält diejenigen, die viel empfangen haben, besonders Seine Diener, für verantwortlicher.

Mose fleht seinen Gott wiederholt an, Sein Urteil zu widerrufen. Aber die göttliche Entscheidung ist unerbittlich (5. Mo 3,25-26). Der Greis findet wohl die Gemeinschaft und die Vertrautheit mit dem Herrn wieder, aber die Folgen bleiben unter der göttlichen Regierung bestehen: „Du sollst nicht über den Jordan ziehen.“ So war es auch bei David mit dem Kind der Bathseba.

3. Allein auf dem Pisga

„Und Mose stieg von den Ebenen Moabs auf den Berg Nebo, den Gipfel des Pisga, der Jericho gegenüber ist. Und der HERR ließ ihn das ganze Land sehen: das Land Gilead bis Dan, und das ganze Land Naphtali und das Land Ephraim und Manasse, und das ganze Land Juda bis zum hinteren Meer; und den Süden und den Jordankreis, die Talebene von Jericho, der Palmenstadt, bis Zoar. Und der HERR sprach zu ihm: Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe, indem ich sprach: Deinen Nachkommen will ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen sehen lassen, aber du sollst nicht hinübergehen. Und Mose, der Knecht des HERRN, starb dort im Land Moab, nach dem Wort des HERRN. Und er begrub ihn im Tal, im Land Moab, Beth-Peor gegenüber; und niemand kennt sein Grab bis auf diesen Tag. Und Mose war 120 Jahre alt, als er starb; sein Auge war nicht schwach geworden und seine Kraft nicht geschwunden. Und die Kinder Israel beweinten Mose in den Ebenen Moabs dreißig Tage lang; und die Tage des Weinens der Trauer um Mose wurden vollendet.
Und Josua, der Sohn Nuns, war erfüllt mit dem Geist der Weisheit; denn Mose hatte seine Hände auf ihn gelegt; und die Kinder Israel gehorchten ihm und taten, wie der HERR Mose geboten hatte.
Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, den der HERR gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht, nach allen Zeichen und Wundern, die der HERR ihn gesandt hatte zu tun im Land Ägypten, an dem Pharao und an allen seinen Knechten und an seinem ganzen Land, und nach all der starken Hand und nach all dem Großen und Furchtbaren, das Mose vor den Augen von ganz Israel getan hat“ (5. Mo 34).

Kurz nach dem Hader von Meriba muss Aaron, begleitet von Mose und Eleasar, auf den Berg Hor steigen. Dort zieht Mose seinem Bruder seine priesterlichen Kleider aus und legt sie seinem Neffen Eleasar an. „Aaron starb daselbst auf dem Gipfel des Berges. Und Mose und Eleasar stiegen von dem Berge herab“ (4. Mo 20,28). Nach dem goldenen Kalb wurde Aaron verschont. Als das Feuer des HERRN Nadab und Abihu verzehrte, die fremdes Feuer dargebracht hatten, schwieg Aaron, im Bewusstsein, dass die Sünde seiner Söhne weniger groß gewesen war als die seine. Er selbst wurde ein weiteres Mal verschont. Jetzt aber, am Abend seines Lebens, muss er sterben, des Schmuckes entkleidet, der die hohe Stellung, zu der er berufen war, bezeichnete, weil sein Glaube, wie der seines Bruders, im gegebenen Augenblick versagt hat.

Mose bleibt noch einige Monate lang allein an der Spitze des Volkes. Dieses letzte Jahr seines Lebens ist sehr ausgefüllt. Das ganze fünfte Buch Mose ist voll seiner Erinnerungen. Der Gesetzgeber fasst die Verordnungen zusammen, erteilt neue Anweisungen hinsichtlich des Landes und gibt dem Volk seine letzten Ratschläge. Vor den Augen aller bekleidet er Josua mit der nötigen Autorität, damit ihm dieser als Führer nachfolge. Er trägt sein Lied vor, dass Israel an die Ermahnungen des HERRN erinnern wird. Vor dem Sterben segnet er noch die Stämme, einen nach dem anderen, und gibt dadurch zu erkennen, dass er sowohl den kommenden Verfall des Volkes als auch die ihm von Gott gegebenen Hilfsquellen kennt.

Bevor er das Volk verlässt, dem er so treu gedient und vorgestanden hat, spricht er seine letzten Worte aus: „Deine Wohnung ist der Gott der Urzeit, und unter dir sind ewige Arme“ (5. Mo 33,27). Im Gebet das uns im 90. Psalm aufbewahrt ist, kann Mose sagen: „Herr, du bist unsere Wohnung gewesen von Geschlecht zu Geschlecht.“ Diese Gemeinschaft, diese Vertrautheit mit Gott, hatten sie nicht seine Laufbahn gekennzeichnet, vom Dornbusch an bis zu den Ebenen Moabs? Eine Lebensverbindung, wovon der Herr Jesus sagen wird: „Bleibet in mir und ich in euch“ (Joh 15,4). Der Gott, den die Väter gekannt und der sich ihm in der Jugend offenbart hatte, war derselbe geblieben. Seine ewigen Arme hatten ihn selbst, wie auch sein Volk, alle die Jahre hindurch getragen.

Der letzte Tag ist gekommen. Mose verlässt die Ebenen Moabs, wo sich die Zelte des Volkes ausbreiten, und steigt auf den Berg Nebo, den Gipfel des Pisga. Sein Werk ist getan. Bis zur Grenze des Landes, durch all die Schwierigkeiten und Hindernisse hindurch, hat er diese Nation geführt und ihr die Gedanken Gottes mitgeteilt. Seine Aufgabe ist beendigt, aber nicht in der Weise, wie er es sich so sehr gewünscht hat, denn er darf ja Israel nicht ins Land einführen. Er hat nicht, wie Aaron, einen Bruder bei sich und einen Sohn, der ihm in seinen letzten Augenblicken beisteht. Selbst sein treuer Josua, der ihn einst auf den Sinai begleitete, ist in der Ebene geblieben. Aber ein Größerer nähert sich und lässt ihn Seine Gegenwart, Seine vertraute Nähe spüren: „Der HERR ließ ihn das ganze Land sehen...: Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe, indem ich sprach: Deinem Samen will ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen sehen lassen.“ Abraham durchwanderte dieses Land nach seiner Länge und nach seiner Breite, wissend, dass Gott es ihm und seinem Samen gegeben hatte (1. Mo 13,17). Die Glaubensmänner in Hebräer 11 sahen die Verheißungen, das himmlische Vaterland, von fern und begrüßten sie. Johannes in Patmos ist sich des Verfalls der Versammlungen bewusst (Off 2 - 3), aber sieht die Stadt, die Braut des Lammes (Off 21).

Mose war beim Dornbusch allein mit Gott. Heiliges Land, wo der „Ich bin“ sich ihm offenbarte und Seinen Knecht zu der Aufgabe trieb, die Er ihm anvertraute. Auf dem Sinai war der Gesetzgeber mit dem HERRN allein in der Wolke gewesen, zweimal vierzig Tage. Dann, in der Felsenkluft, hatte er Dessen Gedanken der Gnade kennengelernt. Wie viele Male auch war der Führer ins Heiligtum eingetreten, ermattet vom Undank des Volkes, um in der Stille die Stimme zu hören, die vom Sühnungsdeckel herab zu ihm redete (4. Mo 7,89), „und er redete zu Ihm“. Auf dem Pisga, in diesem erhabenen Augenblick seines Lebens, ist der treue Freund, den er so gut kennt, da, und steht Seinem Diener zur Seite.

Mose darf das gute Land, das Gott Seinem Volk geben wird, betrachten, und entschläft dann in der Einsamkeit. Der HERR selbst begräbt ihn im Tal, aber niemand kennt sein Grab bis auf den heutigen Tag. Gott nahm sich des Leibes Seines Dieners an, wie Er später auch veranlassen wird, dass der Leib Seines Sohnes Sein Ihm gebührendes Grab bekommt. Im Brief des Judas sehen wir, dass sich zwischen dem Erzengel Michael und Satan wegen des Leibes Moses ein Kampf abspielte: Gott hat darüber gewacht, dass der Widersacher nicht einen Gegenstand der Verehrung und des Götzendienstes aus ihm machen konnte, wie aus der einfachen ehernen Schlange.

Eines Tages ist Mose doch in das Land eingetreten. Auf dem Berge der Verklärung (Lk 9,28-31) hat er das Angesicht Dessen gesehen, der ihm auf dem Sinai verborgen geblieben war, sich ihm jetzt aber in verherrlichter Menschheit zeigte. Er wurde Ihm nicht gegenübergestellt, um von der Vergangenheit zu reden, oder von alledem, was sich beim Durchzug durch die Wüste zugetragen hatte. Auch nicht, um einer fernen Zukunft gegenüberzustehen, wo die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen in Seinem Reich erstrahlen wird, sondern um von Seinem Tod zu reden, der sich in Jerusalem erfüllen sollte. Im Passahlamm und in den levitischen Opfern hatte Mose Ihn vorgebildet. Jetzt war die Wirklichkeit da: Jesus sollte nun als Gnadenstuhl dargestellt werden, damit Gott „gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“. Das wunderbare Gesicht verschwindet. Die Wolke nimmt Mose und Elia hinweg, bis zum Tag der Auferstehung. Die Jünger sehen niemand mehr, als nur „Jesus allein bei ihnen“.

Als Mann Gottes, Mann des Glaubens, Befreier, Führer und Hirte, Gesetzgeber, Mittler, Fürsprecher und Prophet, in sich selbst so oft ein Bild von Christus, bleibt die große Gestalt Moses vor uns, einzigartig und einsam, damit wir, den Ausgang seines Wandels anschauend, seinen Glauben nachahmen (Heb 13,7).

Fußnoten

  • 1 Dieses Ereignis hat zweifellos vor dem Eintreffen in Kades-Barnea stattgefunden. Wir betrachten es hier, weil es zum Gegenstand gehört.
  • 2 Es stellt sich die Frage, ob die Kuschitin in 4. Mose 12 Zippora ist. Wir können das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen, aber gewiss ist es nicht. Wenn es eine andere ist - was der Geist Gottes uns nicht deutlich zu sagen für gut befunden hat -, so ändert dies nichts an der Tragweite des Berichts.
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