Die christliche Gemeinschaft
8. Hindernisse für Gemeinschaft
Die Gemeinschaft der Kinder Gottes mit ihrem Vater, mit Seinem Sohn und miteinander ist ein wunderbares Vorrecht und ein großer Segen. Doch schnell kann uns der Genuß und die Freude daran verlorengehen. Die größten Feinde unserer Gemeinschaft sind das Fleisch in uns und Satan, der Fürst dieser Welt, die uns umgibt und in der wir leben. Ein Gläubiger, dessen Gedanken von fleischlichen und weltlichen Dingen erfüllt sind oder der ganz in die Welt zurückgegangen ist, kann keine Gemeinschaft im Licht Gottes genießen.
Das Fleisch, die sündige Natur des Menschen, wirkt zerstörerisch auf die praktische Gemeinschaft mit Gott. Wir sehen das deutlich in Römer 7 und 8, wo Fleisch und Geist einander gegenübergestellt werden, wenn auch die Gemeinschaft selbst dort nicht das Thema ist. Während der Heilige Geist unsere Gedanken und Empfindungen auf unseren geliebten Herrn und auf unsere wunderbaren Beziehungen als Kinder Gottes richtet und uns unsere Gemeinschaft praktisch immer größer macht, ist die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott. Wenn wir den fleischlichen Neigungen nachgeben, dann leidet unsere Gemeinschaft mit Gott, wenn wir jedoch praktisch in Gemeinschaft mit Ihm leben, wird das Fleisch in uns wirkungslos.
Gemeinschaft mit der Welt ist unvereinbar mit der Gemeinschaft mit Gott. Paulus macht das in seinem zweiten Brief an die Korinther in einem längeren Abschnitt deutlich, den wir wegen seiner praktischen Bedeutung hier anführen wollen: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: ,Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.' Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2. Kor 6,14-18).
Paulus verdeutlicht seine Warnung durch das Bild eines Jochs, unter dem zwei Zugtiere zusammengeschirrt sind, die gemeinsam einen Wagen oder einen Pflug ziehen. Dieses Bild ist nicht willkürlich gewählt, sondern rührt von einem Gebot im Alten Testament her, das lautet: „Du sollst nicht pflügen mit einem Rind und einem Esel zusammen“ (5. Mo 22,10). Rinder waren nach dem Gesetz reine Tiere, Esel dagegen unrein. Außerdem sind diese beiden Haustiere so verschieden geartet, daß jemand mit gesundem Menschenverstand sie nicht zusammenschirren würde. Es wäre tatsächlich „ein ungleiches Joch“. Der Zusammenhang mit den Verboten, einen Weinberg mit zweierlei Samen zu besäen und Kleidung aus verschiedenen Stoffen zu tragen (Verse 9 und 11), zeigt uns, daß Gott das Volk Israel - wenn auch in äußerlicher Hinsicht - vor der Vermischung von unvereinbaren Grundsätzen warnt.
Nach der Erwähnung des ungleichen Joches weist Paulus die Korinther durch fünf Fragen darauf hin, daß Gemeinschaft zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen moralisch unmöglich ist. Ein Christ soll in praktischer Gerechtigkeit leben; wie kann er dann Gemeinschaft mit Menschen haben, die in Gesetzlosigkeit leben? Der Christ ist Licht in dem Herrn; kann es da Gemeinschaft mit Menschen geben, die selbst Finsternis sind und sich fern von Gott in der Finsternis befinden? Die dritte ist die Zentralfrage, denn es geht in der Tat darum, ob es irgendeine Übereinstimmung zwischen Christus und Belial (soviel wie Satan) geben kann. Dann folgen noch zwei Fragen, die sich konkret auf die einzelnen Gläubigen und die Versammlung Gottes als Ganzes beziehen. Die Antworten auf alle diese Fragen können nur verneinend sein. Ein Kind Gottes kann nicht dieselben sittlichen Ziele haben wie ein Ungläubiger, er kann deshalb nicht mit ihm an einem Strang ziehen. Das Maß des unvermeidlichen und notwendigen Umgangs -auch im Blick auf das Zeugnis für den Herrn - zeigt Gott uns an anderen Stellen Seines Wortes (1. Kor 5,9; 10,27). Aber Gemeinschaft zwischen Licht und Finsternis kann nicht ohne schwerwiegende Folgen bleiben.
Auch in Epheser 5,11 werden wir vor schädlicher Gemeinschaft gewarnt: „Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis.“ Hier geht es nicht um Personen, sondern um Taten oder Handlungsweisen. Auch ein Kind Gottes, das sündigt, tut Werke der Finsternis, deren Quelle nicht das Licht Gottes ist. Wenn ich mit solchen Taten keine Gemeinschaft haben kann, kann ich es dann mit den sie ausübenden Personen, selbst wenn sie bekennen, errettet zu sein? Paulus ermahnt seinen jungen Mitarbeiter Timotheus: „Die Hände lege niemand schnell auf, und habe nicht teil an [oder: Gemeinschaft mit] fremden Sünden“ (1. Tim 5,22).
Diese Warnungen bedeuten jedoch nicht, daß wir in jedem Fall die geschwisterliche Gemeinschaft abbrechen müssen. Nein, es muß uns schmerzen, zu sehen, wie ein Kind Gottes ohne Gemeinschaft mit seinem Herrn lebt und handelt, und uns dazu bringen, sein Herz und Gewissen wieder in den vollen Genuß der Gemeinschaft zurückzuführen. „Gewinnen“ (Mt 18,15) und „Zurechtbringen“ (Gal 6,1) heißt auch, die Gemeinschaft mit dem Herrn und mit den Seinen wiederherstellen!
An dieser Stelle müssen wir jedoch die Unterbrechung der Gemeinschaft mit jemand, der im Bösen verharrt, erwähnen. Das letzte und äußerste Mittel jeder liebevollen Bemühung und heiligen Zucht ist das Hinaustun eines Bösen aus der Gemeinschaft der Versammlung, das in Matthäus 18,15-20 und 1. Korinther 5 beschrieben wird. Wer so hinausgetan ist, ist von jeglicher Gemeinschaft mit Gläubigen ausgeschlossen. Viele Kinder Gottes sehen die Notwendigkeit dieser Zucht nicht ein. Sie erblicken in dieser dem Stolz und der Gleichgültigkeit des Fleisches gleichermaßen widerstrebenden Handlungsweise menschliche Selbstgerechtigkeit oder Anmaßung. Wenn wir jedoch in Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus leben, verstehen wir, daß weder Gott noch Seine Versammlung Gemeinschaft mit Bösem haben kann. Dem Betreffenden soll gerade durch den Verlust der praktischen Gemeinschaft mit den Gläubigen bewußt werden, was er durch sein Beharren in der Sünde alles verloren hat, damit er zur Buße und Umkehr kommt.
Auch mit einem Kind Gottes, das in der Versammlung als jemand „bezeichnet“ worden ist, der einen unordentlichen Lebenswandel führt, sollen wir keinen Umgang haben, damit es sich seiner Verfehlungen bewußt wird und zur Umkehr kommt. Doch nach 2. Thessalonicher 3,14 soll es nicht wie ein Ausgeschlossener behandelt werden, sondern als Bruder (oder Schwester) zurechtgewiesen werden, damit die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft erreicht wird - volle Gemeinschaft deshalb, weil die Bezeichnung eines Gläubigen eine Form der Zucht ist, bei der die Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht verwehrt werden kann.
Wenn wir uns noch einmal an die unmißverständlichen Worte von Paulus über die Unmöglichkeit der Gemeinschaft mit Dämonen-Tischen erinnern, so können wir nur den Schluß ziehen, daß Gott in Seiner Heiligkeit darüber wacht, daß die Seinen nicht gleichzeitig mit Ihm und mit der Welt oder gar mit den Werkzeugen Satans Gemeinschaft haben können.
Doch wenn die Gemeinschaft gestört ist, so ist das kein auswegloser Zustand. Der Herr Jesus, der Seinen Jüngern beim Abschied sagte: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28,20), läßt keines der Seinen je aus dem Auge. Auch wenn jemand sich von Ihm entfernt hat, geht Er ihm nach, wie der Hirte dem verirrten Schaf, um ihn in die volle Gemeinschaft mit Sich und den Seinen zurückzubringen. Von allem, was der Gemeinschaft hindernd im Weg steht, reinigt Er uns durch die Fußwaschung, ohne die wir kein Teil, keine Gemeinschaft mit Ihm, dem verherrlichten Herrn im Himmel, haben können (Joh 13,8). Mit Recht ist schon oft darauf hingewiesen worden, daß der Herr nicht sagt: „kein Teil an mir“, sondern „mit mir“. „Teil an Ihm“, die Stellung des Einsseins mit Ihm, haben alle Erlösten durch den Glauben an Sein vollbrachtes Sühnungswerk am Kreuz empfangen, und es ist ein unverlierbares Teil. Aber das „Teil mit Ihm“, die praktische Gemeinschaft mit Ihm, wird durch Seinen reinigenden und erquickenden Dienst der Fußwaschung erhalten. Danken wir Ihm für diese unaufhörliche Mühe mit uns, Seinen Geliebten!
Er hat auch den Seinen den gleichen Auftrag der Liebe gegeben: „Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen“ (Joh 13,14). Wir sollen einander nicht kritisieren oder von oben herab zurechtweisen, sondern den Herrn Jesus und Seine Liebe vorstellen, um die Herzen für Ihn zu erwärmen und mit Ihm zu erfüllen. Dann ist der Dienst der Fußwaschung nicht nur nützlich für denjenigen, der ihn erfährt, sondern auch für den, der ihn ausübt, denn der Herr fügt hinzu: „Wenn ihr dies wißt, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut“ (Joh 13,17).