Vorträge über die Sendschreiben
Laodicäa
Es war meine Absicht, unsere Betrachtungen über die sieben Sendschreiben am vorigen Abende zu Ende zu bringen. Doch bedaure ich nicht, dass die Zeit dazu nicht ausreichte, denn ich fühle tief die Wichtigkeit dieses letzten Sendschreibens an Laodicäa, das uns noch einmal Gelegenheit geben wird, einen Rückblick zu werfen auf das, was wir an der Hand des Zeugnisses des göttlichen Wortes in Bezug auf die Ankunft des Herrn Jesu Christi bereits betrachtet haben. Wir sehen in diesem Sendschreiben, dass die Versammlung in Laodicäa mit einem endgültigen und vollständigen Gericht bedroht wird, dem zu entgehen unmöglich ist. Indessen hat das Böse in ihr noch nicht seinen höchsten Gipfelpunkt erreicht; denn in diesem Falle würde es völlig nutzlos sein, sie zu warnen. Wie an die sechs vorhergehenden Versammlungen, so wird auch an Laodicäa das Wort gerichtet als an eine Versammlung Gottes, d. h. sie befindet sich vor Gott in der Stellung eines von Ihm anerkannten Zeugnisses gegenüber der Welt; und als solche wird sie mit der Verwerfung bedroht. Dies ist im Blick auf andre Teile der heiligen Schrift von Wichtigkeit. Wir finden hier nicht die Geschichte bereits erfüllter Tatsachen, sondern es wird in warnender und drohender Weise etwas angekündigt, was sich noch vollziehen soll; das Sendschreiben trägt mithin einen prophetischen Charakter. Und in Übereinstimmung mit dem richterlichen Gepräge des ganzen Buches der Offenbarung finden wir auch in den Sendschreiben an die Versammlungen das Gericht über die bekennende Kirche, entsprechend der Stellung, welche sie vor dem Auge Gottes einnimmt. Hier möchte ich noch einmal daran erinnern, dass es sich hier nicht um das Werk der Gnade Gottes, als solches, handelt; auch ist nicht von Christo, dem Haupte des Leibes, als der Quelle der Gnade für Seine Glieder, die Rede, noch endlich von dem Werke des Geistes Gottes; denn dieses kann nie ein Gegenstand des Gerichts sein. Was hier vorgestellt wird, ist der Zustand der Kirche, welche auf dem Boden der Verantwortlichkeit vor Gott steht, sowie die daraus hervorgehenden Wege, welche Er sie in der Hoffnung auf Frucht führt.
Ferner sind diese Sendschreiben nicht an Einzelne, sondern an ganze Versammlungen gerichtet; dennoch enthalten sie vieles höchst Wichtige für jene einzelnen Personen, deren Ohr durch die Belehrung des Heiligen Geistes geöffnet ist. So sind die Verheißungen an die Einzelnen gerichtet, an den, der überwindet inmitten schwieriger Umstände; im Ganzen aber hat der Herr es mit der Gesamtheit zu tun. Es handelt sich daher nicht um die Darreichung des Geistes der Gnade von Seiten des Hauptes, noch um die Unterweisungen des Geistes der Liebe von Seiten des Vaters, der sich an die Kinder im Hause wendet; denn dieses würde voraussetzen, dass sich die Kirche in einem gesunden und Gott wohlgefälligen Zustande befände, so dass sie Anweisungen empfangen könnte, die diesem Zustande, sowie dem Zwecke, zu welchem sie in die Stellung der Kirche berufen ist, entsprächen. Das was wir in dem Sendschreiben an Laodicäa finden, lässt sich nicht auf Einzelne anwenden. Wohl können Warnungen an Einzelne in der Versammlung Gottes gerichtet werden, während „der Törichte hindurch geht und Strafe leiden wird;“ aber hier finden wir nicht einfache Warnungen, sondern es wird ein völliges Hinwegtun angekündigt, und dies kann sich nie auf die Heiligen Gottes beziehen. „Weil du lau bist und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Es ist das Hinwegtun des äußeren, bekennenden Körpers, welcher als solcher den Namen „Kirche“ trägt.
„Und dem Engel der Versammlung, die in Laodicäa ist, schreibe: Dieses sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes.“ Der Charakter, welcher Christo hier beigelegt wird, ist bemerkenswert. In den letzten drei Sendschreiben sahen wir, dass Christus, wenn man so sagen darf, jene Charakterzüge bei Seite ließ, unter welchen Er im ersten Kapitel vor unsre Augen trat, und wir fanden, dass stets eine neue und besondere Offenbarung von Ihm gegeben wurde, je nach den Umständen der Versammlung, an welche sich das Sendschreiben richtete. Es sind nicht dieselben Charakterzüge, welche Johannes im Gesicht erblickt hatte und die mit den Dingen, die er „gesehen,“ in Verbindung standen, sondern es handelt sich um „das, was ist;“ und dieses befindet sich in einem neuen Zustande, verschieden von demjenigen, in welchem es einst, in seinem ursprünglichen Verhältnisse mit Christo, war. Demzufolge wird auch Christus in einer neuen, den Bedürfnissen der Versammlung angepassten Weise geoffenbart.
In Philadelphia wurde Christus nicht unter demselben Charakter gekannt, wie in Thyatira – als „Sohn über Sein Haus;“ es mussten jener Versammlung für ihre besonderen Bedürfnisse neue Charakterzüge geoffenbart werden. Von dieser Zeit an, ja schon seit der Zeit des völligen Abweichens der Kirche von ihrer ursprünglichen Stellung wird ihr das Kommen des Herrn vor Augen gestellt. Die Heiligen konnten hinfort nicht mehr auf die Wiederherstellung der Kirche, als eines bekennenden Ganzen hoffen, und deshalb wird ihnen das Kommen des Herrn als ihre einzige Zuflucht vorgestellt, damit der treue Überrest Ihn erwarten und in Christo, wenn auch alles wich, das finden möchte, was er nötig hatte als Stützpunkt und als Gegenstand seines Vertrauens. Diejenigen, welche persönlichen Glauben an Jesum hatten, konnten dem allgemeinen Strome der Gedanken der Kirche nicht folgen; würden sie es getan haben, so hätten sie sich mit Jesabel oder mit Sardes auf eine Linie gestellt, welch letzteres den Namen hatte, dass es lebe, in Wirklichkeit aber tot war. Der Glaube bedarf einer besonderen Stütze, wenn der Gläubige vor den Versuchungen der „Synagoge Satans“ bewahrt bleiben soll. Die gewöhnliche Gnade genügt, solange sich die Kirche an ihrem richtigen Platz befindet; sobald sie denselben aber verlässt, wird eine außergewöhnliche Gnade nötig, um die Gläubigen aufrecht zu erhalten. Wo ein Jesabel-Zustand vorhanden ist, da reicht der gewöhnliche Glaube nicht aus; Christus und die Lüge können nicht zusammengehen. Auch wenn die Kirche den Namen hat, dass sie lebe, während sie tot ist, muss ich etwas Besonderes haben, um das Leben in mir zu erhalten. Mag es sich deshalb handeln um die verführerische Jesabel 1, um das verderbliche Babylon, oder um Laodicäa, das nahe daran ist, aus dem Munde des Herrn ausgespieen zu werden, so kann ich mich mit dem moralischen Zustande der Dinge nicht zufrieden geben, und ich werde einer besonderen Gnade bedürfen, die diesem Zustande entspricht, (der übrigens nur durch ein geistliches Herz richtig beurteilt wird) weil er nicht das naturgemäße Verhältnis zwischen Christus und der Versammlung, als solcher, ist. Selbstredend bedürfen wir zu allen Zeiten der erhaltenden und unterstützenden Gnade Gottes; ein jeder von uns weiß, dass wir ohne dieselbe nicht einen Schritt tun können. Wir alle haben diese Gnade nötig. Wenn aber das, was den Namen der Kirche Gottes trägt, dem Fluche nahe ist und im Begriff steht, ausgespieen zu werden, dann ist ein doppeltes Maß und ein besonderer Charakter der Gnade notwendig, um die Getreuen auf dem schmalen und oft einsamen Pfade aufrecht zu erhalten, auf dem zu wandeln sie berufen sind. Und bemerken wir hier dass, wenn die Dinge bis zu dem philadelphischen Zustande gediehen sind, wo wenig Kraft vorhanden ist, aber das Wort Christi bewahrt und Sein Name nicht verleugnet wird – dass dann die Ankunft des Herrn zum Trost der Getreuen eingeführt und mit dem bisherigen Gegenstand, der Kirche, abgebrochen wird. Denn obwohl in Laodicäa die bekennende Kirche der Form nach noch besteht, so ist sie doch endgültig verworfen, und es wird bedingungslos erklärt, dass Christus sie aus Seinem Munde ausspeien werde. Das Gericht ist noch nicht vollzogen, aber es ist gewiss und wird auch als gewiss betrachtet. Der Grund, weshalb nach Philadelphia das Kommen des Herrn nicht mehr erwähnt wird, ist der, dass jede Hoffnung für das Ganze moralisch verschwunden und alles ein Gegenstand des Gerichts geworden ist, so dass der Herr sich in Laodicäa als draußen stehend darstellt: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an.“ Wenn es noch Heilige innerhalb gibt, so kommt für sie doch das Zeugnis von draußen, d. h. von außerhalb des Schauplatzes, zu dem sie gehören. In Philadelphia beschäftigt sich der Herr nicht mehr mit den Heiligen in der Absicht, sie in einem Platze des Zeugnisses zu erhalten; denn die bekennende Kirche befand sich entweder in dem Zustande des Verderbens (Jesabel) oder in demjenigen des Todes (Sardes), so dass sie gleich der Welt gerichtet werden muss. Nur der Überrest besaß das Zeugnis, indem er das Wort des Ausharrens Christi bewahrte, und er wird getröstet durch die Zusicherung, dass Christus bald kommen werde. Bis dahin sollen die Getreuen zufrieden sein mit dem Bewusstsein, dass die Synagoge Satans alsdann erkennen würde, dass Christus sie geliebt habe.
In der Versammlung zu Philadelphia wurde der Ankunft Christi der ihr gebührende Platz gegeben. Vom Gesichtspunkt der Kirche aus kommt Christus für sie. Er sagt: „Ich komme für euch,“ und es ist die Hoffnung der Versammlung, Ihn selbst zu sehen. „I h r und i c h“, so sagt Er gleichsam, „wir müssen zusammen sein.“ Dies bildet den besonderen Charakter der Hoffnung der Kirche und ihrer vollendeten Freude. Deshalb sagt der Herr in Off 22, nachdem die ganze Prophezeiung vollendet ist: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch dieses zu bezeugen in den Versammlungen. Ich bin der glänzende Morgenstern;“ und“ sobald Er Selbst Sich so vorstellt, wird der Ruf wach: „Komm!“ 2 „Der Geist und die Braut sprechen: Komm!“ und dann antwortet Er mit der tröstlichen Versicherung: „Ja, ich komme bald!“ worauf die Versammlung wieder Ihm entgegen ruft: „Amen; komm, Herr Jesu!“
Hieraus geht deutlich hervor, dass die Ankunft des Herrn zur Aufnahme der Versammlung eine Begebenheit ist zwischen Ihm und ihr allein. Nicht so wird es mit dem Überrest Israels sein; denn um diesen in seinen Platz auf der Erde einführen zu können, ist die Ausübung des Gerichts notwendig. Und in der Tat wird das Kommen des Herrn auf die Erde von der Ausübung des Gerichts begleitet sein, indem „alle Ärgernisse und die das Gesetzlose tun, aus Seinem Reiche zusammen gelesen werden.“ Die Befreiung des Überrests Israels erfordert es, dass die Ankunft des Herrn mit der Vollziehung dieses Gerichts verbunden ist, denn es ist unmöglich, dass Israel seiner Segnungen teilhaftig werde, bevor dieses Gericht stattgefunden hat. Dies erklärt uns das Schreien nach Rache, das wir durchgehend in den Psalmen finden, wie z. B. in Psalm 94: „Du Gott der Rache, Jehova, Du Gott der Rache, brich hervor mit Deinem Glanz!“ Für uns braucht keine Rache geübt zu werden, um uns in den Genuss der Segnungen mit Christo einzuführen; Gott hat uns in jeder Hinsicht Gnade zu Teil werden lassen, und wir haben es nur mit der Gnade zu tun, Ich harre nicht auf den Herrn, damit Er komme und mich an meinen Feinden räche, sondern ich erwarte Ihn, um Ihm in der Luft entgegengerückt zu werden, Wo auch immer in der Schrift der Ruf nach Rache in Verbindung mit der Ankunft des Herrn auf der Erde sich findet, da ist es nicht die Sprache der Versammlung Gottes, sondern diejenige des Überrestes Israels. So lesen wir auch in Ps 68,23: „Auf dass du tauchest deinen Fuß in Blut, die Zunge deiner Hunde in das Blut deiner Feinde.“ Solche Gedanken beschäftigen meine Seele nicht, wenn ich an die Begegnung mit Jesu in der Luft denke. Hat mein Herz sich, durch die Gnade, der Gnade des Lammes übergeben, so stehe ich in keinerlei Verbindung mit dem, was dem Zorne des Lammes ausgesetzt sein wird. Er ist es, den ich erwarte, und zwar einzig und allein um Seiner Selbst willen. Ferner lesen wir in Jes 60,12, wo die Zeit der kommenden Segnungen Israels beschrieben wird: „Die Nation und das Königreich, die dir nicht dienen wollen, werden untergehen,“ während von dem neuen Jerusalem gesagt wird: „Die Blätter des Baumes sind zur Heilung der Nationen.“ (Off 22) Israel ist der Schauplatz der gerechten Gerichte Gottes, die Versammlung dagegen derjenige Seiner unumschränkten Gnade; und diesen Platz verlässt sie nie, denn niemals schreit sie, als Versammlung, nach Rache. Wohl wird sie die Gerechtigkeit der Rache sehen, wenn Gott das Blut derer, die gelitten haben, rächen wird, und sie wird sich freuen, dass das Verderben weggetan ist; aber ihr wahres Teil besteht darin, bei Christo zu sein. Die Erde wird durch das Gericht befreit werden; unser Teil aber ist es, dem Herrn in der Luft zu begegnen und allezeit bei Ihm zu sein.
Nachdem der Versammlung von Philadelphia das Kommen des Herrn, als das ihr zugehörige Teil, angekündigt worden ist, wird diese gesegnete Hoffnung nicht mehr erwähnt. Wir finden deshalb in dem Sendschreiben an die Versammlung in Laodicäa nichts, was sich auf die Ankunft des Herrn bezöge, wiewohl diese immer wahr bleibt; allein sie wird dieser Versammlung nicht vor Augen gestellt. Hier handelt es sich um etwas anderes; es tritt der prophetische Charakter mehr hervor, indem der Herr von dem redet, was als Gericht über Laodicäa kommen wird. Er steht im Begriff, die Kirche selbst zu richten. Indessen dürfen wir nicht vergessen, dass es stets die bekennende Kirche ist, von welcher Er redet – das, was den Platz der Kirche Gottes, als das Zeugnis für Gott in dieser Welt einnimmt. Beachten wir auch den besonderen Charakter, mit dem sich Christus hier bekleidet. Wenn die Kirche, dieses Gefäß des Zeugnisses für Gott, dem Herrn zum Ekel geworden und von Ihm beiseite gesetzt ist, dann erscheint der Herr selbst als „der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge,“ und zwar nicht so sehr in der Würde Seiner Person, so wie sie uns im ersten Kapitel beschrieben wird, sondern als der „treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes;“ Er erscheint, um den Platz dessen einzunehmen, was als Gottes Zeuge auf der Erde so ganz und gar seinen Zweck verfehlt hat.
In der Epistel des Jakobus sehen wir, dass wir (die Versammlung) nach dem Willen Gottes „eine gewisse Erstlingsfrucht Seiner Geschöpfe“ sein sollen. Diesen Platz wird die Versammlung in der wiederhergestellten Schöpfung einnehmen; doch schon jetzt ist sie berufen, ihren besonderen Platz zu haben, indem sie die Erstlinge des Geistes besitzt. Aber in ihrer Stellung des Zeugnisses betrachtet, hat sie ganz und gar gefehlt; sie hat diesen Platz der Erstlingsfrüchte Seiner Geschöpfe nicht in der Kraft des Heiligen Geistes festgehalten. Denn worin bestehen die Früchte des Geistes? „Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit.“ (Gal 5,22) Entdeckt man diese Früchte in der bekennenden Kirche? Nein; und dies ist der Beweis, dass sie nicht diese „gewisse Erstlingsfrucht“ von Gottes Geschöpfen ist; sie nimmt den Platz über dem gegenwärtigen Zustand der Schöpfung oder der sie umgebenden Welt durchaus nicht ein. Nehmen wir an, es käme jemand von China nach London. Würde er wohl jene Früchte des Geistes in der bekennenden Kirche sehen? Würde er nicht im Gegenteil überall dieselbe Habsucht, dieselbe Liebe zur Welt finden, wie in seinem Vaterlande? Er könnte mit allem Recht ausrufen: „Ich kann in China alles das tun, was auch die Christen in London (sogar wahre Christen) tun, obwohl es in London auf eine bessere und feinere Weise geschehen mag, als in meiner Heimat.“ In der Tat geschieht das, was die Namenchristen in London tun, auch in China, vielleicht mit etwas weniger Bequemlichkeit für das Fleisch, aber dem Herzen nach eben so vollständig.
Ich glaube nicht, dass die bekennende Kirche schon zu der vollen Reife des schließlichen Zustandes von Laodicäa gelangt ist; sonst würde es nutzlos sein, sie zu warnen. Gott hält noch die Zügel in Seiner Hand und gestattet nicht, dass das Böse sich in seiner vollendeten Gestalt entfalte. Dem Grundsatze nach war das Böse eben so gut in Ephesus vorhanden, sobald die Versammlung ihre erste Liebe verlassen hatte; aber wir sehen es erst in seiner völligen Entfaltung in dem Zustande von Laodicäa, wenn Christus das Ganze aus Seinem Munde ausspeit. Doch ich erinnere noch einmal daran, dass es die bekennende Kirche ist, welche so ausgespieen wird, nicht aber die Versammlung des lebendigen Gottes, der Leib und die Braut Christi. Auch besteht dieses Gericht nicht in dem bloßen Wegtun des Leuchters; ein weit schrecklicheres Gericht steht der bekennenden Kirche bevor. Wenn von ihr nicht mehr gesagt werden kann: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin,“ so sind sie, anstatt der Gegenstand der Wonne Christi zu sein, zu einem Gegenstand des Abscheues für Ihn: „Ich werde dich ausspeien aus meinem Munde.“
Nichts könnte ernster sein, als die Stellung, welche ein solches Urteil von Seiten des Herrn über die bekennende Kirche wachrufen wird. Wir finden hierin zugleich einen neuen, beachtenswerten Beweis von der Aufeinanderfolge und dem im Bösen fortschreitenden Charakter dieser Versammlungen. Abgesehen von den besonderen Wirkungen der Gnade im Einzelnen, geht es mit der bekennenden Kirche immer tiefer abwärts, bis sie endlich in einen Zustand gelangt, der den Herrn zwingt, sie aus Seinem Munde auszuspeien – und dann wird die Tür im Himmel auf getan,“ und Johannes wird im Geiste dahin entrückt. (Off 4) Hierauf beginnt das Gericht der Welt und die Einführung des Eingebornen in Sein irdisches Erbteil.
Sobald Laodicäa ausgespieen ist, ist Gott zu Ende mit der Kirche, als einem Zeugnis, und Christus tritt als der „treue und wahrhaftige Zeuge“ Gottes an ihre Stelle. Er stellt sich als derjenige dar, welcher das tut, was die Kirche hätte tun sollen. Christus ist das große Amen auf alle Verheißungen Gottes; die Kirche hätte zeigen sollen, dass diese Verheißungen Ja und Amen sind in Christo Jesu; aber sie ist nicht fähig dazu gewesen; sie hat es unterlassen, ihr Amen auf Gottes Verheißungen zu setzen. „Amen“ bedeutet: Es geschehe! oder: es werde befestigt! So lesen wir in Jes 7,9: „Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht befestigt werden.“ Für die Wörter „glauben“ und „befestigen“ ist im Hebräischen beide Male das Zeitwort „amen“ gebraucht. Somit bedeutet jene Stelle: Wenn ihr meine Verheißungen nicht bestätigt (d. i. nicht glaubt), werdet ihr nicht bestätigt werden. Selbstredend ist es unmöglich, dass Gott Seinen Ratschlüssen in Christo untreu werden könnte; deshalb wird die Versammlung, der Leib Christi, mit ihrem Haupte in der Herrlichkeit sein. Handelt es sich aber um das Zeugnis auf der Erde, so hat sicherlich die Kirche nicht durch ihr Verhalten ihr Amen zu den Verheißungen Gottes in Christo gesagt. Sie war bestimmt, die Kraft ihrer himmlischen Berufung zu offenbaren; allein sie hat in ihrem Wandel dem, was Gott bestimmt hat, nicht entsprochen. Wir sehen sie nicht dieses himmlische Zeugnis durch den Heiligen Geist ablegen, und da Gott nicht ohne Zeugnis sein kann, so stellt sich Christus alsbald selbst als „der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge,“ dar – als derjenige, welcher alle Verheißungen und Weissagungen besiegeln wird, und der als „der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes,“ das große Amen auf alles setzt. Die bekennende Kirche ist völlig in Verfall geraten; sie umschließt in ihren weiten Grenzen eine große Menge von Personen, die nie bekehrt waren, die wohl den Namen Christi tragen, ohne jedoch das Leben Christi zu besitzen. Indessen nahm der Abfall seinen Anfang in der wahren Kirche; durch sie wurde das Verderben eingeführt, als sie ihre „erste Liebe“ verließ. Die weitere Folge war, dass die Welt hinein kam, wie Gott sagt: „Ferner habe ich gesehen ... an der Stätte der Gerechtigkeit, da war der Gesetzlose.“ Man hat oft gesagt: „Je schöner und besser die Dinge sind, die dem Verderben anheim fallen, desto schlimmer zeigt sich das letztere.“ So gibt es auch in der Tat auf der ganzen Erde nichts, was Gott so schnurstracks entgegengesetzt wäre, wie die bekennende Christenheit.
„Der Anfang der Schöpfung Gottes.“ Christus erscheint hier als der gesegnete Zeuge der Tatsache, dass Gott die Schöpfung Seinem Eigenen Willen gemäß wiederherstellen wird, und zwar wird Christus Selbst das Haupt und der Mittelpunkt derselben sein. (Vgl. Sprüche 8) Es handelt sich hier nicht, wie bei Philadelphia, um die Verheißung, dass Christus kommen wird, um die Versammlung zu sich zu nehmen; sondern Christus Selbst nimmt den Platz eines vollkommenen Zeugnisses für Gott ein und erscheint als der Erfüller aller jener Verheißungen Gottes, von welchen die Kirche hätte die Offenbarung sein sollen. Unter diesem Charakter tritt Christus gleichsam an die Stelle der Kirche in der Offenbarung der unfehlbaren Ratschlüsse und Verheißungen Gottes. Wenn die Kirche unwiderruflich bei Seite gesetzt ist, so bleibt der wahrhaftige und treue Zeuge, und das wird die Stütze der Getreuen bilden; ihr Glaube wird dadurch aufrecht erhalten, selbst wenn sich das Böse wie eine Flut erhebt. Dies ist der sichere Boden, den nichts erschüttern kann, die Kraft, auf welche sich die Seele zu stützen vermag, selbst wenn die Kirche nicht mehr bestehen sollte; denn das Vertrauen auf Ihn kann allein der Seele Kraft verleihen.
Wir kommen jetzt zu dem allgemeinen Zeugnis des Wortes Gottes hinsichtlich des gänzlichen Verfalls und der darauf folgenden Beseitigung dessen, was für Ihn ein Zeugnis hätte sein sollen, so dass die Ehre, die Macht und die Herrlichkeit Christo allein zufallen. Der Mensch als solcher ist in dem, was ihm anvertraut worden, nicht treu gewesen; aber dann sehen wir Christum, den wahren Menschen, in den Ratschlüssen Gottes hervortreten. (s. Ps 8.) Alles, was den Namen, den Titel und die Autorität Gottes auf der Erde getragen hat, wird nach dem göttlichen Ausspruch völlig hinweg getan werden.
So wurde z. B. die Macht von Seiten Gottes in die Hände des Menschen gelegt, und dieser dadurch in gewissem Sinne zum Stellvertreter Gottes auf der Erde gemacht, so dass wir, als Christen, die Gewalten, welche sind, anzuerkennen und uns ihnen zu unterwerfen haben, weil sie „von Gott verordnet“ sind. „Er hat jene Götter genannt, zu welchen das Wort Gottes geschah.“ (Joh 10,35) „Doch wie ein Mensch werden sie sterben, und wie einer der Fürsten werden sie fallen.“ (Ps 82,7) Was ist nun das Resultat, wenn Gott „in der Mitte dieser Völker richtet?“ Es zeigt sich, dass sie ganz und gar gefehlt haben, und das unmittelbare Gericht Gottes wird vollzogen. Handelt es sich um die äußere Gewalt in den Händen des Menschen, so sehen wir, dass der kleine Stein, welcher ohne Hände losgerissen wird, das große Bild der Gewalt der Nationen schlägt, „und es wird wie Spreu der Dreschtennen des Sommers, der Wind nimmt sie weg, und keine Stätte wird für sie gefunden.“ (Dan 2) Christus nimmt dann, dem Ratschluss Gottes gemäß, die ganze Macht des Reiches in Seine Hände.
Bewunderungswürdig ist die Geduld, welche Gott den Fortschritten des Bösen gegenüber an den Tag legt, wie diese in dem großen Bilde Daniels angedeutet werden. Der Missbrauch der Macht in Babylon offenbarte sich auf dreierlei Weise, und zwar in Form der drei aufeinander folgenden Stufen des Bösen: Götzendienst, Gottlosigkeit und Abfall, verbunden mit Selbsterhöhung. Zunächst sehen wir den Götzendienst in Nebukadnezar, welcher in den Ebenen von Dura ein goldenes Bild aufrichten ließ und seinen Untertanen befahl, dasselbe anzubeten. Sein Zweck war, durch einen, allen seinen Völkern gemeinsamen religiösen Einfluss Einigkeit herzustellen. Der Gottlosigkeit begegnen wir in Belsazar, welcher die heiligen Gefäße des Tempels Gottes auf eine schreckliche Art entweihte. Der völlige Abfall zeigt sich in Darius, der sich selbst an die Stelle Gottes setzte. Alles dieses trägt Gott in großer Langmut, bis sich schließlich die Macht zu entschiedener und offener Empörung wider Christum erhebt. Dann aber ist die Langmut Gottes zu Ende. In der Macht des Steines, der ohne Hände losgerissen wird, zermalmt Er alles, wie man Töpfergefäße zerschmeißt. Hierauf wächst der Stein zu einem gewaltigen Berge an, der die ganze Erde ausfüllt. So sehen wir, wie die Macht, welche dem Menschen gegeben war, um sie zur Ehre Gottes zu gebrauchen, in seiner Hand sich verderbt und endlich gegen Gott angewandt wird. Aber dann endet die Macht der Nationen, um Christo, dem großen Gefäß der Macht und Ehre Gottes, Platz zu machen.
Werfen wir jetzt einen Blick auf die Kinder Israel unter dem Gesetz. Nicht nur haben sie gefehlt, sind auf den Stein gefallen und zerschmettert worden, sondern es wird auch der unreine Geist des Götzendienstes, der von ihnen ausgefahren war, sieben andere Geister, böser denn er selbst, mit sich bringen und wieder in sie fahren, um sie dann dieser Vollendung der Bosheit zu unterwerfen, so dass ihr letzter Zustand ärger sein wird als der erste. Das Böse wird immer mehr in ihnen reifen, bis sie sich schließlich dem Götzendienst und der Gottlosigkeit des Abfalls öffentlich anschließen werden; dann aber wird Gott sie als Nation aufgeben, und nur ein Überrest wird erhalten bleiben. Demselben Abfall begegnen wir in dem Hause Davids.
Was nun die Kirche Gottes betrifft, so ist es viel schwerer, zu denken, dass sie völlig und endgültig verworfen werden wird; selbstverständlich rede ich nur von der bekennenden Kirche. Es ist eine ernste Wahrheit, dass das Böse, wenn es einmal eingedrungen ist, stets zunimmt und wächst, bis das Gericht hereinbricht; und es ist beachtenswert, dass dieses Gericht nicht eher vollzogen wird, bis das Böse zu seiner vollen Reife gediehen ist. – „Die Ungerechtigkeit der Amoriter ist bis hierher noch nicht voll.“ – Dieser Grundsatz wird in dem Gleichnis vom Unkraut klar und deutlich dargestellt. Das Unkraut wurde im Anfang ausgestreut, aber es sollte nicht sogleich ausgerottet werden: Unkraut und Weizen sollten zusammen wachsen bis zur Ernte. Der Herr erklärt auf diese Weise ausdrücklich, dass das Böse im Anfang eingedrungen ist und bis zur Ausübung des Gerichts immer mehr heranreifen wird. Es handelt sich hier nicht um Einzelne, noch auch darum, ob aller Weizen auf dem Speicher gesammelt wird (was selbstredend der Fall sein wird), sondern um die Tatsache, dass das öffentliche Zeugnis verdorben worden ist. Die Saat im Felde wurde verdorben, und dieses Übel kann der Mensch nicht entfernen, weil er nicht befugt ist, zu richten und deshalb auch nicht befugt, diesem Zustand abzuhelfen. Überdies sind wir berufen, in Gnade zu handeln und nicht das Unkraut auszureißen.
Aus dem zweiten Brief an die Thessalonicher ersehen wir, dass schon in den Tagen der Apostel das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam war, aber der vollen Entfaltung derselben stand noch etwas im Wege. Dieselbe Gesetzlosigkeit wirkt immer noch, selbst in unseren Tagen – „nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist;“ und das Böse wird fortwirken, bis der offenbare Abfall und Aufruhr die Vollziehung des Gerichts herbeiführen wird. Nehmen wir jetzt das Buch der Offenbarung zur Hand, so finden wir in demselben in großen Zügen ein einfaches und klares Zeugnis darüber, was das Ende der ganzen gegenwärtigen Verwaltung sein wird: „Und ich sah' aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres und aus dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister kommen wie Frösche.“ (Off 16,13) Man mag über die Bedeutung dieser Frösche streiten; das Eine aber ist klar, dass sie eine Macht des Bösen vorstellen, welche ausgeht zu den Königen des ganzen Erdkreises, sie zu versammeln zu dem Kriege jenes großen Tages Gottes, des Allmächtigen, um wider Gott zu streiten. So reift alles bis zur völligen Entfaltung des Bösen heran, und wenn die Gesetzlosigkeit ihren Höhepunkt erreicht hat, „geht eine starke Stimme aus von dem Thron, welche spricht: Es ist geschehen!“ (Off 16,17) worauf unmittelbar das Gericht folgt. Obwohl dies seine direkte Anwendung findet auf die bekennende Kirche, so liegt doch auch etwas darin, das sich unmittelbar an unsere Gewissen wendet.
Bevor jener, mit der Macht und Regierung Christi in Verbindung stehende Zustand der vollkommenen Segnung eingeführt wird, sehen wir alle die verschiedenen Formen des Bösen dem einen gemeinsamen Gericht entgegenreifen. Der Mensch zunächst muss in seinem Charakter offener Widersetzlichkeit, indem er sich selbst zu Gott macht, gerichtet werden. Israel sodann verbindet sich mit der Macht des Abfalls, kehrt zum Götzendienst zurück, aus welchem Abraham, sein Vater, herausgenommen worden war, und macht sich eins mit den aufrührerischen Nationen, indem es sagt: „Wir haben keinen König, als den Kaiser.“ Deshalb muss es, da es sich selbst durch seine Sünden dem Kaiser verkauft hat, zu diesem zurückkehren, sich mit den Nationen im Bösen verbinden und endlich mit denselben gerichtet werden, während nur ein auserwählter Überrest die Segnung ererbt. Den völligen Abfall und das Gericht Israels, als Nation, beschreibt Jesaja mit den Worten: „Die Schweinefleisch essen und Gräuel und Mäuse, sie werden miteinander verzehrt werden.“ (Jes 66,17) Dann sehen wir die babylonische Verderbnis des Christentums; der Charakter Babylons ist götzendienerisches Verderben. Es wird ebenfalls zerstört werden. Alles Böse wird zu jener Zeit seinen Gipfelpunkt ereicht haben: das Weib, das auf dem scharlachroten Tier sitzt, die Mutter der Huren, das Endresultat der Verführung Jesabels; das Tier, die Darstellung der Macht; der falsche Prophet; der Mensch in Aufruhr und Widersetzlichkeit; das Christentum im Zustande des völligen Abfalls; das Wort Gottes verworfen, das Gesetz verlassen, die Gnade verachtet – alle diese verschiedenen Formen des Bösen werden sich zusammenfinden und zur Zeit des Endes gemeinschaftlich demselben Gericht anheim fallen. Das Böse wird auf diese Weise vollständig aus dem Wege geschafft werden und nur das Gute übrig bleiben.
Ist nun die bekennende Kirche von diesem Gericht ausgeschlossen? Sicherlich nicht. Wenn auch der Weizen auf dem Speicher in Sicherheit gebracht werden wird, so können wir doch, wenn wir anders das Wort Gottes zu unserem Führer nehmen, keinen Augenblick dem Gedanken Raum geben, dass die bekennende Kirche von diesem allgemeinen Gerichte ausgenommen sein wird. Judas z. B. schreibt an die Heiligen: „Ich habe es für notwendig gehalten, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.“ Und warum dies? Weil „gewisse Menschen sich neben eingeschlichen haben ...“ Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes zur Ausschweifung verkehren und den alleinigen Herrscher und unsern Herrn Jesum Christum verleugnen ... Es hat aber auch Henoch, der siebente von Adam, von diesen geweissagt, sagend: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten Seiner heiligen Tausenden, Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von all ihren Werken der Gottlosigkeit.“ (V. 3. 4. 14. 15.) Wo aber befanden sich diese falschen Brüder? In der Versammlung Gottes; denn Judas sagt von ihnen: „Diese sind Flecken bei euern Liebesmahlen, indem sie mit euch Festessen halten.“ Sie befanden sich nicht unter den Juden, noch auch unter den Nationen, sondern inmitten der Versammlung Gottes selbst; und sie verdarben dieselbe, indem sie mit den Gläubigen Festessen hielten ohne Furcht und sich selbst weideten. Gott hat in Seiner großen Gnade erlaubt, dass jede mögliche Quelle und Form des Bösen klar zu Tage trat, bevor der Kanon der Heiligen Schrift geschlossen wurde, damit wir hinsichtlich alles Bösen, sobald es hervortritt, das Urteil des geschriebenen Wortes hätten. Ohne dieses wären wir nicht fähig, die äußerst feinen Fäden des Geheimnisses der Gesetzlosigkeit, das jetzt wirksam ist, zu entdecken; aber im Besitz des geschriebenen Wortes sind wir berufen, als Gottes Kinder alles nach demselben zu beurteilen, und zwar nach dem Worte allein. Weiter lesen wir in 2. Tim 3: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden, denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer“ usw.; ihre falsche Frömmigkeit gibt sich darin kund, dass sie „mehr Liebhaber des Vergnügens sind, als Liebhaber Gottes,“ sowie darin, dass sie „eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen.“ Und es ist zu beachten, dass hier nicht nur von dem Judaismus die Rede ist, obwohl der Geist dessen wirksam sein mag. Auch wird noch hinzugefügt: „Böse Menschen aber und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden.“ Nachdem dann der Apostel die verschiedenen Charakterzüge der falschen Brüder, „die sich in die Häuser schleichen,“ hervorgehoben hat – Charakterzüge, die auch dazu dienen, uns in unsrer Beurteilung zu leiten – schließt er mit den Worten an Timotheus: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dessen du überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu ist.“ Denn „alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf das der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werke völlig geschickt.“ Aus diesen Unterweisungen, welche Paulus an sein geliebtes Kind im Glauben richtet, lernen wir also, dass in diesen Tagen der wachsenden Gesetzlosigkeit die heiligen Schriften für den Menschen Gottes den einzigen, vollkommen sicheren Schutz bilden, und zwar indem sie gebraucht werden in der einfachen und gottseligen Weise, wie Timotheus und seine fromme Mutter und Großmutter sie erforscht hatten. Es waren dieselben heiligen Schriften, welche er von Jugend auf gelesen hatte. Keiner Autorität noch Macht, wenn sie nicht in Verbindung steht mit dem einfachen, geschriebenen Worte Gottes, kann sich, der Gläubige als seinen Führer anvertrauen.
Aus den angeführten Stellen ersehen wir, dass die unmittelbare Veranlassung, der Gegenstand und die innere Quelle der kommenden schrecklichen Gerichte die bekennende Kirche selbst ist. Sie hätte das Zeugnis Gottes auf der Erde sein sollen, der Brief Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen; da sie sich aber völlig verderbt hat, so ist sie es gerade, welche in erster Linie und endgültig den Zorn Gottes herbeiführt. Geliebte Freunde! es ist von außergewöhnlichem Ernste, sich sagen zu müssen, dass nicht nur Israel und Babylon dem Gericht anheim fallen werden, sondern dass auch, nach dem Worte Gottes, die bekennende Kirche dasselbe Los treffen wird. Ich verstehe hier unter dem Wort „Kirche“ die ganze Christenheit, alles, was bekennt, den Namen Christi zu tragen. Wir finden dasselbe Zeugnis in der Epistel des Johannes: „Jetzt sind auch viele Antichristen geworden.“ Ich zweifle nicht daran, dass der Antichrist aus den Juden hervorkommen und eine völlige Offenbarung jenes antichristlichen Geistes sein wird, der jetzt schon den Vater und den Sohn leugnet, sowie leugnet, dass Jesus der Christus ist. Es ist ein schrecklicher Gedanke, dass dieser Abfall einen religiösen Charakter trägt. Das Kennzeichen der „vielen Antichristen“ besteht in der Verleugnung der christlichen Wahrheit; und obwohl ein völliger Abfall sich offenbaren wird, so wird es doch immer ein Abfall von der Lehre des Christentums sein. Ach, wie bald ist dieser Geist des Abfalls eingedrungen! Wie bald musste der Apostel sagen: „Alle suchen das Ihrige, nicht das, was Jesu Christi ist!“ Möchte der Herr in Seiner Gnade die Augen Seiner Heiligen öffnen, damit sie die Natur und den wahren Charakter dieser letzten bösen Tage erkennen und daran gedenken, dass Gott wohl lange Zeit Geduld beweisen kann und bewiesen hat, um Seelen zu erretten, und dass in diesem Sinne „die Langmut des Herrn für Errettung zu achten ist,“ dass aber Sein Gericht, wenn auch verzögert, doch nicht aufgehoben ist. Denn das Wort aus Seinem Munde bezeugt es uns, und das einzige Heilmittel für das gegenwärtige Übel ist das Gericht.
Wie wir gesehen haben, drangen von Anfang an die Grundsätze des Verderbens in die Kirche ein, und das Zeugnis für Gott verschwand. Das Unkraut wurde gesät und so die Saat im Acker verdorben. Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit begann sich wirksam zu erweisen. In dem Sendschreiben an Laodicäa schreibt der Herr den doppelten Charakter des Bösen, das Er in dieser Versammlung vorfand, den bösen Grundsätzen zu, die im Anfang eingedrungen waren. Der Zweck, weshalb die Saat ausgestreut, war gänzlich verfehlt worden, denn anstatt ein Zeugnis für Gott zu sein, sagt die Kirche: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts.“ Zwei Dinge von besonderer Wichtigkeit kennzeichnen diese Versammlung in Laodicäa; zunächst maßt sie sich an, in sich selbst große, geistliche Reichtümer zu besitzen, und dann ist im Blick auf Christum ihr Zustand „weder kalt noch warm.“ So finden wir auf der einen Seite große Anmaßung und auf der andern nur die Form, aber nicht die Kraft des Lebens: „Du bist weder kalt noch warm.“ Es ist zwar kein entschiedener Hass gegen Christum vorhanden, aber auch kein entschiedener Eifer für Ihn. Die Kirche geht äußerlich in Bequemlichkeit und Weltförmigkeit voran, während sie zugleich auf große geistliche Reichtümer Anspruch macht, und dies ist ein sicheres Zeichen der Armut; denn da, wo man sich rühmt, in sich selbst die Reichtümer zu besitzen, kann man stets mit Sicherheit darauf rechnen, der Armut zu begegnen, weil diese Reichtümer in Christo allein zu finden sind. Wenn die Kirche sagt: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts,“ so rühmt sie sich, Reichtümer in sich selbst zu besitzen, und macht auf diese Weise sich, anstatt Christum zum Gefäß der Gnade. Aber indem sie dies tut, besiegelt sie weder durch ihr „Amen“ die Verheißungen Gottes in Christo Jesu, noch ist sie ein wahrhaftiges und treues Zeugnis vor Gott. Sie hört auf, dies zu sein, sobald sie den Blick von Christo als der einzigen Quelle abwendet und sich selbst für das Gefäß der Reichtümer hält; ja, sie wird dann notwendigerweise zu einem falschen Zeugnis. Sobald ich sage: die Kirche ist dieses oder jenes, oder: die Kirche ist es, worauf ich blicke, und nicht Christus, so wird mein Auge völlig von Christo ab- und auf die Kirche hingewandt. Ich betrachte nicht mehr Christum, sondern die Kirche, wie sehr ich auch vorgeben mag, Ihn zu ehren. Es handelt sich hierbei nicht um die Treue Gottes, sondern um unsere Fehler. Dies festzuhalten ist von der höchsten Wichtigkeit, da es uns vor Täuschung zu bewahren vermag.
Die Gläubigen von Philadelphia machten nicht den vollen Gebrauch von allen Segnungen, die ihnen in Christo zugehörten; sie hatten nur eine kleine Kraft, und alles, was der Herr von ihnen sagen konnte, war, dass sie Sein Wort bewahrt und Seinen Namen nicht verleugnet hatten. Da aber die Versammlung ihre Armut fühlte, so fand Christus Seine Freude an ihr und konnte sagen: „Ich bin für euch, und ich komme für euch.“ „Ich werde machen, dass die, welche aus der Synagoge des Satan sind, erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ Sobald aber die Kirche sich anmaßt, reich zu sein in sich selbst, sobald sie Reichtümer für sich in Anspruch nimmt und sich mit denselben Anerkennung verschafft, wird sie, anstatt der Gegenstand der Wonne Christi zu sein, Ihm zum Ekel, so dass Er ihr droht: „Ich werde dich ausspeien aus meinem Munde.“ Bei einem Blick auf die bekennende Kirche unsrer Tage sehen wir, dass sie immer mehr in diesen Zustand hineinkommt, reich zu sein in sich selbst. Wenn ich finde, dass nur eine kleine Kraft vorhanden ist, dass aber das Wort und der Name Christi nicht verleugnet wird, so kann ich sagen: „Freuet euch! der Herr kommt bald.“ Denn anzuerkennen, dass ich arm bin und nur wenig Kraft besitze, ist nicht Unglauben gegen Christum; wenn ich. um Kraft zu haben, mich auf Ihn stütze, weil ich mich selbst kraftlos fühle, so ist das nicht die Verleugnung dessen, was ich in dem Herrn habe, sondern ich offenbare den Charakter des Leibes, welcher seine Fülle in dem Haupte findet. Sobald ich aber sehe, dass die Versammlung dem Gedanken Raum gibt, diese Fülle und diese Reichtümer in sich selbst zu haben, so kann ich ihr zurufen: Ihr seid auf dem Wege nach Laodicäa, dessen Ende ist, aus Christi Munde ausgespieen zu werden. Die Versammlung zu Laodicäa glaubte, alles in sich selbst zu haben und nichts zu bedürfen, aber dies bewies nur, wie völlig unwissend sie war hinsichtlich ihres wahren Zustandes vor Gott. „Weil du sagst: Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts und weißt nicht, dass du der Elende und Jämmerliche und arm und blind und bloß bist. Ich rate dir, Gold von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, auf dass du reich werdest, und weiße Kleider, auf dass du bekleidet werdest und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, auf dass du sehest.“
Da die Versammlung in Laodicäa diese Dinge nicht bei dem Herrn suchte, so fehlten sie alle. „Gold“ bedeutet die göttliche Gerechtigkeit im Gegensatz zu der menschlichen und bezeichnet die Stellung und die Reichtümer der Heiligen, sowie die Grundlage, auf welcher sie stehen. Die „weißen Kleider“ sind die Werke der Heiligen, die Früchte ihres Glaubens an die göttliche Gerechtigkeit, welche aus dem Besitz dieser Gerechtigkeit hervorgehen. Menschliche Gerechtigkeit ist gänzlich verschieden von der Gerechtigkeit der Heiligen; die letzteren sind der Ausfluss solcher Herzen, die durch die göttliche Gerechtigkeit befreit sind. Bei einem indischen Fakir oder einem türkischen Derwisch finden wir eine Menge von Werken, aber nichts, was auf eine Erlösung gegründet wäre. Die Werke des Geistes sind der Ausfluss des Geistes, welcher der Seele gegeben ist als Siegel der göttlichen Gerechtigkeit; diese heiligen Werke sind die Früchte des Heiligen Geistes in uns, jene „weißen Kleider,“ welche in Laodicäa gänzlich mangelten. Denn da die göttliche Gerechtigkeit fehlte, so konnte unmöglich eine praktische geistliche Gerechtigkeit vorhanden sein, wie in Off 19,8 gesagt ist: „Die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen.“ Auch fehlte ihnen die „Augensalbe“; sie waren für die Dinge Gottes so blind, wie die Natur es nur sein kann; sie hatten durchaus kein geistliches Verständnis und doch sagten sie: „Wir sehen.“ Deshalb bleibt ihre Sünde. Da sie so weder göttliche Gerechtigkeit, noch die daraus hervorgehenden Früchte des Geistes besaßen und noch in dem Zustande natürlicher Blindheit verharrten, so fehlte ihnen alles. Anmaßung war im Überfluss vorhanden, aber nichts, was vor Gott Anerkennung finden kann; alles war bloßer Schein.
Gleichwohl bricht der Herr noch nicht jede Verbindung mit Laodicäa ab; aber Er spricht zu der Versammlung als außerhalb derselben stehend. Denn wenn die bekennende Kirche dahin gekommen ist, praktischer Weise eine jüdische Stellung einzunehmen, so nimmt der Herr Seinen Standpunkt draußen und ruft den einzelnen Seelen, die sich innerhalb derselben befinden, zu: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört“ ... Der Herr wünscht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; Er begehrt Einlass; Er kündigt der Kirche an, was ihr bevorsteht: das gewisse Gericht; doch bis zur Vollziehung desselben kann Er nicht anders, als fortfahren, Seine kostbare Gnade auszuüben. Die Gegenstände dieser Gnade sind jedoch jetzt einzelne Personen, da die Kirche aufgegeben ist – „wenn jemand... die Tür auftut, zu dem will ich eingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir;“ das heißt: nur ein solcher wird Gemeinschaft mit mir haben.
„Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen.“ Auf den ersten Blick scheint dieses eine große Verheißung zu sein; ich glaube aber, dass es die geringste der in den Sendschreiben ausgesprochenen Verheißungen ist, da sie nur von einem Platz in der himmlischen Herrlichkeit redet, nicht aber von einer besonderen Verbindung mit Christo, wie dies in der Verheißung an Pergamus und selbst an die Getreuen in Sardes und Thyatira der Fall war. Die Freude einer persönlichen Vertraulichkeit – dieses ausschließliche Teil der Braut – wird hier nicht als Beweggrund vorgestellt. Mit Christo zu regieren, ist nur ein öffentliches Zeugnis der Belohnung und der Herrlichkeit; etwas ganz anderes aber ist die innige Vertraulichkeit, welche durch „das verborgene Manna“ und „den weißen Stein“ ausgedrückt wird. Diejenigen, welche das Anklopfen gehört und durch die Gnade demselben Folge geleistet haben, gehen in die himmlische Herrlichkeit ein; sie haben überwunden, und der Lohn, der darin besteht, mit Ihm auf Seinem Throne zu sitzen, kann ihnen deshalb nicht ausbleiben. Auch haben sie teil an der ersten Auferstehung und somit Teil an der Herrschaft mit dem Christus. Indessen kann man von den beiden Zeugen in Off 11 dasselbe sagen. „Sie stiegen in den Himmel hinauf, und es schauten sie ihre Feinde.“ sie sitzen auf Thronen; sie erhalten ihre Belohnung, aber diese beschränkt sich darauf, dass sie einen Platz in der Herrlichkeit haben; dagegen hören wir nichts von der philadelphischen Innigkeit der Beziehungen, von einer besonderen Wonne, die Christus darin findet, die geliebte Versammlung bei sich zu haben, und welche die Versammlung ihrerseits genießt in dem Besitz ihres geliebten Herrn. Immerhin aber haben sie ihren Platz in der Herrlichkeit.
Das feierliche Zeugnis des Herrn, dass die bekennende Kirche aus Seinem Munde ausgespieen werden soll, sollte unsre Herzen mit weit mehr Betrübnis erfüllen, als der Gedanke an das Gericht über die Welt; denn für das Herz hat es einen viel schrecklicheren Charakter, als selbst das Gericht über die Antichristen, weil es etwas betrifft, das den Abscheu Christi erregt, das Ihn anekelt, da es früher in einer äußeren Verbindung mit Ihm gestanden hat. Und wie wichtig ist dieses, wenn wir bedenken, dass wir mitten darin leben! Wenn ich von der bekennenden Kirche unsrer Tage rede, so verstehe ich darunter das, was man gewöhnlich die Christenheit nennt, was den Namen Christi trägt, während es Ihn in den Werken verleugnet. Gerade das, was einst bekannt hat, in Verbindung mit Ihm zu stehen, wird von dem Herzen, dem Geist und dem Wesen Christi, als Seinen Abscheu erregend, völlig verworfen.
Der Judaismus und das Namenchristentum werden am Ende weit mehr mit einander verbunden sein, als man im Allgemeinen denkt. Das Lamm mit den zwei Hörnern, der falsche Prophet der Offenbarung, wird seine Macht zu Gunsten des römischen Kaisers verwenden. Von Anfang an trug die Verderbnis in der Kirche diesen doppelten Charakter; zunächst des Götzendienstes, der Anbetung der Engel etc. und dann des Judaismus. So lesen wir z. B. im Kolosserbriefe: „Sehet zu, dass nicht jemand sei, der euch als Beute wegführe durch die Philosophie und eitlen Betrug.“ „Lasst nun niemanden euch richten über Speise oder Trank oder in Ansehung eines Festes oder Neumondes oder Sabbathe ... Lasst niemanden euch um den Kampfpreis bringen, der seinen eigenen Willen tut in Niedriggesinntheit und Dienst der Engel.“ (Kol 2,8+16+18) Die Galater beobachteten, von den Juden überredet, „Tage und Monate und Zeiten und Jahre.“ Von jeher war die Meinung vorhanden, das Christentum mit dem Judentum zu vereinigen. Nachdem aber das letztere von Gott bei Seite gesetzt ist, ist es um kein Haar besser, als das Heidentum.“ (Vgl. Gal 4,8-10) Eine Religion des Fleisches, eine heidnische Anbetung der Engel, Philosophie und eitler Betrug einerseits, und das Judentum, welches Tage, Monate und Jahre beobachtet, andererseits, drangen von Anfang an in die Kirche ein und veranlassten den Apostel Paulus, die Gläubigen vor der Rückkehr zu den armseligen Elementen der Welt und vor dem jüdischen Joch zu warnen, von welchem sie befreit worden waren. So schreibt er an die Galater: „Da ihr Gott erkannt habt ... wie wendet ihr wieder um zu den schwachen und armseligen Elementen, denen ihr wieder von neuem dienen wollt?“
Gott hatte in Israel dem Fleisch Gelegenheit gegeben, zu zeigen, dass nichts gutes in ihm wohnt; Er hatte den Juden gestattet, der Richtung einer jeden menschlichen Religion zu folgen; indem Er ihnen das Gesetz, Satzungen, reiche Kleider, prächtige Gebäude, Posaunenschall und dergleichen gab. Aber dann kam Christus, und „Er ist des Gesetzes Ende, jeglichen Glaubenden zur Gerechtigkeit.“ Durch diese Gerechtigkeit waren die Galater von ihrer heidnischen Unwissenheit und ihren falschen Göttern befreit worden; allein sie wandten sich wieder zurück, denn indem sie die jüdischen Grundsätze annahmen, kehrten sie – als wenn sie noch im Fleische in der Welt lebten – tatsächlich zu ihrem alten Heidentum zurück, dessen Wesen die Religion des Fleisches ist. Als Vorbilder konnte Gott die jüdischen Anordnungen benutzen, um den Menschen auf die Probe zu stellen, bis der verheißene Same gekommen wäre; nachdem dieser aber gekommen ist, haben diese Formen denselben Charakter, wie diejenigen des Heidentums; beide sind ganz und gar „ohne Gott“ und dienen nur der Gerechtigkeit des Fleisches, welches alles eifrig benutzt, was ihm einen schönen Anschein zu geben vermag. Diese Flut des Verderbens, welche von Anfang an in die Kirche eingedrungen ist – die Rückkehr zu den armseligen Elementen, die Religiosität des Fleisches, welche in Zeremonien und Satzungen ihre Ruhe findet und alles andere eher sucht, als Augensalbe – wird bis ans Ende stetig zunehmen. Die Grundsätze einer solchen Religion sind überall dieselben, und so wird sie sich mit dem verbinden, was der Form nach das Judentum ist; ebenso wird sich das Judentum seinerseits am Ende mit dieser Religion in dem Charakter des ausgeprägten Götzendienstes vereinigen. Die falsche Religiosität unsrer Tage hat den Charakter des Judentums; – man begnügt sich damit, die Form der Gottseligkeit zu haben, ohne ihre Kraft zu besitzen.
Dieser Grundsatz des babylonischen Götzendienstes ist es, welcher am Ende durch das Tier herrschen wird. Der Geist des Unglaubens wird alles annehmen – das Judentum sowohl, wie das babylonische System – nur nicht die Wahrheit, und die Folge wird sein, dass die ungläubigen Juden durch die babylonische Macht verführt werden. Dieselbe wird im Osten die Form des Judentums annehmen, während im Westen diejenige des babylonischen Götzendienstes unverhüllt hervortreten wird. Wie überaus ernst ist der Gedanke, dass diese Welt, durch welche wir gehen, der Schauplatz solcher Ereignisse sein wird! So sehr der Mensch sich auch jetzt dieser bekennenden Kirche rühmen mag, so wird sie dennoch am Ende aus dem Munde Christi ausgespieen werden, – sie, die sich anmaßt, die volle Macht des Heiligen Geistes zu besitzen, während sie alles dessen ermangelt, was Christum in Seinem Werte anerkennt, dagegen sie sich allen Wert beimisst und sich dadurch Anerkennung verschafft.
Möge uns der Herr in der Stellung von Philadelphia bewahren, so dass wir, wenn auch die Kraft sehr klein ist, das Wort Seines Ausharrens bewahren! Möge Er uns erhalten in dem empfundenen Genuss unsrer vollkommenen Verbindung mit Ihm, der eine offene Tür vor uns gegeben hat und der sie offen halten wird, bis Er kommt, um uns zu sich aufzunehmen!
Fußnoten