Der 2. Brief an die Korinther
Kapitel 5
Kapitel 5 setzt das Thema von Kapitel 4 ohne besondere Unterbrechung fort, denn Paulus geht weiter und zeigt, daß, wenn unser äußerer Mensch verfällt und somit unser irdisches Hüttenhaus zerstört wird, wir ein Haus von einer anderen Ordnung haben werden, das ewig bestehen wird. Der Gedanke an das, was ewig ist, verknüpft diese Verse. Ewige Dinge werden ins Blickfeld unseres Glaubens gerückt. Ein ewiges Gewicht von Herrlichkeit erwartet uns. Und wir werden einen Auferstehungsleib brauchen, der ewig sein wird, um dieses ewige Gewicht von Herrlichkeit tragen zu können und nicht davon erdrückt zu werden. Es ist absolut sicher, daß wir einen solchen Auferstehungsleib bekommen werden. „Wir wissen“, sagt er. Er hatte diese Tatsache im fünfzehnten Kapitel des ersten Briefes begründet, so daß sie ebenso gut davon wußten wie er.
Von unseren Leibern wird als von Häusern gesprochen, in denen wir wohnen, und das ist sehr passend. Unsere augenblicklichen Leiber sind nur „Hütten- oder Zelthäuser“, also vergleichsweise lockere und leicht abzureißende Gebilde. Unsere zukünftigen Leiber in der Welt der Auferstehung werden von einer anderen Ordnung sein, wie uns 1. Korinther 15 gezeigt hat. Hier erfahren wir, daß sie „nicht mit Händen gemacht“ sein werden, das heißt, sie werden geistlich sein, nicht von irdischer oder menschlicher Ordnung. Sie werden ewig sein, denn wir werden darin in ewige Bereiche eintreten. Auch werden sie himmlisch sein. Unsere jetzigen Leiber sind natürlich und irdisch und bleiben nur für eine Zeit.
In den einleitenden Versen von Kapitel 5 lesen wir von „bekleidet“, „entkleidet“ und „überkleidet“ werden und von „nackt“ sein. Jetzt bewohnen wir ein irdisches Zelt, sind bekleidet mit einem Leib der Niedrigkeit. Dann werden wir mit verherrlichten Leibern einer geistlichen, ewigen und himmlischen Ordnung bekleidet werden. Alle Toten werden auferweckt werden, selbst die Bösen werden, bekleidet mit Leibern, vor ihrem Richter erscheinen. Aber wenn sie auch bekleidet sind, werden sie doch vor dem großen weißen Thron für geistlich nackt befunden werden. Wenn wir wahre Christen sind, werden wir niemals in dieser Weise für nackt befunden werden, obwohl wir entkleidet werden mögen, denn dieses Wort bezeichnet den Zustand der Gläubigen, die „ausheimisch von dem Leib“ (V. 8) in der Gegenwart des Herrn sind. Paulus selbst und mit ihm Myriaden sind im gegenwärtigen Augenblick entkleidet, aber dieser entkleidete Zustand, wie gesegnet er auch sein mag, ist nicht das Ziel unserer Wünsche. Wonach wir uns sehnen, während wir in unserer gegenwärtigen Schwachheit seufzen, ist, mit unserem Haus aus dem Himmel überkleidet zu werden.
Alle Auferweckten werden „bekleidet“ werden, aber nur die Gläubigen werden „überkleidet“ werden, denn die Beschreibung hier nimmt Bezug auf die Geschehnisse bei der Ankunft des Herrn. Der Ausdruck ist vielleicht besonders passend im Blick auf die, die leben und bis zum Kommen des Herrn bleiben. Solche werden alle verwandelt werden und so in den Auferstehungszustand eingehen. In einem Nu werden sie mit ihren verherrlichten Leibern ausgestattet und so mit ihrem Haus aus dem Himmel überkleidet werden. Das Sterbliche, das ihren jetzigen Leibern eigen ist, wird in einem Augenblick von dem Leben verschlungen werden.
Laßt uns die beiden Ausdrücke „in den Himmeln“ und „aus dem Himmel“ nicht in materialistischem Sinn lesen, wie einige es getan haben. Wir dürfen unsere künftigen Herrlichkeitsleiber nicht so verstehen, als ob sie eine neue und verbesserte Kleiderausstattung wären, die bereits irgendwo im Himmel existierte und geradewegs von dort zu uns käme. Wenn wir so dächten, würden wir uns im Widerspruch zu 1. Korinther 15,42–44 befinden, wo eine gewisse Identität erhalten bleibt zwischen dem Niedrigkeitsleib, der in die Erde gelegt wird, und dem Herrlichkeitsleib, der auferweckt wird. Diese Ausdrücke dort bezeichnen mehr den Charakter als eine Örtlichkeit. Der Himmel ist unser Bestimmungsort, und wir werden dort mit Leibern eintreten, die im Ursprung und Charakter himmlisch sind.
Wir haben über diese Dinge eine beglückende Gewißheit und können sagen „wir wissen“, weil Gott gesprochen und sie uns offenbart hat. Doch nicht nur das, Er hat auch in Übereinstimmung mit dem, was Er offenbart hat, gehandelt. Er hat uns schon für diese Bestimmung bereitet. Hier wird auf das geistliche Werk angespielt, das in uns und mit uns durch den Heiligen Geist gewirkt wird. Durch Seinen Geist ist Gott der Töpfer gewesen, und wir sind der Ton gewesen. Dieses Überkleidet werden, von dem wir soeben gesprochen haben, wird in Römer 8 als ein Lebendigmachen unserer sterblichen Leiber beschrieben. Unsere sterblichen Leiber werden lebendig gemacht werden, aber Gott hat schon ein lebendigmachendes Werk an unseren Seelen gewirkt, und dieses gegenwärtige Werk nimmt das Werk vorweg, das im Blick auf unsere Leiber noch geschehen muß. Außerdem hat Er uns schon Seinen Geist als das Unterpfand der künftigen Dinge gegeben.
Was Gott durch Seinen Geist gewirkt hat, muß von dem Geist selbst unterschieden werden, der denen gegeben ist, die die Gegenstände dieses Werkes sind. Die Reihenfolge in Vers 5 ist zuerst das Werk des Geistes, zweitens die Innewohnung des Geistes als Unterpfand; das eine bereitet das andere vor.
Deshalb kann der Apostel sagen: „So sind wir nun allezeit guten Mutes.“ Wie könnte es anders sein? Wir haben die klare Offenbarung Gottes darüber. Wir haben das Werk Gottes, das mit dieser Offenbarung übereinstimmt. Wir haben die Gabe Gottes – nämlich Seinen Heiligen Geist – als Pfand und Vorgeschmack. Könnte irgend etwas gewisser und sicherer sein? Schwierigkeiten mögen uns von allen Seiten bedrängen, wie es bei Paulus war. In unseren sterblichen Leibern mögen auch wir beschwert seufzen. Aber das, was in der Auferstehung vor uns liegt, ist vollkommen klar und fest. Da dürfen auch wir allezeit guten Mutes sein, ob der Himmel sich mit dunklen Gewitterwolken überzieht oder im Augenblick in heiterem Blau erglänzt.
Für den Augenblick sind wir einheimisch in dem Leib und ausheimisch von dem Herrn, hier zurückgelassen, um durch Glauben zu wandeln, nicht durch Schauen, Das Vertrauen des Paulus ging so weit, daß er willens war – ja, mehr als willens, er wünschte es – ausheimisch von dem Leib und einheimisch bei dem Herrn zu sein. Das ist heute sein Teil und das Teil all derer, die im Glauben an Christus entschlafen sind. Sie sind ausheimisch von ihren Leibern, die ins Grab gelegt worden sind, und warten auf den Augenblick, wo sie mit Leibern der Herrlichkeit bekleidet werden. Aber jetzt schon sind sie beim Herrn, in all der bewußten Glückseligkeit Seiner Gegenwart, wie die Eingangsverse von Kapitel 12 bezeugen.
Es gibt Leute, die behaupten, daß Zuversicht und Vertrauen im Blick auf die eigene Zukunft das gegenwärtige Verhalten eines Menschen ungünstig beeinflussen muß. Dieser Gedanke wird jedoch in Verse 9 entschieden widerlegt. Wenn etwas Wahres daran wäre, dann müßten wir hier lesen: „Wir sind aber guten Mutes, ... weshalb wir“ unsere Bequemlichkeit suchen und gleichgültig und sorglos sind. Nein, das genaue Gegenteil wird gesagt: „Deshalb beeifern wir uns auch.“ Das Vertrauen, das wir haben, spornt uns zu ernstem Eifer an. Es ist unser Bestreben, komme, was kommen mag, Leben oder Tod, „ihm wohlgefällig“ oder „angenehm“ zu sein. Wir sind „angenehm gemacht in dem Geliebten“, wie uns Epheser 1 sagt. Und jetzt möchten wir Ihm angenehm oder wohlgefällig sein.
Dieser Wunsch, dem Herrn zu gefallen, erwacht sicherlich unwillkürlich in jedem Herzen, das Ihn liebt; doch allzu oft brennt es nicht so, wie es sollte. Deshalb bringt der Apostel jetzt eine andere Tatsache vor uns, die darauf abzielt, uns zu mehr Hingabe anzuregen. Wenn Christus kommt, wird er Seinen Richterstuhl aufstellen. Es wird aber nicht um ein Strafgericht gehen. Das bleibt aufbewahrt, bis der große weiße Thron errichtet wird, wie wir in Offenbarung 20 sehen. Es wird mehr einem Preisgericht der Marine gleichen, wo Richter über die Aufbringung von Schiffen während der Seekriegsführung urteilen, das Handeln und Verhalten der Offiziere und Mannschaften kritisch nachprüfen und in vielen Fällen Geldpreise zuerkennen.
Vor diesem Richterstuhl müssen wir alle erscheinen, um offenbar zu werden. Jede Sache muß ins Licht der Gegenwart unseres Herrn kommen. Wünschen wir es uns anders? Wenn es noch Ereignisse in unserem Leben gäbe, vielleicht einige des Versagens und der Beschämung, zu denen der Herr sich noch nie uns gegenüber äußerte, würde uns da nicht ein Gefühl der Zurückhaltung bedrängen? Würde nicht unsere sonst ungetrübte Ewigkeit teilweise verdunkelt werden durch die Empfindung, diese Vorkommnisse könnten noch eines späteren Tages ans Licht treten? So ernst der Gedanke ist, daß wir vor dem Richterstuhl erscheinen müssen, dürfen wir uns doch auch freuen, daß er an der Schwelle der Ewigkeit steht, deren Herrlichkeit auf uns wartet. Vorher müssen wir offenbar werden, und damit wird alles, was wir gewesen sind und getan haben, unter den forschenden Blick unseres Herrn kommen. Das bedeutet, jede einzelne Sache zu sehen, wie Er sie sieht, und Sein Urteil zu empfangen. Das bedeutet ferner die Enträtselung jedes geheimnisvollen Geschehens, das uns auf dem Weg begegnete; ein Aufdecken des Warum und Weshalb zahlloser anstrengender Erfahrungen; zusammen mit einem tiefen Verstehen der wunderbaren Gnade unseres Gottes und der Wirksamkeit des Priestertums und der Sachwalterschaft Christi.
Es wird auch Belohnung oder Verlust bedeuten, nach dem, was jemand „in dem Leib“ getan hat, das heißt, unter der Verantwortlichkeit seines ganzen Lebens hier auf der Erde. Wir sehen dies auch in 1. Korinther 3,14.15; nur geht es da deutlich um den Charakter unseres Werkes als Diener des Herrn. Hier ist allgemeiner und umfassender an all unsere Handlungen und Wege zu denken.
Der Gedanke an den Richterstuhl rückte offensichtlich die Tatsache ins Blickfeld des Apostels, daß schließlich alle Menschen, ob errettet oder nicht errettet, vor dem Herrn Jesus stehen werden. Und weil er an die letzteren dachte und den Schrecken, dem sie entgegengingen, fühlte er sich gedrungen, sie zu warnen und zu überreden. Ebenso fühlte er sich in einer anderen mehr persönlichen Richtung gedrungen, und zwar im Blick auf sich selbst und die Korinther, nämlich so zu leben, daß sein Leben vor Gott und in den Gewissen seiner Mitgeschwister offenbar war.
Wenn wir unser Leben in der Gewißheit leben, daß wir vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden müssen, werden wir sorgfältig darauf achten, daß unser Verhalten in dieser Zeit vor Gott aufrichtig, ehrbar und in allen Beweggründen lauter ist. Wenn wir sündigen, sollten wir uns sogleich im Bekenntnis vor Ihm demütigen und nichts zu verbergen oder zu beschönigen suchen. Weiter sollten wir, wie Paulus, nicht versuchen, in den Augen unserer Mitgläubigen anders zu erscheinen, als wir sind. Wir sollten in allen geschwisterlichen Beziehungen offen und durchsichtig sein, nicht billiges Ansehen heischen für eine Frömmigkeit und Heiligkeit, die wir gar nicht besitzen. Es gab einige in den Tagen des Paulus, die sich so verhielten, wie Vers 12 bezeugt.
Leben wir im Licht des Richterstuhls? Das ist eine ernste Frage! Möge jeder sie in seinem eigenen Gewissen vor Gott beantworten. Wenn wir die Frage ehrlich bejahen können, wird unser Leben von Gottesfurcht, Nichtweltlichkeit und Eifer gekennzeichnet sein. Wir werden durchsichtig sein vor Gott und Menschen. Und wir werden auch kühn sein wie Paulus, um die Menschen zu überreden. Wir werden ernstlich das Heil der Menschen suchen, Gott zur Herrlichkeit.
Der Apostel Paulus war von einem glühenden Eifer beseelt. Er weckte in ihm den sehnlichen Wunsch, dem Herrn wohlgefällig zu sein, im Umgang mit seinen Brüdern offen und durchsichtig zu sein und die Menschen angesichts des kommenden Gerichts zu überreden. Sein Eifer trug ihn manchmal über sich hinaus, so daß Menschen ihn als Fanatiker abstempelten. Auch Festus stand unter diesem Eindruck, als er ausrief: „Du rasest, Paulus!“ Doch das war kein Fanatismus, denn wenn er außer sich war, so war er es „Gott“, das heißt, er war Gott hingegeben. Er war außer sich, weil Gott so wahrhaftig in ihm war. „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Joh 4,16).
Wir mögen es schwierig finden, dieses „Außer-uns-Sein“ zu verstehen, und noch schwieriger, es zu erklären. Das mag daher kommen, weil es sich um eine Erfahrung handelt, die uns fast, wenn nicht völlig, unbekannt ist. Es ist sehr wohl möglich, daß wir uns in Kreisen bewegen, wo ein Eifer, wie wir ihn bei Paulus sehen, von geistlicher Warte aus als fleischliche Energie, und von gesellschaftlichem Standpunkt aus als schlechtes Benehmen betrachtet wird. Wie groß ist dann unser Verlust!
Nun, Paulus befand sich nicht beständig in einer gotthingegebenen Verzückung. Er wußte auch sehr gut, mit klugem, nüchternem Sinn die Interessen des Herrn wahrzunehmen. Dann war er in einer wohlüberlegten Weise für das Volk Gottes besorgt, die Korinther darin eingeschlossen. Und in diesem ebenso wie in jenem war es die Liebe Christi, die als Kraft in ihm wirkte und ihn drängte. Diese Liebe hatte in Seinem Tod ihren höchsten Ausdruck gefunden, und sie drängte Paulus in seinen Zuneigungen zu Gott und zu den Seinen und leitete ihn in seinem Urteil. Von dieser Liebe gedrängt, konnte er die Bedeutung des Todes, durch den die Liebe sich offenbart hatte, recht beurteilen.
Christus ist „für alle gestorben“. Das ist die umfassendste Aussage über Seinen Tod. Er starb nicht nur für die Juden oder für irgendeinen anderen Teil, der weniger umfaßte als „alle“. Das ist eine Tatsache, über die wir wohl jubeln dürfen. Aber was ist damit gesagt? Dies: daß alle sich in einem Zustand des geistlichen Todes befanden. Vor Gott waren alle Menschen tot. Das ist die eigentliche Bedeutung Seines Todes.
Aber was war der Zweck Seines Todes? Sein Zweck war, zumindest für einige einen Weg des Lebens zu bereiten und für diese Lebendigen den Charakter des Lebens völlig zu verändern.
Vers 15, beachten wir es, beginnt mit Seinem Tod und endet mit Seiner Auferweckung. Diese Worte stellen den Plan und den Zweck dieser beiden gewaltigen Tatsachen heraus. Sie sind geschehen, damit solche, die zum Leben erweckt worden sind, in dem auferstandenen Christus den Inhalt und das Ziel des neuen Lebens, das von ihnen gelebt wird, finden möchten. In den Tagen vor unserer Bekehrung hatten wir uns selbst als Inhalt und Zweck unseres Lebens. Alles, was wir unternahmen, drehte sich um uns selbst und diente unserem Ich. Nun sollte das bei uns völlig anders aussehen, und alles im Leben sollte sich um die Interessen und die Herrlichkeit Christi drehen und dazu beitragen. Das ist zumindest Gottes Absicht und Zweck für uns.
Vers 16 knüpft hieran an, wie das erste Wort „daher“ erkennen läßt. Weil Christus nicht mehr in dieser Welt lebend unter uns ist und weil wir jetzt in der Verbindung mit Ihm leben, ist eine neue Ordnung der Dinge eingetreten. Sogar Christus selbst wird von uns in einer neuen Weise gekannt. Paulus war nicht von denen gewesen, die Christus in den Tagen seines Fleisches „dem Fleisch nach“ kannten. Aber selbst wenn das der Fall gewesen wäre, würde er Ihn jetzt nicht mehr also gekannt haben. Aber auch wir kennen keinen Menschen nach dem Fleisch. Nicht, weil die Menschen nicht mehr in dem alten Zustand dem Fleische nach wären; denn die große Masse ist das sehr wohl. Es ist wegen der subjektiven Veränderung, die in uns bewirkt worden ist. Christen lernen, die Menschen auf eine neue Weise zu sehen, nicht wegen einer Veränderung an ihnen, sondern weil sie selbst verändert sind.
Was bewirkt worden ist, sagt Vers 17 – das Werk einer neuen Schöpfung in Christus. Als neu erschaffen in Christus, befinden wir uns in einer neuen Welt. Was unsere Leiber betrifft, so sind wir noch nicht dort. Erst das Kommen des Herrn wird sie dorthin bringen. Doch nach dem Geist und dem inneren Menschen sind wir dort. Auch heute schon bewegt sich unser Geist unter völlig neuen Dingen, die uns im noch unbekehrten Zustand gänzlich unbekannt waren. Auch die alten Dinge dieser gegenwärtigen Schöpfung, unter denen wir uns bewegen, werden von uns in einer neuen Weise gesehen.
Diese Wahrheit sollten wir gründlich verarbeiten. Wie viele Schwierigkeiten entstehen unter Christen, weil sie einander wohl nach dem Fleische kennen und in einer fleischlichen Weise miteinander umgehen, nach den alten Grundsätzen und der Weise der Welt. Dann ist es leicht möglich und völlig natürlich, in Parteiungen und Cliquen zu geraten, seine Vorlieben und Abneigungen zu haben, mit diesem oder jenem Mitgläubigen überaus freundlich zu sein, bis eine Meinungsverschiedenheit da ist und eine ebenso heftige Feindschaft aufbricht. Diese Art von Beziehungen, selbst die Freundschaft, die vergnügliche Geselligkeit und die offensichtliche Eintracht ruhen auf falschem Grund. Sie sind nach dem Fleisch und nicht nach der neuen Schöpfung und nach dem Geist Gottes. Wenn alle Gläubigen einander kennten auf der neuen Grundlage, welche Verwandlung käme dann in die Betrachtung der Dinge, die in der Kirche Gottes jetzt vielfach die Oberhand haben.
Vers 18 beleuchtet eine weitere Tatsache. Wir sind mit Gott versöhnt durch Jesus Christus, ebenso wie wir eine Schöpfung in Christus sind. Versöhnung nun beinhaltet, daß alles, was in und an uns vor Gott beleidigend ist, weggetan ist, einschließlich der Feindschaft des Herzens, die uns von Ihm fernhielt. Eine Frucht der Versöhnung besteht darin, daß Gott mit Freude und Wohlgefallen auf uns herabblicken kann, und wir können mit Vertrauen zu Ihm aufblicken und Seine Liebe erwidern.
Als Christus hier war, war Gott in Ihm, um die ganze Welt zu versöhnen. Er kam, um Menschen zu Gott zu bringen, nicht, um sie vor Gott anzuklagen oder von ihnen wegen der Sünde Rechenschaft zu fordern. Johannes 8,11 ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Aber Gottes Versuch, sich den Menschen in Christus zu nähern mit dem Ziel der Versöhnung, wurde zurückgewiesen, und Christus wurde getötet. Es ist eines der großen Wunder des Evangeliums, daß ungeachtet dieser Verwerfung Sein Tod die Grundlage der Versöhnung wurde, die heute verkündigt wird.
Wir Gläubigen sind jetzt mit Gott versöhnt. Und als solche, die selbst versöhnt sind, haben wir Anteil am Dienst der Versöhnung. Als der Apostel schrieb: „So sind wir nun Gesandte für Christus“, dachte er wahrscheinlich an sich selbst und seine Mitarbeiter und die anderen Apostel, denn sie waren in einem besonderen Sinn mit dem Evangelium betraut worden. Doch sind seine Worte auch auf jeden Gläubigen anzuwenden. Die Kirche Gottes ist gleich einer göttlichen Gesandtschaft in einer feindlichen Welt, und jeder von uns hat daran zu denken, daß wir ein Teil dieser Gesandtschaft sind und daß unser Verhalten vor den Menschen mit dem Wort der Versöhnung, das wir in uns tragen, übereinstimmen muß. Am Schluß von Vers 20 haben wir in aller Kürze, was das Wort der Versöhnung ist: „Als ob Gott durch uns ermahnte; wir bitten an Christi Statt: Laßt euch versöhnen mit Gott.“
Und wenn wir die Menschen in dieser Weise bitten und sie uns dann fragen, auf welcher Grundlage eine Versöhnung möglich ist, können wir mit den Worten des letzten Verses antworten: Die Grundlage liegt in Gottes eigenem Werk, das Er im Tod Christi ausgeführt hat.
In Vers 21 liegt eine große Tiefe, die sich all unseren schwachen Versuchen einer Erklärung widersetzt. Daß Gott Christus zu einem Sündopfer machen würde, könnte mit Begriffen der alttestamentlichen Opfer, die Sein Opfer abbilden, erklärt werden. Aber daß Gott Ihn, der keine Sünde kannte, für uns ZUR SÜNDE machen sollte, dafür haben wir keine Erklärung. Wohl könnten wir darauf hinweisen, wie wir gerechtfertigt werden und wie Gerechtigkeit denen zugerechnet wird, die glauben. Aber wie wir in Ihm GERECHTIGKEIT GOTTES WERDEN können, liegt jenseits unserer Fassungskraft. Die Sünde hatte uns ganz und gar durchdrungen, und alles, was wir waren, dazu wurde Er gemacht, als Er auf dem Kreuz starb. Gerechtigkeit kennzeichnet Gott völlig, und was Er ist, dazu sind wir in Christus gemacht worden.
Anderseits ist somit alles, was wir waren, weggetan worden, und alles, was Gott ist, ist eingeführt worden, und wir haben darin unseren Platz. Offensichtlich ist hier eine vollkommene und unanfechtbare Grundlage für die Versöhnung, deren wir uns erfreuen, gegeben, und wir sind bevorrechtigt, sie anderen zu verkünden.
Laßt uns an diesem Punkt stillstehen und betrachten, wie der Apostel geführt wurde, eine lange Einfügung zu machen. Sie begann mit Vers 7 von Kapitel 4 und wurde veranlaßt durch die Erwähnung der Umstände, die ihn als einen Lichtträger und Diener des neuen Bundes bedrängten. Diese Einfügung schließt mit Kapitel 5 ab, und wieder sehen wir ihn als einen Diener, aber diesmal im Blick auf das Wort der Versöhnung. Das Wort der Versöhnung geht zweifellos über den Dienst des neuen Bundes hinaus, und es ist nützlich, das eine vom anderen zu unterscheiden. Doch dürfen wir sie nicht trennen, als hätten wir es mit zwei Evangelien zu tun. Das eine Evangelium Gottes ist so groß und umfassend, daß es von verschiedenen Seiten betrachtet werden kann.