Die Erziehung in der Schule Gottes
Hiob
Die Anspielung auf Hiob in Jakobus 5,11: „Von dem Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist“, genügt, um die Aufmerksamkeit einer ernsten Seele auf die Beschäftigung mit einer Geschichte zu lenken, die uns so vollständig überliefert ist.
Zunächst wird Hiob uns als ein Musterbeispiel dargestellt: glücklich in seinen Verhältnissen, gläubig und treu in seinen Beziehungen zu Gott. Wir sehen in ihm einen Mann, der sich in jeder Beziehung über den Kummer und das Böse, die das Los des Menschen sind, erhoben hatte; er ist das bemerkenswerte Beispiel eines Mannes, der von Gott unter den Menschen ausgezeichnet war – einer, der in Lauterkeit vor Ihm wandelte. Er war auf der Erde für Gott und wurde von Ihm reich gesegnet. Er war vollkommen und rechtschaffen, gottesfürchtig und das Böse meidend. Was seinen Besitz betraf, so war er so groß, daß dieser Mann größer als alle Söhne des Ostens war.
Es ist wichtig zu wissen, daß Hiob vor Gott wohlgefällig wandelte und Ihm als solcher angehörte, als Satan zum ersten Male seine Treue in Frage stellte und ihm einen unwürdigen Beweggrund zur Last legte, der in der Frage gipfelte: „Ist es umsonst, daß Hiob Gott fürchtet?“ Diese Frage gibt uns einen Schlüssel zum wahren Verständnis der Art der Zucht, der Hiob unterworfen wurde, denn wir sehen, daß sie nicht auf Grund persönlicher Schwäche eintrat, sondern um Satan zu beweisen, wie wahr Gottes Urteil über Seinen Knecht war. Wir werden sehen, daß Hiob viel persönliche Schwäche an den Tag legte, als er unter der göttlichen Zucht stand; denn obgleich ihm die Prüfungen von Satan auferlegt wurden, und zwar mit der Absicht, seine Verleumdung zu bestätigen, wurden sie dennoch von Gott benutzt, um in Hiob jene Selbstverleugnung und jenen Glauben zu bewirken, die Gott schließlich die Gelegenheit gaben, in vollem Segen die Wahrheit des Urteils, das Er in Seiner Güte über Seinen Knecht abgegeben hatte, zu beweisen.
Es ist wunderbar und höchst anziehend, die Art und Weise zu betrachten, in der Gott zu gleicher Zeit Satan beschämt, Sein Urteil rechtfertigt und Seinen Knecht zum vollen Verständnis Seiner Selbst erzieht, und, als das vollbracht ist, Satan tadelt, indem Er Hiob doppelt so viel gibt als er vorher besessen hat. Wir müssen versuchen, uns klarzumachen, was es für jemanden in den Umständen Hiobs war, plötzlich von solchen Schicksalsschlägen getroffen zu werden. Noch kurze Zeit vorher sehen wir ihn im Genuß der vollen Segnungen Gottes und zugleich in peinlicher Gewissenhaftigkeit, was seine Beziehungen zu Gott betraf; in seiner Besorgnis steht er nach dem Gastmahl seiner Söhne des Morgens früh auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl, denn er sagte: „Vielleicht haben meine Kinder gesündigt und sich in ihrem Herzen von Gott losgesagt. Also tat Hiob allezeit.“ Wo jeder Punkt so sorgfältig und eifrig beobachtet wurde, könnten wir, wie Hiob selbst, erwarten, daß die Ruhe, in die er durch Gottes Gnade versetzt worden war durch nichts gestört wurde. Wenn ihn auch Befürchtungen wie Wolken an einem Sonnentage überkommen mochten, so hatte er doch zweifellos keine Ahnung von dem boshaften Geist, der dadurch, daß er ihn vor Gott verleumdete, Gott nur veranlaßte, Hiob in die Hand Satans zu geben, um auf das Eindeutigste Hiobs Lauterkeit und unerschütterliche Treue zu Ihm zu beweisen. Wir müssen auch immer daran denken, daß Gott, während Er in Seinen Wegen mit Hiob Sein über ihn abgegebenes Urteil rechtfertigen will, uns zugleich zeigt, wie Er jenen Knecht erzieht und unter die Zucht stellt, um ihn dieses Urteils würdig zu machen.
Der Schlag für Hiob kam, als er ihn am wenigsten erwartete. Zweifellos hatte er oft seine Befürchtungen, denn er sagt: „Denn ich fürchtete einen Schrecken, und er traf mich“, und so kommt es immer, wenn die Seele keine größere Gewißheit der Liebe hat, als ihre Beweise und das Vorhandensein der Gaben. Die Gaben sind so eine Falle für uns, und Satans Anklage gegen uns ist oft in einer Hinsicht wahr; denn der Grund für unsere Ruhe vor Gott ist Seine Freundlichkeit und Gnade, und nicht einfach das Wissen um Seine Liebe. Das wird sehr deutlich an dem großen Kummer und der Verzweiflung vieler Seiner Kinder, wenn sie irgendeiner besonderen Segnung beraubt werden. Sie ruhen mehr in den Gaben als in Gott, und die Gaben waren für sie der Beweis Seiner Liebe; aber die Liebe selbst war es nicht, die ihren Herzen Ruhe gab. Satan kennt diese Neigung des Menschen und zögerte daher nicht, Hiob ihretwegen anzuklagen, indem er behauptete, daß Hiob nur auf Grund der überströmenden Segnungen Verbindung zu und Ehrfurcht vor Gott habe. Gott hatte in Seiner Gnade bezüglich Seines Knechtes Satan herausgefordert, daß seinesgleichen kein Mann auf Erden sei. Satan antwortete, indem er Hiob einen unlauteren Beweggrund für seine Treue vorwirft und behauptet, daß er sich offen von Ihm lossagen würde, wenn alles, was er besaß, von ihm genommen würde. Daraufhin erlaubte Jehova Satan, Hiob alles was er hat, zu nehmen, um die Richtigkeit Seines Urteils zu beweisen und um Hiob dieses Urteils würdig zu machen.
An einem einzigen Tage verliert Hiob in schneller Folge Besitz, Kinder, alles was er hat. Niemals kam ein Unglück so schnell und vollständig. „Und Hiob stand auf und zerriß sein Gewand und schor sein Haupt; und er fiel zur Erde nieder und betete an.“ Er erträgt die ersten schweren Wogen des Unglücks mit beispielhafter Geduld und sagt: „Nackt bin ich aus meiner Mutter Leibe gekommen, und nackt werde ich dahin zurückkehren. Jehova hat gegeben, und Jehova hat genommen, der Name Jehovas sei gepriesen!“
Es sei bemerkt, daß eine große Häufung von Trübsalen zunächst leichter als nachher ertragen wird. Die Stärke, die im Herzen ist, das Vertrauen zu Gott ist die Zuflucht, wenn der Schlag plötzlich und schrecklich kommt; und es scheint mir, daß Satan durch die rasche Folge der Ereignisse, in denen er seine Macht gebrauchte, sich selbst überlistete; denn gewiß sind Leiden, wenn sie nicht alle zugleich, sondern in gewissen Abständen auftreten, eine größere Prüfung. Satan hoffte jedoch, daß der Schlag für Hiob überwältigend sein würde, daß er nicht anders könnte, als Gott an allem die Schuld zu geben. Aber äußerste Schwierigkeit bringt oft die verborgene Kraft zum Vorschein, – wie bei einem Ertrinkenden-, während eine kleinere Gefahr diese Wirkung nicht haben würde. Die Prüfung ist manchmal nicht hart genug, um den Menschen zu eigenen Bemühungen zu veranlassen. Erst wenn in äußersten Schwierigkeiten Anstrengungen gemacht worden sind und sich als vergeblich erwiesen haben, fühlt man wirkliche Hilflosigkeit, und Verzweiflung befällt die Seele. Hiob hatte seinen Kummer so gut getragen, daß der gnädige Gott bezüglich Seines über ihn abgegebenen Urteils Satan noch einmal herausfordern kann. Satan antwortet: „Haut um Haut, ja, alles was der Mensch hat, gibt er für sein Leben. Aber strecke einmal deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an, ob er sich nicht offen von dir lossagen wird.“ Natürlich füllt es den Becher des Leidens, wenn ich von allem, woran mein Herz hängt, beraubt bin und der ganze, einst so liebliche Schauplatz nun eine Wüste für mich ist, – mit den Gräbern meiner früheren Freuden, und wenn ich dann durch körperliche Leiden eine Last für mich selbst werde! Sicherlich würden körperliche Leiden und Krankheit mich auf das Bitterste an meine völlige Verlassenheit erinnern, ohne daß ich das Herz und die Kraft hätte, meine Lage zu verbessern. Gott erlaubt Satan, Hiob mit den ärgsten körperlichen Leiden heimzusuchen; und er wird mit bösen Geschwüren von seinen Fußsohlen bis zu seinem Scheitel geschlagen. Welch ein Elend für Hiob! Seine Frau wird davon überwältigt und in ihrer Not gerät sie in die Falle Satans: sie rät ihrem Mann, sich von Gott loszusagen und zu sterben. Alles ist gegen Hiob. Welch eine Zeit der Übungen für seine Seele! Welche Kämpfe müssen wegen seiner Hoffnung auf Gott in seiner Seele stattgefunden haben! Aber jede Übung stärkt die Seele in Gott, obgleich der Leidende davon im Augenblick wenig weit. Je größer die Not, je tiefer ist das Gefühl, daß Seine Gnade sie ändern kann; das eine bereitet nur den Boden für das andere vor.
Zunächst zeigt Hiob wunderbare Geduld. Er tadelt seine Frau und sagt: „Wir sollten das Gute von Gott annehmen und das Böse sollten wir nicht auch annehmen?“ Aber seine Prüfungen sind noch nicht zu Ende. Seine Freunde kommen, um ihm ihr Beileid zu bezeugen und ihn zu trösten. Wenn ich unter der Zucht Gottes stehe, die meine engsten Freunde und Verwandten nicht verstehen, dann stören und verletzen mich ihre Trost- und Hilfsangebote eher, als daß sie mir willkommen sind. Das mußte Hiob bei seiner Frau einerseits, und bei seinen Freunden andererseits erleben; dort auf Grund des Fleisches, hier auf Grund größeren Verstandes. Welch ein Bild! „Und sie erhoben ihre Augen von ferne und erkannten ihn nicht; da erhoben sie ihre Stimmen und weinten, und zerrissen ein jeder sein Gewand und streuten Staub auf ihre Häupter himmelwärts. Und sie saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte lang; und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, daß der Schmerz sehr groß war.“
„Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. Unter dem Gewicht eines schrecklichen Schlages ist die Trennung von der Umwelt so vollständig, daß man nicht versucht, sich zu beklagen oder zu äußern. Und wenn die Seele Gott vertraut, gibt sie sich mehr dem Vertrauen hin, und der Leidende ist unfähig, hinsichtlich der irdischen Dinge und dessen, was er einst in ihrer Mitte war, auf sich selbst zu schauen. Aber sobald er sich wieder seiner Verbindung zur Umwelt bewußt wird, beginnt die Beschäftigung mit sich Selbst, sofern er nicht schon mit dem eigenen Ich am Ende ist. Das Ziel der Zucht ist, das Ich beiseite zu setzen und das Herz in seine wahre Beziehung zu Gott zu setzen, – ohne das Ich. Daher bewirkt die Zucht die Aufdeckung der geheimen Tätigkeiten und Gefühle des Ich, die sonst nicht entdeckt und bekannt, und folglich nicht abgelegt worden wären. Hiob fühlte sich unglücklich; um ihn herum war nichts als Elend; er hatte alle Freuden der Erde überlebt, und er verfluchte seinen Tag. Wofür hatte er gelebt, und wofür sollte er noch leben? Er wusste wenig von dem Platz, den er vor Gott einnahm, und davon, daß Gott ihn durch schreckliche Leiden zubereitete, um Sein Urteil über Hiob vor Satan zu rechtfertigen. Wir müssen nun untersuchen, wie Gott dieses Ziel erreicht, indem wir den Weg betrachten, den die Seele unter der Zucht Gottes gehen muß, um zu einfältiger Abhängigkeit und Ruhe vor Ihm zu gelangen.
Der erste und bitterste Gedanke nach dem Erwachen zur vollen Erkenntnis ist, unseren Tag zu verfluchen. Das ist ein schrecklicher Gedanke, der, wenn man Gott nicht kennt, zum Selbstmord führt. Aber wenn man wie Hiob Gott kennt, ist er der Beginn einer heilsamen Tätigkeit; nicht weil er die Unzufriedenheit und das Elend offenbar macht, sondern weil das Gefühl des Todes, der gänzliche Ausschluß von allem, gekannt und gefühlt wird. Wenn ich das unendliche Elend des Menschen auf Erden sehe, mag ich Aufruhr und Unzufriedenheit in mir aufkommen lassen, aber ich muß es erst kennen, um zu voller Selbstverleugnung zu gelangen. Ich darf Gott nicht dafür tadeln, sondern muß es als das wahre Los des Menschen erkennen. Der Tod erscheint besser als solches Elend, in dem zu leben das Herz kein Verlangen spürt. Das fühlt auch Hiob. Er weiß nicht, daß Gott ihm gegenüber Satan zu einem Zeugen der Abhängigkeit von Ihm machen will. Aber so sind Gottes Wege. Die Zucht mag bewirken, daß wir den Tod dem Leben vorziehen, aber gerade dadurch führen wir Gottes Absichten aus.
Aber in der Antwort Eliphas', des Temaniters, erhält Hiob einen Gegenschlag. ich glaube, wir können in den drei Freunden die verschiedenen Übungen sehen, in die unser Gewissen kommt, wenn es unter solcher Zucht steht. Eliphas gibt Hiob zu verstehen, daß er diese Trübsale verdient habe: „So wie ich es gesehen habe: die Unheil pflügen und Mühsal säen, ernten es“, und weiterhin, daß es gar nicht einmal Züchtigung sei, denn wenn das der Fall ist, dann „bereitet er Schmerz und verbindet“ (5,18). So deutet er an, daß es etwas anderes als Züchtigung sein müsse, da Er ihn nicht „verbunden“ habe. In den nun folgenden Kapiteln 6 und 7 ist Hiob nicht so sehr mit seinem Elend beschäftigt, als mit seinem Recht, zu klagen, und den Bemühungen, den Äußerungen seines Freundes zu begegnen. Er gibt uns eine Aufzählung seiner Trübsale – wozu auch seine Enttäuschung an seinen Freunden gehört -; es drängt ihn, sich zu rechtfertigen, obwohl er gleichzeitig um so mehr von der Nichtigkeit seines Lebens überzeugt wird, was er in den Worten ausdrückt: „so daß meine Seele Erstickung vorzieht, den Tod lieber wählt als meine Gebeine.“ Welche schmerzlichen Lehren müssen wir erhalten, ehe wir die Weisheit der Selbstverleugnung erfassen! Was muß die Seele alles erfahren, um dahin zu gelangen! Wie wird sie gequält von verschiedenen Gedanken, die sie nie erreichen und beunruhigen könnten, wenn das Ich nicht vorhanden wäre. Die Möglichkeit, daß eine Anklage auf Wahrheit beruht, macht diese schmerzlich und verwirrend.
Bildads Antwort ist eine neue Prüfung für Hiob.
Es ist gut für uns, daß wir im Worte Gottes eine Aufzählung der unbeschreiblichen Übungen haben, die notwendig sind, um uns zu lehren, daß der Mensch in sich selbst nichts ist. Selbst Menschen, die den Anspruch erheben, unsere Freunde zu sein, bringen uns nur noch mehr in Trübsal. Bildad macht Hiob die schwersten Vorwürfe und sagt, daß die Worte seines Mundes ungestümer Wind sind, und wenn er lauter und rechtschaffen wäre, würde Gott zu seinen Gunsten aufwachen. Dadurch richtet er Hiobs Sinn noch mehr auf ihn selbst und nimmt an, daß seine Prüfungen die gerechte Vergeltung für die Sünde seien und nicht – wie es in Wahrheit war – die Zucht Gottes, die ihn dazu führen wollte, mit seinem Ich zu Ende zu kommen. Hiob ist nun nicht mehr so sehr mit seinem Elend beschäftigt als vielmehr damit, sich vor seinen Freunden zu rechtfertigen. Es ist schmerzlich und grausam für die Seele, wenn Freunde die Anklage erheben, daß man so großes Elend verdient habe. Hiob wußte, daß er nichts getan hatte, wodurch er es verdient haben könnte: aber er mußte lernen, daß er auf nichts Anspruch erheben konnte, und das wußten seine Freunde ebenso wenig; sie bestanden auf dem Grundsatz der Rechtschaffenheit.
Nun erkennt Hiob Gott an; er wendet sich zu Ihm; aber während er die Größe und Macht Gottes anerkennt, benutzt er sie nur, um den Abstand zwischen sich und Gott zu zeigen, und daß sie einander nicht auf gleicher Ebene begegnen können; aber wenn das möglich wäre, würde er sich nicht fürchten. Wir sehen, daß seine Seele eine Verbindung zu Gott besitzt: aber seine Freunde haben ihm Gott als den Richter vorgestellt, indem sie andeuteten, daß der Raub der zeitlichen Güter eine Strafe für die Sünde ist, und das schließt natürlich ein, daß das Gegenteil, ihr Vorhandensein, eine Belohnung für die Rechtschaffenheit darstellt. In dieser neuen Übung sieht Hiob Gottes Größe, nicht aber Seine Sorge für ihn, der sich in Seiner Hand befindet; und er meint, daß er nichts tun könne. Er sieht keine Logik in ihr und betrachtet sie als willkürlich. Wenn er einen Schiedsmann hätte, der sie auf gleichen Boden stellen würde, könnte er seine Sache verteidigen, aber so besteht für ihn keine Hoffnung. „Ich hätte verscheiden, und kein Auge hätte mich sehen sollen!“ so ruft er aus.
Zophar versucht in seiner Antwort, ihn zu überführen und weist ihn darauf hin, „daß Gott dir viel von deiner Missetat übersieht“, und wenn die Missetat nicht wäre, würden die Segnungen vorhanden sein. Ja, dann wirst du dein Angesicht erheben ohne Makel und wirst unerschütterlich sein.“ Zophar macht die menschlichen Taten zum Maßstab des göttlichen Handelns. Er sieht nicht das Böse im Menschen und die daraus folgende Gottesferne, die kein Recht auf Segen gibt. – Hiob antwortet. Wie unnachgiebig ist eine sich selbst rechtfertigende Seele! Seine Freunde hatten ihn mit ihrem Vorwurf empfindlich getroffen, wenn sie sagten, daß seine Trübsale die Folgen seiner Missetaten seien. Im Bewußtsein, daß er solche Leiden durch keine Sünde verdient habe, verneint Hiob das. Vorwürfe, die unser Herr schweigend ertrug, obwohl man Ihn ungerechterweise damit überhäufte, werden von Hiob zurückgestoßen, weil er sich noch nicht, so wie er ist, vor Gott gesehen hat. Er beurteilt sich wie ein Mensch, und das hätten auch seine Freunde tun sollen, denn sie standen keineswegs auf besserem Boden als er. Gottes Allmacht erklärt ihm alles. Er sieht keine Gnadenabsicht in Gottes Wegen mit ihm, und doch sehen wir, daß seine Seele Fortschritte macht, denn er ruft aus: „Siehe, er tötet mich, ich werde auf ihn warten“, und ein Hoffnungsstrahl fällt in seine Seele: „Du würdest rufen, und ich würde dir antworten, du würdest dich sehnen nach dem Werke deiner Hände.“ Wie herrlich, wenn die Seele durch alle diese Übungen und Schmerzen geht, um von der Selbstzufriedenheit schließlich zur Ruhe in Gott zu gelangen. Immer wird das Ende beweisen, daß Gottes Wege vollkommen sind.
Eliphas antwortet (Kapitel 15). Er wird hart und unbeherrscht in seinen Anstrengungen, Hiob zu überzeugen, daß er und seine Freunde weise und daher im Recht sind, wenn sie feststellen, daß Gott mit den Menschen je nach ihren Verdiensten verfährt, und daß der Gesetzlose alle seine Tage gequält wird; er fügt hinzu: „Die Stimme von Schrecknissen ist in seinen Ohren, im Frieden kommt der Verwüster über ihn.“
Wenn wir nicht die Übungen unserer eigenen Herzen kennen, können wir schwerlich ermessen, welche Qualen diese Vorwürfe dem Herzen Hiobs bereitet haben. Sie leiteten ihn in die verkehrte Richtung; denn sie führten ihn zur Beschäftigung mit sich selbst. Er konnte nicht leugnen, daß er in Trübsal war; er sah, wenn er sich mit anderen Menschen verglich, in sich selbst keine Ursache für so große Trübsal. Seine Freunde quälten ihn fortwährend und versuchten, ihn zu überzeugen, daß Gottes Wege sich nach den Taten der Menschen richteten, und dass er, da er so viel leiden mußte, außerordentlich sündhaft sein müsse.
Hiob widersetzt sich (Kapitel 16) und nennt seine Freunde „leidige Tröster“, denn das waren sie. Er ruft aus: „Wenn ich rede, so wird mein Schmerz nicht gehemmt: und unterlasse ich es, nicht weicht er von mir.“ Er gibt nun dem bittersten Gefühl Raum: daß Gott ihn den Gottlosen überliefert habe. Er schmeckt etwas von den Leiden, die unser Herr als Mensch über Sich ergehen ließ. Wer kann den bitteren Schmerz erfassen, der jetzt Hiobs Seele ergriff! „Meine Freunde sind meine Spötter: zu Gott tränt mein Auge.“ In all den Schrecken seiner Trübsal und Leiden erkennen wir doch hier und da die Verbindung, die er als wiedergeborene Seele mit Gott hat. Er hat sich bisher noch nicht mit den Augen Gottes gesehen, deshalb verharrt er in seiner Stellung, „obwohl keine Gewalttat in meinen Händen, und mein Gebet lauter ist“, möchte er mit Gott rechten, wie ein Mann mit seinem Nachbarn rechtet. Teilweise fühlt er die Größe Gottes, aber er fühlt nicht Seine Heiligkeit, weil er Gott niemals nahe genug gewesen ist; denn nur Gottes Nähe gibt uns das Gefühl Seiner Heiligkeit. Hiob glaubt, wenn er mit Ihm rechten könnte, würde er freigesprochen werden. Wir sehen, welche schrecklichen Verirrungen der Seele entstehen, wenn Leiden aus Gottes Hand mit menschlichen Maßstäben gemessen werden. Wie sehr beschäftigt ist Hiob mit sich selbst! Er fühlt, daß er „zum Sprichwort der Völker“ geworden ist. „Die Aufrichtigen werden sich hierüber entsetzen, und der Schuldlose wird aufgebracht werden über den Ruchlosen.“ Für solche Gedanken kann nur der Tod Erlösung bedeuten. „Wenn ich hoffe, so ist der Scheol mein Haus, in der Finsternis bette ich mein Lager.“
Bildad antwortet ihm (Kapitel 18) mit ärgerlichen und vorwurfsvollen Worten und zeigt ihm mit aller Schärfe den Weg des Gottlosen auf: er wird ins Netz getrieben und „sein Ratschlag wird ihn stürzen“ (Vers 7). Er wird keinen Sohn und keinen Nachkommen haben unter seinem Volke“ (Vers 19). Ja, so sind die Wohnungen des Ungerechten, und so ist die Stätte dessen, der Gott nicht kennt“ (Vers 21). Wohl konnte Hiob, angestachelt durch die Behauptung, daß er Gott nicht kenne, antworten: „Wie lange wollt ihr meine Seele plagen und mich mit Worten zermalmen?“ Es ist eine wunderbare Zeit für die Seele, wenn sie sich mit dem Gewissen im Glauben zu rechtfertigen sucht, inmitten all der Trübsal und des Kummers, die hier gerechterweise das Los aller sind, und ganz besonders, wenn sie der Zucht dienen. Die Anklage, daß er in seiner eigenen Schlinge gefangen sei, weist Hiob zurück: „So wisset denn, daß Gott mich in meinem Recht gebeugt, und mich umstellt hat mit seinem Netze.“ Er schreibt es Gott zu, ohne einen Grund dafür angeben zu können. Aber bei all diesem angestrengten Suchen, mit dem wachsenden Gefühl, unschuldig von Gott heimgesucht zu werden, wird seine Seele doch in der Hoffnung gestärkt, wie wir den Worten: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der letzte wird er auf der Erde stehen; und ist nach meiner Haut dieses da zerstört, so werde ich aus meinem Fleische Gott anschauen' entnehmen können.
Kapitel 20. – Mit großem Nachdruck stellt Zophar Hiob nun den völligen Untergang der Gottlosen vor Augen. Er klagt ihn ohne Gnade an. „Der Himmel wird seine Ungerechtigkeit enthüllen und die Erde sich wider ihn erheben.“ – Hiob beschreibt in seiner Antwort (Kapitel 21) den Wohlstand der Gottlosen, um zu zeigen, daß Zophar irrt; und doch weiß er, daß die Vorwürfe seiner Freunde unbegründet sind; er hat nur keine klare Vorstellung von Gottes Willen oder irgendeiner Zweckmäßigkeit in Seinen Wegen. Er weiß nur, daß Er allmächtig ist und tun kann, wie es Ihm beliebt; aber er sieht nicht, daß Gott bei allen Seinen Wegen ein bestimmtes Ziel vor Augen hat. „Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst?“ fragt er „, und von euren Antworten bleibt nur Treulosigkeit übrig.“
Kapitel 22. – Eliphas richtet sich nun zum letzten Mal an Hiob und versucht, ihn durch die Ungeheuerlichkeit seiner Anklagen zu beeindrucken. „Ist nicht deine Bosheit groß, und deiner Missetaten kein Ende?“ Er wiederholt diesen falschen Grundsatz in bezug auf Gottes Wege und sagt, daß Er denen Gold und Silber gibt, die zu Ihm zurückkehren. „Wenn Du zu dem Allmächtigen umkehrst, so wirst du wieder aufgebaut werden; wenn du Unrecht entfernst aus deinen Zelten. Und lege das Golderz in den Staub und das Gold von Ophir unter den Kies der Bäche: so wird der Allmächtige dein Golderz und dein glänzendes Silber sein.“
In den Kapiteln 23 und 24 werden zwei Dinge deutlich: erstens, daß Hiob sich der Entfernung bewußt ist, die zwischen Gott und ihm liegt und dann, daß, während er diese Entfernung fühlt, er gerne in Seine Nähe gelangen möchte. Es ist die wahre Übung einer belebten Seele; sie tastet gewissermaßen in der Finsternis nach dem Gegenstand ihrer Sehnsucht. „Siehe, gehe ich vorwärts, so ist er nicht da; und rückwärts, so bemerke ich ihn nicht.“ Hier ist die Erkenntnis der Unveränderlichkeit von Gottes Absicht. „Doch er bleibt sich gleich, und wer kann seinen Sinn ändern?“ Und dennoch ist die wahre Furcht, die ernste Wirkung Seiner Gegenwart, noch unbekannt, denn Hiob sagt: „Darum bin ich bestürzt von seinem Angesicht; erwäge ich's, so erschrecke ich vor ihm.“ – Das zweite ist, daß Hiob seinen Blick auf die Menschen richtet; er hat bei Gott keine Ruhe oder Annahme gefunden und blickt nun auf die Menschen. Er sieht, daß es den Gottlosen in der Welt gut geht; dennoch haben sie ihre geheimen Sorgen, und der Tod überschattet ihren Weg. Aber auf dieser Stufe seiner Prüfung beschäftigt er sich nicht mit sich selbst; er sucht die Nähe Gottes, aber er fürchtet „Sein Angesicht“, weil er nicht in Ruhe oder Sicherheit ist. Vielfach sind die Übungen, durch die eine Seele gehen muß, wenn sie sich weigert, die Vollständigkeit ihrer Verderbtheit in den Augen Gottes anzuerkennen.
Kapitel 25. Bildad beschließt seine Bemerkungen, indem er noch einmal die Größe Gottes und die Unreinigkeit des Menschen hervorhebt, als gäbe es keinen Boden, auf dem eine Versöhnung zwischen ihnen stattfinden könnte. Bittere Worte für einen Erschöpften, der Gott, Den er im Herzen kennt, und an Den er glaubt, nahekommen will.
Kapitel 26 – 31. – Hiob stellt nun seinen Zustand dar, sowohl was ihn selbst betrifft, als auch seine Vorstellung von Gott. Die Größe Gottes in der Schöpfung zeigt sich ihm; aber das macht die Seele nie auf den Charakter ihrer Entfernung von Gott aufmerksam; deshalb sehen wir im folgenden Kapitel, daß er an seiner Rechtschaffenheit festhält. Wenn ich nicht im Lichte bin, muß ich an meiner Rechtschaffenheit festhalten, außer wenn ich ein Gebot gebrochen habe – eine offenbare Tat begangen habe; so sucht auch Hiob sich von dem Vorwurf, er sei von Gott geschlagen, zu reinigen. In Kapitel 28, wo er die Weisheit beschreibt, ist es interessant zu bemerken, wie seine Seele unter all dem Druck im wahren Licht und wahrer Erkenntnis voranschreitet, und offenbart, daß die Zucht wirksam ist. je mehr ich Gottes Weisheit und Seine Wege erkenne, (wie es manchmal in der Bedrängnis vorkommt), desto bedrückter werde ich werden, wenn ich nicht auf annehmliche Weise in Gottes Gegenwart treten kann, und demzufolge wende ich mich meinem eigenen Leben zu und beschäftige mich mit mir selbst. In Kapitel 29 verweilt Hiob bei der Vergangenheit, und das ist immer ein Zeichen, daß die Seele nicht im rechten Zustand vor Gott ist; denn wenn sie ihren Weg mit Gott ginge, würde sie größere Dinge als jene vergangenen verkündigen können. Besonders leicht tritt dies ein, wenn das eigene Ich betrachtet wird: Liebenswürdigkeit, Gottes Gaben und Seine Güte, das waren die Kennzeichen des reichen Jünglings in Mk 10.
Wenn ich infolge meiner Übertretungen das Bewußtsein der Schuld in mir habe, verliert solch ein Rückblick seinen Reiz. Aber wenn die Seele im Elend eine Zeit der Makellosigkeit in Leben und Wandel in Erinnerung bringen kann – vom Glanz der Gunst Gottes in Seinen Gaben umstrahlt – solch ein Rückblick ist anziehend für das Herz und nimmt es ganz in Anspruch. Hiob lebte, bevor Gott dem Volke Israel Kanaan gab; und so wird er als einer aus den Nationen zur Erkenntnis des Bösen in ihm gebracht, und zwar nicht durch das Gesetz, sondern in der Gegenwart Gottes, und da er immer mit reinem Gewissen gewandelt war, war es nicht leicht, nun alles für Dreck zu achten. Gott erlaubt ihm, dabei zu verweilen, um uns zu zeigen, wie unsere eigene Gerechtigkeit uns beschäftigen und hindern kann, und andererseits auch, wie vollkommen nichtig der Weg der Freunde Hiobs war, der ihn zu einer wahren Einschätzung seiner eigenen und der Person Gottes führen sollte. So verweilt Hiob, immer noch mit sich selbst beschäftigt, in Kapitel 29 bei seiner früheren Wohlfahrt, während er in Kapitel 31 der Reihe nach die Vollkommenheit seines Weges darlegt, indem er mit menschlichem Urteil richtet. Schließlich faßt er alles zusammen in den Worten: „Der Allmächtige antworte mir.“ Das sind die Übungen einer Seele, die, ohne je das natürliche Gewissen verletzt zu haben, sich nicht im Lichte der Gegenwart Gottes gesehen hat und daher die Verderbtheit ihrer Natur nicht erkannt hat. Wenn das natürliche Gewissen auf irgendeine Weise hätte überführt werden können, hätte es leicht und schnell handeln können. Aber wenn das sittliche Gefühl nicht verletzt ist, dauert es länger, bis die Seele den geistlichen Sinn erreicht, d. h., eine Einschätzung ihrer selbst im Lichte der Gegenwart Gottes.
Wir kommen nun zu einem neuen Abschnitt der Geschichte Hiobs. Wir haben kurz und unvollständig aufgezeigt, mit welcher Geduld Gott die Seele führt, um sie zur Erkenntnis ihrer völligen Verderbtheit in Seinen Augen zu bringen. Hiob war einer, gegen den niemand eine Anklage vorbringen konnte. Was die Werke anbetraf, konnte Gott Selbst Satan herausfordern und versichern, daß seinesgleichen kein Mann auf Erden war, rechtschaffen und das Böse meidend. Und während weder in den Augen Satans, noch in den Augen der Menschen irgendetwas an Hiob Anlag zu Tadel gab, wollte Gott, daß Hiob sah, wie vollkommen verderbt und verloren er in Seinen Augen war. Das zu erkennen ist für das Fleisch äußerst schmerzlich und bitter. Das Fleisch muß sterben. Der Beginn ist bei Hiob, daß er den Tod dem Leben vorzieht, denn hier ist nur Elend. Dann weist er auf Grund seines Bewußtseins von seiner eigenen Rechtschaffenheit und seiner Kenntnis der Wege Gottes (während er durch die Vorwürfe und Vermutungen seiner Freunde hinsichtlich seiner verborgenen Schuld gequält wurde) die Auffassung, die jene vertraten, zurück, nämlich daß Gott die Dinge im Hinblick auf den Menschen nach dessen Werken lenke und bestimme; daß Er keine anderen Regierungsgrundsätze habe, und daß die Handlungen des Menschen den Ablauf der Handlungen Gottes bestimmen, wobei sie Gott darstellten, als habe Er kein bestimmtes Ziel, sondern als sei Er ein gewöhnlicher Herrscher, dessen Gesetze sich nach den wechselnden Umständen richten. Durch dies alles wird Hiob in zweierlei Hinsicht gestärkt, was aber nur um so mehr zu seiner Verwirrung beiträgt. Er wird mehr von der unumschränkten Herrschaft Gottes überzeugt, und daß von Ihm alle Macht ausgeht; und zweitens wird er, da seine Freunde sein Gewissen nicht erreichen konnten, kühner in seiner Selbstrechtfertigung.
Kapitel 32. – In diesem Augenblick kommt Elihu hinzu. Dieser Knecht Gottes kommt, wie wir sehen werden, von Gott und gibt nun Hiob die Unterweisung, die er so dringend brauchte. Oft sind wir uns der ernsten Seelenübungen nicht bewußt, die wir erfahren müssen, bis wir von seiten Gottes selber darauf vorbereitet werden, von Ihm zu hören. Es kann sein, daß wir uns in völliger Finsternis abmühen und ermüden müssen, bis wir bereit sind, das Wort des Lichtes zu hören, denn das Licht kommt von Gott allein; Er (Christus) ist das „Licht, welches, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.“ Jedes menschliche Hin- und Herüberlegen, wie das seiner Freunde, beschäftigte Hiob nur umso mehr mit sich selbst und rief seine Selbstrechtfertigung hervor, während es ihm andererseits immer deutlicher den Abstand zwischen ihm und Gott fühlen ließ und daher in seiner Seele das Bedürfnis nach Gott verstärkte. Elihu beweist jetzt, daß die Behauptungen Hiobs nicht wahr seien, daß Gott willkürlich handle, daß Er „Feindseligkeiten wider mich erfindet“ (Kapitel 32,10). Seine erste Feststellung ist, daß Gott stärker als der Mensch ist, „Warum haderst du wider ihn? denn über all sein Tun gibt er keine Antwort.“
Der erste wichtige Punkt für die Seele ist, sich unter die mächtige Hand Gottes zu demütigen. Das hatte Hiob noch nicht getan. Aber, so fügt Elihu hinzu, Gott redet in den Träumen zu dem Menschen, „um ihn von seinem Tun abzuwenden.“
Welche Gnade, daß Gott, wenn alles in tiefem Schlafe liegt, Sein stets waches Interesse für den Menschen zeigt und ihn im Träumen warnt! Gott ist voll Erbarmen, wie wir in den Versen 23–28 sehen. Wo ein Bekenntnis der Schuld auf dem Boden der Gerechtigkeit Gottes ist, da ist Erbarmen und Errettung von Gott. Das alles tut Gott oft mit den Menschen. Im Falle Isaaks haben wir ein Beispiel von der Erschütterung, die stattfindet, wenn die Wahrheit Gottes in der Seele Macht und Herrschaft wiedererlangt. Er erschrak mit großem Schrecken über die Maßen (1. Mose 27,33). Auch Hiob mußte das nun erfahren; er hatte sich selbst erlaubt Gott zu beurteilen, anstatt sich Ihm zu unterwerfen und auf Seine Anweisungen zu warten.
Kapitel 34. – Als nächstes hebt Elihu hervor, daß Gott gerecht sein muß. Hiob hatte gesagt, daß er selbst gerecht wäre und daß Gott ihm sein Recht entzogen hätte. Wenn Gott nicht gerecht wäre, ja die Quelle der Gerechtigkeit, wie könnte Er dann regieren? „Sollte auch herrschen wer das Recht haßt?“ -.ja, wahrlich, Gott handelt nicht gesetzlos, und der Allmächtige beugt nicht das Recht.“ – „Wer hat ihm die Erde anvertraut?“. Elihu ermahnt Hiob, zu erkennen, daß Gott gerecht ist und daß Er in Seiner Gerechtigkeit handeln kann, wie Er will. „Denn er braucht nicht lange auf einen Menschen achtzugeben, damit er vor Gott ins Gericht komme.“ Wenn das so ist, ist der einzig richtige Platz für Hiob der eines Bekenntnisses. „Denn hat er wohl zu Gott gesagt: ich trage meine Strafe, ich will nicht mehr verderbt handeln?- Obgleich uns diese mannigfachen Unterweisungen, diese einzelnen Fortschritte der Seele in einer zusammenhängenden Folge berichtet werden, müssen wir uns erinnern, daß es oft lange Pausen gibt, bis jeder Schritt erkannt wird. Hier wird uns mehr ihre Reihenfolge vor Augen gestellt; nicht so sehr die Leiden, die die Seele unterdessen durchmacht.
In Kapitel 35 berührt Elihu einen neuen Punkt: Gott steht unendlich weit über den Menschen, und die Werke der Menschen können Ihn in keiner Weise berühren. Hiob muß erkennen was es ist, wenn Elihu fragt: „Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm? Oder was empfängt er aus deiner Hand?“ – „Wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist, so hat er etwas zum Rühmen, aber nicht vor Gott.“ Die Güte von seiten Gottes sollte erkannt werden, aber das Gegenteil ist der Fall: „man spricht nicht: wo ist Gott, mein Schöpfer, der Gesänge gibt in der Nacht?“ – wenn ringsum Finsternis herrscht. Hiob hatte bei dem, was er für Gott, und nicht bei dem, was Gott für ihn war, verweilt. Und dann heißt es: „Auf nur Eitles hört Gott nicht, und der Allmächtige schaut es nicht an.“
In Kapitel 36 wird Hiob darauf hingewiesen, daß er Gottes Gerechtigkeit erkennen muß, wenn er die Dinge mit den Augen Gottes betrachtet. Er sollte verstehen, daß „Er seine Augen nicht von dem Gerechten abzieht“, und daß Er „ihr Ohr der Zucht öffnet“. – „Den Elenden errettet er in seinem Elend.“ Hier hatte Hiob gefehlt; anstatt sein Ohr der Zucht zu öffnen, hatte er sich zu rechtfertigen bemüht. „Siehe, Gott ist mächtig.“ Es ist ein großer Fortschritt, wenn die Seele das erkennt, und die Dinge klar mit Gottes Augen betrachtet. Wenn ich wirklich erkenne, wer Er ist, muß die Wirkung davon sein, daß ich mich unter Seine mächtige Hand demütige und auf Ihn warte.
In Kapitel 37 führt Elihu Hiob weiter, Gott in Seiner Größe und in Seinen Werken zu betrachten. Der Herr sagte: „Glaubet mir um der Werke selbst willen.“ Das ist die Einleitung, wenn ich so sagen darf, zum nächsten Kapitel, wo Gott Hiob aus dem Sturme antwortet und ihn über Seine Größe und Macht belehrt. Hiob hat Elihu gelauscht, ist auf die Stimme Gottes vorbereitet, und nun beschäftigt Gott Sich direkt und eingehend mit seiner Seele. Wie tief und ernst ist die Übung, wenn die Seele, allein mit Gott, durch Seine wunderbare Gnade und Barmherzigkeit Seine Majestät und Güte kennenlernt.
In Kapitel 38 lesen wir: „Und Jehova antwortete Hiob aus dem Sturme“ und forderte ihn auf, nachzudenken. „wo warst du, als ich die Erde gründete?“ – „Durch Glauben verstehen wir, daß die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind.“ Das ist der Anfang des Glaubens, so wie derjenige, der zu Gott kommt, glauben muß, daß Er ist. Hiob glaubte, daß es einen Gott gab, aber sein Glaube war nicht einfältig auf die Macht Gottes in Seiner Größe gerichtet. Er wird nun aufgefordert zu überlegen, ob er den Ursprung eines der Werke Gottes erklären oder erkennen könne. Konnte er sie erreichen oder begreifen?
Gott fragt ihn: „Wer hat Weisheit in die Nieren gelegt, oder wer hat dem Geiste Verstand gegeben?- Gott zeigt Hiob, wie unwissend er über den Ursprung aller seiner Werke in der Welt der leblosen Dinge ist, und nun, in Kapitel 39, muß er einsehen, wie unfähig er ist, über die Tierwelt zu herrschen. Sei es der Wildesel, das Ross, oder der Adler, alle sind Hiob an Kraft überlegen. Und wieviel mehr Er, der ihnen ihre Eigenschaften gab, sollte Er nicht Hiobs Ehrfurcht hervorrufen können? „Soll der Tadler rechten mit dem Allmächtigen?“ Nun fühlt Hiob die Kraft des göttlichen Wortes. „Siehe, zu gering bin ich, was soll ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund. Einmal habe ich geredet, und ich will nicht mehr antworten; und zweimal, und ich will es nicht mehr tun.“
Er erkennt nun seine Nichtigkeit; aber nur insoweit will er schweigen, weil er keine Antwort weiß. Er weiß sich verurteilt, aber er hat noch nicht die einfältige Selbstverleugnung erreicht. Man kann von seiner Nichtigkeit und Unfähigkeit zu antworten überzeugt sein und dennoch auf Besserung hoffen. Es kann sein, daß es nur eine Pause ist, um sich von dem Überführtsein zu erholen, die Gottes Wort in der überwältigten, aber nicht unterworfenen Seele hervorrufen muß, Wenn das Gefühl der Nichtigkeit und Verderbtheit vollkommen ist, gibt es kein Versprechen, sich zu bessern und keinen Gedanken, daß man jetzt etwas besseres tut als bisher. Daher richtet sich die Stimme Gottes wieder an Hiob, und er wird wieder der göttlichen Aufforderung unterworfen (Kapitel 40 und 41). Diesmal stellt Gott ihm Behemoth, den Leviathan vor, der bei weitem ein großartigeres Geschöpf ist als er. „Auf Erden ist keiner ihm gleich, ihm, der geschaffen ist ohne Furcht.“ Zu diesem Zweck wird der Seele Hiobs die Mannigfaltigkeit und Ordnung der Wege Gottes hinsichtlich dieses eigenartigen und mächtigen Lebewesens vorgestellt, und Hiob, der sich in der Gegenwart Gottes sieht, ist beschämt. Nun erst hat er das von Gott gewünschte Ziel erreicht, nachdem er eine so lange Zeit erduldet hat. Hiob sieht Gott, und das führt ihn zu wahrer Selbsterkenntnis und er bereut in Staub und Asche. Dieser makellose Mann, der als Mensch rechtschaffen war, verabscheut sich, als er in Gottes Gegenwart geführt wird. Als Mensch hat er Grund, sich zu rühmen: er mag sich vor seinen Freunden rechtfertigen können, nicht aber vor Gott. In der Gegenwart Gottes kann er keine Forderung stellen, nichts erwarten und auf nichts Anspruch erheben. Vor Gottes heiligen Blicken kann er sich nur verabscheuen und in Staub und Asche bereuen.
Hiob ist jetzt mit sich selbst am Ende. Glückliche Frucht und Vollendung aller Zucht! Er ist so vollkommen von seinem Ich befreit, daß er für seine Freunde beten kann, bevor er noch von den äußeren Umständen, den Prüfungen, die der nächste Grund aller seiner Trübsale und Seelenübungen gewesen waren (die Satan über ihn verhängt hatte, um seine Verkehrtheit zu beweisen), erlöst war. Mehr als seiner eigenen Leiden gedenkt er seiner Freunde vor Gott, und dann wendet Jehova die Gefangenschaft Hiobs, indem Er so wieder beweist (und wir dürfen es tief in unsere Herzen einprägen), „dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.“