Die Erziehung in der Schule Gottes
Simson
Simson ist der letzte der Richter, in einer Zeit, während der Jehova Sein Volk auf seine Fähigkeit prüfte, Ihm bezüglich der Regierung, die nicht durch eine sichtbare Ordnung dargestellt wurde, zu vertrauen.
Sie hatten beständig versagt und waren deshalb denen tributpflichtig geworden, die sie eigentlich aus dem Lande vertrieben haben sollten. Für das Volk Gottes gibt es keinen Mittelweg. Es steht entweder über der Welt und zeugt für Gott gegen sie, oder aber es befindet sich in Knechtschaft unter der Welt. Wenn Israel sich nicht von Gott über den Nationen erhalten lassen wollte, dann wurden sie als Gefangene von den Nationen weggeführt; sie konnten nie gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Entweder waren sie Sieger oder aber Sklaven. Die Knechtschaft war ihre Züchtigung von Gott, weil sie nicht Sieger waren; Jehova war nicht mit ihnen. Wenn sie von Jehova abfielen, waren sie schwächer als die Nationen. Ein Christ ohne Gemeinschaft ist immer schwächer als die Welt, weil er die Quelle seiner Kraft verlassen hat, und er wird daher von der Welt, die ihn auf so mannigfache Art versucht, leicht in den Bann gezogen.
Jehova bestellte Richter, um das Volk von seinen Feinden zu erretten, als sie die Sünde ihres Abfalls von Ihm in dem Maße erkannten, wie Er ihnen die Erkenntnis gab.
Zur Zeit der Geburt Simsons war das Volk Israel 40 Jahre unter der Herrschaft der Philister. Das war die längste Zeit der Knechtschaft unter den Richtern. Simson wird bestellt, um sie von dieser langen Knechtschaft zu befreien. Und weil sie die letzte und härteste während dieser ereignisreichen Periode war, werden uns nicht nur die näheren Umstände der Geburt des Erretters mitgeteilt, sondern auch die Gesinnung und die Erwartungen seiner Eltern vor seiner Geburt.
Simson sollte „ein Nasir Gottes ... sein von Mutterleibe an“. Um das Volk aus der Unterjochung, in die es durch seine Verbindung mit dem Unheiligen geraten war, befreien zu können, mußte er von allen Freuden, an denen sie teilnahmen, vollkommen getrennt sein. Seine Mutter wird diesbezüglich belehrt und erzieht ihn auch demgemäß. Unsere früheste Erziehung und die Gesellschaft in der wir uns befinden, üben eine besondere, anhaltende Wirkung auf uns im späteren Leben aus. Simson war ein Nasir, aber er wuchs in der Nähe und der Bekanntschaft mit den Philistern auf; daher scheint er sich nie des großen sittlichen Unterschiedes, der zwischen einem Nasir und einem Philister bestehen sollte, bewußt zu sein. Auch unter den Christen unserer Tage kann man in dieser Hinsicht große Unwissenheit und Mangel an Erkenntnis wahrnehmen. Persönliches „Nasiräertum“ wird vielfach anerkannt, während Verbindung und Verkehr mit der Welt aufrechterhalten wird.
So ist das erste, was uns von Simson berichtet wird, der Versuch, da eine Vereinigung herbeizuführen, wo es keine Vereinigung geben konnte (
Wohlgemerkt, nicht die Vereinigung war von Jehova, sondern der beabsichtigte Widerstreit gegen die Philister; nicht das Mittel, sondern das Ziel. Nach dem Willen Gottes konnte es keine Vereinigung geben. Im Gegenteil werden bei jeder angestrebten Vereinigung von so grundverschiedenen Elementen die Unterschiede um so deutlicher aufgedeckt, das von Simson angewandte Mittel war nicht göttlich; sondern die Absicht war göttlich, während das Mittel offenbar menschlich war. Daher wird die Ehe verhindert, während Gottes Absicht ausgeführt wird. Es ist etwas Großes, mit einer richtigen Absicht zu beginnen, denn wenn sie von Gott kommt, muß sie früher oder später durchgeführt werden, obschon notwendigerweise auf Kosten alles dessen, was das Ich hereingebracht hat.
Mose wollte sein Volk aus Ägypten erretten, aber bei seinem ersten Versuch vertraute er auf seine eigenen Hilfsquellen und sein Plan schlug fehl, aber schließlich siegte er ruhmreich durch die Macht Gottes. In ähnlicher Weise war Petrus bereit, für den Herrn zu sterben, was schließlich auch geschehen ist; aber wie viel Demütigungen mußte er erfahren bis sein Wunsch verwirklicht wurde!
Der Herr belehrt uns so, daß die menschlichen Grundsätze beiseitegesetzt werden und Seine Macht in uns vollkommen zur Darstellung kommt. Diese Wahrheit wird sehr schön illustriert durch den Teil der Geschichte Simsons, den wir jetzt betrachten wollen. „Und Simson ging ... nach Timna hinab, und als sie an die Weinberge von Timna kamen, siehe, da brüllte ein junger Löwe ihm entgegen. Und der Geist Jehovas geriet über ihn, und er zerriß ihn, wie man ein Böcklein zerreißt; und er hatte gar nichts in seiner Hand.“ Jehova zeigt ihm hier, daß er nicht durch eine unheilige Verbindung mit der Welt, sondern durch ausgesprochenen Widerstand gegen sie siegen muß, und am Ende wird das auch von Simson erreicht.
Die Wahrheit, die durch diese Lektion ans Licht kommt (für die Welt ist sie ein „Rätsel“), führt zur Auflösung seiner Ehe, und bringt ihn zur offenen Feindschaft gegen die Philister. Wir wollen diese Unterweisung ein wenig eingehender betrachten. Wie wir gesehen haben, beginnt Simson mit einer richtigen Absicht; aber infolge seines Umganges mit den Philistern versucht er, eine Tochter dieses unbeschnittenen Volkes zu heiraten. Aber gerade als er den Ort erreicht, wo er seine Absicht vollenden will, brüllt ein junger Löwe ihm entgegen. Auf diese Weise will Gott ihm klarmachen, daß der Geist Gottes ihn befähigen kann, den gegenwärtigen Feind ohne jede Hilfe - ganz zu schweigen von menschlichen Plänen betreffs einer Vereinigung mit dem Unheiligen - zu überwinden, denn „er hatte gar nichts in der Hand.“ Unbewaffnet tritt Simson diesem schrecklichen Gegner entgegen und besiegt ihn so vollständig, daß er ihn in der Kraft Gottes zerreißt, „wie man ein Böcklein zerreißt.“ Welch ein Augenblick! Es war ein Kampf auf Leben und Tod! Wie notwendig ist es für die Seele, an die Macht des lebendigen Gottes im Tale des Todesschattens zu glauben - Seine Macht, die uns aus dem Rachen des Löwen zu erretten vermag, zu kennen! Das hätte für Simson ein Vorgeschmack von der Art seiner Aufgabe sein sollen, wie es die Erscheinung auf dem Wege nach Damaskus ein Leben lang für Paulus war, denn er sollte ein Diener und Zeuge dessen sein, was er gesehen hatte, „als auch worin ich dir erscheinen werde“ (
Aber Simson lernte nur langsam; unbeeindruckt von dieser wunderbaren Belehrung verfolgt er seine Absicht, schließt einen Vertrag ab und kehrt nach einiger Zeit zurück, um ihn zu bestätigen. Dabei führt ihn sein Weg wieder an dem Ort vorbei, wo er solch eine außerordentliche Errettung erlebt hat, wo es aber, wenn er nur aufmerkte, eine weitere Unterweisung für ihn gab. Als er seinen besiegten Gegner betrachtet, findet er Honig im Gerippe des Löwen, und er teilt ihn mit seinen Eltern, die nicht wußten, woher er kam. Das ist der Anlaß zu dem Rätsel, das Simson wohl kannte, das er aber nicht auf seine eigenen Umstände anzuwenden imstande war. Ach, wie oft ist es der Fall bei uns, und wie viel Kummer bereitet uns unser Eigenwille, weil wir das Wort nicht im Glauben annehmen und auf uns anwenden. Denn es ist offenbar, daß wir eine Wahrheit praktisch nur annehmen, wenn wir überzeugt sind, daß sie auf unsere Umstände paßt, und ich glaube, daß der Herr will, daß wir diese Überzeugung haben, ehe wir uns die Wahrheit zunutze machen. Das erklärt auch, warum es oft zugelassen wird, daß wir bei unseren Plänen beharren, nachdem wir eine Wahrheit gelernt haben, die, wenn wir sie wirklich angenommen hätten, alle unsere Pläne verdrängt hätte, weil sie uns auf Gott hingewiesen hätte. Das Geheimnis unserer Kraft mit Gott wird dem natürlichen Menschen immer ein Rätsel bleiben. Die Macht, die Simson erfahren hatte, war den Philistern ein völliges Geheimnis.
Indem Simson dieses Rätsel vorlegte, zeigte er die große Kluft zwischen den Philistern und sich selbst, und auch seine zukünftige Frau befindet sich auf der anderen Seite. Eine unter solchen Umständen angestrebte Verbindung muß damit enden, daß die Frau die Sache der Philister derjenigen ihres anerkannten Herrn vorzieht, und sie tut es auch. Ihre Zuneigung zu ihm gibt der Furcht vor ihren eigenen Landsleuten nach, die drohen, sie zu töten, wenn sie ihn nicht verrät. Wenn sie nur in wahrer Zuneigung an ihm gehangen hätte, würde er sie ganz sicher vor dem Untergang bewahrt haben; aber sie tut es nicht und verrät ihn, für den sie hätte leiden müssen. Ein trauriges, aber wahres Bild der Christenheit, und es spricht zu einem jeden von uns! Simson wird von derjenigen verraten, der er am meisten vertraute, bei der er natürlich am wenigsten Verrat vermutete; aber Jehova wendet alles zum Segen, die Ehe wird gelöst, damit er die Strafe bezahlen kann, der er sich unterworfen hatte, als er der Philisterin sein Geheimnis eröffnete.
So hatte der Kampf mit dem Löwen doch noch das erreicht, was Gott mit Simson beabsichtigte, aber nur, weil Simson erst spät verstand, was er sogleich hätte verstehen sollen. Das Rätsel „Aus dem Fresser kam Fraß“ - d. h. die Simson durch jenen Streit geoffenbarte Wahrheit - war die Auflösung seiner unheiligen Verbindung, wobei der Ratschluß Gottes, den Simson gerade durch diese Verbindung ausführen wollte, durch ihren Bruch bestätigt wurde. Die Philister benutzen die Kenntnis des göttlichen Geheimnisses, die sie unrechtmäßig erworben haben, und das berechtigt Simson, durch den Geist Gottes gestärkt, ihnen eine gerechte Vergeltung zu geben. Zunächst geht Simson nach Askelon, erschlägt 30 Mann, nimmt ihre ausgezogenen Gewänder und gibt die Wechselkleider denen, die das Rätsel kundgetan hatten. Danach läßt er auf Grund ihrer ungerechten Verfügung über seine Frau 300 Schakale mit Fackeln zwischen je zwei Schwänzen los in das stehende Getreide, die Garbenhaufen und die Olivengärten. Er bezahlt die Schuld, in die ihn die Philister mit unrechtmäßigen Mitteln verstrickt hatten, an sie selbst zurück. So sollte es auch heute bei dem Knecht Christi sein. Die Christenheit hat das göttliche Geheimnis unrechtmäßig an sich gerissen und darauf ihren Anspruch, die Kirche Gottes zu sein, gegründet. Der Diener findet sich innerhalb einer Christenheit, die öffentlich im Besitz der Wahrheit Gottes ist, die dem natürlichen Menschen ein Rätsel bleibt und die von ihm nur für fleischliche Zwecke benutzt wird, und dazu, dem Anteil jener, die die Wahrheit wirklich besitzen, zu widerstehen. Mittels dieser Wahrheit hebt der treue Diener nicht nur den unrechtmäßigen Anspruch der Welt auf, sondern zieht dadurch auch die Trennungslinie zwischen sich und dem bloßen Bekenner.
Simsons zweite Tat, die dadurch veranlaßt worden war, daß seine Frau seinem Gesellen gegeben worden war, erregte die Philister zu größerer Gewalttat. Sie üben ihre Rache nicht an Simson aus, sondern an ihr, die ihn und das Haus ihres Vaters verraten hatte, - es ereilt sie das Schicksal, das sie so gefürchtet hatte, aus Furcht vor dem sie treulos an Simson gehandelt hatte. Wir sehen, daß das, was wir in Unglauben und Ungerechtigkeit fliehen, schließlich doch unser Verderben wird. Wir mögen ihm eine Zeitlang entgehen, aber schließlich ist die Flucht der sicherste Weg dorthin. Diese Tat vergrößert jedoch Simsons Recht auf Rache, und wir lesen: „er schlug sie, Schenkel samt Hüfte, und richtete eine große Niederlage unter ihnen an. Und er ging hinab und wohnte in der Kluft des Felsens Etam“ (Kap. 15, 8).
Nach diesen verschiedenen Übungen und durch seinen Dienst ist Simson ein so großer Feind der Philister geworden, daß sie mit einem Heer heraufziehen und sein Leben fordern. Wenn der Knecht Gottes der Welt keinen Raum gibt, und sie ihn in keiner Weise überlisten kann, dann wird ihre offene Feindschaft losbrechen. Derselbe Geist der Feindseligkeit, der gegen unseren Herrn rief: „Kreuzige, kreuzige Ihn“, beseelt die Philister hier, die nach Simsons Leben trachten. Juda, der Stamm, aus dem der Schilo hervorkommen sollte, offenbart gegenüber Simson denselben Mangel an göttlichen Grundsätzen, der ihn auch später kennzeichnete, als er den Herrn Jesus an Pilatus überlieferte. „Da zogen 3000 Mann von Juda zur Kluft des Felsens Etam hinab und sprachen zu Simson: Weißt du nicht, daß die Philister über uns herrschen? Und warum hast du uns das getan? ... Da sprachen sie zu ihm: Um dich zu binden, sind wir herabgekommen, daß wir dich in die Hand der Philister liefern.“ Was mochte Simson in diesem Augenblick bewegen, als er sah, wie wenig seine Absichten und Taten von seinem eigenen Volke, für das er gekämpft hatte, gewürdigt wurden! Wie ähnlich erging es Ihm, von Dem gesagt wird: „Er kam in das Seinige, und die Seinigen nahmen ihn nicht an“ (mit dem Unterschied, daß Simson auf einer sittlich unermeßlich viel tieferen Stufe stand)! Welch einen ganz besonderen Kummer muß der treue Diener von denen erdulden, denen er in so aufrichtiger Weise gedient hat! Es ist eine harte Prüfung, nach einem so hervorragenden Dienst als nutzlos verstoßen und verurteilt zu werden, aber Simson ist ihr gewachsen. Ja, noch mehr: in der Macht Gottes und in der Sanftmut Seiner Gnade tut er seinem eigenen Volk, wie undankbar es auch ist, nichts zuleide, sondern läßt sie nur schwören, daß sie nicht selbst über ihn herfallen. Trotzdem binden sie ihn und führen ihn aus dem Felsen herauf. Und als die Philister ihm entgegenjauchzten, geriet der Geist Jehovas über ihn, und die Stricke, die an seinen Armen waren, wurden wie Flachsfäden, die vom Feuer versengt sind, und seine Bande schmolzen weg von seinen Händen. Er fand einen frischen Eselskinnbacken, und er nahm ihn und erschlug damit 1000 Mann.
Simson war sowohl von der Gemeinschaft mit den Philistern als auch von der Knechtschaft unter den Philistern befreit worden und hatte sich in die Kluft Etam in Juda als Befreier Israels und gleichzeitig als der Schrecken der Philister zurückgezogen. Aber Juda hat keinen Glauben und liefert ihn dem Feinde aus. Das führt zu der Offenbarung der Macht Simsons und zu seinem Recht, Israel zu richten, was im letzten Vers des Kapitels (15, 20) bemerkt wird. Nachdem ihn der Geist durch viele Übungen geführt hat, nimmt er jetzt den Platz ein, für den er ausersehen war.
Wir dürfen den Schluß der eben genannten Offenbarung jedoch nicht übersehen. Nachdem er mit einem Kinnbacken einen großen Sieg errungen und voll Freude darüber ein Siegeslied angestimmt hat, wirft er den Eselskinnbacken fort, und dann wird er von seinen persönlichen Bedürfnissen gequält. „Es dürstete ihn sehr.“ Große Dienste für andere können der Seele nicht das Notwendigste geben; das kann nur der Herr. Auch wenn unser Dienst noch so hervorragend ist, wird unsere Seele verhungern, wenn sie nicht unmittelbar vom Herrn erhalten wird, denn nur der Dienst kann sie nicht erhalten. Im Gegenteil, je größer der Dienst ist, desto mehr werden wir uns unserer Bedürfnisse und unserer Abhängigkeit von der Unterstützung Gottes bewußt. Der größte Dienst schenkt der müden Seele nicht einen Tropfen Erquickung. Sie muß von Gott kommen. Gott erhört den Ruf Simsons, und er nennt den Ort En-Hakore, „Quelle des Rufenden“. Er gedenkt nicht seines Dienstes, sondern seiner Abhängigkeit von Gott. Nun, da Simson sowohl in der Abhängigkeit als auch im Dienste erprobt ist, wird berichtet, daß er Israel 20 Jahre richtete.
Zurückschauend können wir diesen ersten Teil der Geschichte Simsons von zwei Gesichtspunkten aus betrachten. Wir haben gesehen, daß seine geplante Vereinigung mit einer Philisterin eine unheilige Vereinigung war, und daß Gott ihn durch Zucht von der Unmöglichkeit einer solchen Verbindung überzeugen mußte, und wir haben diese Zucht betrachtet. Wenn wir ihn als Israeliten und Nasiräer betrachten, trifft dies zu, aber ich glaube, es gibt noch eine andere Seite, die in den Worten: „Sein Vater und seine Mutter aber wußten nicht, daß es von Jehova war“ (Kap 17, 4) zum Ausdruck kommt. Das heißt, daß die Knechtschaft und die Gemeinschaft mit den Unbeschnittenen fast eine notwendige Folge der Stellung war (das Volk Israel befand sich unter dem Gericht Gottes), der er durch seine Geburt unterworfen war. Obwohl er ein Nasir war, war er auf Grund des Zustandes seines Volkes dieser verderbten Gemeinschaft ausgesetzt und war dafür verantwortlich; und während er auf der anderen Seite belehrt wird, sich von ihr loszumachen, wird ihm andererseits erlaubt, eine Vereinigung zu planen, die ein Zugeständnis an die ihm übergebene Verantwortlichkeit, an deren Vorhandensein er persönlich keinen Anteil hatte, war. Diese Verbindung wurde nicht zugelassen, weil sie an sich unheilig war; aber das Vorhaben kommt der zweifachen Absicht Gottes bei Seiner Unterweisung entgegen. Auf der einen Seite bringt es die Folgen der Sünde des Volkes zur Geltung, auf der anderen ist es für Simson eine Gelegenheit, sich durch die Macht Gottes daraus zu befreien und zum Erretter Seines Volkes zu werden. In derselben Weise ist jeder Mensch, der geboren wird, der Strafe für Adams Sünde unterworfen, ehe er selbst auch nur eine Sünde begangen hat. So war es in Israel, so ist es in der Kirche. Jeder einzelne ist sowohl den Verlusten und Strafen, als auch den Vorrechten, die das Ganze betreffen, unterworfen. Er kann die Vorrechte nicht genießen, ohne diesen Verbindlichkeiten, die wirkliche Hindernisse für den Genuß der Vorrechte sind, nachzukommen. Das war Kains Fehler; indem er Jehova eine Opfergabe darbrachte, nahm er den Platz eines vor Gott Angenehmgemachten ein, ohne den Ansprüchen Gottes auf ihn, wegen der in ihm wohnenden Sünde, Genüge geleistet zu haben. Derselbe Grundsatz trifft für die Kirche zu. Wir müssen sowohl ihren Verfall als auch ihre Vorrechte und Würden tragen.
Aber ein Mann der Kraft darf sich diesen Folgen nicht einfach beugen, ohne sich zu bemühen, das Böse zu ahnden, und sich, seine Familie und sein Volk ihm zu entziehen. Er kann das nicht ableugnen, dem er gerechterweise unterworfen ist, aber er wird die Schwierigkeiten auch nicht dadurch vergrößern, daß er persönlich die Sünde seines Volkes vermehrt. Daher war Simson ein Nasir von seiner Geburt an, und war aus eben diesem Grunde der einzige, der geeignet war, den Platz eines Dieners und Erretters einzunehmen. Während er persönlich abgesondert war, ließ er eine rechtliche Verbindung zwischen Israel und den Philistern zu, indem er eine Verschwägerung mit einer von ihren Stammesgenossen im Sinn hatte. Das war unvereinbar, aber zunächst läßt Gott so viel zu, damit Simson, der Mann der Kraft, die gedemütigte Stellung Israels bekennen sollte, aber mehr wird nach den Ratschlüssen Gottes nicht notwendig und erlaubt. Um diese Verbindung zu verhindern und Israel von seinen Unterdrückern zu befreien, wird schnell ein triftiger Grund gefunden. Nach dem Kampf erreicht Simson den Felsen Etam, wird dort als Erretter des Volkes bestätigt und richtet es 20 Jahre lang.
Damit ist der erste Teil der Geschichte Simsons beendet. Der zweite zeigt, wie er wieder - aber auf einer niedrigeren Stufe - mit den Philistern in Berührung kommt und wie er deshalb leidet. Beim ersten Mal erstrebte er die Verbindung, weil er „eine Gelegenheit“ an ihnen suchte; er wurde auf wunderbare Weise unterstützt und zum Richter des Volkes erhoben. jetzt aber sucht er ihre Gesellschaft auf Grund seiner fleischlichen Lust, und obwohl er, als er bereute, seine Kraft wiedererlangte, konnte er nie mehr die Stellung von Etam als Richter des Volkes Israel einnehmen, und das redet sehr deutlich zu uns. Wenn wir den Verfall der Kirche mit der Absicht bekennen, unseren daraus hervorgegangenen Verpflichtungen nachzukommen, werden wir Hilfe zu unserer Befreiung erhalten. Aber wenn wir wieder Gemeinschaft in „dem großen Hause“ (
„Und Simson ging nach Gasa, und er sah daselbst eine Hure und ging zu ihr ein“ (Kap. 16). Er erneuert die unheilige Verbindung, aber er wird doch die Machenschaften der Philister gegen ihn gewahr, und wird befähigt, jene auf wunderbare Weise zu besiegen, denn „um Mitternacht stand er auf und ergriff die Flügel des Stadttores und die beiden Pfosten und riß sie samt dem Riegel heraus und legte sie auf seine Schultern; und er trug sie auf den Gipfel des Berges, der gegen Hebron hin liegt.“ Obwohl Simson auf bemerkenswerte Weise errettet wurde, mußte dieser Vorfall eine Warnung für ihn sein. Oft wird die Seele von ihrem ersten Schritt rückwärts unter großen Kraftbeweisen wiederhergestellt, obschon es erst bei Mitternacht geschehen mag, d. h., daß das Zeugnis hinter der Errettung zurücksteht. Die Reise des Apostels Paulus nach Jerusalem ist ein Beispiel von einem solchen Rückwärtsschritt auch er kann erst bei Mitternacht seine Widersacher überlisten und, von römischen Soldaten begleitet, entfliehen. Es ist fürwahr ein Segen, wenn solche Zucht die Seele dazu bringt, diese Gemeinschaft zu meiden! Bei Paulus war es so; aber Simson lernt daraus nicht, denn „es geschah hernach, da liebte er ein Weib im Tale Sorek, ihr Name war Delila.“ Hier werden wir vor den traurigsten, demütigendsten Vorfall im Leben des Knechtes Gottes gestellt. Kein noch so großer Verrat von seiten Delilas (die ein Bild der Welt in der Vereinigung von Verlockung und Feindseligkeit ist) vermag Simson zur Erkenntnis des wahren Charakters der Person zu bringen, mit der er sich vereinigt hat. Wo war sein Feingefühl, daß er mit jemand, der sein Vertrauen erschlich, um ihn zu verderben, die engste Gemeinschaft pflegen konnte? Zunächst vertraute er ihr nicht, und solange er seine Zurückhaltung und das göttliche Geheimnis bewahrt, ist er sicher; aber wie demütigend ist es, sich als mächtiger Mann in den Händen einer falschen Frau zu befinden. Wahrlich, wenn wir sehen, wie die Stärksten betrogen werden können und nicht einmal die greifbarsten Beweise ihren verdunkelten Sinn erhellen, dann können wir sagen: „Niemand rühme sich seiner Kraft.“ Groß ist die Gnade unseres Gottes, Der uns sogar auf einem Abwege bis zum letztmöglichen Punkt bewacht. Simson ist siegreich, bis er das Geheimnis seiner Kraft verrät - das Kennzeichen Seines Nasiräertums und seiner Absonderung für Gott; aber in dem Augenblick verläßt er die Quelle seiner Kraft, er verliert das Kennzeichen des Knechtes Gottes - das nicht für die Ohren der Unbeschnittenen bestimmt war. Solange das Kennzeichen vorhanden war, gab Gott ihm Beistand und Ehre. Wir sehen oft, daß Gott Seinen Knecht, der das Geheimnis der Absonderung bewahrt, unterstützt, auch wenn er durch Verlockungen des Fleisches angezogen wird; aber sobald dies Kennzeichen aufgegeben wird, ist es mit dem Beistand vorbei. Es ist nur ein kleiner Schritt von den Verlockungen der Welt zum tödlichen Übel. Simson gibt erst der Versuchung nach, dann gibt er die Absonderung auf und wird schließlich in die Hand der Philister überliefert, wo seine Augen ausgestochen werden. Welch eine harte, schmerzliche Zucht muß Simson jetzt erdulden! Mit ehernen Fesseln gebunden, muß er „mahlen im Gefängnis“. Das ist das Ergebnis seines Eigenwillens und der Aufgabe seines Platzes der Absonderung. Im Gefängnis beginnt sein Haar wieder zu wachsen, das Zeichen der Absonderung wird erneuert, aber sein Augenlicht ist verloren! Wie ernst! Das Kennzeichen wird wiederhergestellt, die Kraft ist wirksam, aber die Macht zeigt sich erst im Tode.
Wie nun im Tode Christi alle Feinde praktisch besiegt worden sind, so bleibt der Tod allein als Platz des Zeugnisses für einen Diener wie Simson, der mit offenen Augen gerade die Verbindung eingegangen ist, die er früher so bekämpft hatte, und, als sein Herz wiederhergestellt war, zurückwies. Als sein Haar gewachsen ist, ist der einzige Ort des Zeugnisses für ihn der Tod - öffentlicher, praktischer Tod, bei dem er offenbart, daß Gott mit ihm ist. Der wiederhergestellte Nasir bekundet seine Buße in der Vollkommenheit seiner Selbstaufgabe: er stirbt. Nicht das „Haar“ kennzeichnet ihn, sondern der Tod. Simson starb mit den Gottlosen, aber in seiner letzten Anstrengung - jenem schrecklichen Gericht, das auf den Menschen infolge der Sünde lastet - verherrlichte er Gott, denn „es waren der Toten, die er in seinem Tode tötete, mehr als derer, die er in seinem Leben getötet hatte.“ Das ist die wahre Grabschrift jeder Seele, die die Macht des Todes Christi erfahren hat, denn dort hat der Sieger jeden Feind besiegt, selbst den, der die Macht des Todes hat, zur Verherrlichung und zum Preise Gottes. Daraus lernen wir, daß der Tod das einzige Heilmittel für die Begierden des Fleisches ist.
Das ist das Ende Simsons. Niemand kam ihm an Kraft gleich; sein Ende ist demütigend für das Fleisch, aber es verherrlicht Gott und rechtfertigt Seine nie fehlende Weisheit und Zucht in bezug auf Seine Knechte. Möchten wir alle lernen, mehr in Absonderung zu wandeln und unser Nasiräertum zu bewahren, damit wir Zeugen für unseren Herrn sein können und vor der Unterdrückung der Welt bewahrt bleiben! Möchten wir aus der Geschichte Simsons lernen, wie leicht Absonderung aufgegeben werden kann, wenn wir in Gemeinschaft mit der Welt kommen. Aber auch, wie wir Gott doch noch verherrlichen können, auch wenn unser Zeugnis durch Verfehlungen beeinträchtigt ist, wenn es in der Ruhe und Stetigkeit geschieht, mit der wir an unserem Leibe das Sterben Jesu herumtragen, damit das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.