Einführende Vorträge zum Lukasevangelium
Kapitel 16
Kapitel 16 enthüllt besonders wichtige Lehren für die Jünger in Hinsicht auf irdische Dinge. Zuerst erklärt unser Herr, dass irdische Anrechte jetzt zu Ende sind. Es ging nicht länger darum, eine Verwalterstelle einzunehmen; sie musste vielmehr aufgegeben werden. Der Verwalter wurde gerichtet. Das war offensichtlich mit Israel der Fall. Der ungerechte Verwalter konnte seine irdische Stellung nicht behalten. Der einzige Ausweg bestand für ihn darin, in den gegenwärtigen Umständen im Blick auf die späteren Tage klug zu sein. Daher stellt er uns die göttliche Lehre vor, wie wir im Blick auf die Zukunft handeln sollen. Als kluger Mann bedachte er sein Schicksal nach dem Verlust seiner Verwalterstelle. Er blickte voraus. Er dachte an die kommende Zeit und beschäftigte sich nicht ausschließlich mit der Gegenwart. So erwog und bedachte er, wie es weitergehen sollte, wenn er nicht mehr Verwalter wäre, und machte einen weisen Gebrauch von den Gütern seines Herrn. Bei Leuten, die seinem Herrn verschuldet waren, strich er einen großen Betrag von dem einen oder anderen Schuldschein, um sich Freunde zu machen. Der Herr sagt, dass wir auf solche Weise mit den irdischen Dingen umgehen sollten. Anstatt beharrlich nach dem zu streben, was wir nicht haben, und das festzuhalten, was wir besitzen, sollen wir alles als Güter des Herrn ansehen und so damit verfahren wie der ungerechte Verwalter im Gleichnis. Erhebe dich über den Unglauben, der auf Geld und andere gegenwärtige Besitztümer blickt, als seien sie sein Eigentum! Sie sind es nicht. Was du jetzt in irdischer Hinsicht besitzt, gehört Gott. Zeige, dass du weder jüdisch, irdisch noch rein menschlich darüber denkst! Handle nach dem Grundsatz, dass alles Gott gehört, und triff so Vorsorge für die Zukunft!
Dies ist das große Thema unseres Evangeliums – insbesondere seit der Verklärung, aber eigentlich überall. Weil wir auf die unsichtbaren, ewigen und himmlischen Dinge blicken, achten wir gegenwärtige Schätze auf der Erde gering. Der Glaube eines Jüngers folgt der Klugheit des weitsichtigen Verwalters, obwohl er natürlich dessen Ungerechtigkeit hasst. Wir sollen nach dem Grundsatz handeln, dass das, was die menschliche Natur ihr Eigentum nennt, nicht uns, sondern Gott gehört. Der beste Gebrauch, den wir davon machen können, besteht darin, ihn als Gottes Besitz zu behandeln und damit so freigebig wie möglich zu sein, indem wir in die Zukunft blicken. Es ist leicht, freigebig mit den Gütern anderer zu sein. Auf diese Weise verfährt der Glaube mit Dingen, die das Fleisch zu seinem Besitz zählen würde. Betrachte sie nicht als dein Eigentum, sondern als Gottes Eigentum, und handle mit ihnen entsprechend! Sei so großzügig, wie du willst! Gott wird es nicht übelnehmen. Darauf legt unser Herr ganz offensichtlich den Nachdruck. Danach wandte Er den Grundsatz auf die Jünger an: „Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf dass, wenn er zu Ende geht, man euch aufnehme in die ewigen Hütten“ (V. 9). Ihr bleibt nicht lange auf der Erde; die anderen Behausungen sind für immer. Opfert das, was die Welt ihr Eigentum nennt und, solange sie es vermag, festhält! Für den Glauben gehören diese Dinge Gott. Opfert sie freiwillig im Blick auf das, was niemals vergeht! Dann fügt Er die bedeutungsvolle Lehre hinzu: „Wer im Geringsten treu ist, ist auch in vielem treu.“ So bezeichnet der Herr die irdischen Dinge; es sind die „Geringsten“. Wir erfahren jedoch noch mehr. Es geht nicht allein um den geringen Wert der gegenwärtigen Dinge im Vergleich zur Bedeutung der zukünftigen, denn es folgt: „Wenn ihr nun in dem ungerechten Mammon nicht treu gewesen seid, wer wird euch das Wahrhaftige anvertrauen? Und wenn ihr in dem Fremden [d. i. Gottes Eigentum] nicht treu gewesen seid, wer wird euch das Eurige geben?“ Was könnte in seiner Art einen wunderbareren göttlichen Anstrich haben als diese Worte? Genau da, wo der Mensch die Dinge als sein Eigentum bezeichnet, erkennt der Glaube die Ansprüche eines anderen, Gottes, an; und umgekehrt, da, wo wir die Dinge ausschließlich als Gottes Besitz ansehen mögen, sieht der Glaube sein Eigentum. Unser Besitz ist im Himmel. Wer jetzt im Geringsten treu ist, dem wird später viel anvertraut. Wer jetzt den ungerechten Mammon zu benutzen weiß, wessen Herz nicht darin ruht und wer ihn nicht als seinen Schatz ansieht, der wird im Gegenteil bald die wahren Reichtümer besitzen. Das ist die bemerkenswerte Lehre des Herrn in diesem Gleichnis.
Als Nächstes zeigt Er uns den reichen Mann und den armen Lazarus. Dieses Bild stellt die helle und die dunkle Seite vor unsere Blicke, und zwar hinsichtlich des Anscheins und der Wirklichkeit sowie auch der Zukunft und der Gegenwart. Schau dir den Mann an, der jeden Tag in Pracht verbrachte und mit feiner Leinwand und Purpur bekleidet war – ein Mann, der nur für sich selbst lebte! In der Nähe seiner Tür lag leidend und ekelerregend ein anderer Mann, der so elend in seiner Not und so völlig ohne Freunde war, dass ihm die Hunde den Dienst erwiesen, für den der Mensch kein Herz hatte. Doch plötzlich wechselt die Szene. Der Bettler starb; und Engel trugen ihn in den Schoß Abrahams. Auch der Reiche starb und wurde begraben. (Letzteres lesen wir nicht von Lazarus!) Das Begräbnis war genauso großartig wie sein Leben. Aber als er im Hades seine Augen aufschlug, war er in Qualen. Jetzt und von dort aus sah er die Segnung dessen, den er in seiner Pracht verachtet hatte. So scheint das ernste Licht der Ewigkeit in die Welt hinein. Gott zeigt seine Wertung des Menschen jenseits des äußeren Scheins. Diese Wahrheit gilt für Seelen, die noch auf der Erde sind. Sie sollen nicht im Hades an sie denken, sondern hier. Und dennoch lesen wir, indem die Geschichte in passender Weise weitererzählt wird, von den ernsten Bitten des Mannes, der niemals vorher in seinem Leben ernsthaft über ewige Dinge nachgedacht hatte. Höre, wie besorgt er jetzt für seine Brüder ist! Das war keine wirkliche Liebe zu den Seelen, sondern ein gewisses ängstliches Verlangen zugunsten seiner Brüder. Auf jeden Fall erkennen wir, wie echt seine Qual war. Die Stellungnahme des Herrn ist jedoch endgültig. Sie hatten Mose und die Propheten. Wenn sie auf diese nicht hörten, dann würden sie auch nicht hören, wenn jemand aus den Toten auferstand. Wie wahr! Wie entscheidend sollte diese Wahrheit in Kürze in der Auferstehung Jesu – ohne von einem anderen Lazarus zu sprechen, der als Zeugnis seiner Herrlichkeit als Sohn Gottes auferweckt wurde (Joh 11) – verwirklicht werden! Wer Mose nicht glaubt, verwirft auch die Auferstehung Christi und ratschlagt, diesen anderen Lazarus umzubringen. Die Juden erlagen ihrer eigenen niederträchtigen Lüge „bis auf diesen Tag“ (Mt 28, 11–15).