Das Evangelium nach Lukas
Kapitel 16
Diese Gleichnisse waren für die Pharisäer bestimmt, doch das Gleichnis zu Anfang dieses Kapitels gilt den Jüngern. Es belehrt sie über die Stellung, in der Menschen sich vor Gott befinden, und über das Verhalten, das dieser Stellung angemessen ist. Wir sind Verwalter, und als solche sind wir untreu gewesen. Der Verwalter wurde bei seinem Herrn angeklagt, daß er „seine Güter verschwendet“ hätte. Dieser Satz knüpft eine Verbindung zu dem vorhergehenden Gleichnis, denn der jüngere Sohn hatte „sein Vermögen vergeudet, indem er ausschweifend lebte“. Alles, was wir besitzen, hat die Hand Gottes uns zukommen lassen, und wenn wir damit verschwenderisch umgehen, vergeuden wir die Güter unseres Meisters.
Der untreue Verwalter mußte seine Kündigung zur Kenntnis nehmen. Daraufhin entschloß er sich, bestimmte günstige Gelegenheiten, die er gegenwärtig noch wahrnehmen konnte, im Blick auf zukünftige Vorteile zu nutzen. Mit Vers 8 endet das Gleichnis. Der Verwalter war ungerecht - der Herr nennt ihn einfach so -, doch der Eigentümer konnte nicht umhin, die listige Schlauheit seiner Handlungsweise zu empfehlen, trotz der Tatsache, daß sie für ihn nachteilig war. In Sachen weltlicher Klugheit übertreffen die Söhne dieses Zeitlaufs die Kinder Gottes.
Die Verse 9-13 sind die Anwendung dieses Gleichnisses auf uns alle. Irdische Besitztümer, Geld und dergleichen sind „ungerechter Mammon“, weil sich die Ungerechtigkeit des Menschen in diesen Dingen am meisten entfaltet, obwohl sie in sich selbst nicht eigentlich ungerecht sind. Wir sollten den Mammon so gebrauchen, daß wir „eine gute Grundlage für die Zukunft“ aufbauen (siehe
Vers 9 macht deshalb klar, daß wir nach dem Grundsatz handeln sollen, den der Verwalter klugerweise anwandte. Vers 10 zeigt jedoch, daß wir uns dabei gänzlich von ihm unterscheiden sollten: Was er in Untreue tat, haben wir in aller guten Redlichkeit zu tun. Der „ungerechte Mammon“, den die Menschen so eifrig erstreben, und das oft auf unehrenhafte Art, ist schließlich doch „das Geringste“. Er gehört uns eigentlich gar nicht, sondern „einem anderen Menschen“, insofern „die Erde und ihre Fülle des Herrn ist“. Aber da ist „das Wahrhaftige“, was der Herr das „Eurige“ nennt. Wenn wir wirklich klarmachen, daß unsere eigenen Güter solche sind, die wir in Christus haben, dann werden wir alles, was wir in diesem Leben haben - Geld, Zeit, günstige Gelegenheiten, geistige Kräfte - im Hinblick auf die Interessen unseres Meisters gebrauchen. Jedenfalls können wir nicht zwei Herren dienen. Entweder wird Gott uns beherrschen oder der Mammon. Laßt uns darauf achten, daß Gott uns beherrscht.
Obwohl all dies zu den Jüngern gesagt war, waren Pharisäer anwesend, die zuhörten und Ihn öffentlich verhöhnten. Eine solche Unterweisung erschien ihrer habsüchtigen Gesinnung lächerlich. Sie waren leidenschaftliche Verfechter des Gesetzes. Das Gesetz hat dererlei Dinge nie festgesetzt. Der Herr gab ihnen eine zweifache Antwort. Erstens ging es ihnen allen um das, was äußerlich bedeutend vor den Augen der Menschen war, was nur sie selbst betraf und was Menschen wertschätzten. Sie übersahen den Gott, der an dem Zustand des menschlichen Herzens interessiert ist und dessen Gedanken denen des Menschen völlig entgegengesetzt sind. Zu guter Letzt aber werden die Gedanken Gottes sich durchsetzen, und die Gedanken des Menschen werden scheitern.
Zweitens aber wurde das Gesetz, dessen sie sich rühmten, durch das Reich Gottes ersetzt. Das Gesetz hatte die Dinge angeordnet, die zum Leben des Menschen auf der Erde unerläßlich sind, und die Propheten hatten das kommende Reich Gottes auf der Erde vorhergesagt. Die Zeit des sichtbaren, weltweiten Reiches war noch nicht gekommen, aber nichtsdestoweniger wurde es in einer anderen Form durch die Predigt eingeführt. Menschen begannen bereits in diese geistliche Form des Reiches einzudringen. Die Pharisäer waren alledem gegenüber blind und standen draußen. Doch obwohl das Gesetz in dieser Weise beiseite gesetzt wurde, sollte kein Strichlein davon wegfallen. In seinem eigenen Gültigkeitsbereich besteht es in all seiner Majestät. Es ist „heilig, gerecht und gut“, seine moralischen Forderungen dauern noch fort. Die besondere Bestimmung, die der Herr in Vers 18 nachdrücklich betont, war ein scharfer Angriff auf die Pharisäer, die in dieser Frage lockere Auffassungen vertraten, wohingegen sie sich eifrig mit dem Zehnten der Minze, des Dills und des Kümmels beschäftigten.
Auf diese treffende Entgegnung folgte das überaus bedeutende Gleichnis der Verse 19-31, falls es sich überhaupt um ein Gleichnis handelt. Der Herr benutzt einige bildliche Ausdrücke, wie z. B. „Abrahams Schoß“, aber Er stellt sie als Tatsachen vor. Die Verse 19-22 berichten von gewöhnliche Fakten dieses Lebens, wie es mit Tod und Begräbnis endet. An dieser Stelle fällt für uns der Vorhang. Von Vers 23 ab lüftet der Herr diesen Vorhang und läßt uns Dinge sehen, die darüber hinaus gehen.
Der reiche Mann handelte, verglichen mit dem Verwalter zu Beginn des Kapitels, nach genau dem entgegengesetzten Prinzip. Alles, was er besaß, gebrauchte er zu selbstsüchtigem, gegenwärtigem Genuß und ließ die Zukunft für sich selbst sorgen. Der Herr zieht nicht über Reichtümer her, wohl aber schilt Er den selbstsüchtigen Gebrauch dieses Reichtums ohne Gott. Der reiche Mann sann nur auf das Jetzt, nur auf diese Welt, das Reich Gottes bedeutete ihm nichts.
Der Herr benutzt hier das griechische Wort Hades, das unübersetzt in unsere Bibel aufgenommen worden ist. Damit ist nicht der Feuersee gemeint, sondern die unsichtbare Welt der Verstorbenen. Dieser Ort ist, wie der Herr uns zeigt, für die Ungläubigen ein Ort der Qual. Viermal stellt Er fest, daß der Hades ein Ort der Qual ist.
Er macht auch deutlich, daß, wenn die Seele einmal in den Hades eingetreten ist, eine Veränderung für sie dort nicht mehr möglich ist. Eine „große Kluft“ ist „befestigt“. Kein Übergang aus der Pein zur Glückseligkeit ist möglich. Hier gibt es keine „weitere Hoffnung“ mehr.
Der reiche Mann wurde ganz evangelistisch im Hades. Er wünschte einen übernatürlichen Besuch bei seinen Brüdern, um sie auf dem Weg zu diesem qualvollen Ort anzuhalten. Der Herr zeigt uns, daß kein übernatürliches Ereignis, selbst wenn es möglich wäre, die Menschen aufhalten würde, wenn Gottes Wort sie nicht aufhält.
Heute appelliert Gott an die Menschen durch das Neue Testament ebenso wie durch Moses und die Propheten, und das Neue Testament enthält das Zeugnis von dem, der aus den Toten auferstand. Wenn die Menschen die Bibel verwerfen, die das vollendete Wort Gottes für unsere Tage ist, dann wird sie nichts überzeugen, und sie werden an den Ort der Qual kommen.
Ach, möge doch eine von Gott gewirkte Überzeugung in diesen Dingen uns beseelen! Dann würde die „Liebe unseres Heiland-Gottes gegenüber dem Menschen“ auch unsere Herzen erfüllen. Wir würden voller Eifer um die Seelen der Menschen besorgt sein. Wir würden mehr einem Joseph Alleine gleichen, einem jener hingebungsvollen Männer, die sich unter der Uniformitätsakte von ihren Zeitgenossen ausgestoßen sahen, von dem gesagt wurde, daß er „ein unstillbares Verlangen hatte, wertvolle Seelen zur Bekehrung zu bringen“. Und wir sollten solchen Eifer für die Seelen der Menschen haben, solange noch die angenehme Zeit, der Tag des Heils, andauert.