Betrachtung über das Buch Esra (Synopsis)
Kapitel 5-6
Haggai und Sacharja werden von Gott gesandt, und sie weissagen unter dem Volk. Diese unmittelbaren Mitteilungen von Gott waren unendlich kostbar, wie sein Wort ja immer ist; und obwohl sie die Lage des Volkes in Bezug auf die Nationen nicht änderten, so waren sie ein ergreifender Beweis dafür, dass Gott sich für sein Volk interessierte und dass, welcherart ihre Bedrängnisse auch sein mochten, der Gott Israels über allem stand, was Macht hatte, sie zu bedrängen.
Ich habe gesagt, dass das Volk zu warten gezwungen war. Das war der Fall, sobald sie den Befehl erhielten, der es ihnen verbot weiterzubauen. Viele Jahre waren aber schon vergangen, bevor dieses Verbot kam, und es scheint mir augenscheinlich zu sein, wenn man die Weissagungen erforscht, die soviel Licht auf die zeitgenössische Geschichte werfen, und ihre Daten vergleicht, dass es ein Mangel an Glauben in dem Überrest war, der das wahre Hindernis bildete. Es waren Widersacher im Land, die ihnen Furcht einflößten, und die auf diese Weise ihr Bauen verhinderten. Es scheint so, dass die Juden es nicht wagten weiterzumachen. Ihre Widersacher dingten Ratgeber am persischen Hof, um das Ziel der Juden zu vereiteln. Das erste aber, was diese Ratgeber taten, war, dass sie die Hände des Volkes schlaff machten. Es war erst zwei Herrschaftsperioden später, dass das Verbot erwirkt wurde; die Juden hatten aber, aus Furcht vor ihren Feinden, den Bau eingestellt. (Vgl. Kap. Esra 4, 4. 21 sowie Esra 5, 1 mit Hag 1, 1. 2. 4; 2, 15.) Es geschah nicht deshalb, weil ihnen der Befehl des Königs gebracht wurde, dass sie wieder zu bauen anfingen, sondern weil sie den HERRN fürchteten, als sähen sie den Unsichtbaren, und sie fürchteten nicht die Wut des Königs (Hag 1, 12. 13). Unter der Regierung des Darius war Gott nicht mehr zu fürchten als unter den Regierungen des Cyrus oder des Artasasta, die Quelle ihrer Schwachheit war vielmehr, dass sie Gott vergessen hatten. Dies offenbart die große Gnade Gottes, indem Er sie durch den Mund Haggais aufweckte. Bis dahin hatte Gott auch sein Volk gezüchtigt.
Alles dieses zeigt uns, dass Israel schuldig war, indem es aufgehört hatte, den Tempel zu bauen. Aus Haggai 2, 15 sieht man, dass sie gar nicht vorangekommen waren. Die große Angst, die ihre Widersacher den Juden eingeflößt hatten, hatte sie gehemmt. Sie hatten keine Entschuldigung dafür, da der Befehl des Königs auf ihrer Seite war. Woran es ihnen mangelte war Glaube an Gott. Wir haben gesehen, dass sie da, wo Glaube vorhanden war, wagten zu bauen, obwohl es einen Befehl dagegen gab. Die Wirkung dieses Glaubens war, dass ein Befehl zu ihren Gunsten erlassen wurde, und zwar sogar durch das Eingreifen ihrer Widersacher. Es ist gut, auf Gott zu vertrauen. Gepriesen sei sein gnadenvoller Name!
Unter dem Einfluss der Weissagung Haggais und Sacharjas wurde das Haus vollendet (Kap. 6, 15).
Die große Gnade des HERRN in alledem war eine echte Gelegenheit zur Freude. Die Priester werden nach der Vorschrift Moses in ihre Abteilungen gestellt, und die Leviten in ihre Ordnung, und wir finden hier mehr Treue als in den besten Tagen der Könige (vgl. Esra 6, 20 mit 2.Chr 29, 34). Wir hören aber nichts von den Vorschriften Davids, und bei der Einweihungsfeier wird ein noch größerer Mangel gesehen. Sie feierten das Passah, ein Beweis, dass der Erlösung des Volkes im Land gedacht werden konnte. Ein glückliches Vorrecht des wiederhergestellten Überrestes! Viele hatten sich ihnen auch angeschlossen, indem sie sich von der Unreinigkeit der Heiden des Landes reinigten. Der HERR hatte ihnen eine Veranlassung zur Freude geschenkt; es fuhr aber kein Feuer mehr vom Himmel hernieder, um die Annahme der zur Einweihung des Hauses dargebrachten Opfer zu bezeugen. Dies war tatsächlich ein negativer Unterschied, aber von tiefer Bedeutung. Sogar das, was den Gegenstand ihrer Freude bildete, verriet ihren Zustand. „Der HERR hatte ... ihnen das Herz des Königs von Assyrien zugewandt, so dass er ihre Hände stärkte in dem Werk des Hauses Gottes, des Gottes Israels.“ Es war Seinerseits große Güte und ergreifende Gnade, jedoch, welche Veränderung!