Die Gnade Gottes
Die unterweisende Gnade
Die Gnade Gottes ist nicht nur heilbringend für alle Menschen erschienen, sondern sie will auch alle unterweisen, die das Heil im Glauben angenommen haben (Tit 2,11-13). Diese Unterweisung der Gnade brauchen wir, solange wir auf der Erde leben, weil unser neues Leben zwar den Wunsch hat, das zu tun, was Gott wohlgefällig ist, aber an sich keine Kenntnis der Gedanken und Wege Gottes besitzt, und weil wir noch das Fleisch, die ,alte Natur, haben, die nur sündigen kann und will.
Die Unterweisung erfolgt durch das Wort Gottes, und ihr Ziel mit uns ist, daß wir besonnen, gerecht und gottselig leben. Wir können auf diese zarte, aber feste Belehrung nicht verzichten. Ob wir noch am Anfang oder schon am Ende des Glaubenslebens stehen, wir brauchen die Gnade und ihre Unterweisung, um Gott wohlgefällig zu dienen (Hebr 12,28), und jeder Schritt ohne sie ist gefährlich.
Es ist nicht das Gesetz, das uns unterweist, sondern die Gnade. Die Gefahr der Hinwendung zum Gesetz haben wir schon gesehen. Das von Gott gegebene Gesetz, obgleich heilig, gerecht und gut, fordert nur, ohne die Kraft zu seiner Erfüllung zu geben. Die Gnade jedoch schenkt uns zuerst die neue Natur, die fähig und willens ist. den Willen Gottes zu tun, um uns dann auch die notwendige Belehrung zu geben.
Nehmen wir nun den kurzen Abschnitt in Titus 2,11-13 etwas genauer in Augenschein. Mit dem ersten Teil, der von der Erscheinung der heilbringenden Gnade für alle Menschen handelt, haben wir uns bereits beschäftigt. Jetzt geht es um den zweiten Teil, die Unterweisung. Das Tätigkeitswort .unterweisen' steht als Partizip (Mittelwort) auf der gleichen Ebene wie ,heilbringend' (eigentlich ein Eigenschaftswort); wortgetreu könnte man übersetzen: „Denn erschienen ist die Gnade Gottes, heilbringend für alle Menschen, uns unterweisend ...“ Ebenso wie die Gnade in der Person des Herrn Jesus als Mensch erschienen ist, so ist Er selbst jetzt auch derjenige, der uns unterweist. Denken wir nur an Seine eigenen Worte: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,29.30)!
Im folgenden Satzteil wird nun nicht beschrieben, wie, sondern wozu die Gnade uns unterweist. Das Hauptziel ist, daß wir im jetzigen Zeitlauf besonnen, gerecht und gottselig leben. Diese Zielvorgabe ist jedoch von zwei Nebensätzen eingerahmt, deren erster sich auf die Vergangenheit bezieht, der zweite auf die Zukunft. Die Unterweisung der Gnade umfaßt unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere Zukunft.
1. In der Vergangenheit waren Gottlosigkeit und weltliche Begierden unsere Kennzeichen. Um uns von ihnen zu befreien, ist der Herr Jesus am Kreuz für uns gestorben. Unser alter Mensch ist mit Ihm gekreuzigt, damit wir der Sünde nicht mehr zu dienen brauchen. Wir haben den neuen Menschen angezogen, der erneuert wird nach dem Bild dessen, der ihn erschaffen hat. Wie nach dem Einzug in Kanaan durch die Beschneidung die Schande Ägyptens von den Israeliten abgewälzt wurde (Jos 5,9), so sollen wir heute die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden als Dinge betrachten, mit denen wir nichts mehr zu tun haben.
2. Im gegenwärtigen Zeitlauf sollen wir als Erlöste besonnen, gerecht und gottselig leben. Diese drei Eigenschaftswörter umfassen wiederum alle Bereiche unseres gegenwärtigen Lebens als Kinder Gottes: Besonnenheit soll unser persönliches Leben und das, was unserer eigenen Verantwortung unterliegt, kennzeichnen (vgl. Röm 12,3; 1. Pet 4,7), Gerechtigkeit soll besonders in unserem Verhältnis zu Geschwistern und Mitmenschen im allgemeinen zum Ausdruck kommen (Kol 4,1; 1. Thes 2,10), und schließlich als Höchstes die Gottseligkeit, d.h. unsere Hingabe und unser praktisches Verhältnis zu Gott (2.Tim 3,12). Diese kompakte Beschreibung des Gott wohlgefälligen Glaubenslebens wird an Kürze nur noch übertroffen von den Worten in 1. Thessalonicher 1,9: „dem lebendigen und wahren Gott zu dienen“, die übrigens ebenfalls eingerahmt sind von der Vergangenheit und unserer Zukunftserwartung, die hier nun als dritter Punkt erwähnt wird.
3. Auch unsere Zukunftserwartung steht mit der Unterweisung der Gnade in Verbindung. Es ist zunächst die „glückselige Hoffnung“ der Auferweckung der Toten in Christus und die Verwandlung der lebenden Gläubigen bei Seinem Kommen zur Entrückung der Gläubigen, dann aber auch die „Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus“, der kommen wird, um „verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10). Diese beiden verschiedenen Ereignisse werden durch das eine Geschlechtswort vor „Hoffnung“ und „Erscheinung“ als ein gemeinsames Ziel der christlichen Erwartung vor unsere Blicke gestellt.
Können wir im prüfenden Rückblick auf unser Glaubensleben sagen, daß wir die Unterweisungen der Gnade Gottes verstanden und beherzigt haben? Wieviel Mühe machen wir unserem geliebten Herrn doch durch unsere mangelnde Lernbereitschaft! Und doch wird Er in Seiner Gnade nicht müde, uns zu unterweisen. Wie dankbar dürfen wir dafür sein, aber wie sollte dies auch unser Bewußtsein von der unendlichen Größe der Gnade stärken!