Betrachtung über Johannes (Synopsis)

Kapitel 14

Betrachtung über Johannes (Synopsis)

Der Herr beginnt jetzt Sich mit Seinen Jüngern über Seinen Weggang zu unterhalten. Er war auf dem Wege dahin, wohin sie nicht kommen konnten. Nach menschlichen Begriffen wurden sie auf der Erde allein zurückgelassen; und mit Rücksicht auf ihre, dem Anschein nach vereinsamte Stellung wendet Sich der Herr an sie, indem Er ihnen zeigt, dass Er jetzt ein Gegenstand für den Glauben war, geradeso wie Gott es ist. Damit deckt Er ihnen die ganze Wahrheit hinsichtlich ihrer Lage auf. Sein Werk ist nicht der Gegenstand, um den es sich hier handelt, sondern ihre Stellung kraft dieses Werkes. Seine Person hätte für sie der Schlüssel zu dieser Stellung sein sollen und wird es von nun an sein. Der Heilige Geist, der Sachwalter, der kommen sollte, wird die Macht sein, durch die sie diese Stellung genießen werden.

Auf die Frage des Petrus: „Wohin gehst du?“ antwortet der Herr, dass die Kraft des Fleisches Ihm nicht zu folgen vermöge. Wenn nur der Wunsch des Fleisches den Pfad zu betreten suchte, den der Herr jetzt einschlagen wollte, so konnte Er keine andere Antwort geben; denn Petrus hatte tatsächlich die Absicht, Jesu in den Tod zu folgen. Armer Petrus!

Wenn aber der Herr das Urteil des Todes für uns auf das Fleisch geschrieben hat, indem Er dessen Ohnmacht offenbart, so kann Er dann das offenbaren, was jenseits desselben für den Glauben liegt; und das, was uns durch Seinen Tod angehört, wirft sein Licht zurück und zeigt uns, wer Er war, sowohl auf Erden als auch von jeher, ehe die Welt war. Er kehrte nur dahin zurück, von wo Er gekommen war. Seine Unterredung mit den Jüngern beginnt indes auf ihrem damaligen Standpunkt und entspricht dem Bedürfnis ihrer Herzen, indem Er ihnen erklärt, in welcher Art sie dort, wo Er sein werde, bei Ihm sein sollten; und dies war in gewissem Sinne besser als Ihm hienieden nachzufolgen. Die Jünger sahen Gott nicht leibhaftig bei sich anwesend; um Seine Gegenwart zu genießen, glaubten sie an Ihn. Gerade so sollte es jetzt im Blick auf Jesum sein; sie sollten an Ihn glauben. Er verließ sie nicht, indem Er wegging, als ob im Hause Seines Vaters 1 nur für Ihn Raum wäre. Dort war Raum für alle. Dort hinzugeben war stets Sein Gedanke; denn Er ist hier nicht der Messias. Wir sehen Ihn in den Verhältnissen, in denen Er gemäß den ewigen Wahrheiten Gottes stand. Stets hat Er Seinen Weggang im Auge. Wäre im Vaterhause kein Platz für sie gewesen, so würde Er es ihnen gesagt haben. Ihr Platz war bei Ihm; aber Er ging hin, um ihnen eine Stätte zu bereiten. Wenn Er nicht die Erlösung und Sich Selbst als den neuen Menschen nach der Macht dieser Erlösung dort darstellte, so war im Himmel keine Stätte für sie bereitet. Er tritt dort ein in der Macht des Lebens, das auch sie dort einführen sollte. Doch sie werden nicht allein zu Ihm gehen, noch wird Er hienieden wieder mit ihnen zusammentreffen; Er will sie abholen. Es handelt sich um den Himmel und nicht um die Erde. Der Herr wird auch nicht andere senden, um sie zu holen, sondern als solchen, die Ihm überaus teuer sind, wird Er Selbst ihnen entgegenkommen und sie zu Sich nehmen, auf dass, wo Er ist, auch sie sind. Er wird von dem Throne des Vaters kommen, dort können sie natürlich nicht sitzen; aber Er wird sie dorthin aufnehmen, wo Er in Herrlichkeit vor dem Vater sein wird. Sie sollen bei Ihm sein, und das ist für sie eine weit vorzüglichere Stellung, als wenn Er hienieden bei ihnen geblieben wäre, selbst als Messias in Herrlichkeit auf der Erde.

Nachdem Jesus somit Seinen Jüngern angekündigt hat, wohin Er ging, nämlich zu Seinem Vater (und mit Rücksicht auf die Wirkung Seines Todes für sie geredet hat), sagt Er ihnen, dass sie wüssten, wohin Er gehe, und dass sie den Weg kennten. Denn Er war auf dem Wege zum Vater; und indem sie Ihn gesehen hatten, hatten sie den Vater gesehen. Hatten sie nun aber den Vater in Ihm gesehen, so kannten sie auch den Weg; denn indem sie zu Ihm kamen, kamen sie zu dem Vater, der in Ihm war, wie Er in dem Vater war. Er war also Selbst der „Weg“. Aus diesem Grunde tadelt Er Philippus, dass er Ihn nicht erkannt habe. Er war lange Zeit bei ihnen gewesen als die Offenbarung des Vaters in Seiner eigenen Person; und sie hätten Ihn erkennen und sehen sollen, dass Er in dem Vater und der Vater in Ihm war, und also auch wissen sollen, wohin Er ging; denn Er ging zu dem Vater. Er hatte ihnen den Namen des Vaters kundgetan; und wenn sie unfähig waren, den Vater in Ihm zu sehen oder durch Seine Worte davon überzeugt zu werden, so hätte dies durch Seine Werke geschehen sollen; denn der Vater, der in Ihm wohnte, Er wirkte diese Werke. Alles dieses stand mit Seiner Person in Verbindung, während Er noch in der Welt war; aber ein anderer schlagender Beweis von der Herrlichkeit derselben war an Seinen Weggang geknüpft. Seine Jünger sollten nämlich nachher größere Werke tun als Er getan hatte, weil sie handeln würden in Verbindung mit Seiner größeren Nähe bei dem Vater. Seine Herrlichkeit erforderte dieses; sie war unbegrenzt. Durch die Macht Seines Werkes und Seines Namens brachte Er sie in unmittelbare Verbindung mit dem Vater, so dass alles, was sie in Seinem Namen von dem Vater erbitten würden, Christus Selbst für sie tun wollte. Ihre Bitte sollte von dem Vater gehört und gewährt werden (dies zeigt, welche Nähe Er für sie erworben hatte), und Er (Christus) wollte alles tun, um was sie bitten würden; denn die Macht des Sohnes, die ohne Grenzen war, konnte nicht hinter dem Willen des Vaters zurückbleiben.

Doch dieses führte zu einem anderen Gegenstande. Wenn die Jünger den Herrn liebten, so sollten sie dies nicht durch Trauer äußern, sondern durch das Halten Seiner Gebote; sie sollten im Gehorsam wandeln (V. 15 u. f.). Das ist es, was einen Jünger Christi bis zum gegenwärtigen Augenblick charakterisiert. Die Liebe wünscht bei Ihm zu sein, aber sie gibt sich kund in dem Halten Seiner Gebote; denn auch Christus hat ein Recht zu gebieten. Andererseits will Er droben um das Wohl der Seinigen besorgt sein, und eine neue Segnung soll ihnen zuteil werden, nämlich der Heilige Geist Selbst, der sie nie verlassen wird, wie Christus es zu tun im Begriff war. Die Welt konnte den Geist nicht empfangen. Christus, der Sohn, war den Blicken der Welt gezeigt worden und hätte von ihr aufgenommen werden sollen. Der Heilige Geist sollte wirken, ohne gesehen zu werden; denn infolge der Verwerfung Christi war es um die Welt in ihren natürlichen und an die Schöpfung geknüpften Beziehungen zu Gott geschehen. Von den Jüngern aber sollte der Heilige Geist gekannt sein; denn Er sollte nicht allein bei ihnen bleiben, was Christus nicht konnte, sondern auch in ihnen sein – nicht nur bei ihnen, wie Christus. Von der Welt sollte Er weder gesehen noch gekannt werden.

Die bisherigen Unterweisungen des Herrn hatten zum Zweck, die Jünger zu bewegen, Ihm (im Geiste) nach oben zu folgen. Durch die Erkenntnis Seiner Person, in der der Vater geoffenbart war, wussten sie, wohin Er ging, und kannten den Weg. Er Selbst war der „Weg“, wie wir gesehen haben. Er war die „Wahrheit“ Selbst, in der Offenbarung (und zwar in der vollkommenen Offenbarung) Gottes und des Verhältnisses der Seele zu Ihm sowie des wirklichen Zustandes und des Charakters aller Dinge, indem Er das vollkommene Licht Gottes in Seiner eigenen Person, die Gott offenbarte, hervorleuchten ließ. Er war das „Leben“, in dem man also Gott und die Wahrheit erkennen konnte. Durch Ihn kamen die Menschen zu Gott; sie fanden den Vater in Christo geoffenbart und besaßen in Ihm das, was sie zum Genusse fähig machte und was sie, indem sie es empfingen, wirklich zum Vater führte. Jetzt aber stellt Er nicht mehr einen Gegenstand vor sie hin – nicht den Vater in Ihm, den sie hätten erkennen sollen, noch auch Sich in dem Vater, während Er hienieden war. Er erhebt die Gedanken der Jünger nicht zum Vater durch Ihn und in Ihm, auch nicht zu Sich hinauf als in dem Vater im Himmel, sondern Er stellt ihnen das vor Augen, was ihnen hienieden gegeben werden sollte: den Strom der Segnung, der für sie in dieser Welt fließen sollte kraft dessen, was Jesus war, und zwar was Er im Himmel für sie war. Und da einmal der Heilige Geist als hernieder gesandt eingeführt ist, so sagt der Herr zu Seinen Jüngern: „Ich werde euch nicht als Waisen lassen, ich komme zu euch“ (V. 18). Seine Gegenwart im Geist hienieden ist der Trost der Seinigen. Sie sollten Ihn sehen, und zwar auf eine viel wirklichere Weise, als es mit den Augen des Fleisches geschah. Ja, auf eine wirklichere Weise; ihre Erkenntnis sollte eine weit tiefere und wirklichere sein, wiewohl sie durch die Gnade an Ihn als an den Christus, den Sohn Gottes, geglaubt hatten. Überdies steht dieses geistliche Schauen Christi, das den Herzen durch die Gegenwart des Heiligen Geistes zuteil wird, in Verbindung mit dem Leben. „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben.“ Wir sehen Ihn, weil wir das Leben haben; und dieses Leben ist in Ihm und Er in diesem Leben. „Dieses Leben ist in dem Sohne.“ Es ist ebenso sicher wie die Unauflöslichkeit Seines Lebens. Er Selbst ist die Quelle desselben. Weil Er lebt, werden auch wir leben. Unser Leben ist in jeder Hinsicht die Offenbarung Seiner Selbst als Dessen, der unser Leben ist, wie es der Apostel durch die Worte ausdrückt. „Auf dass das Leben Jesu an unserem sterblichen Leibe offenbar werde.“ Ach! das Fleisch widerstrebt demselben; aber nichtsdestoweniger ist dies unser Leben in Christo.

Allein das ist nicht alles. Weil der Heilige Geist in uns wohnt, so kennen wir unsere Vereinigung 2 mit Christo. „An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch.“ Es heißt hier nicht: „Der Vater ist in mir (was übrigens immer wahr bleibt), und ich in ihm“ – Worte, deren erstere Hälfte die Wirklichkeit der Offenbarung des Vaters durch Ihn hier auf Erden ausdrückt. Der Herr hebt nur das hervor, was in Verbindung steht mit der Tatsache, dass Er wahrhaftig und göttlich eins ist mit dem Vater. „Ich bin in meinem Vater.“ Es ist dieser letzte Teil der Wahrheit (der ohne Zweifel, wenn man ihn recht versteht, in dem anderen Teile enthalten ist), von dem der Herr hier redet. Denn es konnte nicht wirklich eine Offenbarung des Vaters in einem Menschen vorhanden sein, ohne dass dieser Mensch in Sich Selbst so wahrhaft Gott war, dass man nicht einmal zu sagen nötig hatte, Er sei in dem Vater. Indes hätte sich der Mensch von einer solchen Offenbarung eine Vorstellung machen können. Man faselt ja von solchen Dingen, man spricht von einer Offenbarung Gottes im Fleische; wir aber reden von Gott, geoffenbart im Fleische. Damit ist alles Zweideutige beseitigt. Jesus war in dem Vater; und dieser Teil der Wahrheit wird hier wiederholt, indem hinzugefügt wird, dass infolge der Gegenwart des Heiligen Geistes die Jünger nicht nur die göttliche Person Jesu völlig kennen, sondern auch wissen sollten, dass sie selbst in Ihm waren. „Wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm“ (1. Kor 6,17). Jesus sagte nicht, dass sie dieses hätten wissen sollen, während Er hienieden bei ihnen war. Dass der Vater in Ihm und Er in dem Vater war, das hatten sie wissen sollen; in dieser Vereinigung jedoch stand Er allein. Nachdem sie aber den Heiligen Geist empfangen hatten, sollten sie ihre eigene Vereinigung mit Ihm kennen – eine Vereinigung, deren Kraft und Band der Heilige Geist ist. Das Leben Christi strömt aus Ihm in uns über. Er ist in dem Vater, wir sind in Ihm, und Er ist auch in uns nach der Macht der Gegenwart des Heiligen Geistes.

Alles dieses ist Gegenstand des gemeinsamen Glaubens und von allen Gläubigen wahr. Allein es gibt eine fortdauernde Aufsicht und Regierung Gottes im Blick auf uns, und Jesus offenbart Sich uns mit Rücksicht auf unseren Wandel und in einer von demselben abhängigen Weise. Wer des Willens des Herrn eingedenk ist, besitzt und beobachtet ihn. Ein folgsames Kind gehorcht nicht nur, wenn es den Willen seines Vaters kennt, sondern es gelangt auch zur Erkenntnis dieses Willens, indem es auf ihn achtet. Das ist der Geist des Gehorsams in Liebe. Wenn wir in Bezug auf Jesum also handeln, so wird der Vater, der von allem, was den Sohn angeht, sorgfältig Kenntnis nimmt, uns lieben; aber auch Jesus wird uns lieben und zu uns kommen. Judas (nicht der Iskariot) verstand dieses nicht, weil er nicht weiter als an eine leibliche Offenbarung Christi dachte, so wie auch die Welt sie wahrnehmen konnte. Jesus fügt daher hinzu, dass der wahrhaft gehorsame Jünger (und hier spricht Er in mehr geistlicher und allgemeiner Weise von Seinem Wort und nicht nur von Seinen Geboten) vom Vater geliebt würde, und der Vater und Er Selbst kommen und Wohnung bei Ihm machen würden. Beide – Er und der Vater – wohnen deshalb in uns, wenn wir im Gehorsam wandeln, während wir hienieden auf die Zeit warten, wo wir hingehen und mit Jesu in der Gegenwart des Vaters weilen werden. Der Vater und der Sohn offenbaren Sich in uns, in denen der Heilige Geist wohnt, so wie der Sohn Sich hienieden befand. Freilich geschieht dies in einer anderen Weise, denn Er war der Sohn; wir leben nur durch Ihn, der Heilige Geist wohnt nur in uns. Was nun diese glorreichen Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, betrifft, so sind Sie nicht getrennt. Der Vater tat die Werke in Christo, und Jesus trieb die Teufel aus durch den Heiligen Geist; nichtsdestoweniger wirkte der Sohn. Wenn der Heilige Geist in uns ist, so kommen der Vater und der Sohn und machen Wohnung bei uns. Nur ist zu bemerken, dass es sich hier um Regierung handelt. Wir sind dem neuen Leben gemäß zum Gehorsam geheiligt. Es ist hier nicht die Rede von der Liebe Gottes, die in unumschränkter Gnade gegen einen Sünder handelt, sondern von den Wegen des Vaters mit Seinen Kindern. Deshalb werden die Offenbarungen der Liebe des Vaters und der Liebe Christi auf dem Wege des Gehorsams gefunden. Wir lieben unsere unartigen Kinder, aber wir liebkosen sie nicht. Wenn wir den Heiligen Geist betrüben, so ist Er für unsere Seelen nicht die Macht der Offenbarung des Vaters und des Sohnes. Gott mag uns durch Seine Liebe wiederherstellen, indem Er uns aufmerksam macht, wenn wir abgeirrt sind; allein wir genießen nur dann die Gemeinschaft mit Ihm, wenn wir im Gehorsam wandeln. Schließlich sollte man Jesu gehorchen; aber achten wir darauf, es war das Wort des Vaters an Jesum, als Er hienieden war. Seine Worte, waren die Worte des Vaters.

Der Heilige Geist gibt sowohl Zeugnis von dem, was Christus war, als auch von Seiner Herrlichkeit. Es handelt sich hier um die Offenbarung des vollkommenen Lebens des Menschen, um die Offenbarung Gottes im Menschen, des Vaters in dem Sohne – um die Offenbarung des Vaters durch den Sohn, der in des Vaters Schoß ist. Das waren die Worte des Sohnes hienieden; und wenn wir von Seinen Geboten reden, so darf man darunter nicht bloß die Offenbarung Seiner Herrlichkeit durch den Heiligen Geist (während Jesus droben ist) sowie die daraus entspringenden Folgen verstehen, sondern vielmehr Seine Gebote, als Er hienieden redete und die Worte Gottes aussprach; denn Er besaß den Heiligen Geist nicht nach Maß, so dass Seine Worte einen gemischten Charakter gehabt hätten und teilweise unvollkommen oder wenigstens nicht göttlich gewesen wären. Er war wirklich Mensch und immer Mensch; aber es war Gott, geoffenbart im Fleische. Das alte Gebot von Anfang ist neu, insofern dasselbe Leben, das in den Geboten Christi seinen Ausdruck fand, jetzt in uns wirkt und uns belebt; es ist wahr in Ihm und in uns (vgl. 1. Joh 2). Die Gebote sind diejenigen des Menschen Christus und sind gleichwohl die Gebote Gottes und die Worte des Vaters nach dem Leben, das in dieser Welt in der Person Christi geoffenbart worden ist. Sie drücken in Ihm aus und bilden und leiten in uns dieses ewige Leben, das bei dem Vater war und uns im Menschen geoffenbart worden ist – in Ihm, den die Apostel gesehen, gehört und betastet haben – und welches Leben wir in Ihm besitzen. Dessen ungeachtet ist uns der Heilige Geist gegeben worden, um uns in alle Wahrheit zu leiten gemäß den Worten in dem bereits angeführten 2. Kapitel des 1. Briefes Johannes: „Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles.“

Das Leben durch Gebote leiten ist etwas anderes als alles wissen, wiewohl beides miteinander verbunden ist; denn wenn wir diesem Leben gemäß wandeln, so betrüben wir den Heiligen Geist nicht und sind im Lichte. Das Leben leiten, wenn es vorhanden ist, ist etwas anderes, als ein Gesetz geben, das (freilich mit Recht) dem Menschen im Fleische auferlegt wird, indem, es ihm das Leben verheißt, wenn er dessen Gebote beobachtet. Das ist der Unterschied zwischen den Geboten Christi und dem Gesetz; nicht als ob die Autorität eine andere wäre, – die göttliche Autorität ist an und für sich stets dieselbe, – sondern das Gesetz stellt das Leben in Aussicht und wendet sich an den im Fleische verantwortlichen Menschen, indem es ihm das Leben als Resultat darbietet, während die Gebote Christi das Leben von jemandem ausdrücken und leiten, der durch den Geist bereits lebt, und zwar im Blick auf seine Vereinigung mit Christo. Der Heilige Geist (der außerdem alle Dinge lehrt) erinnerte an die Gebote Christi, an alles, was Er den Jüngern gesagt hatte. Durch Seine Gnade verhält es sich im Einzelnen ebenso mit jedem Christen.

Schließlich ließ der Herr Seinen Jüngern inmitten dieser Welt Frieden zurück, indem Er ihnen Seinen eigenen Frieden gab (V. 27). Im Begriff wegzugehen und gemäß der völligen Offenbarung Gottes konnte Er zu ihnen sagen: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“; denn Er besaß diesen Frieden trotz der Welt, und auch sie sollten ihn besitzen. Er hatte den Zorn erduldet, die Sünde für sie weggenommen, die Macht des Feindes im Tode zerstört und die Versöhnung zuwege gebracht, indem Er Gott vollkommen verherrlichte. Der Friede war gemacht – er war für sie vor Gott gemacht – und alles, was sie waren, war ans Licht gebracht, so wie Er im Lichte war, so dass dieser Friede vollkommen war in dem Lichte; und ebenso war er vollkommen in der Welt, weil er die Jünger in eine solche Verbindung mit Gott brachte, dass die Welt die Quelle ihrer Freude nicht einmal antasten oder erreichen konnte. Außerdem hatte Jesus dieses dergestalt für sie erfüllt und machte sie dessen in solcher Weise teilhaftig, dass Er ihnen jenen Frieden gab, den Er Selbst bei dem Vater hatte, und in dem Er folglich in dieser Welt wandelte. Die Welt gibt einen Teil ihrer Güter, ohne sie fahren zu lassen; aber Christus führt die Seinigen in den Genuss dessen ein, was Sein ist, in den Genuss Seiner eigenen Stellung vor dem Vater. Die Welt gibt nicht in dieser Weise und kann es auch nicht. Wie vollkommen muss der Friede gewesen sein, den Er bei dem Vater genoss, und diesen Frieden gibt Er uns – Seinen eigenen Frieden!

Es bleibt noch ein kostbarer Gedanke übrig, ein Beweis der Gnade in Jesu. Er rechnet so fest auf unsere Liebe als auf etwas, was Ihm persönlich angehört, dass Er zu Seinen Jüngern sagt: „Wenn ihr mich liebtet, so würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe!“ (V. 28). Er gibt uns das Vorrecht, uns für Seine eigene Herrlichkeit, für Sein Glück zu interessieren und darin das unsrige zu finden. – Guter und teurer Heiland! Wir freuen uns in der Tat, dass Du, der Du so viel für uns gelitten, jetzt alles vollbracht hast und bei Deinem Vater ausruhst, was auch Deine tätige Liebe für uns sein mag. O, dass wir Dich besser kennten und liebten! Aber gleichwohl können wir aus vollem Herzen rufen: Komme bald, Herr! Verlass noch einmal den Thron Deiner Ruhe und Deiner persönlichen Herrlichkeit, um uns zu Dir zu nehmen, damit auch für uns alles erfüllt werde, und wir bei Dir und in der Klarheit des Antlitzes Deines Vaters und in Seinem Hause seien! Deine Gnade ist unendlich, aber Deine Gegenwart und die Freude des Vaters wird die Ruhe unserer Herzen und unsere ewige Freude bilden. – Hiermit schließt der Herr diesen Teil Seines Gesprächs 3. Er hatte den Seinigen im Zusammenhang alles das gezeigt, was aus Seinem Weggang und Seinem Tode hervorging. Die Herrlichkeit Seiner Person ist jedoch hier stets der Gegenstand, so dass es selbst in Betreff Seines Todes heißt: „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht“ (Joh 13,31). Indes hatte der Herr ihnen alles dieses zuvor mitgeteilt, damit ihr Glaube dadurch gestärkt und nicht geschwächt werde; denn Er konnte nur noch wenig mit ihnen reden. Die Welt stand unter der Macht des Feindes, und dieser war bereits auf dem Wege: nicht weil er etwas in Christo hatte – er hatte nichts in Ihm; er besaß deshalb nicht einmal die Gewalt des Todes über Ihn. Sein Tod war nicht die Wirkung der Macht Satans über Ihn, sondern Er bewies in diesem Tode der Welt, dass Er den Vater liebte, und dass Er, koste es, was es wolle, Ihm gehorsam war. Wenn Satan der Fürst dieser Welt war, so suchte Jesus nicht Seine messianische Herrlichkeit in ihr zu behaupten, sondern Er zeigte der Welt da, wo die Macht Satans war, die Fülle der Gnade und der Vollkommenheit in Seiner eigenen Person, damit die Welt (wenn ich einen solchen Ausdruck gebrauchen darf) von sich selbst aus kommen möchte, oder dass wenigstens diejenigen es tun möchten, die Ohren hatten zu hören. Dann hört der Herr auf zu sprechen und geht von dannen. Er sitzt nicht mehr bei den Seinigen, als wäre Er von dieser Welt; Er steht auf und verlässt dieselbe.

Das, was wir von den Geboten des Herrn gesagt haben, die Er während Seines Aufenthaltes hienieden gab (ein Gedanke, dem die folgenden Kapitel eine interessante Entwicklung geben werden), ist sehr hilfreich zum Verständnis des ganzen Gesprächs des Herrn bis zum Ende des 16. Kapitels. Der Gegenstand teilt sich in zwei Hauptabschnitte, in die Wirksamkeit des Heiligen Geistes während der Abwesenheit des Herrn, und das Verhältnis der Jünger zu Ihm während Seines Aufenthaltes auf der Erde. Einerseits haben wir also das, was aus Seiner Erhöhung zur Rechten Gottes hervorging (und diese erhob Ihn über jede Frage von Juden und Heiden), und andererseits das, was von Seiner Gegenwart auf der Erde abhing, die notwendigerweise alle Verheißungen in Seiner Person als ihrem Mittelpunkt vereinigte, sowie ferner die Beziehungen der Seinigen zu Ihm, indem Er als in Verbindung mit der Erde stehend und sie als auf derselben anwesend betrachtet werden, und dies selbst während Er im Himmel ist. Es gab mithin zweierlei Zeugnisse: das eigentliche Zeugnis des Heiligen Geistes, d. h. das, was Er hinsichtlich des gen Himmel gefahrenen Jesus offenbarte, und dasjenige der Jünger als der Augenzeugen alles dessen, was sie von Jesu auf der Erde gesehen hatten (Joh 15,26+27). Nicht als ob die Jünger ihr persönliches Zeugnis ohne den Beistand des Heiligen Geistes abgelegt hätten; allein dieses letztere war nicht das neue Zeugnis von der himmlischen Herrlichkeit durch den Heiligen Geist, der vom Himmel hernieder gesandt wurde. Was das Zeugnis der Jünger betrifft, so sollte der Heilige Geist sie an das erinnern, was Jesus gewesen war und was Er hienieden gesprochen hatte. Deshalb wird das Werk des Heiligen Geistes in Vers 26 also beschrieben: „Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (vgl. V. 25). Wir finden hier also die beiden Teile des Werkes des Heiligen Geistes dargestellt. Jesus hatte vieles zu Seinen Jüngern geredet; aber der Heilige Geist sollte sie über alles belehren und sie an alles erinnern, was Jesus gesagt hatte. In Joh 16,12+13 erklärt ihnen Jesus, dass Er ihnen noch vieles zu sagen habe, dass sie es aber noch nicht zu ertragen vermochten; später aber würde der Geist der Wahrheit sie in die ganze Wahrheit leiten. Er würde nicht aus Sich Selbst reden, sondern das sagen, was irgend Er hören werde. Er würde nicht ein für Sich allein stehender, aus Sich Selbst redender Geist sein. Eins mit dem Vater und dem Sohne, und hernieder gekommen, um die Herrlichkeit und die Ratschlüsse Gottes zu offenbaren, würden alle Seine Mitteilungen mit dem Vater und dem Sohne in Verbindung stehen, indem sie die Herrlichkeit des aufgefahrenen Christus offenbaren würden – des Christus, dem alles gehörte, was der Vater hatte. An dieser Stelle ist nicht die Rede davon, dass Er die Jünger an das erinnern werde, was Jesus auf der Erde gesagt hatte. Der Gegenstand der Offenbarung ist himmlisch und steht in Verbindung mit dem, was droben ist, sowie mit der ganzen Herrlichkeit Jesu, oder bezieht sich auf die zukünftigen Ratschlüsse Gottes. Wir werden nachher auf diesen Gegenstand zurückkommen; ich habe diese wenigen Worte nur gesagt, um den oben erwähnten Unterschied zu beleuchten.

Fußnoten

  • 1 Er macht durch diesen Ausdruck eine Anspielung auf den Tempel als ein Bild.
  • 2 Bemerken wir, dass dies individuell (persönlich) ist, nicht aber die Vereinigung des Leibes mit Ihm; auch ist „Vereinigung“ nicht der genaue Ausdruck hierfür. Wir sind in Ihm; das ist mehr als Vereinigung. Es ist Natur und Leben sowie unser Platz in dieser Natur und in diesem Leben.
  • 3 In Kapitel 14 finden wir die persönliche Beziehung des Sohnes zu dem Vater und unseren Platz in Ihm, der in dieser Beziehung steht - einen Platz, den wir kennen durch den uns gegebenen Heiligen Geist. Joh 15 zeigt uns Seinen Platz und Seine Stellung auf der Erde als wahrer Weinstock, und dann Seinen Zustand der Herrlichkeit: Er ist hoch erhoben und sendet nun den Sachwalter, um diese Herrlichkeit zu offenbaren.
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