Die Erziehung in der Schule Gottes

Josua

In 2. Mose 17,9 wird Josua das erste Mal erwähnt, als er von Mose den Auftrag erhält, die ausgewählten Männer gegen Amalek zu führen. Daraus können wir schließen, daß er für diese Aufgabe am geeignetsten war. Wenn wir uns mit der Geschichte irgendeines Knechtes Gottes beschäftigen, ist es besonders interessant, diesen in dem besonderen Licht und in dem Zustand, in dem er uns zuerst vorgestellt wird, zu erkennen, denn darin sehen wir seine Besonderheit, die seinen ganzen Weg kennzeichnet.

Das gilt auch für Josua. Ein Vorbild auf Christum und Diener Christi, wird er uns zunächst als Kriegsheld vorgestellt, der bereit ist, den Feinden Israels entgegenzutreten, und ist so ein Vorbild auf den Anführer unserer Errettung (Heb 2,10). Josuas erster Streit ist wider Amalek, das uns das Fleisch oder den natürlichen Menschen in tätigem Widerstand gegen den Vormarsch des Volkes Gottes darstellt. Ägypten ist eigentlich mehr die Welt, während Amalek das verkörperte Fleisch ist; Assyrien schließlich ist die alte Natur mit ihren Verlockungen und Einflüssen. Der Streit mit Amalek war für Israel der Anfang des Kampfes und hier erscheint Josua zum ersten Mal als Führer auf dem Schauplatz. Er besiegt den Feind mit der Schärfe des Schwertes; aber durch diesen Sieg erfährt er, wovon der Sieg abhängig ist. Er lernt, in die Wechselfälle des Streites verwickelt, das Volk in Abhängigkeit von einem unsichtbaren Mittler zum Siege zu führen. Mose steht mit dem Stabe Gottes in seiner Hand auf dem Gipfel des Hügels. Sobald seine Hände sinken' läßt der Erfolg nach, und gerade durch den Wechsel des Kampfglücks lernt Josua die Abhängigkeit von Gott, und er siegt infolge seiner Abhängigkeit. Er gibt ein praktisches Beispiel für das Wort „Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2,12).

Es ist ein wirklicher Streit, buchstäblich ein Gefecht Mann gegen Mann, und der Sieg schwankt hin und her zwischen den Kämpfenden. Gott ist die Quelle sowohl des Wollens als auch des Wirkens. Der Glaube hält Josua aufrecht. Er weiß Mose mit dem Stabe Gottes in der Hand auf dem Hügel, und so lernt er zu Anfang seiner Laufbahn die Wechselfälle des Kampfes in Abhängigkeit zu ertragen und wunderbar zu siegen. Es gibt der Seele große Kraft, mit den Schwierigkeiten unserer Wanderung gekämpft, und in der Kraft des Herrn gesiegt zu haben und sagen zu können: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“. Das erfährt Josua bei seinem ersten Schritt als Führer Israels und er handelt danach; und da dies sein erster Sieg war, der wie Davids Sieg über Goliath auf alle noch folgenden hindeutete, befiehlt Jehova, daß dies nicht nur in ein Buch geschrieben werden sollte, sondern in die Ohren Josuas gelegt werden sollte, „daß ich das Gedächtnis Amaleks gänzlich unter dem Himmel austilgen werde“. Welch eine Ermunterung muß das für Josua in seinen vielen späteren Kämpfen gewesen sein! Er konnte sich darauf stützen, wenn der Mut ihn verlassen wollte. Wenn Jehova geschworen hatte, seinen ersten Feind zu vernichten, sollte Er dann nicht ebenso treu sein in bezug auf die übrigen?

Sodann sehen wir Josua als Diener Moses (Kap. 32), als dieser auf den Berg berufen wird, um die Tafeln des Zeugnisses zu empfangen. Diese Bemerkung über Josua ist nur kurz, aber wichtig, denn sie zeigt uns, daß dem Mann der Tat, der er auf Erden war, die ernsten und wunderbaren Offenbarungen des unsichtbaren Gottes nicht fremd waren. Er wußte nicht nur gegen die Feinde des Volkes Gottes zu kämpfen, sondern er erfuhr auch das Wesen der Herrlichkeit Gottes, wodurch er für den Dienst hier auf Erden ausgebildet wurde. Innerlich war er (wie der Herr Jesus auf vollkommene Weise) in Verbindung mit der Herrlichkeit Gottes, äußerlich ein Kriegsmann von Jugend an; und durch beides bildete Gott ihn für seinen späteren Dienst. Die Gemeinschaft in der Herrlichkeit auf dem Berge war ebenso notwendig wie die Wechselfälle des Kampfes auf dem Schlachtfeld. Im Kampf gegen Amalek befand Josua sich auf einem Gebiet des Dienstes, auf dem Berge ist es ein anderes, – das Gebiet der Gemeinschaft mit Gott, dort wird seine Kenntnis des Willens Gottes erweitert – eine sehr gesegnete Zeit der Belehrung. Aber selbst in dieser hohen Stellung der Gemeinschaft hält Josua an seiner Berufung fest. Als Mose sich wandte und vom Berg hinabstieg, und der Lärm des abtrünnigen Volkes an ihre Ohren drang, lautet Josuas Erklärung: „Kriegsgeschrei ist im Lager“! (Kap 32, 17).

Er deutet das Geschrei der Götzendiener gemäß des Eindruckes, den es auf ihn macht. Aber als der Schauplatz der Abgötterei vor ihm liegt, und Mose das Zelt außerhalb des Lagers aufschlägt, beweist Josua, welchen Wert die gesegnete Zeit der Belehrung auf dem Berge für ihn hat: er nimmt den Platz der Absonderung ein und weigert sich, sich mit dein verunreinigten Lager zu vereinigen. Wir lesen: Josua, der Sohn Nuns, ein Jüngling, wich nicht aus dem Inneren des Zeltes“ (33,11). Er hatte erfahren, was es heißt, im Schirm des Allmächtigen zu bleiben. Wenn auch Mose in seinem Dienst hin und her gehen mußte, dieser Jüngling, den Gott belehrte, wußte, daß es für ihn besser war, bei Gott in dem abgesonderten Zelt zu bleiben. Der Dienst rief Ihn nicht ins Lager, deshalb hielt er sich vollkommen davon abgesondert bei Gott. Mose muß seinen Dienst erfüllen und betritt das Lager. Aber wenn für uns keine Gelegenheit zum Dienst darin besteht, laßt uns so weit wie möglich davon getrennt bleiben, denn die Trennung wird uns zubereiten, den wirkungsvollsten Dienst zu tun, wenn wir dazu berufen sind.

Bloße Kenntnis des Willens und der Ratschlüsse Gottes ist nicht das volle Ergebnis unserer Nähe zu Ihm, sondern das Bewußtsein dessen, was Ihm gebührt und was Seinem Willen entspricht; mit anderen Worten: Heiligkeit, und sie ist das große Ziel der väterlichen Zucht.

Josua muß jedoch noch mehr lernen. Wir sehen ihn wieder in 4. Mo 11, als er den Willen Gottes mißversteht. Dieselbe Wahrheit, die ihn zuvor vor der verunreinigenden Gemeinschaft und in Übereinstimmung mit Gottes Willen bewahrt hatte, wird jetzt von ihm benutzt, um Gott zu wehren. Es ist sehr wichtig, daß wir uns erinnern, daß Gott Selbst uns beraten muß und nicht irgendeine Wahrheit. Als Israel abtrünnig war, war das abgesonderte Zelt eindeutig der Ort der Wahrheit und des Segens. Als aber Eldad und Medad im Lager weissagten, mußte der Geist Gottes anerkannt werden, auch wenn sie nicht zum Zelt gekommen waren. Daher tadelt Mose Josua, weil er nach Menschenweise und nicht nach der Weise Gottes dachte. Das Herz war im rechten Zustand, aber es hatte den Rat des Fleisches angenommen und mußte deshalb getadelt werden. Diese Zucht war hart, aber notwendig, und wirksam als Vorbereitung für die neue, göttliche Art, in der Gott Sein Volk führt.

Josua weiß nun, daß er auf sich selbst nicht vertrauen kann und wird beauftragt, das Land auszukundschaften. Mose zeichnet ihn dadurch aus, daß er ihm den Namen Josua statt Hosea gibt (4. Mo 13,16). Daraus können wir entnehmen, daß er gemäß seinem neuen Namen einen neuen Dienst antritt. Bisher war er nur der Diener Moses gewesen und hatte seine Anordnungen ausgeführt. Nun erhält er mit noch elf anderen Fürsten des Volkes den Auftrag, das Land auszukundschaften. Nur Kaleb und Josua bringen günstige Nachricht zurück und bestätigen Gottes Verheißung und die Vortrefflichkeit dessen, was Er geschworen hatte ihnen zu geben; aber sie standen allein inmitten des Unglaubens ihrer Genossen. Wie hart sie geprüft wurden und wie sehr sie die Sünde des Volkes fühlten, sehen wir daran, daß sie ihre Kleider zerreißen und mutig die Vortrefflichkeit des Landes bestätigen, indem sie erklären, daß ihr Eingang in das Land nicht von ihrer eigenen Stärke abhängt, sondern davon, ob Jehova Gefallen an ihnen hat. Aber die ganze Gemeinde sagte, daß man sie steinigen solle, und nur das Erscheinen der Herrlichkeit Jehovas, die an dem Zelte „allen Kindern Israel“ erstrahlte, hinderte sie an der Ausführung ihrer bösen Absicht.

Wir sehen hier, wie Gott Josua während seiner Erziehung verschiedene Unterweisungen gibt. Josua hatte Gott als den Befreier kennengelernt, aber hier macht er die erste Bekanntschaft mit dem Land, das Gott Seinem Volk verheißen hatte, und in das er selbst sie einmal führen sollte.

Mose und Josua hatten in ihrer Stellung als Diener verschiedene Aufgaben. Mose führte das Volk aus Ägypten heraus, Josua führte es in Kanaan ein. Mose ist ein Vorbild auf den Herrn, Der den Teufel auf der Erde besiegte, Josua, wie Er uns in die gesegneten Ergebnisse des Lebens und der Ruhe einführt. Um aber für diese große Aufgabe geeignet zu sein, bedurfte Josua der Erziehung. Er sollte das Land nicht nur sehen, sondern er mußte den Charakter des Volkes, das er dorthin führen sollte, sehen und erkennen. Und nicht nur das, sondern, nachdem er das Land gesehen hat – nachdem er seinen Glauben an Gottes Absicht und an Seine Macht, sie einzuführen, mit dem Herzen bewiesen und mit dem Munde bekannt hat und deswegen den Widerstand und die Wut dieses Volkes ertragen hat, muß er noch 40 Jahre warten, ehe er das Teil, worauf sein Glaube gewartet hat, sehen und ergreifen kann.

Sicher wurde sein Glaube durch die lange Erziehung geprüft. Die Geschichte Josuas wird hier scheinbar unterbrochen; es ist ihm nicht gelungen, das Volk zum Verständnis seiner Berufung zu bringen und er zieht sich gewissermaßen vom öffentlichen Leben zurück, aber nur, um seinen Platz in dem Augenblick wieder einzunehmen, in dem er dazu berufen wird.

In den 40 Jahren in der Wüste ist sein Glaube sicherlich vertieft worden. Während er sah, wie die Ungläubigen einer nach dem anderen starben, bis von der alten Generation nur er und Kaleb übrig waren, bestätigte ihm der Tod jedes einzelnen von ihnen, wie gesegnet der Glaube und wie verderblich für jede Segnung und jeden Dienst der Unglaube ist. Wie Mose in  Midian mußte er 40 Jahre auf Jehova warten und Geduld, die wichtigste Eigenschaft eines Knechtes Gottes, lernen.

Es hat nie Glauben gegeben, ohne frühere oder spätere Wirksamkeit. So sagt Jakobus: „Die Schrift ward erfüllt, welche sagt: Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“. Der Glaube muß festgehalten werden, bis die Wirksamkeit ihn offenbart, und er stärkt die Seele, weil er Abhängigkeit von Gott ist.

Der Faden der Geschichte Josuas wird dort wieder aufgenommen, wo er abgerissen ist. Er hatte den Israeliten versichert, daß sie wohl imstande seien, hinzuziehen und das Land in Besitz zu nehmen. Am Ende der Wüstenreise erscheint Josua wieder auf dem Schauplatz, da Mose untauglich ist, das Volk in das Land zu führen. Als die Zeit gekommen ist, wird er zu diesem besonderen Dienst bestimmt (4. Mo 27,18-22). Er mag sich oft gefragt haben, wohin der Glaube, der ihn vor 40 Jahren erleuchtet und befähigt hatte, die Herrlichkeit des Erbteils zu preisen, ihn noch führen würde, aber der Glaube rechtfertigt Gott immer. Je weniger sichtbare Beweise es gibt, desto mehr ist die Seele auf Gott geworfen, und dadurch wird der Glaube gestärkt, denn Er bestätigt die Wirklichkeit, unabhängig von allem Äußerlichen.

Josuas Glaube wird vollkommen bestätigt, und nun, „voll Geistes der Weisheit“ und durch all die Jahre der Erziehung vorbereitet, wird er nicht nur von Mose bestimmt für den Dienst, sondern persönlich von Jehova mit dieser großen Sendung beauftragt und ermuntert. „jeden Ort, auf den eure Fußsohle freien wird, habe ich euch gegeben“, war das Wort Jehovas an Josua. Wir können jedes der endlosen Felder der Herrlichkeit durchwandern, die auf ewig unser sind. Und nicht nur das, ihre Wirklichkeit und ihr Wert wird uns auf Erden bezeugt, wie bei Stephanus, als er Jesus und die Herrlichkeit sah.

Aber wir dürfen nicht vergessen, daß Josua eigentlich der Nachfolger (der Fortsetzer des Werkes) Moses war, und daß beide – in verschiedener Weise – Vorbilder auf den Herrn Jesus sind. Mose führt mich bis zum Tode Christi; Josua führt mich siegreich aus dem Tode heraus. Daher sagt Jehova, als er Josua, dem Sohn Nuns, „dem Diener Moses“, seinen Auftrag gibt: „Mein Knecht Mose ist gestorben; und nun, mache dich auf, gehe über diesen Jordan, du und dieses ganze Volk, in das Land, das ich ihnen ... gebe ... Sei stark und mutig! denn du, du sollst diesem Volk das Land als Erbe austeilen, das ich ihren Vätern geschworen habe, ihnen zu geben“. Demzufolge sollte er sie nicht nur zu ihrem Besitz führen, sondern ihnen dadurch, daß er das Erbe austeilte, einen festen Platz geben. Das ist ein Vorbild auf das Ende des Werkes unseres Herrn, das Er ankündigte, als Er sagte: Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“. Josuas Dienst ist erst vollendet, wenn er dies vollbracht hat. Daher finden wir im zweiten Teil seiner Geschichte die Prüfungen und Schwierigkeiten, die ihm bei der Erfüllung dieser Aufgabe entgegentreten.

Schon Jahre vorher hatte Josua geglaubt, daß Gott sie in das Land bringen könnte und würde. Das war der feste Grund Josuas, denn „ohne Glauben ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen“. Aber nun wird das, was er im Glauben solange genossen hat, Wirklichkeit, und er ist nicht träge darin. Er kündigt den Vorstehern an: „In noch drei Tagen werdet ihr über diesen Jordan ziehen, um hinzukommen, das Land in Besitz zu nehmen“. „Bereitet euch Zehrung“, sagt er. Sie sollten sich mit ganzem Herzen, aber mit heiliger Ruhe auf den Weg machen. „Heiliget euch; denn morgen wird Jehova in eurer Mitte Wunder tun“. Ich übergehe die wunderbare Szene des Durchzugs durch den Jordan mit ihrer Bedeutung, denn darüber ist an anderer Stelle ausführlich geschrieben worden; wir haben es hier nur mit der Beziehung Jehovas zu Josua zutun. Die Absicht Jehovas hinsichtlich Josuas wird in Josua 3,7 und Josua 4,14 deutlich: „An diesem Tage will ich beginnen, dich in den Augen von ganz Israel groß zu machen“. Fast als einziger war er 40 Jahre zuvor fest für Gottes Absicht und Macht inmitten des Widerstandes und des Unglaubens des Volkes eingestanden. Nun sollte er vor ganz Israel großgemacht werden, und die Gegenwart Jehovas mit ihm wurde eine ebenso große Tatsache wie bei Mose. Es war ein herrlicher Augenblick in seiner Geschichte, und er entsprach dem Charakter seines Glaubens. Auf der einen Seite ist Josua ein Vorbild auf den Herrn Jesu in seinem Gelingen, auf der anderen Seite ist er ein Beispiel für uns in den Kämpfen, durch die er geht, ehe er den Erfolg erreicht.

Ich will keine Lebensbeschreibung Josuas geben und muß mich daher (nachdem ich nur seine großen Taten aufgezählt habe) auf die Übungen beschränken, durch die seine Seele geht. Seine erste Tat als Führer ist der Durchgang durch den Jordan; sodann die Abwälzung der Schande Ägyptens bei Gilgal; und schließlich der Fall Jerichos oder die Inbesitznahme des Landes und die Austeilung des Erbteiles (Jos 15). Das sind seine großen Taten. Seine Übungen können wir mehr ins Einzelne gehend betrachten, die erste ist die Niederlage von Ai (Kap. 7). Sie war die erste Niederlage seiner glänzenden Laufbahn. Der Jordan war durchschritten, die Schande Ägyptens abgewälzt, die Mauern Jerichos durch Glauben gestürzt und das Land auf herrliche Weise in Besitz genommen – wie groß muß seine Not und Enttäuschung gewesen sein, als er Israel vor den Männern von Ai fliehen sah! Das hatte er schwerlich erwartet. Segen und Erfolg waren bisher seine Begleiter gewesen, aber jetzt befand er sich in großer Not. Er zerriß seine Kleider und fiel zur Erde nieder. Er erfährt zum ersten Mal, wie leicht der Mensch im Augenblick der vollsten Segnungen fallen kann. Er hatte das Versagen des Volkes in der Wüste gesehen, diese Niederlage aber findet in Kanaan statt, und das verursacht seiner Seele besondere Qual. Wie gut verstehen wir seinen Schrei: „Bitte, Herr, was soll ich sagen, nachdem Israel vor seinen Feinden den Rücken gekehrt hat“? je größer die Wahrheit und die Segnung ist, die das Herz kennt und genießt, desto größer ist die Bestürzung, die eine Niederlage in dem Herzen hervorruft, das der Herrlichkeit Gottes treu ist.

Aber Josua hatte, wie viele von uns, in diesem Abschnitt seiner Geschichte etwas Wichtiges zu lernen: alles was wir früher erworben oder genossen haben, vermag uns nicht vor Niederlage oder Fall zu bewahren, wenn wir im Herzen Grundsätze oder Tatsachen, die im Widerspruch zu Gott stehen, geduldet oder uns damit vereinigt haben. In Unkenntnis der Ursache betet, trauert Josua und macht Jehova sogar Vorhaltungen. Sein Glaube schwankt in der Größe seiner Not. Aber aus dem Tadel Jehovas sehen wir, daß es ihm an geistlicher Weisheit mangelte, denn sonst hätte er, so wie er Gott kannte, schließen müssen, daß Er nicht zugelassen hätte, daß Sein Volk eine Niederlage erlitt, wenn nicht eine böse Abweichung von Ihm vorhanden wäre. Er hätte das verborgene Böse suchen sollen, statt Jehova Vorwürfe zu machen. Das Gebet kann nie Nachlässigkeit im Werk wiedergutmachen; es führt zum Werk, – sucht Kraft und Licht für das Werk, aber wenn ich das Licht, das ich schon besitze, nicht gebrauche, wird kein Gebet mir mehr Licht verschaffen, denn wenn ich der Offenbarung, die ich empfangen habe, nicht glaube, bin ich nicht imstande, mehr zu empfangen.

Jehova schilt Josua, weil er vor Ihm in unwissender, untätiger Trauer liegt. Er sagt: „Stehe auf! Warum liegst du denn auf deinem Angesicht? Israel hat gesündigt ... und auch haben sie von dem Verbannten genommen“. Dann fährt Er fort und kündigt an, was getan werden muß, um Seine Gegenwart unter ihnen wiederzuerlangen.

Wir sehen, daß Israel das Erbe jetzt antrat, das uns Gottes Königreich und das himmlische Teil Seiner Heiligen vorstellt. Sie waren ein Volk. Die Sünde eines einzigen betraf das ganze Volk. Bei uns ist die Einheit geistlich, und es sollte uns eine Mahnung sein, daß, wenn unter solchen, die nur nach dem Fleische verbunden waren, durch die Sünde eines Mannes solch ein offenbares Unglück hervorgerufen wurde, das in viel stärkerem Maße in der Versammlung der Fall ist, wo jeder durch den Heiligen Geist ein Glied des einen Leibes ist.

Es war neu für Josua, das das heimliche Abweichen von Gott dieses einen Mannes im Heer auf so unheilvolle Weise das Vorschreiten und den Segen ganz Israels unterbrechen konnte. Er ist dadurch erschüttert und läßt nahezu seinen Glauben, der ihn so kennzeichnete, fahren. Aber welch ein wahres Verständnis der Größe und Herrlichkeit Gottes hat er in der tiefsten Not! „Was wirst du für deinen großen Namen tun?“ ist seine erste Frage.

Zunächst ordnet Jehova an, Nachforschungen anzustellen. Die ganze Gemeinde muß vor Ihm erscheinen. Große Sorgfalt, geduldige und vorsichtige Untersuchung ist notwendig. Das Los fällt, aber die Entscheidung liegt bei Jehova.

Nun zeigt Josua, daß er der Lage gewachsen ist. Er steht „des Morgens früh auf“, um die Ursache zu entdecken, und rasch und entschlossen wird das Urteil ausgesprochen und an dem Übertreter vollzogen. „Da nahm Josua Achan ... und das Silber und den Mantel und die goldene Stange und seine Söhne und seine Töchter, und seine Rinder und seine Esel und sein Kleinvieh und sein Zelt und alles, was er hatte und sie brachten sie hinauf in das Tal Achor. Und Josua sprach: Wie hast du uns in Trübsal gebracht! Jehova wird dich in Trübsal bringen an diesem Tage! Und ganz Israel steinigte ihn, und sie verbrannten sie mit Feuer ...“ Nicht ein Stück seines Besitzes wird verschont. So bezeugt Josua, das, je näher ein Mensch Gott ist, und je größer die Segnungen sind, die er genießt, desto vollkommener und eindeutiger muß er alles und jeden brandmarken, der Seine Herrlichkeit schmälert. Der Josua, der den äußeren Feind nicht fürchtet, der gesehen hat, wie die ganze Schöpfung sich vor seinen siegenden Schritten beugte, ist derselbe, der so treu und wirksam das Böse im Innern hinaustut. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Macht bleibt Macht, in welcher Weise sie auch immer ausgeübt werden mag. Macht über den Kanaaniter, den Widersacher der Verwirklichung unseres himmlischen Erbes, verbürgt auch Macht über das Böse im Innern. Das eine hatte Josua auf ruhmvolle Weise, mit erhobener Hand, kennengelernt, das andere erfährt er jetzt gebeugt und kummervoll in geheimer Zwiesprache mit Gott, aber mit derselben wunderbaren Dazwischenkunft Seiner Macht. Laßt uns stets daran denken: je größer unsere Siege hinsichtlich des Erbes, desto strenger muß die Absonderung von allem, was nicht in Übereinstimmung mit Gott ist, sein.

Die Sünde Achans war nicht von gewöhnlicher Art. Sie war doppelt schwer, eine doppelte Übertretung des Gebotes Gottes, und daher verhängnisvoll für einen himmlischen Streiter. Er hatte einen von Gott verfluchten Mantel, und Gold und Silber, das dem Schatz Jehovas gehörte, genommen. Er bewies dadurch die Verderbtheit des Herzens, das die Treulosigkeit besitzt, seinen eigenen Vorteil und Genuß zu suchen, während es die Beweise der Gnade vor Augen hat.

Nach dem Ende dieser großen Übung erfährt Josua, wie er Ai besiegen kann. Nicht öffentlich und mit Macht, wie bei Jericho, denn die Sünde hat ihre Folgen, auch wenn der Riß geheilt ist. Die Eroberung ist jedoch nicht weniger wirkungsvoll, und der Glaube erkennt die gleiche geistliche Kraft, obwohl das Heer nicht besonders hervortritt. Aber Josua muß noch lernen, und in Kap. 9 wird eine neue Art der Übung dargestellt, die wiederum durch vorübergehenden Mangel an Abhängigkeit von Gott bei ihm und den Fürsten hervorgerufen wurde. Der Fallstrick liegt nur nicht innerhalb sondern außerhalb des Volkes. Die Gibeoniter „handelten mit List“ und täuschen Josua, so daß er Frieden mit ihnen schließt, ohne Jehova um Rat zu fragen. Darin lag der Grund des Falles, denn sobald die Abhängigkeit von Gott nur einen Augenblick aufgegeben wird, und sei es in der Freude eines Sieges, muß unfehlbar Versagen daraus hervorkommen.

Das hatte Josua als erstes beim Streit gegen Amalek erfahren, wie wir gesehen haben, und sogar jetzt noch, nach so vielen Jahren der Erziehung und des Krieges, wird dadurch sein Vormarsch gehemmt. Die Sünde Achans war gegen Gott; die der Gibeoniter mehr gegen Israel gerichtet; der Mensch wollte vor seinem Mitmenschen als etwas anderes erscheinen, als er war, damit er aufgenommen würde. Die Sünde war eine andere, also ist auch die Strafe anders geartet; bei Achan gab es nur gänzliche, nichts verschonende Verdammung, hier ständige, öffentliche Strafe. Die Betrüger erhalten die schwerste Strafe: sie werden Knechte Israels. Aber die Betrogenen, d. h. Israel, leiden auch, denn wären sie den Wegen und dem Willen Jehovas gefolgt, wäre die Unterwerfung vollständig gewesen. Gewiß hatte Josua in all den verschiedenen Übungen den Willen Gottes klarer erkannt. Unmittelbar hierauf beginnt sein ruhmvoller, ununterbrochener Siegeszug, und bis zum Ende seines Weges erhält er keine Niederlage mehr. Von Gott hoch geehrt, unterwirft er einen Feind nach dem anderen, und Jehova hält „auf die Stimme eines Menschen“ (Kap. 10,14) selbst den Lauf der Natur an (Sonne und Mond bleiben stehen). Welch ein Augenblick muß es gewesen sein, als Josua und sein Heer die Feinde endgültig besiegt und vernichtet hatten, von Kades–Barnea bis Gaza, – Kades, der Schauplatz des früheren Unglaubens des Volkes und des festen, unwandelbaren Glaubens Josuas!

Der nächste wichtige Abschnitt ist die Verteilung des Erbes an die Stämme (Kap. 13–19) gemäß dem besonderen Gebot Jehovas. Nachdem Josua dies beendet hat, erhält er selbst ein persönliches Erbteil (19, 49–50), in dem er eine Stadt baute und darin wohnte.

Josuas Taten stellen uns vier verschiedene mit dem neuen, himmlischen Erbe in Verbindung stehende Segnungen vor:

1. Das Durchschreiten des Jordans (Kap. 3).

2.Die Abwälzung der Schande Ägyptens (Kap. 5).

3. Die Einnahme Jerichos usw. (Kap. 6–12).

4. Die Austeilung des Erbes (Kap. 13–19).

Andererseits erhielt er drei wichtige Lehren in Verbindung mit seiner Führerschaft in das Land Kanaan hinein.

1. Er mußte erfahren, wie das ganze Heer geschwächt und seine Kraft durch die Sünde eines Mannes beraubt werden konnte.

2. Er wurde selbst betrogen und verführt, weil er es unterlassen hatte, den Rat Jehovas zu befragen.

3. Als letztes erkannte er, wie wenig er sich darauf verlassen konnte, daß die Gemeinde der Kinder Israel dem Platz und dem Weg des Segens anhing, zu dem sie berufen waren. Das wird uns in den Kapiteln 23–24 als Schlußszene dargestellt.

Er hatte das Volk durch Gottes Güte zu wunderbaren Segen geführt. Gott war treu gewesen, aber sie wollten weder treu noch Zeugen Seiner Gnade sein. Welch ein Kummer für Josua, nachdem alles gemäß der Verheißung Gottes erfüllt und sein eigener Glaube vollkommen bestätigt war, zu wissen, daß er auf die Gemeinde kein Vertrauen setzen konnte! Diese Überzeugung muß er schon in dem Augenblick gewonnen haben, da er aus dem Lager das Geschrei der Abgötterei hörte, als mit Mose vom heiligen Berge herabstieg; und wir sehen

wieder, wie schon oft, daß die Übungen am Anfang und am Ende des Weges sich entsprechen. Wie schmerzlich für die Seele, voraussehen zu müssen, daß in kurzer Zeit wenige oder niemand die Segnungen zu würdigen weiß, die er ihnen vorgestellt hat und an deren Genuß sie sich so lange erfreut haben! Dasselbe erfuhr Paulus, als alle, die in Asien waren, sich von ihm abgewandt hatten (2. Tim 1).

Aber was war seine Hilfsquelle? „Er nahm einen großen Stein und richtete ihn daselbst auf unter der Terebinthe, die bei dem Heiligtum Jehovas steht. Und Josua sprach zu dem ganzen Volke: Siehe dieser Stein soll Zeuge gegen uns sein, denn er hat alle Worte Jehovas gehört, die er mit uns geredet hat; und er soll Zeuge gegen euch sein, damit ihr euren Gott nicht verleugnet“. Dieser Stein ist ein Bild von Christus, und im Blick auf Ihn als den einzigen „treuen Zeugen“ beschließt Josua seinen Weg. In seiner letzten Zeit beweist er noch einmal, wie wirksam die Erziehung Gottes gewesen war, denn jetzt ruhte sein Herz nur in Ihm, Den dieser Stein vorbildlich darstellte. Daher hält er in der Abhängigkeit eines von Gott Belehrten die Wahrheit Gottes aufrichtig fest, ohne von Menschen irgendetwas zu erhoffen, aber sicher und ruhig, weil seine Hoffnung auf Gott ist.

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