Auf dass Er uns zu Gott führe

Rechtfertigung und Frieden mit Gott

Darum, aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden; denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten: Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle [und auf alle], die glauben. Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist; den Gott dargestellt hat als ein Sühnmittel durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist. (Röm. 3,20–26)

... der gegen Hoffnung auf Hoffnung geglaubt hat, damit er ein Vater vieler Nationen würde, nach dem, was gesagt ist: „So wird deine Nachkommenschaft° sein.“ Und nicht schwach im Glauben, sah er [nicht] seinen eigenen, schon erstorbenen Leib an, da er fast hundert Jahre alt war, und das Absterben des Mutterleibes der Sara, und zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde gestärkt im Glauben, Gott die Ehre gebend, und war der vollen Gewissheit, dass er, was er verheißen hatte, auch zu tun vermag. Darum ist es ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet worden. Es ist aber nicht allein seinetwegen geschrieben, dass es ihm zugerechnet worden ist, sondern auch unsertwegen, denen es zugerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. (Röm 4,18–25)

Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir mittels des Glaubens auch den Zugang haben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. ... Denn Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. Denn kaum wird jemand für einen Gerechten sterben; denn für den Gütigen könnte vielleicht noch jemand zu sterben wagen. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist. Viel mehr nun, da wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir durch ihn gerettet werden vom Zorn. Denn wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden. ... Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben. (Röm 5,1–2.6–11)

Wir haben uns gestern Abend damit beschäftigt, was uns Gottes Wort über die Buße, bzw. Bekehrung, und die neue Geburt sagt. Wir sahen in Apostelgeschichte 17, dass Gott die „Zeiten der Unwissenheit“ übersehen hat und jetzt alle Menschen auffordert, Buße zu tun. Wir haben uns erinnert, dass Gottes Wort unter Buße eine völlige Sinnesänderung versteht, so dass ein Mensch, der bis zu diesem Zeitpunkt Gott den Rücken zugewandt hatte, sich umdreht und nun auf Gott zugeht. Von den Thessalonichern wird gesagt, dass sie sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt hatten (1.Thess 1,9). Dasselbe sahen wir bei dem verlorenen Sohn, der zuerst von seinem Vater fortging, dann aber zurückkam, als er sich bekehrte. Die damit verbundene Sinnesänderung bedeutet, dass ein Mensch all sein Tun bis zu diesem Augenblick verurteilt, weil er dabei nicht der Autorität Rechnung getragen hat, die Gott über ihn hat und die dem Herrn Jesus zusteht, und zwar in zweifacher Hinsicht: einmal als Gott, dem Schöpfer, der ein Recht darauf hat, dass sein Geschöpf Ihm dient (Kol 1,16), und zweitens als Sohn des Menschen, der aufgrund seines Werkes von Gott zum Herrn und Christus gemacht wurde (Apg 2,36) und daher ein Recht auf die Huldigung und den Dienst aller Menschen hat. Ein Ungläubiger bedenkt das natürlich bei all seinem Tun nicht, sondern glaubt, das tun zu können, was er selbst will. Daher ist alles, was ein unbekehrter Mensch tut, nur Sünde. Er kann nichts anderes als sündigen. Erst wenn eine Sinnesänderung bei ihm stattgefunden hat, sieht er, dass er von Grund auf verderbt ist, und will nun den Rechten Gottes, den Rechten des Herrn Jesus als Schöpfer und als Herr nachkommen. Er verurteilt alles, was er bis dahin getan hat, und bringt das zum Ausdruck, indem er seine Sünden vor Gott bekennt.

In Johannes 3 sahen wir, dass Gott durch seinen Geist gleichzeitig einerseits sein Wort auf das Herz und das Gewissen des Menschen anwendet und ihn dadurch zur Bekehrung bringt und andererseits ein neues Leben in ihm wirkt, das den Charakter des Heiligen Geistes trägt. Denn „was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“ (3,6). Nur dadurch ist der Mensch fähig, zu Gott zu kommen und anzuerkennen, dass er ein verlorener Sünder ist. Ein Unbekehrter kann das niemals aus sich selbst tun. Das wird auch sehr deutlich in dem Gleichnis von dem verlorenen Sohn in Lukas 15. Zuerst sagt er: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“(V. 18.19). Unmittelbar danach lesen wir: „Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater“ (V. 20). In demselben Augenblick, als er aufstand, war er, im Bild gesprochen, bekehrt und von neuem geboren.

Es ist übrigens auch gut, dass wir deutlich sehen, dass Gott das Evangelium nur einem bekehrten Menschen verkündigen lässt. Dazu müssen wir wissen, dass das Wort „Evangelium“, das aus dem Griechischen stammt, auf Deutsch einfach „frohe Botschaft“ bedeutet. Nun, Gott verkündigt das Evangelium als eine frohe Botschaft niemals einem Menschen, der nicht bekehrt ist, der also seine Sünden nicht sieht und sich nicht aufmacht, um zu Gott zu gehen und sich da anzuklagen. Gott sagt niemals zu einem gleichgültigen Menschen, der nicht bekennen will, dass er ein Sünder ist: Ich habe meinen Sohn für dich hingegeben. Ich habe eine frohe Botschaft für dich. Du kannst gerettet werden. Das erste, was Gott einem Menschen sagt, ist: Du bist verloren, du bist mein Feind. Ich werde dich einmal in die ewige Verdammnis werfen, wenn du dich nicht bekehrst“, das ist der gerechte Lohn für deine Taten. Kann man sagen, dass so etwas eine frohe Botschaft ist? Dennoch ist es unbedingt notwendig, dass Gott einem Menschen das zuerst vorstellt. Darum beginnt ein Evangelist auch damit, die Menschen darauf hinzuweisen, was ihre Zukunft sein wird, wenn sie sich nicht bekehren. Und demjenigen, der sieht, dass er verloren ist, der sich bekehrt und seine Sünden vor Gott bekennt, lässt Gott dann das Evangelium verkündigen. Einem solchen Menschen sagt Gott: Ich habe eine frohe Botschaft für dich. Ich habe für Sünder wie dich meinen Sohn gesandt, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe (Joh 3,16).

Ich habe absichtlich so ausführlich darüber gesprochen, weil viele Gläubige nicht deutlich sehen, was die Bekehrung ist. Häufig wird im Blick auf eine Evangelisation gesagt, dass dieser und jener sich bekehrt haben, doch in Wirklichkeit meint man, dass eine bestimmte Person die Gewissheit erhalten hat, dass ihre Sünden vergeben sind. Doch das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Die Gewissheit der Sündenvergebung ist ein weiterer Schritt, der auf die Bekehrung folgt. Deshalb möchte ich heute Abend über zwei Dinge sprechen, die sehr viel weiter gehen als die Bekehrung: Rechtfertigung und Frieden mit Gott.

Wir haben in Römer 3,20 gelesen: „Aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden“, und dann weiter in den Versen 21 und 22: „Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart worden ... Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle und auf alle, die da glauben.“ Im Evangelium, der frohen Botschaft, wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart. Sie kommt in der Predigt zu allen Menschen und wird, wenn ich so sagen darf, allen Menschen angeboten; aber sie kommt nur auf alle, die glauben. Etwas Ähnliches lesen wir in 1.Timotheus 2,4–6: Gott, unser Heiland, „will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn Gott ist einer, und einer Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab zum Lösegeld für alle.“ Der griechische Ausdruck (antílytron hypér), der hier gebraucht wird, besagt, dass das Lösegeld für alle bereit ist und dass jeder daran teilhaben kann, aber dass man erst dann daran teilhat, wenn man es annimmt. Ein Bild kann uns das verdeutlichen. Ein reicher Gläubiger sagte zu seinen Pächtern: Wenn ihr Schulden habt, kommt zu mir. Ich werde sie alle bezahlen. Er hatte auf einer Bank eine größere Summe hinterlegt, und damit sollten die Schulden all derer beglichen werden, die mit ihren Schuldscheinen kamen. Das Geld lag für alle bereit, aber jeder musste kommen und seinen Schuldschein vorlegen. Die Schulden derer, die nicht kamen, blieben bestehen. Die Gerechtigkeit Gottes, die im Evangelium offenbart wird, ist eine Gerechtigkeit durch Glauben an Jesus Christus. Sie ist „gegen alle“, bzw. sie kommt „zu allen“, aber sie kommt nur „auf alle“, die glauben (Röm 3,22). Gottes Gerechtigkeit wird allen angeboten; aber nur die, die sie annehmen, erhalten Teil daran.

Was ist nun diese Gerechtigkeit Gottes? Wir haben gelesen, dass aus Gesetzeswerken kein Fleisch vor Gott gerechtfertigt wird. Das eine ist klar: Gerechtigkeit ist keine Gnade. Gerecht zu sein bedeutet: Nicht etwas aus Gnade geben, sondern nach Recht. Hier steht nun, dass Gottes Gerechtigkeit im Evangelium offenbart wird. Ist die Ursache für diese Gerechtigkeit vielleicht, dass die Menschen etwas Gutes getan hätten? Nein, denn in Römer 5 haben wir gelesen, dass der Mensch kraftlos ist, ein Sünder, ein Feind Gottes, dass er nichts Gutes tut und keine Kraft hat, sich zu ändern oder zu bessern, so dass der Mensch nur aus Gnade errettet werden kann.

Rechtfertigung geht viel weiter als nur durch Gnade gerettet zu werden. Ich möchte das veranschaulichen durch ein Beispiel aus dem Alten Testament, und zwar aus 2. Mose 12. Wir lesen dort, dass Gott ankündigt, dass Er durch Ägypten gehen und jeden Erstgeborenen töten würde. Doch dort, wo das Blut an die Türpfosten gestrichen war, wollte Gott vorbeigehen. Versetzen wir uns jetzt einmal in die Lage eines solchen erstgeborenen Israeliten, der dort zu Hause war. Wenn er Gott glaubte, wusste er, dass es für ihn kein Gericht gab, denn Gott hatte ja gesagt, dass Er dort vorübergehen wollte, wo Er das Blut sah. Wenn dieser Erstgeborene an Gott dachte, dachte er an Ihn als den furchtbaren Richter, der in dieser Nacht durch Ägypten gehen würde. Nur das Blut schützte ihn vor diesem Gott. Gott war ein Richter und er ein Erstgeborener – nur das Blut konnte ihn vor dem gerechten Gericht Gottes schützen. Dieser Erstgeborene war sicher vor dem Gericht Gottes, doch das ist noch nicht dasselbe wie gerechtfertigt zu sein.

In den letzten Wochen ist in Holland sehr viel über die Freilassung von drei SS-Männern gesprochen worden, die während des Krieges in Holland vieles Schreckliche verübt haben und seinerzeit vom Gericht verurteilt worden sind. Die Königin in Holland kann sie begnadigen, doch wenn sie jetzt freigelassen würden, würden sie nicht als Schuldlose freigelassen, sondern als Begnadigte. Wer schuldig ist, kann Gnade erfahren, so dass er nicht mehr bestraft wird, doch auch das ist noch keine Rechtfertigung. Noch ein anderes Beispiel: Ich war einmal in einen Autounfall verwickelt und kam vor Gericht. Der Richter untersuchte die ganze Angelegenheit und stellte schließlich fest: Sie haben keine Schuld, Sie können frei nach Hause gehen. Das war keine Gnade, sondern Gerechtigkeit. Ich war gerechtfertigt, weil der Richter sagte: Sie sind schuldlos und verdienen keine Strafe. Das ist der Unterschied zwischen Rechtfertigung und Gnade. Wenn Gott die Sünden eines Sünders vergibt, so ist das Gnade. Wir haben an den vergangenen Abenden gesehen, was der Mensch ist, wie er durch und durch verderbt ist und all sein Denken und Tun nur böse ist den ganzen Tag. Als Geschöpf hatte er die Pflicht, Gott zu dienen. Kolosser 1,16 sagt uns ja, dass der Herr Jesus alles für sich erschaffen hat, und aus 5. Mose 6 wissen wir, dass Gott von dem Menschen fordert, dass er Ihn liebe mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Gott hat als Schöpfer ein Recht darauf. Wenn dann Gott einem Menschen die Sünden vergibt, ist das nur Gnade. Doch hier in Römer 3 heißt es, dass in dem Evangelium Gottes Gerechtigkeit offenbart wird, und gestern Abend haben wir in 1. Johannes 1,9 gelesen: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er (Gott) treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ Wir können aufgrund des Wortes Gottes sogar sagen, dass, wenn ein Sünder zu Gott kommt und seine Sünde und Schuld vor Ihm bekennt und sich auf das Werk des Herrn Jesus beruft, Gott, mit Ehrfurcht gesagt, ungerecht wäre, wenn Er ihm nicht vergeben würde.

Vor einiger Zeit fuhr ich in einem Bus. Neben mir saß eine Dame. Als wir in die Nähe eines Flusses kamen, fragte ich meine Nachbarin: Wenn nun ein Unglück geschieht und der Bus ins Wasser stürzt und wir ertrinken – wissen Sie, wo Sie dann hingehen? Sie sagte: Ich hoffe, in den Himmel. Darauf entgegnete ich: Ich weiß, dass ich dahin gehe. Doch warum hoffen Sie das? Darauf antwortete sie: Ich möchte nicht gerne verloren gehen. Ich fragte weiter: Haben Sie gesehen, dass Sie ein verlorener Sünder sind? Sie bejahte diese Frage. Ich fuhr fort: Haben Sie Ihre Sünden schon vor Gott bekannt? Sie antwortete: Das habe ich schon oft getan. Ich merkte an ihrer Stimme, dass sie wirklich aufrichtig war. Nun fragte ich weiter: Glauben Sie, dass die Bibel Gottes Wort ist? Ja, gab sie zur Antwort. Ich zog ein Neues Testament aus der Tasche und sagte: Sie glauben also jedes Wort, das darin steht? Wiederum bejahte sie. Darauf las ich den soeben zitierten Vers aus 1. Johannes 1,9 vor. So, sagte ich, nun gibt es nur drei Möglichkeiten. Entweder sagen Sie nicht die Wahrheit und haben niemals aufrichtig Ihre Sünden vor Gott bekannt, oder aber Gott sagt nicht die Wahrheit. Da Sie aber das erste bejahen und Gott nicht lügt, ist das, was ich gelesen habe, wahr. So bleibt nur die letzte Möglichkeit: Ihre Sünden sind vergeben, aber Sie glauben nicht, dass Gott die Wahrheit spricht. Sie hatte nicht den Mut, darauf zu antworten, doch später hörte ich von anderen, die sie kannten, dass sie seitdem glücklich im Herrn war.

Gott ist gerecht, dass Er die Sünden vergibt, wenn jemand sie bekennt. Das Ergebnis der Gerechtigkeit Gottes ist, wie wir in Römer 4 und 5 gelesen haben, dass wir gerechtfertigt sind und Frieden mit Gott haben. Der erstgeborene Israelit, von dem ich vorhin sprach, der zu Hause war und wusste, dass Gott ihn nicht töten würde, weil das Blut zwischen ihm und Gott war, hatte keinen Frieden mit Gott. Wenn er an Gott dachte, hatte er nur Angst, weil er wusste, dass er ein Erstgeborener war und Gott der Richter, der alle Erstgeborenen töten wollte. Nur das Blut beschirmte ihn vor der Rache Gottes. Das ist aber kein Frieden mit Gott. Wenn ich Frieden mit Gott habe, weiß ich, dass nichts mehr zwischen mir und Gott steht, ja noch mehr, dass ich durch den Glauben Zugang habe zu dieser Gnade (oder, wie die Fußnote sagt: Gunst) in welcher ich stehe (Röm 5,2). Wer also Frieden mit Gott hat, weiß, dass er in der Gunst Gottes steht, und rühmt sich der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes.

Doch auf welche Weise werden wir nun gerechtfertigt, und was ist die Gerechtigkeit Gottes, über die hier gesprochen wird? Oft hört man in der Christenheit, selbst von wahren Gläubigen, dass es die Gerechtigkeit sei, die der Herr Jesus in seinem Leben auf der Erde erworben hat, indem Er das Gesetz hielt. Wenn das so wäre, wäre es nicht die Gerechtigkeit Gottes, denn der Herr Jesus hat nicht als Gott das Gesetz erfüllt! Zweifellos hat Er das ganze Gesetz gehalten und hat alles in vollkommener Weise getan, was der Mensch tun sollte. Er hat, geboren als Jude – ich sage ausdrücklich als Jude, denn Er war aus Juda, aus dem Volk Israel – das Gesetz erfüllt. Er brauchte nicht zu sterben, denn Er hat niemals ein einziges Gebot übertreten. Doch wenn das die Gerechtigkeit wäre, die uns zugerechnet wird, wäre es immer noch eine menschliche Gerechtigkeit und nicht die Gerechtigkeit Gottes. Und könnte die Gerechtigkeit eines Menschen mir, der ich ein Sünder bin, helfen? Könnte eine Gerechtigkeit, die aus dem Halten des Gesetzes hervorgekommen ist, meine Sünden hinwegnehmen? Das würde in völligem Widerspruch zu dem Gesetz stehen! Der Grundsatz des Gesetzes war, dass, wenn jemand ein einziges Gebot übertrat, er des ganzen Gesetzes schuldig geworden war (vgl. Jak 2,10). Die Gerechtigkeit Gottes kann also nicht die praktische Gerechtigkeit des Herrn Jesus als Israelit auf Erden sein, indem Er das Gesetz erfüllte. Was sagt das Wort Gottes über die Gerechtigkeit Gottes? Wir finden einen deutlichen Hinweis in Johannes 16, 8–10, nachdem der Herr Jesus in Vers 7 angekündigt hatte, dass der Sachwalter, der Heilige Geist, kommen würde: „Und wenn er gekommen ist, wird er die Welt überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht. Von Sünde, weil sie nicht an mich glauben; von Gerechtigkeit aber, weil ich zu meinem Vater gehe, und ihr mich nicht mehr seht.“

Wieso war es die Gerechtigkeit Gottes, von der der Heilige Geist die Welt überführen würde, dass der Herr Jesus zu seinem Vater ging? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir einige Kapitel zurückgehen in diesem Evangelium und sehen, was Gottes Wort über das Werk des Herrn Jesus am Kreuz sagt. Wir lesen dort in Johannes 13, 31+32, dass der Herr Jesus sagt: „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm. Wenn Gott verherrlicht ist in ihm, so wird auch Gott ihn verherrlichen in sich selbst, und sogleich wird er ihn verherrlichen.“ Hier steht, dass der Herr Jesus als Sohn des Menschen Gott verherrlicht hat, und zwar auf dem Kreuz. Wir lesen aber auch, dass Gott Ihn als Sohn des Menschen verherrlicht hat. Das ist die ganze Tragweite des Werkes, das der Herr Jesus auf dem Kreuz vollbracht hat. In Philipper 2,8 lesen wir, dass der Herr gehorsam war bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuz. Dort wurde offenbar, wie weit sein Gehorsam ging. Er hatte immer getan, was Gott wohlgefällig war, und konnte in aller Gerechtigkeit Gott fragen: „Warum hast du mich verlassen?“ Denn es war doch sein Wohlgefallen und seine Speise gewesen, den Willen Dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte (Joh 4,34). Er hatte das Gesetz erfüllt, durch welches der Mensch, wenn er es tut, leben sollte (3. Mo 18,5). Der Herr Jesus hatte daher als Mensch auf Erden ein Recht zu leben. Ich spreche jetzt nicht über Ihn als Gott, den Sohn; als solcher hatte Er natürlich das Leben in Sich selbst. Doch Er nennt Sich selbst auch Sohn des Menschen. Und Er war so gehorsam, dass Er, der ein Recht darauf hatte zu leben, freiwillig in den Tod ging, weil das der Wille Gottes war. Er, der die Sünde nicht kannte, ließ zu, dass Gott Ihn zur Sünde machte (2. Kor 5,21), Ihn, das Heilige – wie Ihn der Engel in Lukas 1,35 nennt –, und dass Gott alle meine Sünden und die Sünden all derer, die an Ihn glauben würden, auf Ihn legte. Für all das trug Er das Gericht Gottes.

Und in diesen Augenblicken, als der Herr Jesus am Kreuz hing, als Gott alle unsere Milliarden von Sünden auf Ihn legte und Ihn zur Sünde machte – weshalb Gott sein Antlitz vor Ihm verbergen musste –, hat Er Gott offenbart, wie Gott niemals sonst offenbart worden ist. Das geschah gerade in dem Augenblick, als Er rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46; Ps 22,1). Weiter lesen wir in Psalm 22,15: „In den Staub des Todes legst du mich.“ Dort hing Er als der Sohn des Menschen am Kreuz, erhöht von der Erde, wie Johannes 3 sagt. Die Menschen verstießen Ihn und drückten eigentlich mit der Tatsache, dass sie Ihn von der Erde an das Kreuz erhöhten, aus: Kehre dorthin zurück, von woher Du gekommen bist! Doch in demselben Augenblick schloss sich der Himmel über Ihm und hing der Herr gleichsam zwischen Himmel und Erde. Die religiöse und die politische Welt unter der Führung Satans hatten Ihn verworfen, Satan selbst mit all seinen Dämonen stürmte auf Ihn ein. Der Himmel schloss sich über Ihm, der Zorn Gottes ruhte auf Ihm. Allein hing Er dort im Weltall. Doch gerade in diesen Augenblicken hat Er Gott offenbart, wie Gott niemals offenbart worden ist. Er bewies, dass das Wort Gottes Wahrheit ist, was Gott zu dem Menschen gesprochen hatte: Wenn du von der Frucht des verbotenen Baumes issest, wirst du gewisslich sterben (1.Mo 2). Er trug dort auf dem Kreuz den Lohn für meine Sünden. Gott legte Ihn in den Staub des Todes. Niemals ist so deutlich geworden, wie heilig Gott ist, wie in dem Augenblick, als der Herr Jesus ausrufen musste: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Niemals sonst wurde so sichtbar, wie gerecht Gott ist, denn der Herr musste das volle Gericht über die Sünde tragen. Das Kreuz machte vollkommen klar, welche Unwahrheit es war, als Satan die Frage aufwarf, ob Gott den Menschen wirklich liebe. Das Kreuz ist der vollkommene Beweis, dass Gott sündige Menschen, ja, seine Feinde, so liebte, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe (Joh 3, 16). Ja, Gott erweist seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist (Röm 5,8).

Und das Wunderbare ist, dass es ein Mensch war, der dieses Werk auf dem Kreuz vollbracht hat. Es war der Mensch Christus Jesus, der Sohn des Menschen, wie wir in Johannes 13,31 gelesen haben. Welch eine Ehre für den Sohn des Menschen! Der Mensch hatte Gott entehrt, und ein Mensch, der Sohn des Menschen, der Erbe aller Verheißungen, die Gott dem Menschen gegeben hatte, hat Gott so verherrlicht, wie Er niemals verherrlicht worden war und auch niemals wieder verherrlicht werden wird. Auf dem Kreuz wurde Gott vollkommen offenbart in allem, was Er ist. Und wenn Gott offenbart wird, so wird Er auch verherrlicht. So konnte der Herr Jesus sagen: Gott ist verherrlicht in dem Sohn des Menschen. Bis dahin hatte Gott auf der Erde immer nur Menschen gesehen, die sich gegen Ihn stellten, Ihm den Rücken zuwandten und ungehorsam waren; Menschen, die sich selbst zu Sklaven Satans, des großen Feindes Gottes, gemacht hatten und die gesamte Erde, über die Gott den Menschen als seinen Verwalter gestellt hatte, mitrissen in die Gefangenschaft unter die Macht Satans, so dass Satan der Fürst dieser Welt wurde (Joh 12,31). Seit dem Kreuz, als die Menschen lieber Satan wählten als den Schöpfer, nennt Gottes Wort den Teufel sogar den „Gott dieser Welt“ (2. Kor 4,4).

Dort am Kreuz hat ein Mensch, der Sohn des Menschen, Gott mehr verherrlicht, als alle anderen Menschen Ihn zusammen entehrt hatten. Gott ist, mit Ehrfurcht gesagt, jetzt so offenbart und damit so verherrlicht worden, wie Er niemals hätte verherrlicht werden können, wenn die Sünde nicht in die Welt gekommen wäre und der Sohn nicht an das Kreuz gegangen wäre. Hätte Gottes Liebe, wenn Adam nicht gesündigt hätte, jemals so offenbart werden können, wie sie jetzt am Kreuz offenbart wurde? Sicher, Gott hatte Adam lieb, Er hatte Adam gesegnet; jetzt aber wissen wir, dass Gottes Liebe so groß war, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab für Menschen, und zwar für Menschen, die seine Feinde, Gottlose und Sünder waren. Diese Menschen hatten nur das Gericht verdient, denn sie hatten seinen Sohn ans Kreuz gebracht und Ihn, soweit ihnen das möglich war, ermordet. Und gerade diesen Menschen hat Gott seine Liebe offenbart, und zwar durch einen Menschen. Aufgrund dieses Werkes kann Gott jetzt Menschen Gnade erweisen.

In Johannes 13,32 sagt der Herr: „Wenn Gott verherrlicht ist in ihm, so wird auch Gott ihn verherrlichen in sich selbst, und sogleich wird er ihn verherrlichen.“ Einige Kapitel weiter hören wir, wie der Herr Jesus mit seinem Vater spricht und sagt: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde; das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte. Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“ (Joh 17,4.5). Hier bittet der Herr den Vater, Ihm eine Belohnung zu geben, weil Er Gott so verherrlicht hat. Diese Belohnung sollte darin bestehen, dass Gott Ihm als Menschen, als Sohn des Menschen, die Herrlichkeit gab, die Er als Gott, der Sohn, von Ewigkeit her hatte. Und dann war es die Gerechtigkeit Gottes, die Ihn verherrlichte und Ihm den Platz zur Rechten Gottes gab. Wir haben in Kapitel 16 gelesen, dass es der Beweis der Gerechtigkeit Gottes war, dass der Herr zu seinem Vater ging und der Heilige Geist der Welt bezeugen würde, dass Gott den Herrn Jesus aus den Toten auferweckt und Ihm einen Platz zu seiner Rechten gegeben hat (Joh 16,10).

Nun möchte ich noch etwas dazu sagen, dass Gottes Gerechtigkeit im Evangelium offenbart wird, wie wir in Römer 3 und 4 gelesen haben, eine Gerechtigkeit, die jedem Sünder angeboten wird, die aber nur auf solche kommt, die die Gnade annehmen und an den Herrn Jesus glauben. In dem letzten Teil des vierten Kapitels wird uns an dem Beispiel Abrahams gezeigt, wie die Gerechtigkeit Gottes das Teil eines Menschen wird. Gott hatte Abraham gesagt, dass er einen Sohn bekommen würde, was, menschlich gesprochen, unmöglich war, denn sein eigener Leib war schon erstorben, da er fast hundert Jahre alt war, und auch der Mutterleib Saras war abgestorben (V. 19). Doch Abraham glaubte dem Gott, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre; der wider Hoffnung auf Hoffnung geglaubt hat“ (V. 17.18). Auch wenn Abraham nicht verstand, was Gott ihm sagte, da so etwas noch nie geschehen war und, menschlich gesprochen, unmöglich war, glaubte er Gott trotzdem. Sein Glaube wurde bestätigt, indem Gott ihm das gab, was Er verheißen hatte. Doch noch mehr, dieser Glaube Abrahams wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet (V. 22).

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf das erwähnte Gespräch mit der Dame im Bus zurückkommen. Diese Frau anerkannte, dass das Wort in 1. Johannes 1,9 Gottes Wort ist: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ Sie hatte, wie sie selbst sagte, ihre Sünden oft vor Gott bekannt. Aber sie glaubte nicht, dass ihre Sünden vergeben waren. War das eine Ehre für Gott? Ist es eine Ehre für mich, wenn ich jemandem etwas erzähle, aber er glaubt mir nicht? Ist es nicht vielmehr eine Schande für mich, eine Beleidigung? In Wirklichkeit sagt diese Person doch damit: Man kann dem, was du sagst, nicht vertrauen. Wenn mich diese Person als jemanden betrachtete, der immer die Wahrheit sagt, würde sie meinen Worten nicht unbedingt Glauben schenken? Wenn Gott nun sagt, dass Er treu und gerecht ist, mir meine Sünden zu vergeben, wenn ich sie bekenne, ich aber Gott nicht glaube, ist es dasselbe, als wenn ich sagen würde: Man kann Gott nicht vertrauen, sein Wort ist nicht immer wahr. Ich kann Gott nur dadurch ehren, dass ich unbedingt glaube, was Er sagt. Das ist der Beweis, dass sein Wort für mich Wahrheit ist.

In diesem Zusammenhang denke ich an eine kleine Geschichte, die von Napoleon erzählt wird. Als Napoleon eines Tages seine Armee inspizierte, verlor er plötzlich die Gewalt über sein Pferd. Ein Soldat sprang zu, griff die Zügel und brachte das Tier zum Stehen. Darauf sagte Napoleon zu ihm: Ich danke Ihnen, Herr Hauptmann. Der Soldat entgegnete: Danke, Sire, ging zurück und stellte sich zu den Offizieren. Diese wehrten ihm mit den Worten: Was wollen Sie hier? Gehen Sie zurück in Ihre Reihe. Nein, sagte der Soldat, ich bin Hauptmann, der Kaiser hat es gesagt. Das Wort des Kaisers genügte ihm.

So war es auch hier bei Abraham. Er glaubte den Worten Gottes, auch wenn das, was Gott sagte, menschlich gesprochen, unmöglich war und er es nicht verstand. Damit ehrte er Gott, und Gott rechnete ihm diesen Glauben zur Gerechtigkeit. Gott sagte mit anderen Worten: Du bist gerecht, weil du mir glaubst und mich dadurch verherrlichst.

Dieser Grundsatz wird in Römer 4 auf Menschen übertragen, die mit ihrer Sünde und Schuld im Glauben an das Werk des Herrn Jesus zu Gott kommen. In den Versen 23–25 lesen wir: „Es ist aber nicht allein seinetwegen (also Abrahams wegen) geschrieben, dass es ihm zugerechnet worden ist, sondern auch unseretwegen, denen es zugerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist.“ Der Herr Jesus hat meine Sünden an seinem Leib getragen (1. Petr 2,24). Als Er dort am Kreuz hing und meine Sünden trug, forderte die Gerechtigkeit Gottes, dass Er gerichtet wurde und starb, denn der Lohn der Sünde ist der Tod (Röm 6,23). Er ist also, um es einmal so auszudrücken, mit meinen Sünden beladen gestorben. Er hat für mich bezahlt. Gott würde ungerecht sein, wenn Er eine Sünde zweimal bestrafen würde. Das tut kein gerechter Richter, und Gott erst recht nicht. Doch wie konnte ich wissen, dass ich frei bin, wenn der Herr Jesus im Gericht über meine Sünden gestorben ist?

Wenn der Lohn der Sünde der Tod ist, kann ich erst sicher sein, dass ich frei bin von dem Gericht, wenn der Herr Jesus nicht mehr im Tod ist. Solange Er im Tod war, trug Er noch immer das Gericht über meine Sünden, und so lange war ich nicht frei (Röm 4,25). Doch nun kommt der Wendepunkt. Gott selbst hat Ihn aus den Toten auferweckt. Dieselbe Gerechtigkeit, die forderte, dass Er, als Er an meiner Stelle am Kreuz hing und meine Sünden trug, geschlagen wurde und starb, dieselbe Gerechtigkeit forderte jetzt, dass Gott Ihn aus den Toten auferweckte. Er hatte ja den Preis bezahlt und noch mehr als das.

Wir sehen im Bild beim Schuldopfer in 3. Mose 5, dass Er mehr bezahlt hat, als der Mensch geraubt hatte. Es heißt dort, dass jeder, der Gott oder Menschen etwas geraubt oder vorenthalten hatte, nicht nur alles zurückzahlen musste, sondern noch ein Fünftel hinzu. Das hat der Herr am Kreuz getan. Er klagt in Psalm 69,4: „Was ich nicht geraubt habe, muss ich alsdann erstatten.“ Er hat nicht nur die Ehre Gottes wiederhergestellt, sondern Ihn auch verherrlicht, wie Er zuvor und nachher nie wieder verherrlicht worden ist. Der Herr hat tatsächlich viel mehr zurückgezahlt, als wir geraubt hatten. So forderte auch die Gerechtigkeit Gottes, dass die Bitte des Herrn Jesus als Sohn in Johannes 17,5: „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“, erhört wurde. Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt und Ihm als Menschen einen Platz zu seiner Rechten und die Herrlichkeit gegeben, die Er als Gott, der Sohn, von Ewigkeit besaß. Danach hat der Herr Jesus als Mensch den Heiligen Geist auf diese Erde gesandt. Die Anwesenheit des Heiligen Geistes hier auf der Erde ist der Beweis, dass der Herr Jesus aus den Toten auferweckt ist und einen Platz zur Rechten Gottes hat, denn es ist der verherrlichte Mensch im Himmel, der den Heiligen Geist gesandt hat. Darin sehen wir die Gerechtigkeit Gottes.

Wie war es nun möglich, dass wir an dieser Gerechtigkeit teilhaben konnten? Wir haben in Kapitel 4,25 gelesen, dass der Herr Jesus unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. Ich wiederhole, was 1. Petrus 2,24 sagt: „Welcher selbst unsere Sünden an (oder: in) seinem Leib auf dem Holz getragen hat.“ Trug der Herr Jesus unsere Sünden noch, als Er aus den Toten auferweckt wurde? Oder trägt Er sie jetzt noch zur Rechten des Vaters in der Herrlichkeit? Nein, das ist unmöglich. Der Herr Jesus hat die Sünden auf dem Kreuz getragen und ist dafür gestorben; sie sind auf ewig weggetan. Als Er auferweckt wurde und in die Herrlichkeit ging, lagen die Sünden nicht mehr auf Ihm. Die Auferweckung ist der Beweis von selten Gottes für uns, dass das Werk vollkommen vollbracht ist und dass Gott völlig befriedigt ist.

Deshalb kann der Heilige Geist auch, wenn ein verlorener Sünder zu Gott kommt und Ihn um Vergebung anruft, auf die Tatsache hinweisen, dass das Grab leer ist und dass der Herr Jesus in der Herrlichkeit zur Rechten Gottes ist. Gott selbst hat Ihn aus den Toten auferweckt als Beweis, dass Er vollkommen im Blick auf die Sünde befriedigt ist. Gott kann jetzt zu jedem sagen, der zu Ihm kommt, und der Heilige Geist bezeugt es ihm: Der Herr Jesus ist für dich dort am Kreuz gestorben. Wenn du teil an Ihm hast, hat Er deine Sünden im Gericht getragen und ist Gott im Blick auf deine Sünden vollkommen befriedigt. Das bedeutet also: Wenn ich teil an dem Herrn Jesus habe, sieht Gott keine Sünde mehr an mir, denn meine Sünden sind von mir weggenommen und auf den Herrn Jesus gelegt worden. Er hat das Gericht über sie getragen. Wenn ich teilhabe an dem Werk des Herrn Jesus, bedeutet das nicht nur, dass Gott mir meine Sünden vergibt, sondern auch, dass Er sie überhaupt nicht mehr sieht. Sie sind für ewig vor seinen Augen weggetan. Gott sieht jeden, der im Glauben an die Person und das Werk des Herrn Jesus zu Ihm kommt, ohne Sünde, ja so, als habe er nie eine Sünde getan. Das ist Rechtfertigung.

Das entspricht dem, was der Hebräerbrief über die Kraft des Werkes des Herrn Jesus sagt: „Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“ (Hebr 10,14). Das griechische Wort für „immerdar“ bedeutet zugleich „ununterbrochen“.

Sobald jemand teilhat an dem Werk des Herrn Jesus, sieht Gott niemals mehr, auch nicht für einen einzigen Augenblick, eine Sünde an ihm. Der Herr Jesus hat alle meine Sünden getragen; nicht nur die Sünden, die ich getan habe bis zum Zeitpunkt meiner Bekehrung, sondern auch die von meiner Bekehrung an bis zum heutigen Tage und selbst die, die ich, wenn der Herr noch nicht bald kommt oder mich zu sich nimmt, tun werde. Als der Herr Jesus vor 1900 Jahren für alle meine Sünden das Gericht trug, waren sie alle noch zukünftig.

Wenn Er sie nicht alle getragen hätte, wäre ich für ewig verloren. Doch Gott kannte meine Sünden, Er, der, wie Psalm 139 sagt, meine Gedanken von ferne versteht und, wie wir in Jesaja 46 lesen, von Anfang an das Ende verkündet. Auch der Herr Jesus kannte alle meine Sünden. Im Vorbild von 3. Mose 16, dem großen Versöhnungstag, sehen wir, wie der Herr Jesus am Kreuz alle meine Sünden vor Gott bekannt hat (V. 21). Er hat keine ausgelassen und für alle das Gericht getragen. Das ist es, was uns der Hebräerbrief lehrt: Die Frage der Sünde ist endgültig zwischen Gott und mir geordnet, und Gott sieht bei den seinen niemals mehr eine Sünde. 1

Nun, wenn ich wirklich Gott in seinem Wort glaube, dass das Werk des Herrn Jesus die Gerechtigkeit Gottes vollkommen befriedigt hat, dann habe ich Frieden mit Gott; dann weiß ich, dass Gott nichts mehr gegen mich hat. Wie kann ich annehmen, dass Gott noch mein Gegner ist, wenn Er mir eindeutig versichert, dass Er keine Sünde mehr an mir sieht und dass ich schuldlos bin? Nein, dann habe ich Frieden mit Gott. Dieser Friede ist schon längst verkündigt worden. In Epheser 2 lesen wir, dass der Herr Jesus gekommen ist und Frieden verkündigt hat den Fernen und den Nahen. Er tut das auch heute noch durch seine Diener. Doch die Tatsache, dass Er Frieden verkündigen lässt, bedeutet noch nicht, dass ich diesen Frieden habe.

Dazu ein Beispiel: Ich hörte, dass vor etwa dreißig Jahren, nach Beendigung des letzten Weltkrieges, auf einer Insel im Stillen Ozean einige japanische Soldaten immer noch im Kriegszustand lebten. Sie stellten beständig Wachen auf und waren ununterbrochen kampfbereit. Wären irgendwelche Amerikaner gekommen, so hätten diese Soldaten sie sicherlich niedergeschossen. Obwohl der Friede zwischen Amerika und Japan längst geschlossen war, hatten diese Soldaten noch keinen Frieden, weil sie nicht wussten, dass der Friede bereits geschlossen war.

Um Frieden mit Gott zu haben, muss man sich dieses Friedens bewusst sein. Es ist unmöglich, diesen Frieden zu haben und nichts davon zu wissen. Ich habe erst dann Frieden mit Gott, wenn ich mir bewusst bin, dass Gott nichts mehr gegen mich hat und dass ich vielmehr in seiner Gunst stehe. Frieden mit Gott zu haben, ohne es zu wissen, ist ein Widerspruch in sich selbst. Ich kann nicht Frieden mit Gott haben, wenn ich gleichzeitig Angst davor habe, dass Gott noch etwas gegen mich hat. In dem Fall glaube ich nicht, dass Gott nichts mehr gegen mich hat.

Noch ein Beispiel dazu: Gesetzt den Fall, ich hätte Schulden in Höhe von 50 000 € und jemand käme zu mir und sagte zu mir: Ich bezahle diese Schulden für dich. Bin ich in demselben Augenblick frei von meinen Schulden? Natürlich nicht. Ich bin erst frei davon, wenn diese betreffende Person zu meinem Gläubiger gegangen ist und die Schulden tatsächlich bezahlt hat. Erst wenn mein Gläubiger mir bestätigt, dass meine Schuld bezahlt ist, habe ich den Beweis. Genauso verhält es sich mit dem Werk des Herrn Jesus. In dem Augenblick, als ich zu Gott kam und meine Sünden vor Ihm bekannte, sagte Gott zu mir: Wenn du dich als ein verlorener Sünder erkennst, habe ich eine frohe Botschaft für dich. Für Sünder habe ich meinen Sohn gesandt (vgl. Röm 5,8). Am Kreuz habe ich deine Sünden auf Ihn gelegt und Ihn dafür gerichtet. Und nachdem Er das Werk vollbracht hatte, habe ich Ihn aus den Toten auferweckt – der Beweis, dass die Strafe vollkommen getragen war -und Ihn in die Herrlichkeit aufgenommen.

So wird im Evangelium die Gerechtigkeit Gottes offenbart, nämlich dass Gott gerecht ist und jeden rechtfertigt, der im Glauben an den Herrn Jesus und sein Werk zu Ihm kommt. Gott ist gerecht, wenn Er meine Sünden vergibt, weil der Herr Jesus als mein Stellvertreter dort am Kreuz hing und das Gericht getragen hat.

Wenn ich nun, im Bild gesprochen, meine Hand auf das Werk des Herrn Jesus lege, wie Gott mir sagt, und mich mit Ihm einsgemacht weiß, so habe ich teil an seinem Werk, nicht nur im Blick auf meine Sünden, sondern auch im Blick darauf, dass der Herr Jesus Gott verherrlicht hat. Mit Ehrfurcht gesagt: Gott wäre ungerecht, wenn Er meine Sünden nicht vergeben würde und mich nicht an den Ergebnissen des Werkes des Herrn Jesus teilhaben lassen würde. In 2. Korinther 5,21 steht dann auch: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.“ Wir werden im Himmel die Beweise der Gerechtigkeit Gottes sein, denn Gott lässt uns, denen Er das Werk des Herrn Jesus zurechnet, an all den wunderbaren Ergebnissen dieses Werkes teilhaben. Wir sind gerechtfertigt und haben die Gerechtigkeit Gottes empfangen, nicht eine Gerechtigkeit, die der Herr Jesus als Mensch erworben hat, indem Er auf der Erde das Gesetz erfüllte, sondern die Gerechtigkeit Gottes, die darin zum Ausdruck kam, dass Er den Herrn Jesus aus den Toten auferweckte und Ihm einen Platz zu seiner Rechten gab.

Es ist die eigene, persönliche Gerechtigkeit Gottes, die uns zugerechnet wird. Als Kinder Gottes sind wir der Ausdruck seiner Gerechtigkeit, der Gerechtigkeit Gottes in dem Herrn Jesus.

Sobald ich nun Gott glaube, habe ich Frieden mit Gott. Dann weiß ich, dass Gott nichts mehr gegen mich hat, sondern vollkommen durch das Werk des Herrn Jesus befriedigt ist. Ja, noch mehr – mit großer Ehrfurcht gesagt –: Weil ich an dem Herrn Jesus teilhabe und Er sich mit mir einsgemacht hat in seinem Werk auf dem Kreuz, ist Gott es dem Herrn Jesus schuldig, dass Er meine Sünden nicht mehr sieht, sondern mir dieselbe Herrlichkeit gibt, die Er dem Herrn Jesus gegeben hat, und dass ich in derselben Gunst bei Ihm stehe wie der Herr Jesus selbst. Dann verstehen wir auch, was der Herr in Johannes 17,23 sagt, „dass du (Vater) ... sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast“. Das ist es, was wir in Römer 5,1 lesen: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch welchen wir mittels des Glaubens auch Zugang haben zu dieser Gnade [oder: Gunst], in der wir stehen.“ Wir stehen in der Gunst Gottes und „rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“. Das ist Rechtfertigung, das ist Frieden mit Gott. Aufgrund des Glaubens an Gott als Denjenigen, der den Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat, der also vollkommen durch das Werk des Herrn Jesus befriedigt ist (und das auch in seinem Wort klar gesagt hat), aufgrund dieses Glaubens habe ich Frieden mit Gott. Ich weiß, dass ich jetzt in dieser Gunst, in dieser Gnade Gottes stehe. Er sieht mich bekleidet mit der ganzen Herrlichkeit des Herrn Jesus, wie Epheser 1,6 sagt: „Angenehm gemacht in dem Geliebten.“ Und in Kolosser 1,12+13 lesen wir, dass wir fähig (oder: würdig, passend) gemacht sind „zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht“ und „versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe.“ In diese Atmosphäre der Liebe des Vaters zu seinem Sohn bin ich versetzt. Ich bin der Gegenstand der Liebe des Vaters, und zwar in derselben Weise, wie der Sohn hier auf der Erde der Gegenstand dieser Liebe war: „Auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast“ (Joh 17,23). Das ist das Resultat der Rechtfertigung: Gott sieht mich in Christo als eine neue Schöpfung, Gott sieht mich so, als hätte ich niemals eine Sünde getan, und liebt mich in derselben Weise, wie Er den Sohn geliebt hat, als dieser hier auf der Erde war.

Fußnoten

  • 1 Wenn im Hebräerbrief von Sünde gesprochen wird, ist das Abfall von Gott. Dafür gibt es keine Wiederherstellung, keine Vergebung, sondern nur ewiges Gericht (Kap. 10,26–29). Es ist Abfall von Gott, wenn jemand, der bekannt hat, ein Christ zu sein, dann ein Jude, ein Mohammedaner oder sonst irgendein Heide wird. So jemand hat das Blut des Bundes für gemein geachtet.
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