Ein Wort über die christliche Taufe

1. Kapitel

Wie schon im Vorwort gesagt, ist es nicht der Zweck dieser Schrift, die verschiedenen herkömmlichen Meinungen über die Taufe zu erörtern, auch nicht zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, an wem und zu welcher Zeit sie ausgeübt werden sollte, sondern nur klar zu stellen (soweit das dem Schreiber möglich ist), was der Geist Gottes durch die von Ihm inspirierten Männer über Wesen und Bedeutung der Taufe uns hat mitteilen lassen. Vorausgeschickt seien einige kurze Bemerkungen über die Taufe als solche.

Das griechische Wort für „taufen“: baptizein, von baptein = tauchen, eintauchen 1 abgeleitet, bedeutet „untertauchen“. Auch das deutsche Wort „taufen“ erinnert an diese Bedeutung. Den Sinn von „begießen“ oder gar „besprengen“ hat baptizein niemals. Im Neuen Testament kommt es einige Male vor in der Bedeutung von „waschen“ (vergl. Mk. 7,4; Lk. 11,38). Johannes, der Vorläufer des Herrn, hat auch seine Taufe nicht durch Begießen, wie man es in Bildern oft dargestellt findet, sondern unzweifelhaft durch Untertauchen vollzogen. Da zahlreiche Scharen zu ihm kamen, taufte er deshalb im Jordan oder an einem Ort wie Aenon, „weil viel Wasser (eig. viele Wasser) daselbst war“ (s. Joh. 3,23). Welche Bedeutung hätte auch die „Taufe zur Buße“, d. h. zur völligen Sinnesänderung (Mt. 3,11), oder „die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ (Mk. 1,4; Lk. 3,3) als Bild haben können, wenn der Täufling nicht untergetaucht, d. h. ganz gewaschen bzw. in bildlichem Sinne ganz gereinigt worden wäre?

Abgesehen von diesem Gedanken an Reinigung (Waschung), brachte die Taufe die Getauften in Verbindung mit dem, in dessen oder auf dessen Namen die Handlung vollzogen wurde. So wurden schon die Väter der Israeliten, die alle unter der Wolke waren und alle durch das Rote Meer hindurchgingen, „in der Wolke und in dem Meere“ auf Mose (den Führer des Volkes) getauft - hier selbstverständlich nicht in der buchstäblichen Bedeutung des Wortes (1.Kor. 10,1.2). Die, welche der Predigt Johannes' des Täufers Gehör gaben, wurden gleichfalls durch die Taufe mit ihm, dem Vorläufer des Messias und dem ersten Ankündiger des nahenden Reiches der Himmel, in Verbindung gebracht und als ein bußfertiger Überrest äußerlich von der ungläubigen Masse des Volkes für den kommenden König abgesondert. Dieser König sollte durch die Taufe des Johannes „Israel offenbar werden“ (Joh. 1,31). Die christliche Taufe verbindet als ein äußeres Zeichen mit Christus. Aber so bedeutungsvoll, wie wir weiter unten sehen werden, sie als solches ist, bleibt sie doch immer nur ein Symbol, ein Sinnbild, das aus eben diesem Grunde keine lebenspendende Kraft, keine sinnesändernde Wirkung haben kann.

Auch die Jünger des Herrn haben, dem Vorbilde des Täufers folgend, bei ihrem Umherziehen durch die Städte und Dörfer Israels solche getauft, die ihre Predigt annahmen, und sie auf diese Weise mit dem Messias in Verbindung gebracht. Aber diese Taufen unterschieden sich wesentlich von der christlichen Taufe. Sie geschahen beide, wie bereits vermerkt, im Hinblick auf das kommende Reich und verbanden die Getauften mit dem in der Mitte Seines Volkes weilenden König. Das war auch wohl der Grund, weshalb Jesus selbst nicht taufte (Joh. 4,2). Wie hätte Er, der Sohn Gottes, der das Ende von allem kannte und gekommen war, um sich selbst als Lösegeld zu geben für alle (1.Tim. 2,6; vergl. Mk. 10,45), die an Ihn Glaubenden mit Sich als dem auf dieser Erde lebenden Messias verbinden können? Schon Nikodemus hatte Er gesagt, dass Gott die Welt also geliebt habe, dass Er seinen Sohn gegeben, auf dass jeder, der an Ihn, den von Seinem Volke Verworfenen und ans Kreuz Erhöhten, glauben würde, ewiges Leben habe.

Die christliche Taufe, die im Blick auf unseren gestorbenen und auferstandenen Herrn ausgeübt wird, konnte darum naturgemäß erst nach Seinem Tode und Seiner Auferstehung eingesetzt werden. So hören wir denn auch zum ersten Mal von ihr bei dem letzten Zusammensein des auferstandenen Herrn mit seinen Jüngern an dem Berge in Galiläa, wohin Er sie beschieden hatte (Matth. 26,32; 28,16-20). In diesem Teile des Landes, dem Wohnort der Kleinen und Armen der Herde, dem schon im Alten Testament von den Propheten angedeuteten Gebiet des jüdischen Überrestes, hatte Er hauptsächlich geredet und gewirkt, und hier waren die meisten Seiner Wunderwerke geschehen, die Ihn als den „Jehova“ erwiesen, der Sein Volk besucht hatte. Von hier aus sendet Er jetzt die elf Jünger in die ganze Welt mit dem Auftrag, „alle Nationen zu Jüngern zu machen“, indem sie ihnen von Dem erzählten, der in der Mitte Seines irdischen Volkes erschienen, aber von ihm verworfen worden war. Ihm hatte Gott jetzt alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben, damit auch den in Finsternis und Gottentfremdung dahinlebenden Heiden Heil und Leben gebracht werden könne. Welch ein Wechsel hatte sich also vollzogen und sollte sich noch weiter auswirken! Die engen Grenzen des Judentums sollten durchbrochen, und allen auf der Erde ansässigen Völkern sollte die Kunde gebracht werden, dass die Gnade Gottes erschienen sei, heilbringend auch für sie (vgl. Tit. 2,11). Die „ohne Gott und ohne Hoffnung“ in der Welt Stehenden sollten hören, dass Gott sich ihnen nicht nur als der eine, wahre Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, kundtun, auch nicht länger als „Jehova“, der Bundesgott Israels, nur mit einem Volk in Verbindung sein und in dessen Mitte wohnen wolle, sondern dass es Ihm gefalle, sich auch ihnen in ganz neuer, die bisherigen Schranken weit hinter sich zurücklassender Weise zu offenbaren. Während die Jünger bis dahin nicht einmal zu den Samaritern hatten gehen dürfen, sollten sie jetzt ihre Botschaft bis an die Enden der Erde tragen.

„Gehet nun hin und machet alle Nationen zu Jüngern, und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Matth. 28,19+20). Wunderbare Worte! Wenn sie uns auch nicht das „Neue“ der Gnade, Gottes ewige Ratschlüsse in Verbindung mit dem auferstandenen und verherrlichten Menschensohn, die Sammlung einer auserwählten Schar aus allen Völkern der Erde, in ihrer Fülle vor Augen stellen, auch nicht von der Taufe in ihrer vollen geistlichen Bedeutung reden, zeigen sie uns doch, wie groß die eingetretene Veränderung war 2. Das Alte, das gesetzliche System, war vergangen, und die Morgenröte eines neuen Tages brach an. Die Taufe steht hier wohl mehr der jüdischen Beschneidung gegenüber, insbesondere aber der Name Gottes in seiner vollen Offenbarung als „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ Seinem Bundesnamen „Jehova“, der unveränderlich treue, ewige Gott. Und die Boten des Herrn sollten die also zu Jüngern gemachten und auf jenen neuen Namen getauften Heiden nicht etwa wieder unter das Gesetz stellen, sondern sie lehren, alles zu bewahren, was Jesus, der Sohn Gottes, ihnen selbst geboten hatte.

Alles das steht im Einklang mit dem Charakter, in welchem der Herr uns in dem ganzen Evangelium Matthäus vorgestellt wird. Er ist hier bekanntlich der Messias, der Gesalbte Jehovas, der König Israels, der deshalb auch den Weibern erlaubt, Seine Füße zu umfassen und Ihm zu huldigen, während Er im Evangelium Johannes, wo Er als das Haupt der neuen Schöpfung erscheint, der Seine Brüder in ein ganz neues, himmlisches Verhältnis einführt, zu Maria Magdalena sagt: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater.“ Auch schließt das Buch nicht, wie die Evangelien nach Markus und Lukas, mit der Himmelfahrt vom Ölberg aus (diese wird überhaupt nicht erwähnt), sondern mit jener Unterredung an einem Berge in Galiläa, und die Unterredung selbst endet mit der den Jüngern gegebenen Verheißung, dass der Herr bei ihnen sein werde „alle Tage, bis zur Vollendung des Zeitalters“. Wenn diese kommt, wird Er als Der gesehen werden, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, und der dann einerseits alle Seine Feinde richten und andererseits Seine Erlösten in die Segnungen des Reiches einführen wird.

So verbindet der Herr das Zeugnis von dem Reiche, das Er selbst in der Mitte Israels abgelegt hatte, mit diesem neuen Zeugnis Seiner Jünger an die Nationen, einem Zeugnis, das nicht so sehr Jesum als den zur Rechten des Vaters verherrlichten Menschensohn vor uns stellt, sondern Ihn vielmehr als den gestorbenen und auferstandenen Messias zum Gegenstand hat und den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes offenbart.

Ich verweile hierbei so lange, um zu zeigen, dass das Gebot, die Jünger „auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ zu taufen, wohl nicht als die Feststellung einer bestimmten Taufformel für alle späteren Zeiten betrachtet werden muss, sondern uns nur zeigen will, wie Gott, in Verbindung mit der an die Taufe geknüpften Belehrung über die Gebote des Herrn, fortan unter dem heiligen Namen „Vater“ usw. mit den Nationen in Verbindung treten wollte. Tatsächlich hören wir deshalb auch an keiner Stelle des Neuen Testamentes, dass die oben genannten Worte von den Aposteln oder anderen Taufenden als stehende Taufformel benutzt worden seien. Nicht dass die Taufe niemals in dieser Weise vollzogen worden wäre, aber es wird nicht gesagt.

In der Apostelgeschichte wird die Taufe fast überall mit der Person des Herrn in Verbindung gebracht. Bei ihrer ersten Erwähnung in Kapitel 2, 38 ruft Petrus den Juden zu: „Tut Buße, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden.“ In Kapitel 8,16 lesen wir betreffs der gläubigen Samariter: „Sie waren getauft auf den Namen des Herrn Jesus.“ In dem Hause des Hauptmanns Kornelius zu Cäsarea befahl Petrus, dass alle, die das Wort im Glauben aufgenommen hatten, „getauft würden in dem Namen des Herrn“. Die Jünger, welche der Apostel Paulus in Ephesus fand, wurden „auf den Namen des Herrn Jesus getauft“ (Kap. 19,5). Ananias forderte Saulus auf, sich taufen und seine Sünden abwaschen 3 zu lassen, indem er Seinen Namen, den Namen des Jesus, der ihm auf dem Wege nach Damaskus erschienen war, anrief (Kap. 22,16). An einigen anderen Stellen der Apostelgeschichte lesen wir dann noch: „er (sie) wurde(n) getauft“ oder: „er taufte ihn“, ohne jede nähere Bezeichnung (Kap. 8,12+38; 16,15+33; 18,8).

Die bisher angeführten Stellen weisen darauf hin, dass die Taufe ein Bild der Vergebung und Abwaschung der Sünden ist. Petrus kündigte die Vergebung denen an, die, durchbohrt von seinem gewaltigen Mahnruf: „Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“, aufrichtig fragten: „Was sollen wir tun, Brüder?“ Für sie als Juden war, was ihr bisheriges Verhältnis zu Gott betraf, alles verloren; Gericht war das einzige, was für „das verkehrte Geschlecht“ übrig blieb. Nur durch wahre innere Umkehr zu Gott, durch aufrichtige Reue und Buße konnten sie vor diesem Gericht bewahrt bleiben. Die Taufe auf den Namen Jesu Christi, des von ihnen verworfenen, aber von Gott zu Seiner Rechten erhöhten Herrn, die Taufe „zur Vergebung der Sünden“, war das äußere Zeichen dieser Sinnesänderung und des ernsten Begehrens der Getauften, sich von dem verkehrten Geschlecht Israel „retten zu lassen“, und so, in Verbindung mit Christo gebracht, auf den neuen Boden zu treten, den Gottes Gnade in der Versammlung (Gemeinde), Seinem Hause, geschaffen hatte. Diesem Hause geziemt Heiligkeit, und niemand hatte da berechtigten Zutritt, der nicht durch den Glauben an das vollendete Werk Christi Vergebung seiner Sünden empfangen und deren Abwaschung in der Taufe bekannt hatte. Bemerkenswert ist noch, dass der Empfang des Heiligen Geistes hier als eine Bestätigung der durch den Glauben erworbenen und in der Taufe bekannten Vergebung der Sünden verheißen wird. Als später in dem Hauptmann Kornelius und den in seinem Hause Versammelten die ersten Heiden (abgesehen von dem Kämmerer aus Äthiopien) das Wort vom Kreuz im Glauben aufnahmen, „fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten“; und erst danach befahl Petrus, dass sie getauft würden, denn wer hätte Leuten, die den Heiligen Geist empfangen hatten, das Wasser der Taufe verwehren können?

Fußnoten

  • 1 Vgl. Lk 16,24; Joh 13,26 und Off 19,13 als die einzigen Stellen, an welchen dieses Wort im Neuen Testament vorkommt.
  • 2 Im Markus-Evangelium (Kap. 16,15) werden die Jünger in die ganze Welt gesandt mit der Anweisung, der ganzen Schöpfung, also allen Menschen, ob Juden oder Heiden, das Evangelium zu predigen. Vgl. auch Lk 24,47, wo die frohe Botschaft zuerst Je¬rusalem und dann allen Nationen gebracht wird.
  • 3 Auch dieses Wort weist unzweideutig auf ein Untertauchen, eine völlige Waschung des ganzen Menschen hin.
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