Einführende Vorträge zum Lukasevangelium
Kapitel 14
Im Kapitel 14 verfolgt der Herr die Wege der Gnade weiter. Noch einmal zeigt Er vor den Augen derjenigen, die das Zeichen des alten Bundes dem Messias in der Gnade des neuen Bundes vorzogen, wie der Sabbattag Ihm eine Gelegenheit liefert, die Güte Gottes zu verdeutlichen. In dem Ereignis von Kapitel 13 beschäftigte Er sich mit einem Geist der Schwachheit, also der Macht Satans. Hier ist es einfach ein Fall menschlicher Krankheit. Die Gesetzgelehrten und Pharisäer belauerten Ihn; dennoch stellte Jesus seine Frage öffentlich. Als sie schwiegen, fasste Er den Wassersüchtigen an, heilte ihn und ließ ihn gehen. Danach beantwortete Er ihre Gedanken mit einem unwiderstehlichen Appell an ihre eigene Handlungsweise und ihr Gewissen. Selbst der Mensch sucht dem, was ihm gehört, Gutes zu tun. Daher ist er nicht befugt, Gottes Recht zu bestreiten, wenn Er in Liebe mit den elenden Gegenständen, die Er in seiner Herablassung sein Eigen nennt, handelt.
Der Herr beachtete jedoch nicht nur die heuchlerische Selbstsucht des Menschen, welche nicht erlauben wollte, dass Gott seiner Liebe gegen das leidende Elend freien Lauf ließ. Jetzt geht es um das Verlangen des Menschen, in dieser Welt angesehen zu sein. Der Herr stellte einen anderen großen Grundsatz seiner eigenen Handlungsweise vor die Blicke, nämlich Selbsterniedrigung anstelle von Selbsterhöhung. Falls jemand erhöht werden will, dann gibt es nach Gottes Gedanken nur einen Weg dorthin. Er muss demütig sein und sich selbst erniedrigen. Dieser Geist entspricht dem Reich Gottes. So sagte der Herr zu den Jüngern, dass sie zu ihren Festen nicht ihre Freunde einladen sollten oder Menschen, die sich revanchieren konnten. Als Heilige waren sie berufen, den Charakter und Willen Gottes widerzuspiegeln. Deshalb sollten sie vielmehr diejenigen einladen, die gegenwärtig keine Vergeltung leisten konnten, indem sie den Tag der Belohnung vonseiten Gottes bei der Auferstehung der Gerechten erwarteten.
Als ein Zuhörer ausrief, wie gesegnet es sei, im Reich Gottes Brot zu essen, erklärte der Herr, dass das Verhalten des Volkes eigentlich vom Gegenteil zeugte. Denn was hatte der Herr die ganze Zeit getan? Er lud die Leute ein, sozusagen in seinem Reich zu essen. Doch wie behandelten sie die Einladung der Gnade durch das Evangelium? „Ein gewisser Mensch machte ein großes Abendmahl und lud viele. Und er sandte seinen Knecht zur Stunde des Abendmahls, um den Geladenen zu sagen: Kommt, denn schon ist alles bereit. Und sie fingen alle ohne Ausnahme an, sich zu entschuldigen“ (V. 16–18). Wir bemerken einen Unterschied. Lukas lässt die erste Botschaft von Matthäus 22 weg. Außerdem werden persönliche Entschuldigungen vorgebracht. Der eine sagt: „Ich habe einen Acker gekauft“, und er müsse ihn besehen. Ein anderer antwortet, er habe fünf Joch Ochsen erworben und müsse sie ausprobieren. Ein Dritter entschuldigt sich damit, dass er eine Frau geheiratet habe und deshalb nicht kommen könne. Wir sehen also die verschiedenen achtbaren und einleuchtenden Gründe, die der Mensch angibt, um sich der Gerechtigkeit Gottes nicht zu unterwerfen und seine Annahme der Gnade Gottes zu verschieben. Der Knecht kam zurück und berichtete es seinem Herrn. Dieser war darüber verärgert und sagte: „Geh eilends hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und bringe hier herein die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, wie du befohlen hast, und es ist noch Raum“ (V. 21–22). Die Beharrlichkeit der Gnade zeigt sich trotz ihres gerechten Unwillens als ein charakteristischer und schöner Zug dieses Evangeliums. Der Herr sandte daraufhin seinen Knecht an die Wege und Zäune, um Menschen hereinzunötigen, damit, wie gesagt wird, „mein Haus voll werde.“ Davon berichten weder Markus noch Matthäus. Letzterer schildert aus einem ganz anderen Blickwinkel. Wir sehen dort den König, wie er seine Heere aussendet und die Stadt verbrennen lässt. Wie wunderbar ist die Weisheit Gottes in dem, was Er einfügt und weglässt! Matthäus berichtet zuletzt auch von dem Gast ohne Hochzeitskleid. Dieser stellt einen Mann dar, der eingedrungen ist, indem er auf sein Werk oder auf die Erfüllung einiger oder aller Anordnungen Gottes vertraute, ohne Christus anzuziehen. Diese Darstellung passt zum Matthäusevangelium, weil es die Handlungsweise der Gnade, die das Judentum sowohl äußerlich als auch innerlich ersetzen sollte, bezeugt.
Der Herr wandte sich jetzt an die Volksmenge. Nachdem Er gezeigt hatte, was den Menschen daran hindert, zu Ihm zu kommen, warnte Er sehr ernst diejenigen, welche Ihm in großer Zahl folgten, indem Er sagte: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und sein Weib und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein“ (V. 26). Die sittlichen Schwierigkeiten werden sehr eindringlich denen vorgestellt, welche schnell bereit waren, Ihm zu folgen. Wäre es nicht besser und weise, sich zunächst hinzusetzen und die Kosten zu überschlagen, die zum vollständigen Bau eines Turmes erforderlich sind? Sollte man nicht überlegen, ob die eigene Macht ausreicht, um sich mit der ungeheuer großen feindlichen Macht zu messen? Der Herr fordert jedoch nicht auf, in menschlicher Art die Hilfsmittel zu mustern. Hingegen sollte alles Eigene verlassen werden, um so Christi Jünger zu sein. Es gibt Menschen, die gut angefangen haben und sich doch als wertlos erwiesen. „Salz ist gut.“ Was macht man aber damit, wenn es geschmacklos geworden ist? Womit kann man es würzen? Es taugt weder für das Land, noch für den Dünger. „Man wirft es hinaus. Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (V. 34–35).