Mose, der Mann Gottes
Vom Sinai nach Kades
(Das zweite Jahr)
Am ersten Tag des ersten Monats des zweiten Jahres nach dem Auszug aus Ägypten wurde die Wohnung aufgerichtet (2. Mo 40,1). Verschiedene Ereignisse folgten nun: Die Salbung der Priester, die Opfergabe der Fürsten (4. Mo 7), das Passah (4. Mo 9). Am ersten Tag des zweiten Monats nimmt Mose die Zählung der Männer vor, „die zum Heere auszogen“ (4. Mo 1,3). Am zwanzigsten Tag des zweiten Monats dieses zweiten Jahres erhebt sich sodann die Wolke von der Wohnung des Zeugnisses (4. Mo 10,11). Die Kinder Israel verlassen die Wüste Sinai „zum ersten Mal“ nach der durch den HERRN vorgeschriebenen Marschordnung. Sechs Stämme gehen der Lade und dem Heiligtum voraus und sechs Stämme bilden die Nachhut.
1. Augen in der Wüste
„Und Mose sprach zu Hobab, dem Sohn Reghuels, des Midianiters, des Schwiegervaters Moses: Wir brechen auf zu dem Ort, von dem der HERR gesagt hat: Ich will ihn euch geben. Zieh mit uns, so werden wir dir Gutes tun; denn der HERR hat Gutes über Israel geredet. Und er sprach zu ihm: Ich will nicht mitziehen, sondern in mein Land und zu meiner Verwandtschaft will ich gehen. Und er sprach: Verlass uns doch nicht! Denn du weißt ja, wo wir in der Wüste lagern sollen; und du wirst unser Auge sein. Und es soll geschehen, wenn du mit uns ziehst und uns jenes Gute geschieht, das der HERR an uns tun will, so werden wir dir auch Gutes tun.
Und sie brachen vom Berg des HERRN auf, drei Tagereisen weit, und die Lade des Bundes des HERRN zog drei Tagereisen vor ihnen her, um ihnen einen Ruheort zu erkunden; und die Wolke des HERRN war über ihnen bei Tag, wenn sie aus dem Lager zogen. Und es geschah, wenn die Lade aufbrach, so sprach Mose: Steh auf, HERR, dass deine Feinde sich zerstreuen und deine Hasser vor dir fliehen! Und wenn sie ruhte, so sprach er: Kehre wieder, HERR, zu den Myriaden der Tausende Israels!“ (4. Mo 10,29-36).
Die Wolke leitete die Bewegungen des Volkes (4. Mo 9,15-23). Musste das Lager aufbrechen, so bliesen die Priester die Trompeten (4. Mo 10,1-8) Der HERR hatte für alles Vorsorge getroffen und Seine Gegenwart begleitete Israel.
Weshalb wünscht Mose denn eine menschliche Hilfe in der Person seines Schwagers Hobab? - Weil der Midianiter die Wüste und die Orte, wo man lagern konnte, sehr gut kannte! Gewiss, Mose war es auch darum zu tun, ihn an dem Guten, „das der HERR an uns tun will“, teilnehmen zu lassen. Tatsächlich ging aber nicht Hobab dem Volk voraus, um einen Lagerplatz auszukundschaften. Die Lade selbst war es, die ihren gewohnten Platz inmitten der Stämme verließ, um ihnen drei Tagesreisen weit voranzureisen und ihnen einen Ruheort zu erkunden! Die Wolke der göttlichen Gegenwart bestätigte durch ihr Mitgehen jeden Ortswechsel, als Folge der ausharrenden Fürsprache Moses (2. Mo 33), ungeachtet des Mangels an Vertrauen, den er jetzt in seiner Zufluchtnahme zu Hobab bewiesen hatte.
Ist es für uns nicht auch so? In Johannes 10 führt der gute Hirte Seine eigenen Schafe heraus und „geht vor ihnen her“. Die Schafe folgen Ihm, weil sie Seine Stimme kennen. Welch kostbare Erfahrung, die man jederzeit machen kann: Er geht vor uns her! Ein unbekannter Lebensabschnitt öffnet sich, eine neue Zeit des Studiums, ein Aufenthalt in der Fremde, ein Stellenwechsel im Beruf ... „Er geht vor uns her.“ Lasst uns lernen, Ihm zu vertrauen und uns auf Ihn zu stützen! Die Lade geht dem Volk „drei Tagereisen“ voraus. Keinerlei Notwendigkeit, sich zu beeilen. Nur ruhig auf dem so bezeichneten Weg ihr nachfolgen. „Wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen“ (Jes 28,16). Möchten auch wir für uns selbst die Verheißung des Psalmisten erfassen: „Ich will dich unterweisen und dich den Weg lehren, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten“ (Ps 32,8). Die aus dem Wort Gottes geschöpfte Belehrung soll in der Gemeinschaft mit dem Herrn praktisch angewandt werden.
2. Die Last dieses ganzen Volkes
„Und als Mose das Volk nach seinen Familien, jeden am Eingang seines Zeltes, weinen hörte und der Zorn des HERRN heftig entbrannte, da war es übel in den Augen Moses. Und Mose sprach zu dem HERRN: Warum hast du an deinem Knecht übel getan, und warum habe ich nicht Gnade gefunden in deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volkes auf mich legst? Bin ich mit diesem ganzen Volk schwanger gegangen, oder habe ich es geboren, dass du zu mir sprichst: Trag es in deinem Gewandbausch, wie der Wärter den Säugling trägt, in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast? Woher soll ich Fleisch haben, um es diesem ganzen Volk zu geben? Denn sie weinen gegen mich und sagen: Gib uns Fleisch, dass wir essen! Ich allein vermag dieses ganze Volk nicht zu tragen, denn es ist mir zu schwer. Und wenn du so mit mir tust, so bring mich doch um, wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, damit ich mein Unglück nicht ansehe.
Und der HERR sprach zu Mose: Versammle mir siebzig Männer aus den Ältesten Israels, von denen du weißt, dass sie die Ältesten des Volkes und seine Vorsteher sind, und führe sie zum Zelt der Zusammenkunft, dass sie sich dort mit dir hinstellen. Und ich werde herabkommen und dort mit dir reden, und ich werde von dem Geist nehmen, der auf dir ist, und auf sie legen, dass sie mit dir an der Last des Volkes tragen und du sie nicht allein tragen musst. ...
Da ging Mose hinaus und redete zum Volk die Worte des HERRN; und er versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volkes und stellte sie rings um das Zelt. Und der HERR kam in der Wolke herab und redete zu ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Männer, die Ältesten. Und es geschah, sobald der Geist auf sie kam, weissagten sie; aber sie fuhren nicht fort. Und zwei Männer blieben im Lager zurück, der Name des einen war Eldad und der Name des anderen Medad; und auch auf sie kam der Geist (sie waren nämlich unter den Aufgeschriebenen, waren aber nicht zum Zelt hinausgegangen), und sie weissagten im Lager. Da lief ein Jüngling hin und berichtete es Mose und sprach: Eldad und Medad weissagen im Lager. Und Josua, der Sohn Nuns, der Diener Moses von seiner Jugend an, antwortete und sprach: Mein Herr Mose, wehre ihnen! Aber Mose sprach zu ihm: Eiferst du für mich? Möchte doch das ganze Volk des HERRN Propheten sein, dass der HERR seinen Geist auf sie legte!“ (4. Mo 11,10-17.24-29).
Das vierte Buch Mose, das Buch der Wüste, ist auch das Buch des Murrens! Wie manches Mal beschwerten sich doch die Israeliten, wie oft weinten und klagten sie! In unserem Kapitel „beklagte sich das Volk ... Das Volk schrie zu Mose ... Das Mischvolk, das in ihrer Mitte war, wurde lüstern, und auch die Kinder Israel weinten wiederum ... Mose hörte das Volk ... einen jeden am Eingang seines Zeltes weinen ...“
Es ist verständlich, dass der Führer dieses beständigen Gejammers überdrüssig wurde, das übrigens die Züchtigung des HERRN auf das Volk herabzog. Mose breitete vor Ihm seine Klage aus und sagte: „Warum? Warum? ... Sie weinen gegen mich ... Ich allein vermag nicht, dieses ganze Volk zu tragen, denn es ist mir zu schwer.“
In 2. Mose 18 hatte Jethro, der Schwiegervater Moses, ihm den Rat gegeben, sich bei der Rechtsprechung durch die Obersten über Tausend, über Hundert, über Fünfzig und über Zehn helfen zu lassen. Diese Männer sollten das Volk zu jeder Zeit richten und nur die großen Fälle vor ihren Führer bringen. Mose sollte für sie vor Gott sein, die Angelegenheiten vor Ihn bringen und ihnen anderseits die Satzungen und die Gesetze erläutern. Er hatte diesen Rat, für den er die Billigung Gottes einholte (2. Mo 18,23) befolgt. Er nimmt in 5. Mose 1,9-18 darauf Bezug, ohne sich ungünstig darüber zu äußern. Wir haben in 1. Korinther 6,4 vielleicht ein Gegenstück dazu.
In unserem Kapitel handelte es sich nicht darum, Recht zu sprechen und Streitigkeiten zu schlichten, sondern mehr um das Tragen der Bürde der Verantwortung. Aber da war kein Zweifel, Gott war mächtig, Mose in der ihm auferlegten Aufgabe, das Volk zu führen, in jeder Weise zu helfen.
Aus dem Neuen Testament geht klar hervor, dass es im heutigen Volk Gottes nicht nach Seinen Gedanken ist, wenn ein einzelner Mensch die ganze Verantwortung oder den ganzen Dienst in einer Versammlung übernimmt. Die Entscheidung in Apostelgeschichte 15 wurde nicht durch einen einzelnen Apostel getroffen, so hervorragend er auch war, sondern durch „die Apostel und die Ältesten samt der ganzen Versammlung“ (Vers 22). Auch sehen wir, dass Paulus mehrere „Mitarbeiter“ hatte (Phil 4,3; Kol 4,11 usw.), die er da und dorthin sandte oder die ihn auf seinen Reisen begleiteten. Besonders 1. Korinther 12, Römer 12 und Epheser 4 zeigen uns, dass im Leib Christi jedes Glied, jedes Gelenk seinen besonderen Dienst hat und dass alle zum Wohl des ganzen Leibes mitwirken. Der Herr allein teilt durch den Geist die verschiedenen Gaben aus, nicht nur die grundlegenden Gaben der Hirten und Lehrer, der Evangelisten und Propheten, sondern auch Gnadengaben zu allen Arten von Tätigkeiten, die außerdem im Leib und im Werk zu erfüllen sind. Nicht alle haben dieselbe Befähigung, aber alle Glieder sollen dieselbe Sorge füreinander haben: „Je nachdem ein jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient einander damit als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes“ (1. Pet 4,10).
Daher, wenn es auch von Seiten Moses nicht angezeigt war, sich so vor Gott zu beschweren, können wir doch annehmen, dass es eine Antwort der Gnade Gottes war, ihm siebzig Älteste zur Seite zu geben, um mit ihm die Last des Volkes zu tragen. Auf jeden Fall hat Mose diese Anordnung nicht übel aufgenommen, im Gegenteil. Als Josua Eldad und Medad verhindern wollte, im Lager zu weissagen, antwortete Mose: „Eiferst du für mich? Möchte doch das ganze Volk des HERRN Propheten sein, dass der HERR seinen Geist auf sie legte!“ (4. Mo 11,29). Er wünschte keineswegs, der einzige Kanal des Geistes Gottes zu sein. In 1. Korinther 12,21 wird uns gesagt: „Das Auge kann nicht zu der Hand sagen: Ich bedarf deiner nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich bedarf euer nicht.“ Jeder hat vom Herrn einen Dienst empfangen, um ihn zu erfüllen. Ich kann ihn nicht auf andere abwälzen, noch darf ich die Funktion, die Gott anderen anvertraut, gering schätzen oder sie nachzuahmen suchen. Aber alle sind berufen, in der Abhängigkeit vom Herrn im Werk „mitzuwirken und zu arbeiten“ (1. Kor 16,16), in gegenseitiger Unterwürfigkeit und Achtung (Phil 2,4; Röm 12,3)! Es handelt sich nicht um eine Zusammenarbeit, wie man sie in einer menschlichen Organisation findet, sondern um eine Mitarbeit in einem lebendigen Organismus, in dem jeder den ihm von seinem Meister bezeichneten Platz einnimmt (Eph 4,16). Heute haben wir dabei 2. Tim 2,19-26 zu beachten!
3. Die bittere Enttäuschung von Kades
„Und wir brachen auf vom Horeb und zogen durch diese ganze große und schreckliche Wüste, die ihr gesehen habt, den Weg zum Gebirge der Amoriter, so wie der HERR, unser Gott, uns geboten hatte; und wir kamen bis Kades-Barnea. Und ich sprach zu euch: Ihr seid bis zum Gebirge der Amoriter gekommen, das der HERR, unser Gott, uns gibt. Siehe, der HERR, dein Gott, hat das Land vor dich gestellt; zieh hinauf, nimm in Besitz, so wie der HERR, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat; fürchte dich nicht und verzage nicht!“ (5. Mo 1,19-21).
„Und Mose sandte sie aus, um das Land Kanaan auszukundschaften, und sprach zu ihnen: Zieht hier hinauf an der Südseite und steigt auf das Gebirge, und beseht das Land, wie es ist; und das Volk, das darin wohnt, ob es stark oder schwach, ob es gering oder zahlreich ist; und wie das Land ist, in dem es wohnt, ob es gut oder schlecht ist; und wie die Städte sind, in denen es wohnt, ob es in Lagern oder in Festungen wohnt; und wie das Land ist, ob es fett oder mager ist, ob Bäume darin sind oder nicht. Und fasst Mut und nehmt von der Frucht des Landes. Die Tage aber waren die Tage der ersten Trauben“ (4. Mo 13,17-20).
„Und sie verbreiteten unter den Kindern Israel ein böses Gerücht über das Land, das sie ausgekundschaftet hatten, und sprachen: Das Land, das wir durchzogen haben, um es auszukundschaften, ist ein Land, das seine Bewohner frisst; und alles Volk, das wir darin gesehen haben, sind Leute von hohem Wuchs; auch haben wir dort die Riesen gesehen, die Kinder Enaks, von den Riesen; und wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und so waren wir auch in ihren Augen“ (4. Mo 13,32-33).
„Da erhob die ganze Gemeinde ihre Stimme und schrie, und das Volk weinte in jener Nacht. Und alle Kinder Israel murrten gegen Mose und gegen Aaron, und die ganze Gemeinde sprach zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten gestorben, oder wären wir doch in dieser Wüste gestorben! Und warum bringt uns der HERR in dieses Land, dass wir durchs Schwert fallen und unsere Frauen und unsere kleinen Kinder zur Beute werden? Wäre es nicht besser für uns, nach Ägypten zurückzukehren? Und sie sprachen einer zum anderen: Lasst uns ein Haupt über uns setzen und nach Ägypten zurückkehren!
Da fielen Mose und Aaron auf ihr Angesicht vor der ganzen Versammlung der Gemeinde der Kinder Israel. Und Josua, der Sohn Nuns, und Kaleb, der Sohn Jephunnes, von denen, die das Land ausgekundschaftet hatten, zerrissen ihre Kleider, und sie sprachen zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sagten: Das Land, das wir durchzogen haben, um es auszukundschaften, das Land ist sehr, sehr gut. Wenn der HERR Gefallen an uns hat, so wird er uns in dieses Land bringen und es uns geben, ein Land, das von Milch und Honig fließt. Nur empört euch nicht gegen den HERRN; und fürchtet ja nicht das Volk des Landes, denn unser Brot werden sie sein. Ihr Schirm ist von ihnen gewichen, und der HERR ist mit uns; fürchtet sie nicht! Und die ganze Gemeinde sagte, dass man sie steinigen solle“ (4. Mo 14,1-10).Und der HERR redete zu Mose und zu Aaron und sprach: Wie lange soll es mit dieser bösen Gemeinde währen, dass sie gegen mich murrt? Das Murren der Kinder Israel, das sie gegen mich murren, habe ich gehört. Sprich zu ihnen: So wahr ich lebe, spricht der HERR, wenn ich euch nicht so tun werde, wie ihr vor meinen Ohren geredet habt! In dieser Wüste sollen eure Leichname fallen, ja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren und darüber, die ihr gegen mich gemurrt habt. - Wenn ihr in das Land kommen werdet, worin euch wohnen zu lassen ich meine Hand erhoben habe, außer Kaleb, dem Sohn Jephunnes, und Josua, dem Sohn Nuns! - Und eure kleinen Kinder, von denen ihr gesagt habt: „Sie werden zur Beute werden!“, die will ich hineinbringen, und sie sollen das Land kennen lernen, das ihr verschmäht habt. Ihr aber, eure Leichname sollen in dieser Wüste fallen; und eure Kinder sollen vierzig Jahre lang in der Wüste weiden und eure Hurereien tragen, bis eure Leichname in der Wüste aufgerieben sind. Nach der Zahl der Tage, die ihr das Land ausgekundschaftet habt, vierzig Tage, je einen Tag für ein Jahr, sollt ihr vierzig Jahre lang eure Ungerechtigkeiten tragen, und ihr sollt erfahren, was es ist, wenn ich mich abwende! Ich, der HERR, habe es geredet; wenn ich dies nicht tun werde an dieser ganzen bösen Gemeinde, die sich gegen mich zusammengerottet hat! In dieser Wüste sollen sie aufgerieben werden, und da sollen sie sterben! (4. Mo 14,26-35)
(lies auch 4. Mose 13 - 14)
„Elf Tagereisen sind vom Horeb... bis Kades-Barnea“ (5. Mo 1,2): Wenige Tage hätten genügt, um zur Grenze des Landes zu gelangen. Jedoch finden wir das Volk erst nach mehr als 38 Jahren seit dem Weggang vom Sinai in Bereitschaft, das Land in Besitz zu nehmen (5. Mo 2,14). Die geistlichen Fortschritte einer Seele können rasch sein, aber oft gehen Jahr um Jahr durch Mangel an Glauben, Mangel an Wachsamkeit, Mangel an Liebe zum Herrn verloren.
Kades-Barnea befand sich an der Grenze von Kanaan und war der Ausgangspunkt zu dessen Eroberung. Mose erinnert in 5. Mose 1 daran. Nach der „großen und schrecklichen Wüste“, die sie durchwandert hatten, blieb den Israeliten nur noch übrig, sich mutig dem Land zu bemächtigen. „Und ich sprach zu euch: Ihr seid gekommen zu dem Gebirge der Amoriter, das der HERR, unser Gott, uns gibt. Siehe, der HERR, dein Gott, hat das Land vor dich gestellt; ziehe hinauf, nimm in Besitz, so wie der HERR, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat; fürchte dich nicht und verzage nicht!“ (5. Mo 1,20-21). Man spürt aus diesen Worten die ganze Erleichterung heraus, die Mose darin empfand, das Volk bis dahin gebracht zu haben, durch die verschiedenen schwierigen Teilstrecken der Wüste hindurch bis zur Grenze Kanaans. Noch einige Anstrengungen, und er würde durch die Güte Gottes bald die schwere Last der Verantwortung ablegen und die Ruhe genießen können.
Warum kam es anders?
a) Das Volk begeht den Fehler, dass es Kundschafter aussenden will, um das Land in Augenschein zu nehmen (5. Mo 1,22). Genügt es ihnen denn nicht, dass Gott ihnen zugesichert hat, das Land fließe von Milch und Honig und Er werde sie bei dessen Einnahme begleiten? Nein, sie wollen, dass Männer „uns“ das Land erforschen und „uns“ Bescheid bringen. Nach 4. Mose 13 entsprach der HERR diesem Verlangen des Volkes und gebot Mose, sie zu senden. Er wird ihr Herz prüfen, ob sie geneigt sind, sich auf Ihn zu verlassen oder nicht.
b) Der zweite Fehler war, den Bericht der Fürsten anzunehmen. Diese stellen fest, dass Kanaan den Verheißungen Gottes entsprach: „Wir sind in das Land gekommen ... und wirklich, es fließt von Milch und Honig“ (4. Mo 13,27). Sie beeilen sich aber hinzuzufügen, dass das Volk, das darin wohnt, sehr stark sei. Die Städte seien befestigt und sehr groß. Sie beschreiben das Land und entmutigen die Kinder Israel völlig, es sich zu erobern.
Kaleb erhebt kühnen Einspruch: Nehmen wir es in Besitz, wir sind durchaus fähig dazu! Anderntags gibt auch Josua seiner Überzeugung Ausdruck: Fürchtet nicht das Volk des Landes, der HERR ist mit uns!
Wird Israel auf die Zehn hören, die sie entmutigen, oder auf die zwei Männer des Glaubens, die auf den HERRN vertrauen und sie des Sieges versichern?
Wie ist es bei uns? Sind wir von denen, die „das Land“ empfehlen, oder von denen, die die Christen von der Nachfolge des Herrn zurückziehen? Die Brüder kritisieren, Schlechtes von ihnen sagen und ihren Dienst am Wort herabsetzen, ein Beispiel geben in der Vernachlässigung des Besuches der Zusammenkünfte und vieles anderes mehr. Sind das nicht alles Dinge, die unsere Geschwister entmutigen, die geistlichen Segnungen, die Gott uns gegeben hat in Besitz zu nehmen? Möchten wir doch alle wünschen, wie ein Josua und ein Kaleb zu sein, die mit Gott rechnen, um in Besitz zu nehmen, was Er uns gegeben hat, und auch um andere anzuspornen, es zu tun.
c) Das Volk hört auf die zehn Kundschafter. Die ganze Nacht erheben sie ihre Stimme, schreien und weinen, und am Morgen verwerfen sie Mose, um ein Haupt über sich zu setzen und nach Ägypten zurückzukehren. Von Josua und Kaleb sagt die ganze Gemeinde, dass man sie steinigen solle.
Welch eine schreckliche Stunde für Mose! Vielleicht die dunkelste seines Lebens. Wie viele Male ist er doch schon für dieses Volk eingetreten! Er hat sich sogar für sie zum Opfer gestellt, um Sühnung für sie zu tun, wenn dies möglich gewesen wäre. Mit Treue und Beständigkeit hat er sie bis zur Grenze des verheißenen Landes geführt. Jetzt verwerfen sie ihn und wollen nach Ägypten zurückkehren!
Der HERR prüft abermals Seinen Knecht, indem Er ihm vorschlägt, das Volk zu vertilgen und ihn stattdessen zu einer Nation zu machen, größer und stärker als sie. Aber Mose will nicht allein ins Land eintreten und dabei sowohl seine Brüder als auch die Ehre Gottes preisgeben (Vers 16). Er fleht den HERRN an, ein weiteres Mal zu vergeben, „nach der Größe deiner Güte, und so wie du diesem Volk verziehen hast von Ägypten an bis hierher“ (Vers 19). - „Und der HERR sprach: Ich habe vergeben nach deinem Wort.“ Aber Mose wird sich der Züchtigung unterwerfen müssen, die das Volk wegen seines Unglaubens treffen wird.
Das ganze Geschlecht, das aus Ägypten heraufzog, wird in der Wüste umkommen. Der treue Diener will lieber 38 Jahre lang mit dem Volk Gottes Ungemach leiden, als dessen Vernichtung zu erleben und sich selbst geehrt zu sehen. Er beugt sich, um mit ihnen die Züchtigung, die er nicht verdient hat, zu ertragen. Einen um den anderen seiner Gefährten des Auszuges wird er in der dürren Einöde als Leichnam hinfallen sehen. Wie er zu diesem Zeitpunkt meint, werden nur vier Überlebende von ihnen allen: Mose, Aaron, Josua und Kaleb, ins verheißene Land eingehen, nach 38 mühevollen Jahren.
Selbst als viele sich widersetzen und in eigener Kraft auf den Gipfel des Berges hinaufzusteigen suchen, unterwirft sich Mose der göttlichen Züchtigung und bleibt im Lager. Dann folgt das, woran er sich später mit tiefer Betrübnis erinnert: „Und wir wandten uns und brachen auf nach der Wüste, des Weges zum Schilfmeer, wie der HERR zu mir geredet hatte“ (5. Mo 2,1).
Auf die heutigen Verhältnisse angewandt, ist es oft ähnlich. Haben wir uns nicht zu demütigen und uns unter die Hand Gottes zu beugen, der Sein Volk mit Züchtigung heimsucht, selbst wenn wir persönlich nicht direkt am Fehler, der das göttliche Eingreifen hervorrief, Anteil haben?