Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)
Kapitel 21
Der Prophet sieht jetzt einen neuen Himmel und eine neue Erde; aber das Meer ist nicht mehr. Mit anderen Worten, es gibt keine Trennung mehr, und die Welt weist keinen Teil mehr auf, der sich nicht in dem Zustand einer geordneten Erde vor Gott befände. Auch gibt es hier kein Reich mehr, das eine Art von Vermittlung zwischen Gott und Menschen bildet. Das Lamm wird nicht gesehen. Gott ist alles in allem. Trauer und Geschrei sind für immer vorüber; auch gibt es kein irdisches Volk Gottes mehr, das sich von den Bewohnern der Erde unterschiede. Diese Bewohner bilden in ihrer Gesamtheit das Volk Gottes, und Gott Selbst ist bei ihnen, zugleich ist Seine Hütte bei ihnen. Diese Hütte ist die heilige Stadt, das neue Jerusalem. Die Versammlung behält den ihr eigentümlichen Charakter; sie bildet in besonderer Weise die Wohnung Gottes, wenn der ewige, unveränderliche Zustand eintritt und alles neu gemacht wird. Gott ist das Ende, wie Er der Anfang ist. Den, der jetzt dürstet, will Er aus der Quelle des Wassers des Lebens erquicken, der Überwinder wird alles ererben. Die Welt ist jetzt für den Christen ein großes Rephidim (vgl. 2.Mo 17,1). Die zweifache Segnung, die dem Überwinder am Ende zuteil werden wird, ist diese: er wird Gott zu seinem Gott haben, und er wird Sein Sohn sein. Alle aber, die vor dem zu dieser Segnung führenden Pfade zurückgeschreckt sind, welche die Welt und Satan nicht überwunden haben, sondern in Gottlosigkeit dahingegangen sind, werden ihr Teil im Feuersee finden. Damit schließt die Geschichte der Wege Gottes.
Was jetzt folgt, ist die Beschreibung der himmlischen Stadt, wie uns vorher diejenige von Babylon gegeben wurde. Der himmlische Charakter der Stadt sowie die Verbindung, in welcher sie im Tausendjährigen Reiche mit der Erde steht, wird geoffenbart. Wie damals, als es sich um Babylon handelte, kommt auch jetzt einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, um dem Propheten die Braut, das Weib des Lammes, zu zeigen. Die Vollstreckung des Gerichts auf Erden hat die Einführung von Segnungen besserer und höherer Art zur Folge. Wie einst Mose, so wird auch der Prophet auf einen hohen Berg geführt, um von dort aus den Schauplatz der Erfüllung der Verheißungen Gottes zu überschauen, und dann sieht er das neue Jerusalem aus dem Himmel hernieder kommen von Gott. Damit wird der doppelte Charakter bezeichnet, welcher der Stadt von Gott verliehen ist: sie ist göttlich, was ihren Ursprung betrifft, zugleich aber auch himmlisch (vgl. 2.Kor 5,1). Sie hätte von Gott und dabei doch irdisch sein können; oder himmlisch und dabei den Engeln entsprechend. Aber keines von beiden ist der Fall. Sie ist vielmehr ihrem Ursprung nach göttlich und ihrer Natur und ihrem Charakter nach himmlisch. Sie ist mit himmlischer Herrlichkeit bekleidet; es kann nicht anders sein, da sie auf das Werk Christi gegründet ist. Ihr Ansehen ist gleich durchsichtigem Jaspis: der Jaspis wird als Symbol göttlicher Herrlichkeit gebraucht (Off 4,3). Sie ist in völliger Sicherheit, indem sie eine große und hohe Mauer besitzt. Sie hat zwölf Tore. Engel sind die willigen Torhüter der großen Stadt geworden, welche die mit Herrlichkeit bekleidete Frucht des Erlösungswerkes Christi darstellt. Damit wird angedeutet, dass der Mensch nun auch den höchsten Platz in der Schöpfung einnimmt, und dass er die Verwaltung der unter der Vorsehung Gottes bestehenden Ordnung innehat, die früher von Engeln verwaltet wurde. Die zwölf Tore sind voll menschlicher Vollkommenheit, wie sich dieselbe bei der Ausübung verwaltender Regierungsgewalt offenbart. Das Tor war der Ort, wo Gericht gehalten wurde. Die Zahl „zwölf“ bezeichnet, wie wir oft gesehen haben, Vollkommenheit und Regierungsgewalt. Der Charakter dieser Gewalt wird durch die Namen der zwölf Stämme bezeichnet, die Gott in dieser Weise regiert hatte. Sie bilden nicht die Grundlage, doch finden wir hier denselben Charakter der Macht, wie er sich bei ihnen gezeigt hatte. Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundlagen, aber diese sind die zwölf Apostel des Lammes. Sie bilden in dem Werk, das sie ausgeführt haben, die Grundlage der himmlischen Stadt. So wird die in der Schöpfung und Vorsehung wie in der Regierung (durch Jehova) zutage tretende Machtentfaltung in der himmlischen Stadt, dem geordneten Sitz himmlischer Macht, mit der einst in Jerusalem gegründeten Versammlung vereinigt gefunden. Die Stadt wird nicht als Braut dargestellt, obwohl sie die Braut, das Weib des Lammes ist. Auch wird sie nicht in dem paulinischen Charakter ihrer nahen Segensbeziehungen zu Christo erblickt. Es ist vielmehr die Versammlung, wie sie einst zu Jerusalem unter der Leitung der Zwölf gegründet wurde, der geordnete Sitz himmlischer Macht, die neue und jetzt himmlische Hauptstadt der Regierung Gottes. In der irdischen Hauptstadt hatten sie gelitten und dem Lamme gedient, und unter Seiner Leitung haben sie die himmlische Stadt gegründet. Diese ist ebenso ausgedehnt, wie sie vollkommen ist, und alles an ihr ist von Gott ausgemessen und anerkannt. Es handelt sich jetzt nicht um einen Überrest, der gemessen wird, sondern um eine Stadt. Sie besitzt nicht göttliche Vollkommenheit (das kann nicht sein), aber eine von Gott verliehene Vollkommenheit. Sie bildet einen Würfel, der auf jeder Seite gleich ist, d. h. sie besitzt begrenzte Vollkommenheit. So ist auch die Mauer (selbstverständlich sind das alles nur Sinnbilder) vollkommen; sie misst 12 x 12 Ellen. Die Mauer, welche die Stadt schützt, ist die göttliche Herrlichkeit; ähnlich wie von dem irdischen Jerusalem geschrieben steht. „Rettung setzt er zu Mauern und zum Bollwerk“ (Jes 26,1).
Die Stadt ist, was ihre Natur betrifft, in göttlicher Gerechtigkeit und Heiligkeit gebildet: sie besteht aus Gold, das so durchsichtig ist wie Glas. Das, was in der gegenwärtigen Zeit mittels des Wortes in Menschen hier auf Erden gewirkt und ihnen zugewandt wird (Gerechtigkeit und Heiligkeit), bildet die Natur der ganzen Stadt (vgl. Eph 4,24). Die Edelsteine, die mannigfaltigen Offenbarungen der Natur Gottes, welcher Licht ist, in Verbindung mit dem Geschöpf (in Hesekiel 28 erscheinen sie in der Schöpfung, in dem Brustschilde des Hohenpriesters in Gnade), erstrahlen hier in unveränderlicher Herrlichkeit und schmücken die Grundlagen der Stadt. Die Tore haben die sittliche Schönheit, durch welche Christus in der Versammlung angezogen wurde, hier in herrlicher Weise dargestellt. Das, worauf die Menschen wandeln, bringt sie nicht in Gefahr, verunreinigt zu werden, es ist vielmehr selbst gerecht und heilig; die Straßen, alles, womit die Menschen in Berührung kommen, sind Gerechtigkeit und Heiligkeit - sie bestehen aus Gold, durchsichtig wie Glas.
Die Herrlichkeit Gottes ist nicht mehr in eine Sache eingehüllt, die durch ihre Entfaltung heilige Scheu einflößt; es gibt in der Stadt keinen Tempel, in welchen Menschen wohl eintreten, aber wo sie nicht hinzunahen können, wo Gott verborgen ist. Der Herr Gott, der Allmächtige, und das Lamm sind ihr Tempel. Man naht Ihnen in Ihrer eigenen Natur und Herrlichkeit, indem Sie nur von der vollen Offenbarung dieser Herrlichkeit umgeben sind.
Auch bedarf man in der Stadt keines erschaffenen Lichtes; die Herrlichkeit der göttlichen Natur erleuchtet alles in ihr, und das Lamm bildet den Träger dieses Lichtes.
Man beachte hier, dass nicht Gott, der Vater, als der Tempel dargestellt wird. Es ist vielmehr Gott, der Herrscher, wie Er Sich in den verschiedenen Verwaltungen geoffenbart hat, der wahrhaftige Gott, und das Lamm, das Seine Herrlichkeit zum vollen Ausdruck gebracht hat.
Das ist der Charakter der Stadt.
In dem Gesicht wird dann weiter gezeigt, in welchem Verhältnis die Stadt zu denen steht, die sich auf der Erde befinden, sowie zu ihren eigenen Bewohnern. Es scheint darin ein Widerspruch zu liegen, was aber tatsächlich nicht der Fall ist, denn durch die Stadt wird der Zustand veranschaulicht, in welchem die Braut sich befindet, während, wenn von den Bewohnern derselben die Rede ist, die persönliche Segnung der einzelnen dargestellt wird. Die Nationen, die in den über die Erde ergangenen Gerichten verschont geblieben sind, wandeln durch das Licht der Stadt, wie heute die Welt gewissermaßen durch das Licht wandelt, das von der Versammlung ausgeht. Dann wird die Herrlichkeit vollkommen sein. Die Stadt erfreut sich des Lichtes, das sich unmittelbar in ihrer Mitte befindet, die Welt dagegen des übertragenen Lichtes, das von der Herrlichkeit der Stadt ausstrahlt. Die Könige der Erde bringen ihre Ehre und Herrlichkeit zu ihr. Sie erkennen die Himmel und das himmlische Königtum als die Quelle von allem an und bringen die Huldigung ihrer Macht dorthin. Nacht gibt es dort nicht, und die Tore der Stadt stehen allezeit offen; sie bedarf keiner Abwehr des Bösen, und zugleich genießt sie göttlichen Schutz, der nicht zulässt, dass irgendetwas Böses ihr nahe. Die Könige selbst huldigen ihr mit willigem Herzen; ja, auch die Herrlichkeit und die Ehre der Nationen werden zu ihr gebracht. Der Himmel erscheint hier als die Quelle aller Herrlichkeit und Ehre dieser Welt. Darum sind diese nun auch echt. Nichts Gemeines geht in die Stadt ein, noch irgendetwas, was Götzendienst und Lüge einführen könnte. Weder das Böse des Menschen noch der Betrug Satans können dort einen Platz finden oder in verderblicher Weise wirken. Wenn heute irgendetwas Gutes in die Erscheinung tritt, wie oft muss dann das vorausblickende Herz sich sagen, dass das Böse eindringen und Satan Trug üben und Verderben anrichten wird! Hier haben wir Gewissheit, dass das nie mehr der Fall sein kann. Was die heilige Stadt kennzeichnet, ist nicht nur der Umstand, dass es nichts Böses in ihr gibt, sondern dass Böses überhaupt nicht in sie eindringen kann. In den Bewohnern der Stadt sind, aufgrund der vollkommenen Gnade und in Verbindung mit dem Lamme, alle gesegneten Gefühle und Zuneigungen vorhanden. Nur diejenigen, deren Namen in dem Buche des Lebens des Lammes sind, finden in der Stadt einen Platz.