Einführende Vorträge zum Markusevangelium
Kapitel 9
Die Verklärung, wie sie vor den Augen ausgewählter Zeugen ablief, stellt natürlich den großen Wechsel vor, der durch die gewaltige Kraft Gottes bewirkt werden sollte. Denn diese wunderbare Szene war die flüchtige Vision einer Herrlichkeit, die niemals vergehen wird. In ihr durften gewisse Jünger einen Ausblick auf das Reich Gottes tun, wie es in Macht kommen wird. Dieses Reich beruht auf der Verwerfung Christi durch den Menschen und auf der Aufrechterhaltung und baldigen Offenbarung der Macht jenes Jesus, der von Menschen verworfen, von Gott aber verherrlicht wurde. Offensichtlich hatte der Dienst unseres Herrn diesen doppelten Charakter. Wie alles in der Schrift wird dieser Dienst zuerst der Verantwortlichkeit des Menschen vorgestellt, bevor Gott dessen Ergebnisse gegen allen Widerstand durchsetzt. Der Mensch erhielt alle Zeugnisse und Beweise, die er verlangen konnte. Es gab jede sittliche Offenbarung Gottes, die nötig war. Doch der Mensch hatte dafür kein Herz. Die einzige Wirkung eines solchen Zeugnisses war folglich die Verwerfung Christi und Gottes selbst, der sich auf diese Weise in sittlicher Hinsicht hienieden dargestellt hatte. Was wird Gott also tun? Sicherlich wird Er in seiner Macht seine Ratschlüsse ausführen. Denn alles, was von Ihm ausgeht, wird zustande kommen; und alle seine Zeugnisse müssen ihr Ziel erreichen. Aber Gott wartet erst einmal. Außerdem gab Er solchen, die Er nach seinem Wohlgefallen auswählte, einen Ausblick auf die Aufrichtung seines Reiches und seiner Macht, bevor die Grundlagen zu jenem großen Werk gelegt wurden. Demnach ist die Verklärung sozusagen eine Art Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft, die schon jetzt die Menschen mit Gottes Plänen bekannt macht. Es ist wirklich die Vorstellung – soweit ein Zeugnis oder auch ein Muster für Gläubige damals reichen konnte – jenes Königreiches, welches zu seiner Zeit aufgerichtet und entfaltet werden sollte. Die Verwerfung Christi hörte damit nicht auf – im Gegenteil, sie ging weiter bis zum Kreuz. Aber in Kreuz, Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn Jesus sehen wir durch den Glauben das vollständige Ergebnis. Auf der einen Seite finden wir dort die Verwerfung des Reiches durch den Menschen, auf der anderen die Grundlage für dasselbe, die Gott durch das Werk Jesu gelegt hatte. Jedenfalls wurde auf dem heiligen Berg ein Zeugnis davon vor den Augen der Jünger, die unser Herr in seiner Unumschränktheit dafür ausgewählt hatte, gezeigt. Sogar von den auserwählten zwölf Aposteln nahm Er nur einige wenige Auserwählte mit, um Zeugen seiner Herrlichkeit zu sein. Dadurch erhält dieses Ereignis einen sehr bedeutsamen und auffallenden Platz in den synoptischen Evangelien, die uns den Weg Christi in Galiläa vorstellen. In unserem Evangelium sehen wir die Verklärung vor allem unter dem Gesichtspunkt des Dienstes.
Der Herr hatte Jakobus, Johannes sowie Petrus mit hinaufgenommen und wurde vor diesen Jüngern umgestaltet. Sie sahen, wie die verherrlichten Männer Elias und Mose sich mit Ihm unterhielten. Petrus verriet seine mangelnde Wertschätzung der Herrlichkeit Christi. Das ist umso bemerkenswerter, weil er in der Szene vorher in eindrucksvollen Worten ein Zeugnis von Jesus abgelegt hatte. Aber Gott musste zeigen, dass es nur einen treuen Zeugen gab. Gerade die Seele, die in der Szene vor der Verklärung für eine kleine Zeit, wie wir sagen möchten, strahlend dastand, war es, die das irdene Gefäß bei der Verklärung mehr als jede andere offenbarte. „Es ist gut“, sagte Petrus, „dass wir hier sind; und lass uns drei Hütten machen, dir eine und Moses eine und Elias eine“ (V. 5). Es ist offensichtlich, dass er zwar den Heiland an die Spitze der Drei stellte, die anderen aber doch in einem gewissen Maß auf einer Ebene mit Ihm stehend betrachtete. Sofort sehen wir eine überschattende Wolke und hören aus ihr die Stimme, welche die höchste und ungeteilte Herrlichkeit für den Sohn Gottes verteidigte. „Dieser“, sagte der Vater, denn Er ist es, der da sprach, „dieser ist mein geliebter Sohn, ihn höret“ (V. 7).
Wir können feststellen, dass im Markusevangelium etwas weggelassen ist. Der Ausdruck des Wohlgefallens fehlt. Im Matthäusevangelium wurde dieser, wie wir wissen, herausgestellt. In Kapitel 17,5 steht: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn höret.“ Ich nehme an, der Grund dafür liegt darin, dass das Wohlgefallen Gottes in eindeutigsten Gegensatz zu seiner Verwerfung durch das jüdische Volk gesetzt werden sollte. Im Lukasevangelium (Kap. 9, 35) haben wir hingegen wieder das Zeugnis davon, dass Christus Gottes Sohn ist und dass man deshalb auf Ihn und nicht auf Mose oder Elias hören soll. Lukas sagt: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn höret.“ Auch er lässt den Ausdruck des Wohlgefallens des Vaters an dem Herrn weg. Natürlich war Er immer der Gegenstand der Wonne des Vaters. Aber es lag nicht immer ein Grund vor, dieses in Worten auszudrücken. Wenn wir noch das Zeugnis in 2. Petrus 1, 17 hinzuziehen, dann finden wir dort eine Auslassung der Worte „ihn höret“, die wir in den drei Evangelien finden. „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Offensichtlich steht die Überlegenheit des Herrn Jesus Christus über dem Gesetz und den Propheten bei Petrus nicht im Vordergrund. Ich denke, der Grund dafür ist einsichtig. Jene Frage war längst entschieden worden; denn es gab schon das Christentum. Hier brauchte nicht mehr ein Platz für Christus, als über dem Gesetz und den Propheten stehend, beansprucht zu werden. Es sollte einfach gezeigt werden, welche Herrlichkeit der Sohn in den Augen des Vaters hat und wie sehr der Vater seine Wonne oder liebende Genugtuung in Ihm findet. So macht Petrus auch später klar, dass in dem ganzen Wort Gottes die Herrlichkeit Christi der einzige Gegenstand des Heiligen Geistes ist. Denn heilige Männer in alter Zeit sprachen so, wie sie vom Geist bewegt wurden. Die Bibel wurde nicht durch den Willen des Menschen geschrieben. Vielmehr verfolgte Gott einen großen Plan in seinem Wort. Dieser bezieht sich nicht einfach auf irgendwelche isolierten Tatsachen bzw. diese oder jene Personen. Das wäre nur eine vorübergehende Anwendung einzelner Teile des Wortes. Stattdessen gibt es ein großes vereinigendes Band durch alle Prophezeiungen der Schrift. Ihr einziger Gegenstand ist die Herrlichkeit Christi. Wenn man die Prophetie von Christus trennt, dann lenkt man den Strom des Zeugnisses von der Person weg, der das Zeugnis gehört. Die Bibel enthält nicht einfach Warnungen an Völker, Nationen, Sprachen und Länder. Sie spricht nicht nur über Dinge der Vorsehung und ähnlichem – über Könige, Weltreiche oder Weltsysteme. Christus ist der Gegenstand des Geistes. So hören wir auf dem Berg, wie der Vater Zeugnis ablegt von Christus, welcher der höchste Gegenstand seiner Wonne ist. Dort war ein Muster des Königreiches. Mose und Elias waren anwesend. Aber Einer stand besonders vor dem Vater, und das war Jesus. „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ In 2. Petrus 1 handelt es sich genau genommen nicht darum, auf Christus zu hören, sondern vielmehr auf des Vaters Worte über Ihn. Das ist dort ausdrücklich das Thema. Und deshalb, glaube ich, fehlen hier die Worte „ihn höret“. Im Matthäusevangelium haben wir die ausführlichste Darlegung, die umso mehr Kraft in die Aufforderung legt, auf Ihn zu hören. Lukas erwähnt das „ihn höret“; der Ausdruck des persönlichen Wohlgefallens war jedoch sowohl bei Markus als auch bei Lukas nicht so wichtig. Natürlich gibt es in allen ihren Berichten Gemeinsamkeiten, doch ich erwähne diese Details nur im Vorbeigehen, um ihre Unterschiede zu beleuchten.
Dann lesen wir, ohne bei allen Einzelheiten zu verweilen, dass unser Herr den Jüngern sagte, dass dieses Gesicht verborgen bleiben sollte, bis Er von den Toten auferstanden sei. Seine Auferstehung würde einen gänzlich neuen Charakter des Zeugnisses einführen. Dann sollten die Jünger ohne Einschränkung diese große Wahrheit bekannt machen. Der Herr belehrte sie, dass sie bis zur Zeit seiner Auferstehung, wenn dieses Ereignis ein neues Werk Gottes einführen wird, dazu nicht fähig waren. Die Auferstehung ist die Grundlage eines neuen und uneingeschränkten Zeugnisses, denn die alten Dinge sind dann vergangen, und für den Gläubigen ist alles neu geworden.
Das ist, wie ich denke, sehr wichtig, wenn wir hier auf die Jünger hinsichtlich ihrer Berufung zum Dienst sehen. Es liegt nicht in der Macht des Menschen, den Dienst oder das Zeugnis Christi aufzunehmen, wie er es will. Von diesem Gesichtspunkt aus wird der wichtige Platz, den die Auferstehung aus den Toten in der Schrift einnimmt, verständlich. Außerhalb Christi regiert die Sünde durch den Tod. In Ihm war keine Sünde. Aber bis zur Auferstehung konnte kein volles Zeugnis von seiner Herrlichkeit oder seinem Werk abgelegt werden. Und folglich geschah es auch nicht. Das in unserem Kapitel Folgende gibt im Vorbeigehen eine Darstellung dieser Schwierigkeiten, woran man sieht, wie richtig unser Herr die Unfähigkeit der Jünger eingeschätzt hatte; denn die Jünger standen zur damaligen Zeit noch unter dem Einfluss der Schriftgelehrten.
Am Fuß des Berges beginnt eine neue Szene. Auf der Bergspitze haben wir nicht nur das Reich Gottes, sondern auch die Herrlichkeit Christi gesehen. Aber vor allem sahen wir Christus als den Sohn, von dem der Vater verkündigte, dass Er derjenige sei, auf den man mehr hören solle als auf das Gesetz und die Propheten. Das verstanden die Jünger vor der Auferstehung nie. Und der Grund dafür ist offensichtlich. Das Gesetz hatte natürlicherweise bis dahin seinen festen Platz. Und die Propheten wurden gesandt, um das Gesetz zu bestätigen und seine gerechte Autorität aufrechtzuerhalten. Die Auferstehung von den Toten schwächt in keiner Weise das Gesetz oder die Propheten ab, aber sie bietet die Gelegenheit, eine höhere Herrlichkeit zu entfalten. Wir sehen jedoch direkt nach dem Muster dessen, was kommen sollte, am Fuß des Berges den schrecklichen Beweis von der gegenwärtigen Wirklichkeit. Wer ist in der Zwischenzeit, bevor das Reich Gottes in Macht aufgerichtet wird, der Machthaber, der die Menschen beeinflusst und in dieser Welt regiert? Es ist Satan. In dem Fall vor uns sehen wir ganz offensichtlich seine Macht. Diese Macht konnten die Jünger wegen ihres Unglaubens nicht aus der Welt schaffen. Hier erkennen wir wieder, wie sehr der Dienst der große Gedanke überall in diesem Evangelium ist. Der Vater des Kindes war verzweifelt. Es war eine alte Geschichte. Es war für Satan nichts Neues, über den Menschen in der Welt diese Macht auszuüben. „Von Kindheit an“ war das der Fall. Von den ersten Tagen an war das die Geschichte des Menschen. Der Vater hatte sich vergeblich an diejenigen gewandt, die den Namen des Herrn in dieser Welt trugen; doch sie hatten völlig versagt. Das zog ihnen vonseiten unseres Herrn Jesus eine schwere Zurechtweisung wegen ihres Unglaubens zu, und zwar insbesondere deshalb, weil sie seine Knechte waren. Er war in seiner Macht nicht eingeschränkt; bei Ihm gab es genug Kraft. Es war bei ihnen wirklich Unglaube. Als Ihm diese Offenbarung der Schwachheit der Jünger zugetragen wurde, konnte Er nur sagen: „O ungläubiges Geschlecht! bis wann soll ich bei euch sein? bis wann soll ich euch ertragen? bringet ihn zu mir. Und sie brachten ihn zu ihm. Und als er ihn sah, zerrte ihn alsbald der Geist; und er fiel zur Erde und wälzte sich schäumend“ (V. 19–20); denn der Herr wollte nicht, dass das volle Ausmaß der Macht Satans verborgen blieb. Deshalb erlaubte Er, dass das Kind vor ihren Augen von Satans Macht geschüttelt wurde. Es gab keinen Zweifel, dass der Zauber bis dahin noch nicht gebrochen war. Die Jünger hatten in keinster Weise die Macht Satans über das Kind bezwungen, unterdrückt oder sogar gebrochen. „Und er fragte seinen Vater: Wie lange Zeit ist es, dass ihm dies geschehen ist? Er aber sprach: Von Kindheit an“ (V. 21). Das ist wirklich die Geschichte dieser Welt im Unterschied zu der neuen Schöpfung. Von dieser neuen Welt – oder, besser gesagt, dem Reich Gottes – war in der Verklärung gerade eine Vision zu sehen gewesen.
Dieses Kapitel gründet sich also zunächst auf die Ankündigung des Todes Christi in völliger Verwerfung und die Gewissheit, dass Gott für den von Menschen verworfenen Christus sein Reich der Herrlichkeit aufrichten wird. An zweiter Stelle steht, dass es nutzlos und unmöglich war, vor der Bestätigung seiner Auferstehung aus den Toten von der Verklärung zu zeugen. Erst danach war die Zeit dazu gekommen. Als letztes folgt der Beweis davon, was die Macht Satans wirklich ist, bevor das Reich Gottes in Macht dort aufgerichtet wird, wo das Zeugnis von dem Reich bisher unbekannt war. Unter der Oberfläche verborgen sehen wir in dieser Welt, wie sie sich vor den Augen der Jünger darstellte und durch die Anwesenheit unseres Herrn Jesus an das Licht gebracht wurde, dass der Mensch vollkommen Satan unterworfen ist, und zwar, wie gesagt wird, „von Kindheit an“. Die Macht Satans über den Menschen ist sonnenklar, und die Knechte des Herrn bewiesen nur, wie kraftlos sie waren. Der Mangel lag nicht in der Kraftlosigkeit Christi, sondern in ihrem Mangel an Glauben, diese Kraft zu entfalten. Der Heiland musste also handeln und zeigte dem Menschen, dass alles vom Glauben abhing. Wir haben hier ein Bild von der Zeit zwischen damals und dem Reich in Macht. Christus zeigt die Macht, die sich mit Satan beschäftigt, bevor das Reich aufgerichtet wird. Das ist die Bedeutung dessen, was am Fuß des Berges geschah. Zur rechten Zeit wird das Reich ganz gewiss aufgerichtet werden; inzwischen besiegt jedoch der Glaube an Christus die Macht des Feindes. Ohne jeden Zweifel liegt im Unglauben der wahre Mangel und im Glauben das einzige Hilfsmittel. Nur der Glaube an Ihn sichert einen Segen. Und so wandte sich der Vater zitternd in seiner Not an den Herrn. „Ich glaube“, sagte er, „hilf meinem Unglauben! Als aber Jesus sah, dass eine Volksmenge zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist, indem er zu ihm sprach: Du stummer und tauber Geist, ich gebiete dir: fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn“ (V. 24–25). Das Werk war geschehen. Scheinbar war der Junge tot; doch der Herr „nahm ihn bei der Hand und richtete ihn empor; und er stand auf“ (V. 27).
Im Haus gab Er den Jüngern eine weitere nützliche Lehre über den Charakter des Dienstes. Es ist leicht zu sehen, dass es hier um dieses Thema geht. Der Herr zeigte, dass der Unglaube begleitet ist von einem Mangel des Gefühls und des Bekenntnisses der Abhängigkeit von Gott. Allein diese Abhängigkeit richtet auch die fleischliche Energie. „Diese Art“, sagte Er, „kann durch nichts ausfahren, als nur durch Gebet und Fasten“ (V. 29). Die Kraft liegt in Jesus; aber nur der Glaube kann sie in Anspruch nehmen. Doch der Glaube ist immer verbunden mit dem Urteil des Todes über das Fleisch und dem Aufblick zu Gott, der einzigen Quelle der Kraft.
Als Nächstes erhalten wir eine neue Lektion in Verbindung mit dem Dienst des Herrn, während die Macht Satans vor der Aufrichtung des Königreiches Gottes in der Welt tätig ist. Wir müssen den Zustand der Herzen dieser Knechte kennen lernen. Sie wollten etwas sein, und das verfälschte ihr Urteilsvermögen. Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa, und der Herr wollte nicht, dass irgendjemand davon erführe. „Denn Er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Sohn des Menschen wird überliefert in der Menschen Hände, und sie werden ihn töten; und nachdem er getötet worden ist, wird er nach drei Tagen auferstehen. Sie aber verstanden die Rede nicht“ (V. 31–32). Wie einzigartig erscheint auf den ersten Blick dieser Mangel an Einfühlungsvermögen in die Worte Jesu! Und doch ist es häufig so. Worauf ist das zurückzuführen? Auf das ungerichtete Ich. Sie schämten sich, dem Herrn den wahren Grund dafür zu sagen; der Herr machte ihn jedoch offenbar. Sie kamen nach Kapernaum, und im Haus fragte Er sie: „Was habt ihr auf dem Wege verhandelt? Sie aber schwiegen; denn sie hatten sich auf dem Wege untereinander besprochen, wer der Größte sei“ (V. 33–34). Kein Wunder, dass so wenig Kraft in der Gegenwart Satans vorhanden war und so wenig Verständnis in der Gegenwart Jesu! Sie schleppten zuviel Ballast mit sich herum. Sie dachten an sich selbst. Sie wünschten sich sichtbare Unterschiede, die von den Menschen gesehen und erkannt werden konnten. Das war offensichtlicher Unglaube bezüglich dessen, was Gott empfindet und in seinem Reich entfalten wird. Denn vor Gott steht nur ein Gedanke: Er will Jesus verherrlichen. Sie waren also in dieser Sache nicht in Gemeinschaft mit Gott. Nicht nur diejenigen Jünger versagten, welche nicht mit auf dem Berg waren, sondern genauso Jakobus, Petrus und Johannes. Alle versagten. Wie wenig hat ein besonderes Vorrecht oder eine bevorzugte Stellung mit der Demut des Glaubens zu tun! Das ist also das wahre Geheimnis der Kraftlosigkeit, sei es um gegen Satan zu kämpfen oder für Jesus zu wirken. Ich denke, dass die Beziehung zwischen diesem Ereignis und dem Dienst für den Herrn offensichtlich ist.
Eine weitere für Markus typische Begebenheit finden wir in dem unmittelbar Folgenden. Der Herr tadelte die Jünger, indem Er ein Kind nahm, um sie Niedriggesinntheit zu lehren. Was für ein vernichtender Tadel für ihre Selbsterhöhung! Sogar Johannes bewies, wie wenig die Herrlichkeit Christi, die einen Menschen mit seiner Nichtigkeit zufrieden sein lässt, bis jetzt in sein Herz eingedrungen war. Der Tag sollte kommen, an dem diese Dinge tiefe Wurzeln in ihren Herzen schlagen würden. Dann würden sie wirklich ewigen Gewinn aus seiner Herrlichkeit empfangen. Aber im Augenblick zeigten sie in peinlicher Weise, dass dazu mehr als nur Worte nötig waren, selbst wenn es sich um Worte Jesu handelte. So wandte sich Johannes gleich darauf an unseren Herrn und beschwerte sich über einen Mann, der Dämonen in seinem Namen austrieb. Genau darin hatten sie vorher versagt. „Lehrer, wir sahen jemand, der uns nicht nachfolgt, Dämonen austreiben in deinem Namen“ (V. 38). Sollten sie dafür nicht von Herzen Gott dankbar sein? Sie waren es nicht im Geringsten. Das Selbstgefühl des Johannes entzündete sich daran, und er wurde das Sprachrohr der heftigen Gefühle, die sie alle beseelte. „Lehrer, wir sahen.“ Er sagte nicht: „Ich sah“. Er sprach für alle. „Wir sahen jemand, der uns nicht nachfolgt, Dämonen austreiben in deinem Namen; und wir wehrten ihm, weil er uns nicht nachfolgt.“ Es ist demnach offensichtlich, dass keine vorherige Zurechtweisung in irgendeiner Weise diesen selbsterhöhenden Geist ausgetrieben hatte; denn hier finden wir ihn wieder in voller Kraft. Aber Jesus antwortete: „Wehret ihm nicht.“ Das ist eine andere wichtige Lektion im Dienst Christi. Es handelt sich hier nicht um eine Verunehrung Christi. Niemand beabsichtigte in dieser Angelegenheit, irgendetwas gegen seinen Namen zu tun. Im Gegenteil, ein Diener Christi ging gegen den Feind vor, indem er an die Wirksamkeit des Namens des Herrn glaubte. Wenn es sich um Feinde oder falsche Freunde Christi handelt, die seine Herrlichkeit umwerfen oder untergraben wollen, dann heißt es: „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut“ (Mt 12, 30). Wenn es sich um die Frage eines wahren oder falschen Christus handelt, kann es keinen Kompromiss hinsichtlich eines Jotas Seiner Herrlichkeit geben. Aber wenn, im Gegenteil, jemand mit vielleicht weniger Erkenntnis und andererseits in seinen Umständen sicherlich nicht so begünstigt wie die Jünger den Wert und die Wirksamkeit von Jesu Namen kennt, dann wird Er von Ihm gnädig beschützt. „Wehret ihm nicht, denn es ist niemand, der ein Wunderwerk in meinem Namen tun und bald übel von mir zu reden vermögen wird; denn wer nicht wider uns ist, ist für uns“ (V. 39–40). Der Mann hatte ganz gewiss Glauben an den Namen des Herrn. Und durch den Glauben an jenen Namen war er stark genug, um das zu tun, wozu die Jünger, ach, zu schwach waren. Augenscheinlich wohnte in ihnen ein Geist der Eifersucht. Jene Kraft, die offensichtlich in einem Menschen wirkte, der niemals äußerlich so bevorzugt war wie sie, demütigte sie nicht, um an ihr Zukurzkommen und ihren Mangel an Glauben zu denken. Stattdessen suchte sogar Johannes nach Fehlern, um einen Vorwand dafür zu haben, denjenigen, den Gott geehrt hatte, in seiner Wirksamkeit einzuschränken.
Folglich stellt unser Herr hier eine Belehrung vor, die natürlich derjenigen von Matthäus 12, 30 in keinster Weise widerspricht, sondern einfach etwas ganz anderes aussagt. Ich finde es absolut nicht unwichtig, dass diese Aussagen zur jeweils rechten Zeit und in den entsprechenden Umständen unterschiedlich gebraucht werden. Das Evangelium des Markus ist, wie wir uns erinnern, das des Dienstes. Und hier handelt es sich um den Dienst. Und im Dienst ist die Macht Gottes nicht von der Stellung des Dieners abhängig. Es kommt nicht darauf an, wie richtig die Stellung nach dem Willen Gottes ist. Nicht derjenige empfängt Kraft im Dienst, der sich in der richtigsten Stellung befindet. Die Jünger waren natürlich an einem unanfechtbaren Platz, indem sie Christus nachfolgten. Kein anderer Platz als ihrer konnte richtiger sein. Denn Jesus hatte sie berufen, um sich gesammelt und ausgesandt, indem Er sie in einem gewissen Maß mit einem Teil seiner eigenen Kraft und Autorität bekleidete. Trotzdem sehen wir bei ihnen Schwachheit in der praktischen Ausübung. Wir sehen entschieden einen Mangel an Glauben, die Hilfsquellen Christi gegen Satan in Anspruch zu nehmen. Sie handelten also richtig, wenn sie Christus anhingen und keinem anderen folgten. Sie handelten richtig, als sie Johannes den Täufer um Jesu willen verließen. Aber sie handelten nicht richtig, wenn sie aus irgendeinem Grund die Macht Gottes nicht anerkannten, die in einem anderen wirkte, der sich nicht in einer solch gesegneten Stellung, wie es ihr Vorrecht war, befand. Folglich tadelte unser Herr streng diesen engen Geist und stellte einen Grundsatz auf, der dem anderen zu widersprechen scheint, aber doch völlig mit ihm harmoniert. Denn weder hier noch sonst wo gibt es einen Widerspruch im Wort Gottes. Der Glaube darf sicher ruhen in dem Bewusstsein, dass die Verse in Matthäus 12 und Markus 9 sich nicht widersprechen. Zweifellos mag auf den ersten Blick ein solcher Gegensatz in den Versen liegen. Aber sieh' genau hin und lies es noch einmal! Und die Schwierigkeit verschwindet.
In Matthäus 12, 30 handelt es sich um eine ganz andere Frage. „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.“ Hier geht es um Christus – um die Herrlichkeit und Macht Gottes in Jesus auf der Erde. Sobald die Person Jesu in Frage steht, indem Er von Feinden angegriffen wird, dann ist derjenige, der nicht für Christus ist, gegen Ihn. Ist gerade jemand dabei, die Person Christi herabzusetzen? Dann ist alles andere demgegenüber zweitrangig, und jeder, der darauf mit Gleichgültigkeit reagiert, nimmt bewusst den Platz des Feindes Christi ein. Wer die Verunehrung Christi gutheißt, beweist trotz aller gegenteiligen Behauptungen, dass er kein Freund des Herrn ist. Sein Werk des Sammelns kann nur Zerstreuung sein.
Doch nach den Gedanken des Herrn, wie sie im Markusevangelium dargelegt werden, stand etwas ganz anderes vor ihnen. Hier handelte es sich um einen Menschen, der Christus nach dem Maß seines Glaubens und mit nicht unerheblicher Kraft verherrlichte. Deshalb hätten die Jünger in diesem Fall das Zeugnis für den Namen Christi anerkennen und sich darüber freuen sollen. Es sei zugegeben, dass dieser Mann nicht so bevorzugt war wie sie. Aber er wollte ganz gewiss den Namen Christi erhöhen – und er hatte Erfolg dabei. Wären ihre Augen einfältig gewesen, dann hätten sie es anerkannt und Gott dafür gedankt. Und deshalb prägte der Herr ihnen hier eine ganz andere Lektion ein: „Wer nicht wider uns ist, ist für uns.“ Das heißt, wo immer die Kraft des Heiligen Geistes im Namen Jesu wirksam wird, da kann offensichtlich derjenige, der von Gott in dieser Weise benutzt wird, nicht gegen Christum sein. Und wenn Gott jene Kraft beantwortet und zum Segen des Menschen und zum Sieg über den Teufel benutzt, dann sollten wir uns darüber freuen.
Muss ich noch sagen, wie nützlich diese beiden Lektionen sind? Auf der einen Seite wissen wir, dass Christus in dieser Welt verworfen und verachtet ist. Das ist der Grundtenor des Matthäusevangeliums. Folglich sehen wir den Herrn in Kapitel 12 als Gegenstand des Abscheus und, schlimmer noch, als Gegenstand des Abscheus derer, die das äußere Zeugnis Gottes zu jener Zeit innehatten. Das Ansehen, die traditionelle Ehrerbietung und die Ehrfurcht vor Menschen spielt dann für den Gläubigen keine Rolle. Wenn Christus verunehrt wird, dann können diejenigen, die Ihn preisen und lieben, nicht einen Moment Gemeinschaft mit jenen Menschen haben, die so handeln. Auf der anderen Seite sehen wir den Dienst Christi. Inmitten all derer, die den Namen Christi tragen, gibt es solche, die Gott für das eine oder andere wichtige Werk benutzt. Darf ich leugnen, dass Gott sie in seinem Dienst verwendet? Nicht einen Augenblick! Ich erkenne die Kraft Gottes in ihnen an und danke Ihm dafür. Aber das ist kein Grund, den gesegneten Platz der Nachfolge Jesu aufzugeben. Ich sage nicht: „Er folgt uns nicht nach“, sondern „Er folgt Ihm nicht nach“. Offensichtlich waren die Jünger mit sich selbst beschäftigt und hatten den Herrn vergessen. Sie wünschten sich, dass der Dienst ihr Monopol sei anstatt eines Zeugnisses für den Namen Christi. Aber der Herr stellte alles an seinen Platz. Und derselbe Herr, der in Matthäus 12, wo seine Feinde ihren Hass und ihre Verachtung seiner Herrlichkeit offenbart hatten, an einer klaren Entscheidung für seine Person festhielt, zeigte im Markusevangelium umgehend die Kraft, die im Dienst seines namenlosen Dieners gewirkt hatte. „Wehret ihm nicht“, sagte Er, „denn wer nicht wider uns ist, ist für uns.“ War er gegen Christus, wenn er, wie Johannes selbst zugab, Jesu Namen gegen den Teufel benutzte? Der Herr ehrte so jede Art und jedes Maß des Glaubens, der wusste, wie man aus seinem Namen Nutzen ziehen und durch ihn Siege über Satan gewinnen konnte. Daraus folgt: Wenn Gott irgendeinen Menschen benutzt, sei es, um Sünder für Christus zu gewinnen, sei es, um Heilige aus den Fesseln falscher Lehren oder irgendeiner anderen Schlinge zu befreien, dann erkennt Christus ihn an, und das sollten auch wir tun. Es ist ein Werk Gottes und eine Huldigung an den Namen Christi. Aber, ich wiederhole es: Das ist kein Grund, die Nachfolge Christi auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn Er uns gnädig ein solches Vorrecht gewährt hat. Es ist zweifellos ein berechtigter Grund, dass wir uns demütigen, wenn wir daran denken, wie wenig wir tun, da wir doch mit der Kraft Gottes betraut worden sind. Auf der einen Seite haben wir also die persönliche Herrlichkeit Christi aufrechtzuerhalten, indem wir immer an ihr festhalten, auf der anderen sollen wir die Kraft im Dienst, die Gott in seiner Unumschränktheit zu benutzen geruht, anerkennen, und zwar ohne Ansehen der Person. Die eine Wahrheit stört nicht im Geringsten die andere.
Außerdem möchte ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, an welch passender Stelle diese Vorfälle in den jeweiligen Evangelien stehen. Man kann diesen Satz bei Markus nicht gegen die anderen ernsten Worte im Matthäusevangelium austauschen. Das würde gänzlich die Wahrheit in beiden Stellen verdunkeln. Auf der einen Seite ist der Tag der Verachtung und Verwerfung Christi der Tag für den Glauben, um seine Herrlichkeit zu verteidigen. Auf der anderen Seite muss ich die Kraft Gottes, wo sie sich zeigt, würdigen. Auch wenn ich gerade vorher wegen meines Mangels an Glauben getadelt worden bin, sollte ich wenigstens die Hand Gottes, wo immer sie sich zeigt, anerkennen.
Unser Herr verfolgt diese Gedanken in einer bemerkenswert ernsten Belehrung weiter. In seiner Rede zeigt Er, dass es sich nicht bloß darum handelt, „uns“ für eine Zeit nachzufolgen oder etwas Ähnliches. Zweifelsohne folgt der Jünger jetzt dem Herrn durch eine Welt, wo Ärgernisse (Fußnote: Fallstricke) im Überfluss vorhanden sind und auf jeder Seite Gefahren lauern. Aber darüber hinaus ist es eine Welt, deren Schlingen und Fallgruben Gott in seiner Herablassung das Licht der Ewigkeit fallen lässt. Deshalb handelte es sich nicht nur um ein augenblickliches Problem. Es lag weit über jeder Frage eines Parteienstreites. Unser Herr zielte deshalb auf die Wurzeln dessen, was in den irrenden Jüngern wirkte. Er erklärte, dass jeder, der einen Becher Wasser – der kleinste wirkliche Dienst zur Abstellung einer Not – darreicht in seinem Namen, „weil ihr Christi seid, ... seinen Lohn nicht verlieren“ wird. Aber darüber hinaus ging es nicht bloß um die Frage von Belohnungen, sondern auch um das ewige Verderben. Sie sollten lieber auf sich selbst sehen, solange sie es noch konnten. Das Fleisch ist schlecht und verderblich. Wer oder was immer ein Mensch auch sein mag – er ist in sich selbst nicht vor Gefahren geschützt, insbesondere, wie ich hinzufügen möchte, wenn er im Dienst Christi steht. Auf keinem anderen Weg geht ein Mensch so leicht in die Irre. Es handelt sich hier nicht bloß um sittlich Böses. Es gibt Menschen, die uns übertreffen und sozusagen das Spießrutenlaufen solcher Verführungen unbeschadet überstehen. Aber es ist etwas ganz anderes und viel gefährlicher, wenn man in dem erklärten Dienst des Herrn das hätschelt, was Christus kränkt und den Heiligen Geist betrübt. Diese Lehre gilt nicht nur für Heilige, sondern auch für die, welche sich noch unter der Sünde befinden. „Wenn deine Hand dich ärgert, so haue sie ab. ... Wenn dein Auge dich ärgert, so wirf es weg“ (V. 43 u. 47). Handle schonungslos mit jedem Hindernis, und zwar aus dem einfachsten sittlichen Grund: Es droht eine große persönliche Gefahr. Diese Dinge testen einen Menschen und prüfen, ob irgendetwas in ihm nach Gott fragt.
Das Ende von Markus 9 erinnert uns an das Ende von 1. Korinther 9, wo der Apostel Paulus zweifellos auch vom Dienst spricht. Sein Ton wird ernst in seiner Warnung, wenn er mitteilt, dass der Dienst häufig nicht nur den Zustand des Dieners, sondern auch Unechtes offenbart. Es mag in erster Linie keine offene Unmoral vorliegen, doch wenn im beständigen Selbstgericht der Herr nicht vor der Seele steht, dann wächst das Böse sehr rasch aus nichts anderem als dem Dienst selbst. Das bewiesen die Korinther, denn sie dachten viel mehr an Gaben und Kraft als an Christus. Und was waren die sittlichen Ergebnisse? Der Apostel begann damit, dass er den Fall aufs Engste auf sich selbst bezog. Was wäre es, wenn er, der so schön anderen gepredigt hatte, jede Sorgfalt hinsichtlich der Heiligkeit preisgeben würde? Wenn er sich nur mit seinen eigenen Gaben und denen anderer beschäftigte, würde er sich ohne Gewissen dem ausliefern, wonach das Fleisch sich sehnt. Das Ergebnis ist dann völliger Ruin. Selbst wenn es sich um Paulus handelte – er wäre ein Schiffbrüchiger oder Verworfener, d. h. verwerflich in den Augen Gottes. Dieses Wort wird nie benutzt, um bloß den Verlust einer Belohnung aufzuzeigen, sondern für die uneingeschränkte Verwerfung eines Menschen selbst. Danach wandte der Apostel in Kapitel 10 den Ruin des Volkes Israel als Beispiel auf die Gefahr an, in der sich die Korinther befanden.
In unserem Abschnitt des Markusevangeliums warnte unser Herr in gleicher Weise. Er beschäftigte sich damit, dass Johannes einen Mann geringschätzig behandelt hatte, der ganz offensichtlich den Namen Christi benutzte, um Seelen zu dienen und Satan zu besiegen. Aber Johannes hatte unwissentlich das wahre Geheimnis der Kraft völlig missachtet, wenn nicht sogar verleugnet. In Wirklichkeit war es Johannes, der sich vorsehen musste, so heilig und gesegnet er auch war. Er war offensichtlich einem außerordentlich großen Irrtum verfallen. Und der Herr sprach davon ausgehend die feierlichsten Warnungen aus, die Er jemals in einer Predigt, die von Ihm überliefert wurde, verkündigt hat. Keine anderen Worte in den Evangelien stellen das ewige Verderben so klar vor unsere Blicke wie diese. Hier müssen wir vor allem das schreckliche Klagelied, wenn ich es so bezeichnen darf, über verlorene Seelen ständig in unseren Ohren erklingen hören: „Wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“ (V. 44. 46. 48). Auf der anderen Seite nutzte unser Herr diese Gelegenheit auch zur Förderung der Seinen, obwohl es sich auch dabei um eine ernste Warnung handelt. Denn beachte, dass Er, bevor Er dieses Thema abschloss, wichtige Grundsätze aufstellte, welche dieses große Problem umfassen! So wird uns gesagt: „Jeder wird mit Feuer gesalzen werden“ (V. 49). Wir müssen uns gut daran erinnern, dass die Gnade in keinster Weise diese allgemeine Prüfung jeder Seele hienieden hindert. „Jeder“, sagte Er, „wird mit Feuer gesalzen werden.“ Aber außerdem: „Jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden.“ Das sind zwei ganz verschiedene Dinge.
Kein Menschenkind kann als solches dem Gericht entgehen. Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht (Heb 9, 27). Das Gericht in der einen oder anderen Form ist das Teil unserer Rasse. Wo immer man sich den allgemeinen Weltlauf ansieht, findet man den Menschen, weil er ein Sünder ist, als Gegenstand des göttlichen Gerichts. Aber das ist bei weitem nicht die ganze Wahrheit. Es gibt hier solche, die schon in dieser Welt vom Gericht Gottes befreit sind, schon jetzt Zugang zu seiner Gunst haben und sich in der Hoffnung seiner Herrlichkeit freuen. Was ist mit diesen? Die das Wort Christi hören und an den glauben, der den Heiland gesandt hat, haben ewiges Leben und kommen nicht ins Gericht. Werden sie denn nicht auf die Probe gestellt? Aber ganz gewiss! Doch das geschieht nach einem anderen Grundsatz. „Jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden.“ Hier handelt es sich ganz offensichtlich nicht um einen sündigen Menschen, sondern um jemanden, der bei Gott angenehm ist. Deshalb wird er nicht mit Feuer gesalzen, sondern mit Salz. Keineswegs werden die Tiefen der Herzen derjenigen, die Gott angehören, nicht geprüft und erprobt, aber selbst dabei wird ihre besondere Nähe zu Ihm berücksichtigt.
Der Grundsatz gilt also ganz offensichtlich weit umfassender und betrifft jeden, sei er ein Sünder oder ein Gläubiger, so wahrhaft dieser auch Gott durch Jesus Christus, unserem Herrn, angenehm gemacht worden ist. Dabei muss man die allgemeine Handlungsweise im Gericht mit dem Menschen, mit jeder Seele als solcher, von der besonderen Verfahrensweise mit denjenigen, die Gott angehören, unterscheiden. Letztere sind Gott angenehme Schlachtopfer, da sie durch Christus auf der Grundlage seines eigenen großen Opfers bei Ihm eingeführt worden sind. Auch bei den Heiligen, obwohl es sich natürlich nicht um das Gericht Gottes handelt, muss sich die Wahrheit offenbaren. Wir finden hier den Wirkstoff, dem Gott in seiner Gnade eine bewahrende Kraft verleiht. Er mag unangenehm sein, doch er ist die bewahrende Kraft der göttlichen Gnade mit ihren heiligenden Auswirkungen. Das, denke ich, ist gemeint, wenn wir mit Salz gesalzen werden. Das Bild dieses wohlbekannten Mittels gegen Fäulnis lässt keinen Raum für die angenehmen Dinge der Natur mit ihrer Vergänglichkeit. „Salz“, sagt unser Herr, „ist gut“. Es ist keine Substanz, die nur einen Augenblick reizt und dann vergeht. Es trägt den Geschmack des Bundes Gottes in sich (3. Mose 2, 13). „Salz ist gut; wenn aber das Salz unsalzig geworden ist, womit wollt ihr es würzen?“ (V. 50). Wie verhängnisvoll ist der Verlust! Wie gefährlich jeder Rückschritt! „Habt Salz in euch selbst und seid in Frieden untereinander.“ Das heißt: Zuerst sollen wir rein sein, und danach soll der gemeinsame Friede hinzukommen, wie auch der Apostel Jakobus in seinem Brief ermahnt (Kap. 3, 18). Die Reinheit beschäftigt sich mit der Natur im Menschen und widersteht aller Verderbnis. Sie bewahrt durch die mächtige Kraft der Gnade Gottes. Darauf folgt der „Frieden untereinander“ - doch ohne die Reinheit ist er wertlos. Möchten wir doch auch diesen Frieden besitzen – jedoch nicht auf Kosten der inneren Reinheit –, indem wir Gottes Herrlichkeit richtig wertschätzen!
Das beendet also den Dienst unseres Herrn, wie mir scheint, in Verbindung mit der Verklärung. Jene Entfaltung der Macht Gottes konnte nicht anders, als eine neue und passendere Wesensart jenen aufzudrücken, die daran teilhaben dürfen.