Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)
Psalm 111-118
Die Psalmen 111–113 gehören zusammen als ein Hallelujah, das die Wege Jehovas mit Israel zu ihrer Befreiung besingt.
Psalm 111
Psalm 111 preist die Taten Jehovas, die in sich selbst herrlich sind und denen Er ein Gedächtnis gestiftet hat durch Sein mächtiges Einschreiten in Gerechtigkeit; doch zugleich zeigen Seine Taten Ihn als Den, der gnädig und barmherzig ist und Seines Bundes gedenkt. „Er hat seinem Volke kundgemacht die Kraft seiner Taten, um ihnen zu geben das Erbteil der Nationen“, und Seine Taten bleiben bestehen. „Er hat Erlösung gesandt seinem Volke“, darum wird Er gepriesen, und Sein Name ist dadurch bekannt geworden. Und da Jehova also ist, ist Seine Furcht der Weisheit Anfang; wenn wir sie üben, verleiht sie uns in unserem Wandel gute Einsicht, Der Glaube weiß dies schon jetzt; aber die Erscheinung des Herrn im Gericht wird es auch der Welt gegenüber beweisen.
Psalm 112
Psalm 112 zeigt uns den Charakter derer, die Jehova fürchten, und die Segnungen, die ihnen zuteil werden, wenn Gott Seine Regierung in Macht ausüben wird. Dies zeigt wieder, wie unmöglich es ist, diese Psalmen auf die Stellung der Gläubigen der Jetztzeit anzuwenden, obwohl die Betätigung des Glaubens und der Frömmigkeit ihrem Ursprung nach oft die gleiche sein mag. Jedenfalls ist es die Befreiung Israels, durch die Jehovas Name auf der Erde bekannt werden wird (V. 9 u. 10).
Psalm 113
In Psalm 113 ist das Lob Jehovas ein volleres und allgemeineres als in den vorhergehenden Psalmen; aber die gleichen Beweggründe rufen es hervor. Der Name Jehovas wird gepriesen von nun an bis in Ewigkeit. Sein Lob ist jetzt ausgebreitet über die ganze Erde. Doch Er ist Israels Gott, der hoch oben thront, der Sich jedoch tief herabneigt, um die, welche Er liebt, emporzuheben und sie sitzen zu lassen bei den Edlen Seines Volkes, und die Hoffnungslosen mit Freude zu erfüllen in ihrem Hause.
Psalm 114
Psalm 114 ist von höchstem dichterischem Stil; für uns ist er dadurch wichtig, dass er die Befreiung Israels aus Ägypten vor alters in unmittelbare Verbindung bringt mit der Befreiung des Überrestes in den letzten Tagen, und uns zeigt, dass es in beiden Fällen derselbe Jehova ist, der die Erde auffordert, vor Ihm zu erbeben. So geziemte es sich in jenen Tagen, als Israel aus Ägypten befreit wurde; das Meer floh, und der Jordan wandte sich zurück. Woher kam das? War es der Schrecken vor der Gegenwart eines Menschen, der solches bewirkte? – So soll auch jetzt die Erde erbeben vor Jehova, der einst zur Befreiung Seines Volkes erschien und um ihretwillen das Meer in trockenes Land und den Kieselfelsen in einen Wasserquell verwandelte.
Psalm 115
Psalm 115 zeigt uns den wahren Endzweck dieser Befreiung Israels, wie das gläubige Herz ihn sieht. Nicht sie, die lsraeliten, sondern Jehova soll gepriesen werden, vor allem Seine Güte, aber auch Seine Treue den Verheißungen gegenüber. Der fromme lsraelit, wir dürfen sagen, der Geist Selbst, bricht dann in die bittere Klage und Frage aus, die wir auch in Joel 2, 17 und in den Psalmen 42–43 finden: „Warum sollen die Nationen sagen: Wo ist denn ihr Gott?“ Mose und Josua sprachen einst in demselben Sinne zu Jehova: „Die, Ägypter werden es hören“, und: „Was wirst du für deinen großen Namen tun?“ (4. Mo 14, 13; Jos 7, 9). Wahrlich, eine gesegnete Kühnheit des Glaubens!
Diese Seite der Leiden des Überrestes zeigt uns, was Christus am Kreuze empfunden hat, als Er in jenen letzten Leidensstunden auch diese Art des Schmerzes erfahren musste. Denn das bedeutete in der Tat die Frage der Juden an Ihn: Wo ist nun dein Gott? So hätten sie nie vorher fragen können.
Die Antwort des frommen Israeliten auf die höhnende Frage der Nationen lautet: „Unser Gott ist in den Himmeln.“ Dann zieht er einen Vergleich zwischen Ihm und den Götzen. Israel, das Haus Aaron und alle, die Jehova, fürchten, werden ermuntert, Jehova zu vertrauen. Diese Aufforderung an diejenigen, die Jehova fürchten, öffnet allen Heiden, die Jakobs Angesicht suchen, die Tür. Wir finden dann wieder, was wir schon so oft bemerkten, dass diese Psalmen sich auf durchaus jüdischem Boden bewegen; Jehova hat Seines Volkes gedacht und wird es segnen; ja, Er wird zu ihnen und zu ihren Kindern hinzufügen, denn sie sind die Gesegneten Jehovas, der Himmel und Erde gemacht hat. „Die Himmel sind die Himmel Jehovas, die Erde aber hat er den Menschenkindern gegeben“; dieses Wort beweist klar, dass es sich hier um irdische Segnung und das irdische Volk Jehovas handelt; denn uns (den Christen) hat Er nicht die Erde gegeben, sondern das Kreuz hienieden und den Himmel, und was dort ist, als unser Teil, wir „trachten nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf der Erde ist“. Die Verse 17 und 18 liefern einen fast noch stärkeren Beweis für das, was wir soeben sagten: „Die Toten werden Jehova nicht loben ... wir aber (die Lebenden), wir werden Jehova preisen von nun an (dem Augenblick ihrer endgültigen Befreiung) bis in Ewigkeit.“ Das ist die Sprache des Geistes in dem gläubigen lsraeliten. Der Christ sagt: „Abzuscheiden und bei Christo zu sein ist weit besser.“
Psalm 116
Psalm 116 feiert diese Befreiung Israels, die ihnen zuteil geworden ist, als schon die Bande des Todes sie umfingen. Jehova hat ihr Flehen gehört und sie gerettet, und jetzt werden sie wandeln vor Jehova in dem Lande der Lebendigen. So ist dieser Psalm eine fortlaufende Aufzählung der Erbarmungen Jehovas: sie sind elend gewesen, und Er hat sie errettet. Das erweckt ihre Liebe zu Ihm. In Vers 5 und 6 haben wir Jehovas Charakter: Er bewahrt die Einfältigen. Die Seele, die durch so tiefe Übungen gegangen ist, kann nun zu ihrer Ruhe zurückkehren. Der Tod Seiner Frommen ist kostbar in den Augen Jehovas. Der Gerettete will in der Gegenwart des ganzen Volkes des Herrn, in den Vorhöfen des Hauses Jehovas, in der Mitte Jerusalems, die Gelübde bezahlen, die er in seiner Bedrängnis getan hat, als er Jehova anrief; er will Opfer des Lobes opfern.
Dass der Apostel in 2. Kor 4, 13 das Wort anführt: „Ich glaubte, darum redete ich“, zeigt uns, wie die Psalmen gebraucht werden können, indem sie Grundsätze für das praktische Leben für jeden Gläubigen enthalten. Trotz aller Leiden und Prüfungen öffnet das Vertrauen auf Jehova den Mund des Gläubigen. Diese Stelle bezieht sich nicht etwa auf Paulus; auch sagte er nicht: „Ich sprach in meiner Bestürzung: Alle Menschen sind Lügner!“ obwohl ein Anklang daran zu finden ist in den Worten: „Alle suchen das Ihre“, sondern er wendet den allgemeinen und wichtigen Grundsatz, der in den Worten enthalten ist, auf sich an.
Psalm 117
In Psalm 117 werden die übrigen Nationen und Völker aufgefordert, Jehova zu preisen, der nun König über die ganze Erde sein wird. Sie stimmen ein in das Lob Jehovas und stehen in dieser glücklichen Beziehung zu Ihm, indem Jehova ihnen bekannt geworden ist durch Seine Wege mit dem Volke Israel. Seine Güte wird hier, wie immer, zuerst genannt, dann Seine Treue oder Wahrheit, die ewiglich währt und trotz aller Untreue des Menschen unwandelbar geblieben ist. Der Psalm schließt mit einem Hallelujah: „Lobet Jehova!“
Psalm 118
In Psalm 118 wird gleichfalls Preis und Dank dargebracht (wie die Seele es in Psalm 116 versprochen hatte), in Verbindung mit jenem, oder vielmehr gegründet auf jenen oft wiederholten Ausdruck. „Seine Güte währt ewiglich.“ Dieselben, die in Psalm 115 aufgefordert wurden, auf Jehova zu vertrauen, werden jetzt ermuntert, Ihn zu preisen. Von Vers 5 an vernehmen wir die Sprache des befreiten Israel; der Heilige Geist redet in ihnen von der Treue Jehovas, und da Er jetzt auf ihrer Seite ist, brauchen sie den Menschen nicht zu fürchten; Jehova ist eine bessere Stütze als Menschen, ja, als Fürsten. In den Versen 10 – 18 werden die Umstände und Prüfungen betrachtet, durch die Israel hindurchgegangen ist. Alle Nationen hatten es umringt; im Namen Jehovas hat es dieselben vertilgt, sie sind erloschen wie Dornenfeuer. Der Feind hatte Israel hart gestoßen, um es zu Fall zu bringen, doch Jehova hat ihm geholfen.
In den Versen 14 – 17 besingt Israel mit Jubel das herrliche Endergebnis. In Vers 18 betrachtet es die Drangsale von einem neuen Gesichtspunkt aus, nämlich als Züchtigungen von Seiten Jehovas: Er hat Israel hart gezüchtigt, aber sie nicht dem Tode übergeben, der für sie die Macht des Feindes gewesen wäre. So sehen wir hier die Prüfung in ihrer ganzen Ausdehnung, wie wir es auch bei Hiob gefunden haben: zuerst die Werkzeuge, die Menschen, sogar alle Nationen; sodann den Feind, der dahinter steht und auf die Seele einzuwirken sucht, indem er sie hart stößt. Aber hinter allem und zugleich als die Quelle von allem erblicken wir Gott, der wohl züchtigt, aber nicht dem Feinde übergibt. Dies ist voll Unterweisung für uns im Blick auf viele Umstände, durch die wir gehen und in denen sich die genannten Elemente alle wiederfinden.
Nun aber werden Israel die Tore der Gerechtigkeit aufgetan; dieser plötzliche Umschwung als Ausgang der Prüfung ist außerordentlich schön: der Überrest will durch sie eingehen und Jehova preisen. Das Tor der Gerechtigkeit ist zugleich das Tor Jehovas, und die Gerechten gehen durch dasselbe ein. Dort will Israel Jehova preisen, denn Er hat es erhört und ist ihm zur Rettung geworden. Doch finden wir hier noch weiterreichende und tiefergehende Wahrheiten. Die Wiederherstellung Israels ohne den Messias ist eine Unmöglichkeit, und daher erkennt Israel Ihn an, den es einst für nichts geachtet hat. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Von Jehova ist dies geschehen; wunderbar ist es in unseren Augen.“ Dass es heißt, „in unseren Augen“, zeigt uns, wer der Redende ist, und dass, obwohl wir bisher nur eine Stimme vernahmen, der ganze Überrest in den Lobgesang einstimmt. „Dies ist der Tag, den Jehova gemacht hat“; es ist Sein Tag, die Segnung Seines Volkes in Verbindung mit dem Messias, und Sein Volk genießt sie. Und nun rufen sie das „Hosianna dem Sohne Davids“, dem Jehova Israels, und sagen: „Gesegnet, der da kommt im Namen Jehovas!“ Dies zeigt uns zufolge der eigenen Unterweisung des Herrn, wer es ist, der in den Psalmen spricht, und auf welche Zeit sich das Gesagte bezieht; denn das Haus war wüste gelassen, und das Volk sollte Ihn nicht mehr sehen, bis sie sagen würden: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ ja, es ist Israel, es ist der Überrest, der hier redet, und zwar am Tage ihrer Umkehr unter der Gnade, wenn sie ihren Messias wiedersehen werden; sie segnen Ihn, der aus dem Hause Jehovas kommt. Jehova ist der Gott der Stärke, Er hat Israel Licht gegeben; und nun werden Anbetung und Opfer Ihm dargebracht, der Sein Volk befreit und gesegnet hat. jetzt sagt Israel: „Du bist mein Gott“ und preist und erhöht Ihn. Der Psalm schließt mit den so wohlbekannten Worten, die der Ausdruck der dankbaren Verherrlichung Jehovas von Seiten Israels sind, und mit denen er auch begann: „Preiset Jehova! denn er ist gut, denn seine Güte währt ewiglich!“ So zeigt uns dieser Psalm das geistliche Verständnis über die Handlungen und Wege Gottes, das Nahen, um Jehova anzubeten in Gerechtigkeit, und die Anerkennung des so lange verachteten und verworfenen Messias von Seiten Israels in Verbindung mit ihrer Befreiung und Segnung und dem vollen Offenbarwerden der Natur und des Charakters Jehovas. Mehrere Verse dieses Psalmes werden in Verbindung mit den Leiden des Herrn Jesu am Ende Seiner gesegneten Laufbahn hienieden angeführt. In der Tat, kein anderer Psalm wird im Neuen Testament so oft angeführt, um die innige Verbindung zu zeigen, in der Er mit den Drangsalen und den Verheißungen Israels steht.