Betrachtung über Markus (Synopsis)
Kapitel 4
Das eben Gesagte zeigt den wahren Charakter und das Ergebnis des Dienstes Christi und entwickelt die ganze Geschichte des Dienstes, der bis zu einer fernen Zukunft hin vollbracht werden sollte, samt der Verantwortlichkeit der Jünger im Blick auf den Anteil, den sie daran haben würden. Zugleich erblicken wir die Ruhe eines Mannes, der bei der Verrichtung dieser Arbeit sein Vertrauen auf Gott setzt; ferner die Stürme, die hereinbrechen und den Glauben üben, während Jesus sich scheinbar nicht darum kümmert, und schließlich das rechte Vertrauen des Glaubens sowie die Macht, die ihn aufrecht hält.
Der ganze Charakter des Werkes, sowohl in jenem Augenblick als auch bis zur Wiederkunft Jesu, wird in diesem Kapitel geschildert. Der Herr nimmt sein gewöhnliches Werk der Unterweisung wieder auf, jedoch in Verbindung mit der Enthüllung, die soeben betreffs seiner Beziehung zu den Juden stattgefunden hatte. Er sät; Er sucht nicht länger Frucht in seinem Weinberg. Auch wird in Vers 11 der Unterschied zwischen den Juden und seinen Jüngern hervorgehoben: „Euch ist es gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu wissen; jenen aber, die draußen sind, geschieht alles in Gleichnissen“. Ich wiederhole hier die Bemerkungen nicht, die ich bei der Betrachtung des Inhalts dieses Gleichnisses in Matthäus gemacht habe. Aber das, was in Vers 21 folgt, gehört wesentlich dem Evangelium des Markus an.
Wir haben gesehen, dass der Herr sich mit der Predigt des Evangeliums vom Reich beschäftigte, und Er vertraut die Predigt des Evangeliums auch anderen an. Er war ein Sämann, und Er säte das Wort; das war sein Dienst und auch derjenige seiner Jünger. Aber zündet man ein Licht an, um es zu verbergen? Überdies kann nichts verborgen bleiben; denn wenn nicht der Mensch die empfangene Wahrheit ans Licht stellt, so wird Gott alles an den Tag bringen. Möge ein jeder das beachten!
In Vers 24 wendet der Herr diesen Grundsatz auf seine Jünger an. Sie mussten acht haben auf das, was sie hörten; denn Gott würde mit ihnen handeln nach ihrer Treue in der Verwaltung des ihnen anvertrauten Wortes. Die Liebe Gottes sandte den Menschen das Wort der Gnade und das Wort vom Reich, und der Zweck des den Jüngern anvertrauten Dienstes war, durch dieses Wort das Gewissen der Menschen zu erreichen. Christus teilte es den Jüngern mit, und diese sollten es in seiner ganzen Fülle anderen bekannt machen. Und nach dem Maß, mit dem sie diesem Zeugnis der Liebe (der empfangenen Gabe gemäß) freien Lauf ließen, sollte ihnen in der Regierung Gottes gemessen werden. Horchten sie auf das, was Er ihnen mitteilte, so sollten sie noch mehr empfangen; denn als ein allgemeiner Grundsatz gilt: wer sich das Empfangene aneignet, wird noch mehr empfangen, und von dem, der es sich nicht wirklich aneignet, wird es weggenommen werden.
Sodann zeigt ihnen der Herr, wie es hinsichtlich seiner eigenen Wirksamkeit werden würde. Er hatte gesät und wie der Same keimt und aufsprießt ohne irgendwelche Beihilfe des Sämanns, so wollte Christus das Evangelium in der Welt sich ausbreiten lassen, ohne dabei in irgendeiner sichtbaren Weise ins Mittel zu treten; denn es ist ein ganz besonderer Charakter des Reiches, dass der König sich nicht darin befindet. Aber wie der Sämann zur Zeit der Ernte sich wieder mit dem Gesäten zu beschäftigen hat, so sollte es auch mit Jesus sein; Er wird wiederkommen, um nach der Ernte zu sehen. Er war beim Säen wie beim Ernten persönlich beteiligt. In der Zwischenzeit ging scheinbar alles voran, als wenn es sich selbst überlassen wäre, ja, ohne jede Dazwischenkunft des Herrn in Person.
Der Herr bedient sich dann noch eines anderen Gleichnisses, um den Charakter des Reiches zu schildern (V. 30). Das kleine Samenkorn, das Er säte, sollte zu einem großen, auf der Erde hochangesehenen System werden, geeignet, denen einen zeitlichen Schutz zu gewähren, die Schutz in ihm suchen würden.
So finden wir hier denn das Werk der Predigt des Wortes, die Verantwortlichkeit der Arbeiter, denen der Herr dasselbe während seiner Abwesenheit anvertrauen wollte, außerdem die Tätigkeit des Herrn selbst am Anfang und am Ende, bei der Aussaat und bei der Ernte, während Er in der Zwischenzeit sich fern hält, und endlich die Bildung einer großen irdischen Macht als Ergebnis der Wahrheit, die Er predigte und die einen kleinen Kern von Getreuen um Ihn sammelte.
Indes blieb dem Herrn noch ein Teil der Geschichte der Seinigen zu erörtern übrig: sie sollten auf ihrem Weg die größten Schwierigkeiten finden. Der Feind würde einen Sturm gegen sie erregen (V. 35–41). Jesus kümmerte sich scheinbar nicht um ihre Lage. Sie rufen Ihn an und wecken Ihn durch ihren Hilferuf, den Er in Gnade beantwortet. Er redet zu dem Wind und dem Meer, und es entsteht eine große Stille. Zu gleicher Zeit aber tadelt Er den Unglauben der Jünger. Sie hätten auf Ihn und seine göttliche Macht rechnen und nicht denken sollen, dass Er in dem Gewässr sein Grab finden werde. Auch hatten sie sich ihrer Verbindung mit Ihm erinnern und daran gedenken sollen, dass sie durch die Gnade aufs innigste mit Ihm verbunden waren.
- Welch eine Ruhe finden wir in Jesus! Ihn ängstigt der Sturm nicht. Seinem Werk völlig hingegeben, ruht Er in dem Augenblick, da der Dienst seine Tätigkeit nicht in Anspruch nimmt; Er ruht während der Überfahrt. Sein Dienst gewährte Ihm nur jene wenigen Augenblicke, die infolge der Umstände nicht der Arbeit gewidmet sein konnten. Seine göttliche Ruhe, die kein Misstrauen kannte, erlaubte Ihm, während des Sturmes zu schlafen. So war es nicht mit den Jüngern. Seiner Macht nicht gedenkend und in Unkenntnis über die Herrlichkeit Dessen, der bei ihnen war, denken sie nur an sich selbst, als ob Jesus sie vergessen hätte. Doch ein Wort aus seinem Mund offenbart Ihn als den Herrn der Schöpfung.
Dieser Vorgang schildert uns den wahren Zustand der Jünger, wenn Israel beiseite gesetzt ist. Der Sturm erhebt sich, und Jesus scheint nicht darauf zu achten; aber der Glaube würde trotzdem erkannt haben, dass sie mit Ihm in demselben Schiffe waren. Das will sagen, wenn auch Jesus das Gesäte bis zur Ernte hin wachsen lässt, so ist Er darum nicht weniger mit den Seinigen in demselben Schiffe und teilt nicht weniger wirklich das Schicksal derer, die Ihm nachfolgen, oder vielmehr sie teilen das Seinige. Die Gefahren sind die Gefahren, in denen Er und sein Werk sich befinden, d. h. es sind in Wirklichkeit keine. Aber wie groß ist die Torheit des Unglaubens! Man stelle sich nur die Vermutung der Jünger vor, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen war, um die Erlösung und die festgestellten Vorsätze Gottes auszuführen, könne samt seinem ganzen Werk durch einen (für das Auge des Menschen) zufälligen Sturm mit einem Mal in dem See versinken! Wir sind, gepriesen sei sein Name! in demselben Schiffe mit Ihm; und wenn der Sohn Gottes nicht untersinkt, so werden wir es auch nicht tun.
In einem anderen Sinn sind jedoch die Jünger nicht bei Ihm. Wenn Er sein Arbeitsfeld verlässt, so sind sie zum Dienen berufen. Dieses lehrt uns im folgenden Kapitel die Geschichte des Besessenen, der von seinem elenden Zustand befreit wurde.