Die Apostelgeschichte
Kapitel 7
Ihre Geschichte begann damit, daß Gott Abraham aus seiner alten Umgebung und seinen Verbindungen herausrief, damit er in das von Gott bestimmte Land ziehe und dort zu einer großen Nation würde. Das finden wir in 1. Mose 12,1-3, und es war ein Ereignis, mit dem ein neuer Zeitabschnitt begann. Das wird ganz deutlich, wenn wir bedenken, daß in 1. Mose 1 - 11 ein etwas längerer Zeitraum zusammengefaßt wird als die ausgedehnte Zeitspanne, die im übrigen AT dargestellt wird. Die Berufung Abrahams markierte einen neuen Anfang in den Wegen Gottes mit der Erde, und Stephanus begann seine Rede mit diesem neuen Anfang.
Das erste Buch Mose berichtet uns, daß Jehova dem Abraham erschien, doch Stephanus kannte Ihn und sprach von Ihm in einem neuen Licht. Jehova, der dem Abraham erschien, war der Gott der Herrlichkeit, der Gott weit größerer Herrlichkeiten, als diese Welt je bieten kann, selbst unter Berücksichtigung ihrer schönsten und besten Seiten. Das erklärt zweifellos den Glauben Abrahams, der solche himmlischen Dinge ergriff, von denen in Hebräer 11,10-16 die Rede ist. Durch den Gott der Herrlichkeit berufen, hatte er zumindest schwache Vorstellungen von der Stadt und dem Land, wo Herrlichkeit wohnt. Mit diesen erhabenen Worten begann Stephanus, und er schloß, wie wir wissen, mit Jesus in der Herrlichkeit Gottes.
Das Hauptanliegen seiner eindrucksvollen Rede war es offensichtlich, das Volk von dem Weg zu überführen, auf dem ihre Väter und sie schuldig geworden waren, indem sie in ihrer gesamten Geschichte den Handlungen Gottes durch Seinen Geist widerstanden. Er legt besonderen Nachdruck darauf, was geschah, wenn Gott Diener erweckt hatte, um in ihrer Geschichte etwas Neues zu errichten. Es hatte eine ganze Reihe neuer Anfänge von mehr oder weniger großer Bedeutung gegeben, den ersten mit Abraham, doch dann folgten Moses, Josua, David und Salomo. Diese alle erwähnt er, doch den ersten dreien schenkt er weitaus mehr Beachtung als den letzten dreien. Keiner von diesen hatte entscheidenden Einfluß auf sie ausüben können, ja, Joseph und Moses hatten sie anfangs regelrecht abgelehnt. Er schließt mit dem siebten Eingreifen Gottes, das alle anderen in den Schatten stellte, dem Kommen des Gerechten, und Ihn hatten sie soeben umgebracht.
Stephanus zeigte sehr deutlich, daß die jüdischen Führer seiner Tage lediglich die Sünde ihrer Vorfahren in einer noch schrecklicheren Weise wiederholten. Die Patriarchen verkauften Joseph aus Neid nach Ägypten. Matthäus berichtet von dem Bemühen des Pilatus, Jesus loszugeben, „denn er wußte, daß die Hohenpriester ihn aus Neid überliefert hatten“. Auch mit Mose war es so. Der Ausspruch, weshalb er floh, „wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt?“, stammte von einem seiner Brüder und nicht von einem Ägypter. Die Verwerfung erfolgte aus der Mitte seines eigenen Volkes und nicht von außerhalb. Geradeso war es auch mit Jesus gewesen.
2. Mose 2 gibt uns nicht solch einen Einblick, wie groß der Ruhm und die Tüchtigkeit Moses am Ende seiner ersten vierzig Jahre waren; das erfahren wir erst hier in Apostelgeschichte 7,22. Er war ein Gelehrter, redegewandt und tatkräftig, als es in seinem Herzen aufkam, sich mit seinem Volk, dem Volk Gottes einszumachen. Nach der entscheidenden Tat muß es ihn schwer getroffen haben, daß sie ihn verwarfen. Bei diesem Ausspruch floh er. Die Wut des Königs fürchtete er nicht, wie wir aus Hebräer 11,27 erfahren, doch eine solche Ablehnung konnte er nicht verkraften. Er hatte im Bewußtsein seiner eigenen, außergewöhnlichen Kräfte gehandelt, und nun waren vierzig Jahre in der Schule Gottes hinter der Wüste notwendig, damit er lernte, daß seine Kräfte nichts, aber die Kraft Gottes alles vermochte. In all diesem steht er im Gegensatz zu unserem Herrn, obwohl er in der Ablehnung, die er erfahren mußte, ein Vorbild von Ihm ist.
Dieser Moses wurde von ihren Vätern aufs neue abgelehnt, als er sie aus der Gefangenschaft Ägyptens gebracht und sie in die Wüste geführt hatte. Indem sie ihn ablehnten, lehnten sie eigentlich Jehova ab, und sie wandten sich einem äußerst groben Götzendienst zu. Nicht erst als sie im Land waren, sondern schon in der Wüste vernachlässigten sie die Opfer Jehovas und gaben sich mit den Götzen ab. Auf diese Weise ebneten sie den Weg in die babylonische Gefangenschaft. Dennoch hatte Gott David erweckt, und baute Salomo danach das Haus. Nun waren sie stolz auf dieses Haus (siehe Jer 7,4), als ob der bloße Besitz dieser Gebäude alles garantierte, wo doch in Wirklichkeit Gott in dem Himmel der Himmel wohnte, weit über den prächtigsten Gebäuden der Erde.
Die Schlußworte des Stephanus (V. 51-53) verraten große Kraft. Sie sind wie eine Zufügung zu den Worten des Herrn in Matthäus 23,31-36, indem sie die Anklage zu ihrem schrecklichen Abschluß in dem Verrat und der Ermordung des Gerechten fortführt. Sie standen vor Gott auf der Grundlage des Gesetzes, und obwohl sie es durch die Anordnung von Engeln empfangen hatten, hatten sie es nicht gehalten, sondern durch schändlichen Götzendienst gebrochen und den Messias ermordet. Das waren die beiden großen Anklagepunkte gegen die Juden, und beide treten in den letzten Worten des Stephanus hervor.
Der Heilige Geist hatte durch den Mund des Stephanus den Spieß völlig gegen seine Verfolger umgedreht, und sie fanden sich selbst beschuldigt, als säßen sie auf der Anklagebank statt auf dem Richterstuhl. Plötzlich brach Stephanus seine historische Darstellung ab und warf ihnen Gottes Anklage gegen sie hin. Das muß seinen Worten eine ungeheure Kraft verliehen haben. Ihre Herzen wurden durchbohrt, und sie gerieten in Wut.
Die einzige ruhige Person war offensichtlich Stephanus. Erfüllt mit dem Geist sah er auf übernatürliche Weise die Herrlichkeit Gottes und Jesus in dieser Herrlichkeit, und er bezeugte sofort, was er sah. Hesekiel hatte „die Gestalt eines Thrones“ und „eine Gestalt wie das Aussehen eines Menschen oben darauf“ gesehen (1,26), doch Stephanus sah nicht nur eine „Gestalt“ oder das „Aussehen“, sondern vielmehr den MENSCHEN selbst, stehend zur Rechten Gottes. Jesus, einst gekreuzigt, ist nun der Mensch zur Rechten Gottes: Er ist der mächtige AUSFÜHRER, durch den Gott das Universum verwalten wird!
In seiner Ansprache hatte Stephanus dargelegt, daß Joseph, obwohl von seinen Brüdern verworfen, ihr Retter geworden war und sie alle sich schließlich vor ihm niederbeugen mußten. Er erinnerte sie ebenfalls daran, daß Moses, obwohl er zuerst verworfen war, schließlich sowohl der Oberste als auch der Befreier Israels wurde. Nun bezeugt er etwas Ähnliches, doch unvergleichlich Größeres in Verbindung mit Jesus. Der Gerechte, den sie ermordet hatten, soll ihr Richter werden und schließlich für die, die Ihn annehmen, der große und endgültige RETTER. Zum Zeichen dafür war Er in der Herrlichkeit, und Stephanus sah Ihn.
Völlig unfähig, seine Worte zu widerlegen oder ihnen zu widerstehen, beeilten sich die jüdischen Führer, die Mörder des Stephanus zu werden. Sie erfüllten so die Worte des Herrn in bezug auf die Bürger, die ihren abwesenden Herrn haßten, eine Gesandtschaft hinter ihm hersandten und ihm sagen ließen: „Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). Jesus „stand“ noch immer in der Herrlichkeit, bereit, das zu erfüllen, was Petrus in Kapitel 3,20 verkündigt hatte, wenn sie nur Buße getan hätten. Doch sie taten nicht Buße, sondern lehnten Ihn weiterhin ab, indem sie Stephanus steinigten und ihn seinem Herrn nachsandten. In Verbindung mit dieser boshaften Handlung fiel ein junger Mann namens Saulus auf, der in seine Tötung einwilligte und bei seiner Hinrichtung als eine Art Vorsteher fungierte. Dort, wo die Geschichte eines Stephanus endet, beginnt die Geschichte eines Saulus.
Stephanus, der erste christliche Märtyrer, beendete seinen kurzen, doch beeindruckenden Lauf ähnlich wie Sein Herr. Erfüllt mit dem Geist, war er von dem Anblick Jesu in der Herrlichkeit erfüllt. Er hatte den Menschen nichts mehr zu sagen; seine letzten Worte richteten sich an seinen Herrn. Er befahl dem Herrn seinen Geist an und, indem er die Haltung des Gebets einnahm, erbat er Barmherzigkeit für seine Mörder. Wer hätte eine so erstaunliche Antwort vorausgesehen, wie der erhöhte Herr sie durch die Bekehrung des größten Mörders Saulus gab? Das Gebet des Herrn Jesus vom Kreuz herab für Seine Mörder wurde durch die Aussendung des Evangeliums, anfangend von Jersusalem beantwortet: die Antwort auf das Gebet des Stephanus war die Bekehrung des Saulus. Daß Saulus selbst das niemals vergaß, sehen wir in Kapitel 22,20.