Betrachtung über das Buch der Richter (Synopsis)
Kapitel 17-21
Die folgenden Kapitel (17–21) sind nicht in der historischen Reihenfolge dieses Buches enthalten. Sie lüften den Schleier, um einige Vorfälle des inneren Lebens dieses Volkes bloßzulegen, mit dem die Langmut Gottes so lange Geduld gehabt hatte, indem Er mit den durch ihre Sünden verursachten Leiden seines Volkes Mitleid hatte. Wären sie gehorsam gewesen, als der HERR ihr König war, wäre ihr Wohlergehen sicher gewesen. Eigenwillig, wie sie waren, gab das Fehlen dessen, was sie zurückhielt, als sie keinen König hatten, allerlei Hemmungslosigkeit Raum. Das letzte in diesem Buch erzählte Ereignis zeigt, wie groß die Unordnung in Israel geworden war, und wie sie sofort von Gott abfielen. Es enthält aber eine sehr wichtige Belehrung. Wenn der gemeinsame Zustand des Volkes Gottes Ungerechtigkeit hervorruft, die Züchtigung nötig macht, so wird das ganze Volk von der darauf folgenden Züchtigung betroffen, was bewirkt, dass sie sich ihren Zustand zu Herzen nehmen. Jener Zustand hatte die Hemmung der Ungerechtigkeit oder ihre unmittelbare Bestrafung verhindert, nachdem sie begangen war. Das Volk wird aber vor das Angesicht Gottes gestellt, der die ganze Angelegenheit richtet, und das ganze Volk muss mit der Sache zu tun haben.
Zuerst suchte Israel nicht einmal Rat bei dem HERRN, um zu wissen, wie sie mit dieser Sünde verfahren sollten. Sie handelten aus der natürlichen Empörung heraus (die jedoch durchaus gerecht war). Der HERR erlaubte alles dieses, damit das Volk erfahren sollte, wo es stand. Das Böse, das Züchtigung erforderte, hatte ihren geistlichen Zustand so abgestumpft, dass sie gar nicht daran dachten, zuerst auf den HERRN zu harren, um zu wissen, was getan werden sollte. Die Richtschnur ihres Handelns war schon bestimmt, bevor sie Ihn um Rat befragten, denn sie waren weit von Ihm entfernt. Sie fragen bloß, wer zuerst hinaufziehen soll. Der HERR weist auf Juda hin, aber Juda wird besiegt. Zweimal wird das Volk geschlagen, wo es einen leichten Sieg erwartete – und nun, gedemütigt und in Tränen, nehmen sie wieder ihre Zuflucht zu dem HERRN und fragen, ob sie hinaufziehen sollen. Dann gibt ihnen der HERR den Sieg. Gibea hatte durchaus diese Züchtigung verdient; um sie aber auszuführen, brauchte Israel selbst Züchtigung, und Gott erlaubte, dass alle daran teilhatten, damit es auf alle wirken möchte.
In welch einem Zustand waren sie aber alle, als sich der ganze Stamm Benjamin zu den Männern von Gibea gesellte, wo sie solcher Gräueltaten schuldig waren! Und man beachte auch, dass Pinehas immer noch Hohepriester war, obwohl er schon in der Wüste das Mannesalter erreicht hatte. Wie geduldig verfuhr Gott mit dem Volk und errettete sie, wo sie so schnell der Sünde verfallen waren, und in welche Tiefen der Sünde! Was sieht Gott nicht alles in der Welt, und sogar in seinem Volk? Es ist wichtig zu bemerken, wie jener innere Zustand ins Licht gebracht wird, was in der allgemeinen Geschichte nicht geschieht. Es wirft ein viel volleres Licht auf die Wege Gottes. Es muss aber bemerkt werden, dass dieses Unheil und diese Schande durch Abtrünnigkeit von Gott selbst innerhalb sind und von innen kommen, und zwar unter der Hand Gottes, aber nicht als Gericht durch äußere Feinde.