Betrachtung über den Propheten Jeremia (Synopsis)
Kapitel 39-49
Kapitel 39-45. Weiterhin enthalten Kapitel 39 und folgende die Geschichte der Verwirrung und der Ungerechtigkeit, die unter dem Überrest, der nicht gefangen nach Babel geführt worden war, herrschten, damit sie zerstreut werden und alle völlig das von Gott angekündigte Gericht tragen sollten. Dessen ungeachtet würde, wenn in dieser letzten Stunde der Überrest sich dem Joche Nebukadnezars unterworfen hätte, Friede im Lande geherrscht, und diese wenigen Übriggebliebenen würden es in Ruhe und Stille besessen haben. Aber einige empören sich, und die anderen fürchten die Folgen ihrer Torheit. Da ist kein Gedanke an Vertrauen auf Jehova. Sie fragen Jeremia um Rat, aber weigern sich, dem Worte des Herrn aus seinem Munde zu gehorchen. Sie suchen Zuflucht in Ägypten, um Nebukadnezar zu entrinnen, doch in Wirklichkeit nur, um unter dem Schwerte zu fallen, welches sie in Judäa verschont haben würde, wenn sie dort dem König dienstbar geblieben wären. In Ägypten ergeben sie sich dem Götzendienst, damit der Zorn Gottes bis zum Ende hin über sie kommen möchte. Indessen wollte Gott Selbst von diesen einen kleinen Überrest verschonen; aber der Pharao Hophra, auf den sie vertrauten, sollte in die Hände Nebukadnezars gegeben werden, wie es mit Zedekia geschehen war.
In Kapitel 45 finden wir die bereits erwähnte Weissagung bezüglich Baruks.
Kapitel 46-49. Die nun folgenden Kapitel enthalten die Weissagungen gegen die Nationen rings um Judäa sowie gegen Babel selbst. Wir werden in den Weissagungen, die sich auf die Nationen beziehen, folgende besondere Grundzüge finden: die Gerichte sind nicht die der letzten Tage, wie bei Jesaja, sondern beziehen sich, dem allgemeinen Charakter des Buches gemäß, auf die Zerstörung der verschiedenen Nationen, um der Herrschaft eines einzigen Reiches Platz zu machen. Daher kommt es, daß, was Juda betrifft, das Gericht gerade jetzt ausgeführt wird. Indes besteht im Blick auf die Wiederherstellung dieser Nationen in den letzten Tagen ein Unterschied. Ägypten, Elam, Moab und Ammon werden in den letzten Tagen wiederhergestellt werden, Edom, Damaskus, Philistäa und Hazor nicht. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist leicht zu erkennen. Ägypten und Elam bilden keinen Teil des Landes Israel. Gott will Sich in Seiner Güte über diese Länder erbarmen. Sie sollen unter Seiner Regierung bewohnt und gesegnet werden. Als das Volk Israel in Kanaan einzog, mußten Ammon und Moab verschont bleiben. Sie waren nicht Kanaaniter, die unter dem Fluche standen; und so traurig auch die Geschichte ihres Ursprungs sein mochte, blieb ihnen doch, weil sie mit Israel verwandt waren, ihr Land erhalten, obgleich sie bis ins zehnte Glied nicht in die Gemeinde Israels zugelassen werden durften (5.Mo 23, 3). Und wenn Gott mit der dem Nebukadnezar übertragenen Herrschaft und dem Reiche der Nationen ein Ende machen wird, dann werden diese Nationen wieder in die Länder kommen, die ihnen einst zugeteilt waren.
Mit Edom aber ist es anders. Obgleich es verschont geblieben war und sogar im dritten Gliede unter Israel aufgenommen werden durfte, soll es doch, da sein Haß gegen Israel grenzenlos gewesen ist, in dem Gericht jenes Tages gänzlich vernichtet werden. Vergleiche die ganze Weissagung Obadjas, besonders Vers 18. Ihr Land soll einen Teil des Gebietes Israels bilden und machte tatsächlich einen Teil desselben aus, obwohl sie selbst ursprünglich als Brüder Israels verschont worden waren; aber ach! Edom hat diese Gunst nur mißbraucht, so daß das Gericht, welches sie treffen soll, schrecklicher sein wird als das der übrigen Völker. Damaskus, Hazor und Philistäa bildeten einen Teil des eigentlichen Landes Israel. Diese Nationen verschwinden als besondere Völker, was ihr Gebiet betrifft. Am Schluß der Gerichtsankündigung über Ägypten richtet Gott an Israel Worte der Ermunterung. Es hatte sich auf den Pharao gestützt, als Nebukadnezar Jerusalem angriff. Die ägyptische Macht schien die einzige zu sein, die imstande war, ein Gegengewicht gegen Babel zu bilden. Aber Gott hatte den Sturz Ägyptens beschlossen, das gern den ersten Platz eingenommen hätte. Dieser Platz war indessen für Babel bestimmt. Das Land, aus dem sie hinausgeführt worden waren (die Welt, betrachtet als der Mensch in seinem natürlichen unabhängigen Charakter, der bestrebt ist, seine eigenen Kräfte zu entwickeln), möchte gern über götzendienerisches Verderben und die Grundsätze Babels die Oberhand gewinnen; aber diese letzteren sollen in Kraft bleiben bis zu der von Gott bestimmten Zeit, wann Er sie richten wird. Da nun Israel sich auf Ägypten gestützt hatte, so schien es, als ob es mit Ägypten fallen würde; aber Gott wachte über ihm, und es sollte aus der Gefangenschaft zurückkehren und in Frieden wohnen. Die Wege Gottes in Seiner Regierung sind hier sehr beachtenswert. Gott wollte die Völker richten und Israel nach Gebühr züchtigen. Sein Volk sollte nicht mit der Welt verurteilt werden. Ein Mißbrauch der Gnade zieht die schrecklichsten Gerichte nach sich, wie es bei Edom der Fall war.