Die Erziehung in der Schule Gottes
Paulus
Zum ersten Mal in der Schrift wird Paulus – damals noch Saulus genannt – bei der Steinigung des Stephanus erwähnt. „Und die Zeugen legten ihre Kleider ab zu den Füßen eines Jünglings, genannt Saulus“. Später (
Der Herr sagt zu Seinen Jüngern: „Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen; es kommt aber die Stunde, daß jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst darzubringen“ (
Es ist wichtig, den Zustand einer Seele vor ihrer Bekehrung im Auge zu behalten. Paulus sagte, daß er bis auf diesen Tag mit allem guten Gewissen gewandelt habe. Er hatte nicht das Gefühl, ein Sünder zu sein, weil er das Gesetz nicht öffentlich gebrochen hatte, und je mehr er sich seiner sittlichen Vortrefflichkeit rühmte, desto mehr Widerstand und Geringschätzung brachte er der Lehre entgegen, welche besagte, daß die Erlösung nur durch Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu Christi zu empfangen sei. Sicher hat Paulus die Rede des Stephanus gehört, aber je mehr er vom Licht des Christentums sah, desto stärker wurde seine Selbstgerechtigkeit angegriffen und desto mehr wurde er in Wut gebracht und um so entschlossener war sein Widerstand.
So war es bei Saulus, denn in der nächsten Mitteilung über ihn hat sein Widerstand den Höhepunkt erreicht. „Saulus aber, noch Drohung und Mord wider die Jünger des Herrn schnaubend, ging zu dem Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit, wenn er etliche, die des Weges wären, fände, sowohl Männer als Weiber, er sie gebunden nach Jerusalem führe“ (
So entdeckt Saulus, dessen Wandel beispielhaft war, so weit der natürliche Mensch sehen konnte (obwohl er nichts sittlich Böses getan hatte, wodurch er die Verderbnis seines Herzens hätte entdecken können), daß er selbst der Größte der Sünder ist, weil er dem Willen Gottes genau entgegengesetzt und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Hauptinteressen und dem Willen Gottes zu dieser Zeit entgegengewirkt hat. Welch eine Erniedrigung für den selbstgerechten Pharisäer! Wenn der ohne Tadel wandelnde Mensch der Größte der Sünder ist, ist es leicht zu sagen, daß „in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt“. Ein solcher braucht das Böse seiner Natur nicht durch Übertretung zu erfahren, wenn er durch seinen Willen, und nicht durch Gesetzesübertretung als Größter von allen Sündern verurteilt wird.
Möchten unsere Herzen imstande sein, ihm in die Region des Lichts, in die er nun eintritt, zu folgen. Er ist bewußt blind gegenüber allem in dieser Welt, er lebt in ihr, aber er kann nichts in ihr erkennen oder genießen, er ist durch die „Herrlichkeit jenes Lichtes“ von allem hier abgeschnitten und verbringt 3 Tage nicht sehend, und (er) aß nicht und trank nicht“. Wie anziehend ist es, den Weg der Erziehung zu verfolgen, durch den dieser große Knecht gehen mußte, und wir dürfen festhalten, daß die Gnade, die ihm zuteil wurde, auch für uns ist. Wir können uns eine gewisse Vorstellung von den Seelenübungen machen, durch die er in jenen 3 Tagen ging. Wir alle gehen, wenn auch in verschiedenem Maße, durch eine ähnliche Erfahrung, wenn das Herz ausschließlich mit unserem Passahlamm beschäftigt ist, wenn wir, geschützt hinter dem Schutze Seines Blutes, zu unserer großen Erleichterung auf uns anwenden, was Er in Seinem Tode getragen hat, so wie Israel das Lamm aß, gebraten am Feuer und mit bitteren Kräutern. Für Paulus waren in jenen Tagen die Übungen zusammengedrängt, die bei uns oft über Jahre verteilt sind; sein Herz wurde davon so ergriffen, daß selbst leibliche Bedürfnisse vergessen werden – er aß nicht und trank nicht. Schließlich geht die Übung vorüber; er ersteigt die Höhe, zu der das Werk Christi ihn berechtigt, er wird angenommen, er betet, er ist am Tage des Heils angelangt, jetzt ist die wohlangenehme Zeit. Der Beweis, daß für jemand die wohlangenehme Zeit gekommen ist, ist, daß er betet. „Deshalb wird jeder Fromme zu dir beten, zurzeit, wo du zu finden bist“. Ananias wird nun zu ihm gesandt, um ihn auf seinen neuen Lebensbereich vorzubereiten. Er kommt und sagt zu ihm: „... damit du wieder sehend und mit Heiligem Geiste erfüllt werdest“. Saulus steht nun in der göttlichen Macht, er kann sich an seinem Erlöser in der Herrlichkeit Gottes erfreuen, und alsbald geht er in die Synagoge und predigt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, – ich glaube, daß diese große Wahrheit jetzt zum ersten Mal so vollkommen dargestellt wurde. Damit endet das erste Kapitel dieser ereignisreichen Lebensgeschichte.
Nachdem er so in der Synagoge öffentlich bezeugt hat, daß Jesus der Sohn Gottes ist – zugleich Quelle und Mittelpunkt des gegenwärtigen Dienstes – scheint es, daß Saulus für zwei Jahre nach Arabien ging (
Später kehrt Saulus nach Damaskus zurück, und so völlig und treu war er dem Herrn ergeben, daß die Juden die Stadttore Tag und Nacht bewachten, um ihn zu töten. Der Landpfleger Aretas schloß sich den Juden in ihrem bösen Vorhaben an. Alle, die in Christo Jesu gottesfürchtig leben wollen, werden Verfolgung erleiden. je mehr wir für den Herrn sind, desto gewaffneter wird die Feindschaft der Menschen gegen uns sein. Die selbstgerechten Juden, dem Namen nach das Volk Gottes, und die Macht der Welt in heidnischer Finsternis vereinen sich, um das Licht Gottes, sowie den Menschen, in dem es scheint, zu zerstören. Saulus entkommt unter äußerst demütigenden Umständen aus Damaskus, im großen Gegensatz zu der Art, wie er einige Jahre vorher dorthin gereist war. Er begibt sich jetzt nach Jerusalem. In seiner Einsamkeit in Arabien wurde er bestärkt in dem Ziel“, – dort wo (Christus ist, – aber er hat auch am eigenen Leibe den bitteren Haß des Menschen auf den erhöhten Christus verspürt.
Derart seelisch und praktisch zubereitet geht er nach Jerusalem, um Petrus zu sehen (
Aber das ist noch nicht alles; wir wissen, daß es während dieser Zeit geschah, daß er, Während er im Tempel betete, in Verzückung geriet und der Herr ihm erschien und zu ihm sprach: „Eile, und gehe schnell aus Jerusalem hinaus, denn sie werden dein Zeugnis über mich nicht annehmen“ (
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Die beiden kommen nun nach Salamis auf Cypern, und nachdem sie die ganze Insel durchzogen haben (immer wird im Dienst auch die Geduld geübt), begegnen sie einem bemerkenswerten Beispiel von Widerstand in dem Feind. Ein Jude, ein Zauberer, ist bei dem Höchsten des Ortes, – einem aus den Nationen, aber verständig. Letzterer rief Barnabas und Saulus zu sich und begehrte, das Wort Gottes zu hören, aber Elymas widerstand ihnen, indem er versuchte, den Prokonsul vom Glauben abwendig zu machen. Aber Saulus (“der auch Paulus heißt“) ist der Lage durch die Macht des Herrn gewachsen. So erhält er schon am Anfang Seines Dienstes eine schöne Belehrung: er wird der stärksten Art des Widerstandes, der ihm auf seinem Wege begegnen sollte, gegenübergestellt. Anstatt dem Heiden zu helfen, den geraden Weg des Herrn zu finden, bemüht sich jener Jude, ihn gerade vom Glauben abzuwenden. Paulus, mit Heiligem Geiste erfüllt, legt seine schreckliche Botschaft bloß, und indem er ihn für eine Zeit blind werden läßt, deutet er dadurch die sittliche Blindheit der Juden an. Diese Begebenheit trug ohne Zweifel dazu bei, den Apostel in dem Dienst, zu dem er ernannt war, zu befestigen.
Wie wenig erkennen wir den Weg, auf dem der Knecht geleitet werden muß, um für den Dienst des Herrn passend zu sein! Während Hindernisse auftauchen, was in einer Welt der Sünde unvermeidlich ist, erfährt der geübte Knecht in jeder Notlage die Allgenugsamkeit des Herrn. Dann kann er sagen: „Mit meinem Gott werde ich eine Mauer überspringen“ (
Sodann kommt er nach Perge, wo Markus, der sie von Jerusalern begleitet hat, sie verläßt. Obwohl wir den Grund nicht erfahren, können wir aus anderen Schriftstellen entnehmen, daß es aus irgendeiner jüdischen Voreingenommenheit geschah, denn später, als Barnabas darauf bestand, Markus (seinen Verwandten) mitzunehmen, weigerte Paulus sich; „es entstand nun eine Erbitterung, so daß sie sich voneinander trennten“. Ich bemerke dies besonders, weil es zeigt, daß die Hilfe und Unterstützung, die wir zu einer besonderen Zeit empfangen und wofür wir dankbar sein dürfen, ganz und gar fehlen kann, wenn wir es am wenigsten erwarten. Wir sehen, welch ein Gewinn alle diese Übungen für den Knecht sind, wie auch gesagt ist: „Gott will Leben und nicht Gewohnheit“. Daher werden wir kaum daß wir die Gnade in gewissen Umständen erfahren haben, schon in eine völlig neue Lage versetzt. Aber so ist der Knecht in gewissem Maße, wie unser Apostel, in der Lage, andere zu trösten, wie er selbst von Gott getröstet wurde. Jede Begebenheit macht ihn passender für den Dienst, während er mit dem Herrn wandelt, Nach dieser ausgedehnten Missionsreise finden wir unseren Apostel in Antiochien in Pisidien (
Der Augenblick ist wichtig; die Juden weisen das Zeugnis ab, die Nationen nehmen es an. Paulus und Barnabas schütteln den Staub von ihren Füßen wider sie ab und wenden sich freimütig zu den Nationen. Es ist sehr anziehend, den Weg, auf dem der treue Knecht geführt wird, zu betrachten. Wie gnädig und eindeutig wird Paulus, den so viele natürliche Zuneigungen mit den Juden verbanden, zu dem geführt, was Stephanus gesagt hatte: Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geiste“.
Ich übergehe Kap. 14 und wende mich kurz Paulus Rückkehr nach Antiochien zu, von wo er ausgegangen war, von der Gnade Gottes gesandt. jetzt erlebt der Knecht Gottes eine Zeit besonderer Befriedigung. Als sie aber angekommen waren und die Versammlung zusammengebracht hatten, erzählten sie alles, was Gott mit ihnen getan, und daß er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Sie verweilten aber eine nicht geringe Zeit bei den Jüngern“ (
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Diesmal kommt der Widerstand von innen. Der Knecht muß immer als erster an dem Orte der Verwerfung Christi leiden. Er muß lernen, alle verschiedenen Formen der Feindseligkeit zu überwinden, ehe er andere die Gnade Gottes lehren kann, die allein uns in einer solchen Lage zu erhalten vermag. Paulus stellt sich diesem neuen Widerstand entgegen. Durch eine Offenbarung geleitet, geht er nach Jerusalem und hatte eine persönliche Unterredung mit Petrus, Jakobus und Johannes. Sie erkannten an, daß, wie Petrus das Evangelium der Beschneidung, so Paulus das Evangelium der Vorhaut anvertraut sei und gaben ihm die Rechte der Gemeinschaft. Im Mittelpunkt aller jüdischen Interessen wird die Frage von den Aposteln und Ältesten besprochen, und die ganze Versammlung stimmte ihrem endgültigen Urteil bei: Enthaltet euch „von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von Hurerei. Wenn ihr euch davor bewahret, so werdet ihr wohltun. Lebet wohl“ (15,29). Die Entscheidung ist von großer Bedeutung: es ist die Dämmerung eines neuen Tages für die Christen. Sie sind befreit vom Gesetz Moses und werden nur durch göttliche Richtlinien geleitet.
Aber dieses schöne Gedeihen (als solches wurde es zweifellos von dem Apostel angesehen) bot, wie immer, Gelegenheit für neue, unerwartete Leiden und Widerstände. Wie es scheint, hatte Petrus den neuen Weg so völlig eingeschlagen, daß er völlige Gemeinschaft mit denen aus den Nationen pflegte, -er aß und trank mit ihnen, bis etliche von Jakobus kamen, – dann zog er sich zurück, weit er sich vor denen aus der Beschneidung fürchtete. Paulus mußte ihm ins Angesicht widerstehen, weil er tadelnswürdig gehandelt hatte. Welch eine schmerzliche Pflicht mußte der Apostel an dem erfüllen, den er für eine Säule gehalten hatte! Aber so traurig dies in jener strahlenden Zeit auch für die Kirche war, es war ein noch größerer Kummer damit verbunden. Barnabas, sein geliebter Gefährte, wurde durch die Heuchelei des Petrus mit fortgerissen, und wo die Gesetzlichkeit wirksam ist, wird immer der eigenen Vorliebe mehr nachgegeben als den Interessen Christi; daher bestand Barnabas darauf, seinen Verwandten (Markus) mitzunehmen und segelte nach Cypern ab. Mit einem neuen Gefährten (Silas) ging Paulus fort, nachdem die Brüder ihn der Gnade Gottes anbefohlen hatten.
Gemäß dem Beschluß, der zu Jerusalem gefaßt wurde, brauchten sich die Gläubigen aus den Nationen nicht den mosaischen Gebräuchen zu unterwerfen. Ein schweres Joch wurde damit abgeschafft. Von den Häuptern der Apostel war Paulus als derjenige anerkannt worden, dem das Evangelium der Vorhaut anvertraut war (
So geprüft, und wir könnten fast sagen enttäuscht, tritt er seine Reise an. Aber ein großes Zeichen der göttlichen Gnade wird ihm zuteil. In Lystra begegnet er Timotheus. In der Person dieses Jünglings schenkt der Herr ihm gerade die Hilfe, deren er bedarf, und macht so in vollem Maße den durch das Fehlen des Barnabas entstandenen Verlust wieder gut. Wie berühren uns diese besonderen Beispiele der Hilfe und Sorge des Herrn für Seinen Diener! Jahre später kann Paulus von Timotheus schreiben: „Ich habe niemanden gleichgesinnt, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird ... Er [hat], wie ein Kind dem Vater, mit mir gedient ... an dem Evangelium“ (
Jetzt betritt Paulus Europa; diese Tatsache ist von großer Bedeutung. In dem Gesicht hatte ein Mann aus Macedonien ihn gedrängt, zu kommen, aber nun erscheint niemand, um ihn zu empfangen. Er hatte sicherlich begriffen, daß der Herr ihn gerufen hatte, dort zu predigen, aber lange Zeit gab es nichts oder nur wenig, das bewies, daß er das Wohlgefallen des Herrn tat. „Und am Tage des Sabbaths gingen wir hinaus vor das Tor an einen Fluß, wo es gebräuchlich war, das Gebet zu verrichten; und wir setzten uns nieder und redeten zu den Weibern, die zusammengekommen waren“ (
Welch eine segensreiche Erfahrung für den Knecht Gottes! Möchte sie mehr gekannt werden. Wer die Mitarbeit der Welt ganz und gar ablehnt, zieht sich schwere Verfolgung seitens eben dieser Welt zu. Aber die Nacht des Kummers und der Leiden wurde erleuchtet durch eine wunderbare Offenbarung der mächtigen Hand Gottes – ein Tisch wurde bereitet angesichts der Feinde – das Herz des Paulus wurde wieder gestärkt. „Wenn Gott für uns ist, wer ist wider uns“?
Bei Nacht sandten die Brüder Paulus nach Beröa. Dort glaubten viele, „als aber die Juden von Thessalonich erfuhren, daß auch in Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt wurde, kamen sie auch dorthin und erregten die Volksmenge“ (Kap 17,13). Wieder stellen sich die Juden dem Werk des Herrn in den Weg. Nur wenig können wir davon verstehen, wie die unablässige Feindschaft des Volkes Gottes nach dem Fleisch wider Christum das Herz des Apostels Tag für Tag schmerzlicher berührte. Kraft des Heiligen Geistes war sein Herz auf Christus gerichtet, aber zweifellos ließ Gott es zu, daß der boshafte Haß der Juden ihn von der natürlichen Liebe, die er für sein Volk hegte, entwöhnte, damit er sich ungestört dem Wirkungskreis des Herzens Christi hingeben könne.
Sodann geht Paulus nach Athen, wo er ganz neue Erfahrungen macht. Es ist interessant, welch einer Reihe von verschiedenen Umständen der Apostel unterworfen wird, bis er schließlich ganz von sich selbst entleert ist. Die Dinge, die wir versuchen, werden zu einem Prüfstein für uns. Hier, im Mittelpunkt der Gelehrsamkeit der heidnischen Welt, entdeckt der Apostel den wahren Zustand der Heiden. Ihrer natürlichen Weisheit folgend, hatten sie dem unbekannten Gott“ einen Altar errichtet, damit sie nur nicht den Gott irgendeines Volkes übersehen möchten. Diese Tatsache bot dem Apostel, als er auf dem Areopag stand, Gelegenheit, eine sehr gedrängte Zusammenfassung der Wege Gottes mit den Menschen zu geben; es war nicht einfach das Evangelium, obgleich das darin eingeschlossen war, es war eher die „Predigt“, wie sie in
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Wir lesen, daß Paulus „zu Kenchräa das Haupt geschoren hatte, denn er hatte ein Gelübde“. Er hat sich noch nicht von den Gebräuchen und Vorschriften des Gesetzes losgemacht. Wir übersehen leicht, wie langsam und allmählich ein jeder von uns von seinen herrschenden Neigungen befreit wird, und mehr noch, von irgendwelchen religiösen Vorurteilen, die das Gewissen beschweren.
Paulus gelangt nun nach Ephesus, aber dort hält er sich nicht auf. „Als sie ihn aber baten, daß er längere Zeit bei ihnen bleiben möchte, willigte er nicht ein, sondern nahm Abschied von ihnen und sagte: Ich muß durchaus das zukünftige Fest in Jerusalem halten; ich werde, wenn Gott will, wieder zu euch zurückkehren“ (V. 20+21). Wir sehen, daß Apollos dorthin kam, als Paulus nicht in Ephesus blieb, und wie das folgende Kap. zeigt, wurde er dort gesegnet, denn Paulus findet dort später etliche Jünger. Diese empfangen den Heiligen Geist. Hier ist Paulus entschiedener als zu Korinth. „Als aber etliche sich verhärteten und nicht glaubten, und vor der Menge übel redeten von dem Wege, trennte er sich von ihnen und sonderte die Jünger ab, indem er sich täglich in der Schule des Tyrannus unterredete“ (Kap 19,9). Er hat sich nun endgültig abgesondert, und Ephesus wird der große Mittelpunkt seines Werkes in Kleinasien, sowie die am meisten von Gott gesegnete Versammlung. Sie hatte einen höchst anziehenden Anfang: die Hingabe der Gläubigen ist sehr auffällig, und sie empfingen wirklich große geistliche Reichtümer, wie wir aus dem an sie gerichteten Brief sehen können. Das Wirken des Apostels dort war mit großer Macht verbunden (siehe V.11–12). Im 1. Brief an Timotheus sehen wir, welch ein besonderes Interesse Paulus für die Gläubigen in Ephesus hegte. Dort wurde er dem heftigen Widerstand, der durch Demetrius angestachelt wurde, gegenübergestellt. Die ganze Stadt war von Aufruhr erfüllt. Demetrius brachte die heidnische Frömmigkeit in Aufruhr, damit er nicht seines Gewerbes beraubt wurde. So muß der Apostel zu seinen Erfahrungen das schmerzliche Gefühl über die heidnische Unduldsamkeit hinzufügen.
Um diese Zeit schrieb Paulus wahrscheinlich den Brief an die Galater. Wie er die Korinther, denen doch jede Gnade zuteil geworden war, wegen ihrer Schlaffheit zurechtweisen mußte, so muß er jetzt die Galater ermahnen, weil sie sich, um das Fleisch zu unterdrücken, zum Gesetz zurückgewandt hatten. Sie hatten im Geiste angefangen und versuchten im Fleisch zu vollenden. Die Versuche des Fleisches, sich einen Platz zu verschaffen, sind eigenartig und tief eingewurzelt. „Haut um Haut, ja, alles was der Mensch hat, gibt er für sein Leben“. Welch eine segensreiche Erziehung war es für den Apostel, nicht nur diesen Mitteln, die das Werk Gottes verderben und entkräften wollten, gegenüberzustehen, sondern zu erfahren, daß er sie mit einem besonderen Worte des Herrn vernichten konnte. Wenn die Korinther den Tod Christi verstehen mußten, mit dem sie sich am Tische des Herrn einsmachten, so mußten die Galater lernen, daß der Geist Gottes wider das Fleisch gelüstet und wir die Lust des Fleisches nicht vollbringen, wenn wir im Geiste wandeln (
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Wir kommen nun zu der tiefsten und traurigsten Lehre, die der Apostel je erhielt. Auf dem Wege nach Jerusalem verweilte er im Hause Philippus', des Evangelisten, und dort nahm der Prophet Agabus „den Gürtel des Paulus und band sich die Hände und die Füße und sprach: Dies sagt der Heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem also binden und in die Hände der Nationen überliefern. Als wir aber dies hörten, baten sowohl wir als die daselbst Wohnenden, daß er nicht nach Jerusalem hinaufgehen möchte. Paulus aber antwortete: Was machet ihr, daß ihr weinet und mir das Herz brechet? Denn ich bin bereit, nicht allein gebunden zu werden, sondern auch in Jerusalem für den Namen des Herrn Jesu zu sterben. Als er sich aber nicht überreden ließ, schwiegen wir und sprachen: Der Wille des Herrn geschehe! Nach diesen Tagen aber machten wir unsere Sachen bereit und gingen hinauf nach Jerusalem“ (Kap. 21,11–15), Paulus besteht darauf, nach Jerusalem zu gehen. Ein merkwürdiger Drang beeinflußt den Dienst des Apostels, so daß er darauf besteht, nach Jerusalem zu gehen. Offenbar ließ der Herr es zu, damit Sein Knecht selbst erfahren sollte, daß das Volk, das Christum, als Er auf Erden war, verworfen und die unverzeihliche Sünde begangen hatte, dem Heiligen Geist zu widerstehen, indem es Stephanus steinigte, der freien Gnade Gottes noch ebenso hartnäckig widerstrebte wie eh und je. Das erfährt Paulus nun selbst. Er kommt nach Jerusalem, und Jakobus rät ihm: „Tue nun dieses, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich haben. Diese nimm zu dir und reinige dich mit ihnen und trage die Kosten für sie, damit sie das Haupt scheren lassen; und alle werden erkennen, daß nichts an dem ist, wessen sie über dich berichtet sind, sondern daß du selbst auch in der Beobachtung des Gesetzes wandelst“. Diesen Rat befolgte Paulus (siehe V. 26). „Als aber die 7 Tage beinahe vollendet waren, sahen ihn die Juden aus Asien im Tempel und brachten die ganze Volksmenge in Aufregung und legten die Hände an ihn“. Der Oberste rettet den Apostel aus der Gewalt des Pöbels, der ihn getötet hätte, und schließlich wendet sich Paulus von den Stufen der Burg aus in hebräischer Sprache an das Volk. Er berichtet, wie der Herr ihn berufen hat, aber um seine Zuhörer, die Juden, zu fesseln, fügt er gewisse Einzelheiten hinzu, die der Bericht in Kap. 9 verschweigt, – und ebenso ist der Bericht in Kap. 26 besonders für die Nationen bestimmt. – „Sie hörten ihm aber zu bis zu diesem Worte und erhoben ihre Stimme und sagten: Hinweg von der Erde mit einem solchen; denn es geziemte sich nicht, daß er am Leben blieb! Als sie aber schrien und ihre Kleider wegschleuderten und Staub in die Luft warfen, befahl der Oberste, daß er in das Lager gebracht würde“ (Kap. 22,22–23). Das ist das Ergebnis; nichts als tödlicher Hass wird hervorgerufen; und der Oberste, der Vertreter der irdischen Macht, war bereit, das Volk zu unterstützen.
In Kap. 23 wird Paulus vor den Hohen Rat gestellt, denselben Gerichtshof, vor dem einst Stephanus stand und litt. Das Ergebnis erfahren wir in V. 10: „Als aber ein großer Zwiespalt entstand, fürchtete der Oberste, Paulus möchte von ihnen zerrissen werden, und befahl, daß das Kriegsvolk hinabgehe und ihn aus ihrer Mitte wegreiße und ins Lager führe“. Es war keine Einigung zustande gekommen; der Beamte rettete Paulus aus ihren Händen. In der folgenden Nacht aber stand der Herr bei ihm und sprach: Sei gutes Mutes! denn wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, so mußt du auch in Rom zeugen“ (V. 11). In gnädiger Weise erkennt der Herr Seinen leidenden Knecht an. Aber in unauslöschlichem Haß „rotteten sich die Juden zusammen, verfluchten sich und sagten, daß sie weder essen noch trinken würden, bis sie Paulus getötet hätten.“ Mehr als 40 von ihnen zettelten eine Verschwörung an, in die die Hohenpriester und Ältesten verwickelt wurden und sich zu trügerischem Handeln verleiten ließen. Sie wollten ihren Einfluß bei dem Obersten geltend machen, um ihren teuflischen Plan ausführen zu können, aber sie werden beschämt, und Paulus entgeht ihnen. Aber wie muß es sein Herz getroffen haben, als er durch einen nahen Verwandten von ihrer Bosheit erfuhr! Er wird nun dem römischen Statthalter übergeben, und da er sich wegen der ungerechten Willfährigkeit dieses Mannes gegenüber den Hohenpriestern auf den Kaiser beruft, besteigt er das Schiff, das ihn nach Rom bringen soll. Der in Kap. 27 beschriebene Schiffbruch gibt ein Bild vom völligen Zusammenbruch einer irdischen Ordnung, die auf Erden Sicherheit geben soll, und wobei sich die Mitreisenden des Paulus sicher ans Land retten konnten.
Als Gefangener der Nationen, in deren Hand die Macht, die Gott dem Menschen gegeben hatte, nun lag, gelangt Paulus nach Rom. Hier ist er abgeschnitten von allem, was er auf Erden schätzte. Zweifellos wird nun seine ganze Aufmerksamkeit auf die herrlichen Augenblicke gelenkt, die er vor vielen Jahren im dritten Himmel verbringen durfte; denn hinsichtlich der Erde konnte ihn nun nichts mehr hindern. Die Vollkommenheit und die Schönheit jener Szene konnten nicht vergrößert werden, aber während vieler Jahre war er jeder Art von Erziehung unterworfen gewesen, damit er allen irdischen Neigungen entfremdet und in jeder Weise mit der himmlischen Berufung eines Menschen in Christo“ in Übereinstimmung gebracht würde; und wir werden sehen, wie vollkommen und deutlich er das darstellte, was er einst erfahren hatte, und wie die Erziehung, der er unterworfen gewesen war, ihn für den Dienst zubereitet hatte, so daß er im Innern wie im Äußeren in vollem Einklang mit seiner Lehre stand. Er verkündigte nicht nur himmlische Gedanken, sondern er war selbst ein Himmlischer.
Es ist nicht leicht, die Gefühle des Apostels zu verstehen, als er vor dem Herrn alles das verwirklichte, was er erlitten hatte. Er hatte eine ganz besondere Erziehung durchgemacht. Seine Gefühle für Israel waren nicht nur die eines Mannes für seine Familie, sondern für das Volk Gottes, aus dem der Christus hervorgegangen war, und er klammerte sich bis zuletzt daran, in der Hoffnung, daß Jerusalem der große Mittelpunkt des Christentums werden würde, aber Gott ließ es geschehen, daß er am eigenen Leibe verspürte, daß jede solche Hoffnung eitel war. Nachdem nun jede Hoffnung, daß Israel in Jerusalem teilhaben sollte, zerstört ist, werden ihm, dem Gefangenen, in Rom, der Hauptstadt der Macht der Nationen, die Schönheit und die Größe der Kirche als dem Leibe Christi geoffenbart. Die Erziehung hatte ihre Wirkung getan; sie hatte das, was irgendwie das große, ihm geoffenbarte Geheimnis verdecken oder überschatten konnte, beseitigt. Sein natürlicher Wunsch, Israel gesegnet zu sehen, war vernichtet worden, und sein Herz war auf die großen Offenbarungen, die ihm im Paradiese gegeben worden waren, gerichtet. Niemand, der nicht etwas Ähnliches erfahren hat, kann verstehen, welche Wirkung eine so vollständige Beseitigung eines Gegenstandes, der die Aufmerksamkeit in starkem Maße auf sich lenken konnte, weil er die natürlichen Gefühle berührte, hervorrief, so daß die Seele ganz frei ist, den nunmehr einzigen Gegenstand ohne Störung betrachten zu können. Wenn Paulus begehrt hatte, daß sein Volk an den Segnungen der Kirche teilhaben sollte, so hatte er nun auf schmerzliche Art erfahren, daß es Christo hartnäckig widerstand, und darum befand er sich jetzt als Gefangener in Rom und konnte in einer wolkenlosen Atmosphäre die ganze Schönheit und Größe des großen Geheimnisses betrachten.
Es ist sehr anziehend, die Wirkungen der Erziehung an unserem Apostel zu sehen. Wir hören keine Worte der Enttäuschung, sondern jetzt, aus dem Gefängnis in Rom, schreibt er den Brief an die Epheser. Manche behaupten, daß es ein Rundschreiben war, aber das ist von nebensächlicher Bedeutung; wichtig ist, daß wir in diesem Brief die vollkommenste Offenbarung des großen Geheimnisses – Christus und die Kirche – haben. Wenn Israel, Gottes irdisches Volk, einst der Mittelpunkt aller Wege Gottes auf Erden war, so trifft das auf die Kirche, den Leib Christi, jetzt in unendlich viel größerem Maße zu. Nach der Auflösung jedes Bandes, das ihn noch mit Israel verknüpfte, wird der Apostel vom Geiste dahin geführt, das Geheimnis Gottes, das seit Grundlegung der Welt verborgen gewesen war, völlig und bis in die praktischen Einzelheiten zu erfassen.
Dies Geheimnis besitzt zwei große Besonderheiten: zum einen, daß wir alle – Juden wie Heiden – zusammen erhoben und in Christo in die himmlischen Örter versetzt worden sind; zum anderen, daß dieselbe Macht, die Christum auferweckt hat, auch uns auferweckt. Diese Macht steht vollkommen außerhalb und über allem was menschlich ist; und deshalb, weil diese Macht in uns wirksam ist, sollten wir zu Ihm hin wachsen, der das Haupt aller Dinge ist. Das sollte einen absoluten und entschiedenen Sieg über alle Macht des Teufels herbeiführen, der uns nicht nur die Höhe zeigt, zu der wir aus allem was hier ist erhoben sind, sondern die unendliche sittliche Überlegenheit, in die wir hier auf der Erde versetzt sind, dem Schauplatz unserer einstigen Entfremdung von Gott. Wir sind durch die größte Macht, die Macht, die Christum auferweckte, in die höchste Höhe gebracht worden, und weil wir nun den himmlischen Charakter tragen, sind wir berufen, von Christo zu zeugen, und zwar im höchsten Kreise, der Versammlung, ebenso wie in den niedrigsten persönlichen Umständen, und sind zugleich den Ränken und der Macht des Teufels überlegen. Wie überwältigt muß der Apostel gewesen sein, als der Geist ihm dies alles in inspirierten Worten vorstellte. Wie wird er Gott gedankt haben für die Erziehung, der er unterworfen worden war, damit er ein Gefäß würde, das geeignet war, die größten Mitteilungen, die ein Mensch jemals empfing, weiterzugeben. Wir erkennen nur schwach, welche Mühe der Herr Sich mit uns gibt, um uns für Sein Werk einigermaßen geeignet zu machen. Nur Er weiß, was geeignet ist, und daß diese Eignung durch nichts anderes als die Erziehung, die Er, der alle Dinge kennt, uns zuteil werden läßt, erreicht wird. Wie rührt es uns, wenn wir den Apostel schreiben sehen „welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott“, und durch das den Engeln die mannigfaltige Weisheit Gottes kundgetan wird. (
Die letzten Lebensjahre des Apostels scheinen in zwei Teile geteilt zu sein: in dem einen wurde er in die Höhe geführt und in die Segnungen der Geheimnisse eingeführt, und er teilt seine persönlichen Erfahrungen hierin den Philippern mit; in dem zweiten sehen wir den furchtbaren Abfall (2. Timotheus), wie er verlassen wurde (Kap. 4), und die Hilfe des Herrn in einer solchen Zeit.
Es ist interessant und nützlich für uns, daß wir im Brief an die Philipper die Erfahrungen des Apostels zu dieser Zeit finden. Mir scheint, es sind zwei Teile: zunächst – der Anfang seiner Gefangenschaft, als er die gesegneten Ergebnisse seiner Berufung durch Gott genoß, wie sie im Epheserbrief beschrieben sind; während er zum Schluß, als alle in Kleinasien ihn verlassen hatten und das Abweichen von der Wahrheit fast überwältigend geworden war, in besonderer Weise vom Herrn gestärkt und ermuntert wurde und so für uns ein Vorbild ist. Beides ist für uns von großem Interesse. Das eine zeigt uns, welch eine erhabene Glückseligkeit auch unter den schwierigsten Umständen unser Teil ist. Der Gefangene in Rom sieht und schreibt nicht nur von Dingen von unendlicher Größe, sondern vom Heiligen Geist geleitet berichtet er uns auch seine Erfahrungen zu dieser Zeit. In
Kap. 2. Christo gleichgesinnt zu sein, gleich Ihm ein Knecht zu sein, erfüllte seine Freude.
In Kap. 3 ist Christus sein Ziel; er gibt alles, was der Natur ein Gewinn ist, auf für Christum, er vergißt die Dinge, die dahinten sind und jagt dem Ziel nach, der Berufung Gottes droben; als Himmelsbürger schaut er aus nach Ihm, der kommt, um seinen Leib der Niedrigkeit umzugestalten in einen Leib der Herrlichkeit, der dem verherrlichten Leib Christi gleich ist. Schließlich, in Kap. 4 zeigt er, daß er gelernt hat, sich zu begnügen mit dem, worin er sich befindet, und daß er alles vermag in Dem, Der ihn kräftigt. Daher begehrt er, bei Christo zu sein, aber auch ein Knecht wie Er zu sein; Christus ist sein einziges Ziel, aber auch die Kraft, die ihn über alles hier hinweg trägt. Diese vier Stücke sind das Ergebnis der zwei Seiten der Berufung.
Bevor wir den ersten Teil seiner Gefangenschaft verlassen, wollen wir noch einen Augenblick bei der Anspielung auf den Kampf, den er um die Kolosser hatte, in
Die letzte Zeit seiner Gefangenschaft enthüllt uns einen ganz anderen Zustand der Dinge als der erste Teil seiner Gefangenschaft. Man nimmt an, daß der -i. Brief an Timotheus nach der 1. Gefangenschaft geschrieben wurde, und vieles spricht dafür; es ist offenbar, daß zwischen dem 1. und dem 2. Brief an Timotheus eine deutliche Veränderung eingetreten ist. Im 1. Brief beschäftigt sich der Apostel mit der Ordnung, indem er an Timotheus nach Ephesus schreibt, im zweiten dagegen mit der Unordnung, und wie der Mensch Gottes in einer solchen Zeit wandeln soll. Wir bemerken, daß Paulus im 1. Brief, in Verbindung mit der Ordnung der Versammlung zwei große drohende Übel anprangert, nämlich das Prinzip des Katholizismus in Kap. 4, und den Radikalismus in Kap. 6; mit anderen Worten: Religion in Unabhängigkeit von Gott einerseits, die Meinung, daß die Gottseligkeit ein Mittel zum Gewinn sei andererseits. Das eine erhöhte den Menschen unter dem äußeren Mantel christlicher Religion, beim anderen war das menschliche Fortkommen alles.
Im 2. Brief an Timotheus, der den Zustand während des Endes der zweiten Gefangenschaft des Paulus beschreibt, befindet sich der Apostel in ganz anderen Umständen als am Anfang seiner ersten Gefangenschaft, als er schrieb: „ich will aber, daß ihr wisset, Brüder, daß meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind“ (
Der 2. Timotheus-Brief wurde nach seiner ersten Verantwortung (4,16) geschrieben, bei der keiner der Gläubigen ihm beigestanden hatte. Er beginnt, indem er sagt: „Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“, und kündigt im gleichen Kapitel an, „daß alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt haben, unter welchen Phygelus ist und Hermogenes“. Wenn wir uns vor Augen halten, daß Kleinasien das Gebiet war, wo er hauptsächlich gewirkt hatte, können wir uns einen Begriff von dem Kummer machen, den dieser Abfall ihm bereitete. Wie rührend. hängt sein Herz an einem einzelnen dort, denn er schreibt: Der Herr gebe dem Hause des Onesiphorus Barmherzigkeit“.
Aber Paulus ist nicht entmutigt. Wenn er uns im Epheserbrief zu den herrlichen Höhen der göttlichen Berufung geführt hat so ist er es jetzt, der uns in der schlimmsten Verwirrung stärkt und leitet, wo Lieblosigkeit und äußerster Verfall in der Versammlung vorherrschend sind, wo „statt des Gürtels ein Strick, ... Brandmal statt Schönheit“ ist (vgl.
Wie der Apostel von Gott zubereitet war, ein geeignetes Gefäß für die Offenbarung der Schönheit und Herrlichkeit des Gegenstandes von Gottes Hauptinteresse auf Erden zu sein, so wird er auch jetzt belehrt, uns vor den kommenden schweren Zeiten zu warnen. „Dieses aber wisse, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden“ (Kap 3,1). Das Ziel der Feinde wird dasselbe sein wie bei Jannes und Jambres; wie jene Mose widerstanden, so widerstehen die Feinde in den letzten Tagen der Wahrheit. Ihr Charakter wird mit den Worten: „die eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen“ gekennzeichnet, und: „die immerdar lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können', wodurch angedeutet wird, was für Menschen diese sind. Unsere erste Hilfsquelle ist die Lehre und das Betragen des Paulus (s. V. 10–11) nicht nur die Lehre, welche alle, die in Asien waren, verlassen hatten, sondern die Erziehung, die er erfahren hatte, war Beweis genug, daß er sich auf dem rechten Pfade befand. Das Zweite ist: Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt“. (V. 14–17).
Nachdem uns der Apostel auf die letzten Tage vorbereitet hat, teilt er uns mit, daß sein Lauf zu Ende ist. Er sagt: „Ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung liebhaben“ (Kap. 4, 6–8). Welch ein gesegnetes Ende seines großen Dienstes! Und dann kann er in der Ruhe und dem Vertrauen eines Menschen, der dem Willen Gottes völlig unterwürfig ist, daran denken, wie nützlich es wäre, wenn er Timotheus bei sich hätte: Befleißige dich, bald zu mir zu kommen-, und: „Nimm Markus und bringe ihn mit dir“. Nichts wird übersehen: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente“. So beschließt dieser teure, geehrte Knecht seinen Lauf, Wenn sein Anfang in
Während wir dem Herrn danken, daß Er der Kirche einen solchen Diener gegeben hat, möchten wir von diesem Diener lernen, nur auf Ihn zu schauen, Der uns auf demselben Pfade des Glaubens zu führen vermag.