Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)
Psalm 19-21
Psalm 19
Wir kommen nunmehr (in derselben Reihenfolge der Gedanken, wie wir sie in Johannes 17 finden) zu den Zeugnissen, die in der Welt, oder dem Volke Israel gegenüber abgelegt werden. Psalm 19 enthält zwei dieser Zeugnisse: erstens die Schöpfung, und zwar besonders die Schöpfung in den Himmeln, die sich über dem Menschen befindet und nicht durch ihn verdorben ist; dies ist ein Zeugnis für Gott als Gott. Zweitens das Gesetz (V. 7), es ist das Gesetz Jehovas. Hier erscheint dem gläubigen und demütigen Juden die Sünde unter einem doppelten Gesichtspunkt. Einerseits kann er seine Sünde nicht namhaft machen: so vieles ist ihm verborgen; hiervon begehrt er gereinigt zu werden. Andererseits sieht er übermütige Vergehungen; vor diesen wünscht er bewahrt zu bleiben. Auf diese Weise würde er vor jeglichem Abweichen von Jehova bewahrt werden.
Psalm 20
In Psalm 20 sehen wir inmitten der Leiden und des Bösen, das hereingebrochen ist, in Verbindung mit den zwei erwähnten Zeugnissen den treuen Zeugen, den lebendigen Zeugen Selbst. Wir sehen Ihn am Tage Seiner Drangsal; denn Er ist hernieder gekommen in die Mitte eines gottlosen Volkes. Der Überrest, der prophetisch durch die Tatsache bezeichnet wird, dass er in seinem Herzen an der Drangsal des Messias teilnimmt, ist gewiss, dass Jehova Seinen Gesalbten erhören wird. In diesen Gläubigen ist auch das Gewissen tätig. Wahrheit ist in ihrem Innern angesichts des Gesetzes, und zwar wird das Gesetz geistlich von ihnen verstanden, sie nehmen von Herzen teil an dem von den Menschen verachteten und verworfenen Messias. Alles das vollzieht sich in Israel; die Hilfe wird von dem Gott Israels erwartet, und zwar von Ihm als Dem, der in der Mitte Israels wohnt und da Sein Heiligtum hat. Im 16. Psalm machte Sich der Herr eins mit dem Überrest; hier vereinigen sich die Gläubigen von Herzen mit Ihm in Seinen Leiden und Seinem Kampf in dieser Stellung, obwohl sie vielleicht nur die Außenseite davon sehen; doch sind sie Seiner Annahme vor Jehova gewiss. Sie wünschen, dass Seine Opfer angenommen werden, dass der Wunsch Seines Herzens und Seine Ratschläge erfüllt und alle Seine Bitten gewährt werden mögen. Sie finden Ihre Freude in der völligen Rettung dieses Gesegneten, aber Abhängigen; und der 6. Vers drückt die völlige Gewissheit des Glaubens in dieser Hinsicht aus. Jehova wird Ihn aus den Himmeln erhören, die Mächtigen sind gefallen, die Armen der Herde aber werden aufgerichtet und aufrechterhalten vor Ihm.
In Vers 9 nimmt der Messias eine andere Stellung ein: Während der abhängige Gesalbte am Tage Seiner Drangsal von Jehova gerettet worden war, rufen jetzt die Gläubigen Ihn an und erwarten von Ihm Erhörung am Tage ihres Rufens. Es ist immer noch Jehova, auf den sie als Retter blicken, aber sie rufen den Messias, den König, an – sie wissen jetzt, dass der Gesalbte erhöht ist. Kein anderer Teil der Schrift enthüllt so die Person Christi, wie die Psalmen es tun, es sei denn, die zwei ersten Kapitel des Hebräerbriefes, die die Psalmen anführen und uns dadurch einen Schlüssel zum Verständnis derselben geben. Hier ist der mit dem Überrest verbundene Messias der abhängige Mensch, aber auch erhöht als König, um von Israel angerufen zu werden; etwas weiter werden wir finden, dass Er Jehova Selbst ist.
Ich sehe keinen Grund, in Vers 9 den Text der Septuaginta entsprechend zu ändern, denen auch andere, unter ihnen die Vulgata, gefolgt sind. Die alten Übersetzer, die syrische Übersetzung und alle jüdischen Auslegungen lesen wie wir. Die andere Lesart ist: „Jehova rette den König! erhöre uns“ usw..
Psalm 21
Schon im 21. Psalm finden wir Jehova und den König vereinigt im Gericht, wie wir sie ja früher schon im 2. Psalm vereinigt gesehen haben. Hier liegt gerade der Hauptpunkt der Unterweisung der Psalmen – nämlich das Geheimnis der Offenbarung Christi im Fleische. Psalm 21 gibt die Antwort auf das Flehen im 20. Psalm in der Erhöhung Christi; und diese wirft wieder ihr Licht zurück auf den wahren Charakter jenes Psalmes. Der König freut sich in der Kraft Jehovas und frohlockt über seine Rettung durch dieselbe. Dann sehen wir, worin diese Rettung besteht. Die geduldige Erwartung des Überrestes war, dass Jehova dem leidenden Messias den Wunsch Seines Herzens geben und alle Seine Bitten erfüllen würde. Jetzt, nach der Erhöhung Christi, können sie sagen, und der Geist sagt es für sie: „Du, Jehova, hast Ihm den Wunsch Seines Herzens gegeben und das Verlangen Seiner Lippen nicht verweigert.“ Noch mehr, die Gunst und Liebe Jehovas kommen Ihm mit Segnungen des Guten zuvor, und Jehova setzt eine Krone von gediegenem Golde auf Sein Haupt. Doch der Psalm zeigt uns noch genauer, was sich wirklich zugetragen hat und was zur Ausführung gekommen ist. Der Messias hatte um Leben gebeten (vgl. Heb 5), und Jehova hatte es Ihm gegeben, ja, „Länge der Tage immer und ewiglich“, das ewige Leben des auferstandenen und verherrlichten Menschen. Das war die Antwort Jehovas auf das Flehen des leidenden Messias, als der Tod vor Ihm stand, und dies wird in dem nun Folgenden klar gezeigt. Groß ist Seine Herrlichkeit durch diese Rettung mittels der Gunst Jehovas. Er ist durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt worden. Jehova hat Ihn mit Majestät und Pracht bekleidet. Er hat Ihn gesegnet auf immer und ewig und Ihn mit Freude erfüllt durch Sein Angesicht. Das war die Rettung des leidenden Messias, die Antwort Gottes auf Sein Schreien, Seine Verherrlichung als leidender Mensch. Er wird hier nicht als Der betrachtet, der den Zorn Gottes trug; im Gegenteil, wenn Er niedergebeugt ist, so erwartet Er Hilfe von Jehova, und das Ergebnis davon ist, wie wir gesehen haben, das Gericht Seiner Feinde. Die Feindschaft und die listigen Anschläge des Menschen treten ans Licht; dann folgt das Gericht: die Rechte des Königs findet alle Seine Hasser; Jehova wird sie verschlingen. Ich wiederhole, es sind nicht die Sühnungsleiden Christi, die uns hier vorgestellt werden, sondern die boshaften Anschläge der Menschen. Daher führen die Leiden des Messias nicht den Frieden herbei, sondern das Gericht.
So sehen wir denn Christum hier zunächst leiden und zu Jehova schreien, dann Christum als Mensch erhöht, mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, und endlich Christum, wie Er Gericht an Seinen Feinden ausübt. Die drei Psalmen, die wir zuletzt betrachtet haben, zeigen uns so der Reihe nach das Zeugnis der Schöpfung, das Zeugnis des Gesetzes und endlich die Leiden und die Erhöhung des Messias (des treuen und wahrhaftigen Zeugen) als das wahre und endgültige Zeugnis der gerechten Wege Gottes. Dieses Zeugnis muss von der höchsten Wichtigkeit für den Überrest in den letzten Tagen sein, sowohl im Blick auf ihre Leiden als auch auf die Gewissheit der Rettung. Christus hat als Mensch von Seiten der Menschen und um Seiner Treue willen gelitten; das Gericht der Menschen wird die Folge davon sein. Inzwischen ist Er droben erhöht. Er hat aber auch von Seiten Gottes für die Sünde gelitten, und die mit diesem Leiden in Verbindung stehenden Tatsachen sowie ihre Folgen werden uns in dem nächsten Psalm vorgestellt.