Betrachtung über Johannes (Synopsis)

Kapitel 7

Betrachtung über Johannes (Synopsis)

Die noch im Unglauben versunkenen Brüder Jesu nach dem Fleische wünschen, dass, wenn Er so große Dinge tue, Er Sich der Welt zeigen möge; dazu war die Zeit aber noch nicht gekommen. Er wird es einmal tun, wenn das, wovon das Laubhüttenfest ein Vorbild war, seine Erfüllung finden wird. Das Passah hat sein Gegenbild im Kreuze gefunden, das Pfingstfest in der Ausgießung des Heiligen Geistes; aber das Fest der Laubhütten ist bis jetzt noch nicht erfüllt. Es wurde nach der Ernte und nach der Weinlese gefeiert, und Israel erinnerte sich an demselben mit Freuden der Pilgerschaft, die der Ruhe, die Gott ihm in Kanaan gegeben hatte, vorhergegangen war. Die Erfüllung dieses Vorbildes wird daher stattfinden, wenn Israel nach der Ausübung des Gerichts (mag sich dieses in der Trennung der Bösen von den Guten, oder einfach in der Ausübung der Rache offenbaren) in sein Land zurückgekehrt und im Besitz aller ihm verheißenen Segnungen sein wird. In jener Zeit wird Jesus Sich der Welt zeigen; aber zu der Zeit, von der wir sprechen, war Seine Stunde noch nicht gekommen. Inzwischen aber, nachdem Er hinweggegangen ist (V. 33. 34), gibt Er den Gläubigen den Heiligen Geist (V. 38. 39).

Beachten wir, dass das Pfingstfest hier nicht eingeführt ist. Wir gehen vom Passah in Kapitel 6 zu dem Laubhüttenfest in Kapitel 7 über, an dessen Statt die Gläubigen den Heiligen Geist empfangen sollten. Dieses Evangelium handelt, wie ich bereits bemerkt habe, von einer göttlichen Person auf der Erde, nicht aber von dem Menschen im Himmel. Die Ankunft des Heiligen Geistes wird hier besprochen als dasjenige, was an die Stelle des achten oder letzten Tages des Laubhüttenfestes getreten ist. Das Pfingstfest setzt voraus, dass Jesus droben ist. Indes stellt der Herr hier den Heiligen Geist vor als die Hoffnung des Glaubens zu der Zeit, in der Er sprach, falls Gott Bedürfnisse in der Seele erweckte. Wenn jemanden dürstete, so sollte er zu Jesu kommen und trinken; und nicht nur sollte sein Durst gelöscht werden, sondern von dem inwendigen Menschen seiner Seele sollten auch Ströme lebendigen Wassers ausfließen. Indem jemand also durch den Glauben zu Ihm kam, um das Bedürfnis der eigenen Seele zu befriedigen, sollte der Geist in ihm nicht nur ein Quell Wassers sein, der in das ewige Leben quillt, sondern es sollte auch lebendiges Wasser in Fülle aus ihm fließen, um alle Dürstenden zu laben.

Beachten wir hier auch, dass die Kinder Israel in der Wüste Wasser tranken, bevor sie das Fest der Laubhütten feiern konnten. Doch sie tranken nur; es war keine Quelle in ihnen: das Wasser floss aus dem Felsen. Unter der Gnade ist freilich der Glaubende nicht ein Quell in sich selbst, aber der volle Strom fließt von ihm aus. Indes sollte dieses erst stattfinden, wenn Jesus verherrlicht war, und zwar bei denen, die schon Gläubige waren, ehe sie dies empfingen. Es ist hier nicht die Rede von dem Werke der Wiedergeburt, sondern von einer Gabe für diejenigen, die glaubten. Ferner wird Jesus Sich Selbst am Laubhüttenfeste der Welt zeigen; aber dies ist nicht der Gegenstand, von dem der Heilige Geist hier der besondere Zeuge ist. Er wird mitgeteilt in Verbindung mit der Herrlichkeit Jesu, während Dieser vor der Welt verborgen ist. Auch redet der Herr hiervon am achten Tage des Festes, der das Vorbild eines Teiles war, das über die Sabbatruhe dieser Welt hinausgeht, sowie der Anfang einer anderen Periode, einer neuen Szene der Herrlichkeit. Beachten wir auch, dass in praktischer Hinsicht die Gegenwart des Heiligen Geistes – wiewohl Er hier als eine Macht dargestellt wird, die außerhalb dessen, in dem Er wohnt, im Segen wirkt – die Frucht eines persönlichen Durstes, eines in der Seele gefühlten Bedürfnisses ist, eines Bedürfnisses, für das die Seele in Christo eine Antwort gesucht hatte. Wer da dürstet, der dürstet für sich. Der Heilige Geist, der Christum in uns offenbart, wird durch Sein Innewohnen in uns, die wir geglaubt haben, zu einem Strom in uns und also für andere.

Die Gesinnung der Juden gab sich unverhohlen kund. Sie suchten den Herrn zu töten, und Jesus sagt ihnen, dass Seine Beziehungen zu ihnen auf der Erde bald beendet sein würden (V. 33). Es bedürfe ihrerseits keiner so großen Eile, um sich Seiner zu entledigen – bald würden sie Ihn suchen, und nicht finden können; denn Er war auf dem Wege zu Seinem Vater.

Wir sehen hier deutlich den Unterschied zwischen der „Volksmenge“ und den „Juden“ – den beiden Parteien, die in diesem Evangelium stets voneinander unterschieden werden. Die Volksmenge begreift nicht, warum Jesus sagt, dass man Ihn zu töten suche, während die Juden sich über Seine Kühnheit verwundern, weil sie wussten, dass man sich in Jerusalem gegen Sein Leben verschworen hatte. Doch Seine Zeit war noch nicht gekommen. Man sendet Diener aus, um Ihn zu greifen; aber diese kehren, von Seinen Worten mächtig ergriffen, zurück, ohne die Hände an Ihn gelegt zu haben (V. 45 u. f.). Die Pharisäer sind darüber erzürnt und drücken ihre Verachtung gegen das Volk aus (V. 47–49). Nikodemus wagt es, ein Wort der Gerechtigkeit dem Gesetze gemäß zu reden und lenkt dadurch ihre Verachtung auf sich. Doch dann geht jeder nach seinem Hause. Jesus, der keine Heimat hatte, bis Er in den Himmel zurückkehrte, von woher Er gekommen war, begibt Sich an den Ölberg, den Zeugen Seiner Todesangst, Seiner Himmelfahrt und Seiner Wiederkunft – an den Ort, den Er während der Zeit Seines Dienstes auf Erden so oft besuchte.

Der Gegensatz zwischen dem Inhalt dieses Kapitels und dem Judentum (selbst mit seinen besten Hoffnungen für die Zukunft, die Gott für Sein irdisches Volk bereitet hat) ist zu augenscheinlich, als dass wir länger dabei zu verweilen brauchten. Dieses ganze Evangelium offenbart Jesum außerhalb alles dessen, was jenem irdischen System angehörte. In Joh 6 war es der Tod auf dem Kreuze hienieden; hier ist es die Herrlichkeit im Himmel, während die Juden verworfen sind und dem Gläubigen der Heilige Geist gegeben ist. In Joh 5 gibt Christus das Leben als Sohn Gottes; in Joh 6 erniedrigt Er Sich und leidet am Kreuze als Sohn des Menschen; in Kap. 7 sendet Er, nachdem Er verherrlicht ist, den Heiligen Geist. Kapitel 5 entfaltet Seine Titel der persönlichen Herrlichkeit; Kapitel 6 und 7 Sein Werk und die Gabe des Geistes an die Gläubigen als Folge Seiner gegenwärtigen Herrlichkeit im Himmel 1, einer Herrlichkeit, der die Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde entspricht. Im 8. und 9. 2 Kapitel werden wir die Verwerfung Seines Zeugnisses und Seiner Werke sowie die Entscheidung der Frage zwischen Ihm und den Juden finden. Man wird auch bemerken, dass Kapitel 5 und 6 vom Leben handeln; in Kapitel 5 wird es in unumschränkter und göttlicher Weise durch Den mitgeteilt, der es besitzt; in Kapitel 6 findet die Seele, indem sie durch den Glauben Jesum aufnimmt und sich mit Ihm beschäftigt, das Leben und nährt sich von Ihm durch die Gnade des Vaters. So finden wir zwei Dinge, die in ihrer Natur verschieden sind: Gott gibt, und der Mensch nährt sich durch die Gnade. Andererseits ist Christus in Kapitel 7 auf dem Wege zu Dem, der Ihn gesandt hat, und inzwischen ist der Heilige Geist gegenwärtig, der die Herrlichkeit, in die Er eingegangen ist, in uns und durch uns in ihrem himmlischen Charakter entfaltet. In Kapitel 5 ist Christus der Sohn Gottes, in Kapitel 6 der Sohn des Menschen, der hernieder kommt, stirbt und in den Himmel zurückkehrt; in Kapitel 7 haben wir den Sohn des Menschen im Himmel, wenigstens wird Sein Hingang erwähnt. In Kapitel 8 wird, wie schon gesagt, das Wort Jesu verworfen, und in Kapitel 9 Sein Werk. Allein es gibt hier noch viel mehr als das. Die persönlichen Herrlichkeiten des ersten Kapitels (mit Ausnahme der Verse 35–51) werden in allen diesen Kapiteln wiederholt und entwickelt. In den Kapiteln 5, 6 und 7 haben wir die Verse 14–34 des ersten Kapitels wieder gefunden. Jetzt kehrt der Heilige Geist zu dem Gegenstande der ersten Verse des 1. Kapitels zurück. Christus ist das Wort; Er ist das Leben, und zwar das Leben, das das Licht der Menschen ist. Die drei Kapitel, die ich eben bezeichnet habe, beschäftigen sich mit dem, was Christus in Gnade für den Menschen ist, obwohl sie zugleich Seine Rechte als Richter ankündigen.

Fußnoten

  • 1 Diese Herrlichkeit wird jedoch nur vorausgesetzt, nicht gelehrt. Der Herr kann nicht am Laubhüttenfeste, der Ruhe Israels, teilnehmen noch auch Sich der Welt zeigen, wie Er es dann tun wird. aber Er gibt stattdessen den Heiligen Geist. Dies setzt, wie wir wissen, Seine gegenwärtige Stellung, die wir soeben im 6. Kapitel erwähnt haben, voraus.
  • 2 Die Lehre des 9. Kapitels setzt sich bis zu Joh 10,30 fort.
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