Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Kapitel 12

Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Dieses Kapitel gibt uns einen kurzen, aber höchst wichtigen Überblick über den ganzen Gang der Ereignisse; doch werden hier nicht die Werkzeuge geschaut, die in denselben auf Erden tätig sind, auch nicht das Gericht, welches an diesen Werkzeugen selbst vollzogen werden soll; vielmehr wird uns gezeigt, wie Gott alle die Grundsätze, die bei den Ereignissen wirksam sind, betrachtet, mit einem Wort, wir sehen den Zustand der Dinge, wie er in Gottes Augen erscheint. Die erste symbolische Gestalt, der wir begegnen, der Gegenstand der Weissagung und das Ergebnis all der Wege Gottes, die in ihr geschildert werden, ist ein Weib, das mit der Sonne bekleidet ist, eine Krone von zwölf Sternen trägt und den Mond unter ihren Füßen hat. Es ist Israel oder Jerusalem als Mittelpunkt Israels, als das, was es den Ratschlüssen Gottes gemäß sein soll (vgl. Jes 9,6 und Ps 87,6). Das Weib ist mit der höchsten Autorität bekleidet, trägt die Herrlichkeit einer vollkommenen, Menschenhänden anvertrauten Verwaltung und hat die ganze Herrlichkeit, die ursprünglich unter dem alten Bunde als Widerschein der ersteren bestand, unter ihren Füßen. Sie befindet sich in Geburtswehen, ist in Not und in Schmerzen zu gebären. Andererseits erscheint die Macht Satans in Gestalt des Römischen Reiches, welches, was Machtformen betrifft, vollständig ist - es trägt sieben Köpfe - jedoch unvollständig im Blick auf verwaltende Oberherrschaft, da es nur zehn, nicht zwölf Hörner besitzt. Aber Satan, der offene, ungläubige Feind Gottes und Seiner sich gegen Christus offenbarenden Macht, sucht das Kind, welches von Gott die Herrschaft über die Erde empfangen soll, zu verschlingen, sobald es geboren ist. Doch das Kind (Christus und die mit Christo verbundene Versammlung) wird zu Gott und Seinem Throne entrückt, empfängt zwar noch nicht die Macht, erhält aber Seinen Platz unmittelbar an der Quelle derselben. Die Entrückung wird uns hier nicht so dargestellt, wie sie den Gegenstand unserer Freude ausmacht, denn es wird auf die Aufnahme Christi Selbst zurückgegangen; vielmehr sehen wir, wie Er, und die Versammlung (Gemeinde) in und mit Ihm, an den Platz versetzt wird, von welchem die Kraft, durch die das Reich errichtet werden soll, ausgeht. Die Aufnahme Christi und die der Versammlung werden zeitlich nicht voneinander getrennt. Christus und die Versammlung werden als völlig eins betrachtet. Aber das Weib (die Juden) flieht nunmehr in die Wüste, wo Gott für die Halbwoche eine Stätte für sie bereitet hat.

Die Versammlung oder die himmlischen Heiligen gehen (man beachte wohl: wie Christus) in den Himmel hinauf, um aus dem Wege zu sein, während die Juden oder die irdischen Heiligen auf Erden durch die Fürsorge Gottes in Seiner Vorsehung beschützt werden. Dies zeigt uns deutlich die ganze Lage der Dinge, um welche Personen es sich hier handelt, und welchen Platz eine jede Klasse dieser Personen einnimmt. Das Weib, das auf Erden Herrlichkeit besitzen und Macht ausüben soll, wird vertrieben. Das Kind, das im Himmel Macht besitzen und dieselbe von dort her ausüben soll, wird zuvor dorthin aufgenommen. Das gibt uns ein sehr klares Bild von der ganzen Sachlage.

Indem so die Entrückung des männlichen Kindes als bereits geschehen betrachtet wird, wird der geschichtliche Gang der Ereignisse weiter verfolgt. Im Himmel entsteht ein Kampf; der Teufel und seine Engel werden hinausgeworfen und haben fortan keinen Platz mehr dort. Dies lässt den Unterschied zwischen den himmlischen Heiligen und dem jüdischen Überrest noch deutlicher hervortreten. Die ersteren haben den Verkläger „um des Blutes des Lammes und um des Wortes ihres Zeugnisses willen“ überwunden, während der Same des Weibes „die Gebote Gottes und das Zeugnis Jesu Christi“, d. h. den Geist der Weissagung, hat. Was ihm im Worte von den Gedanken Gottes mitgeteilt ist, trägt einen alttestamentlichen Charakter.

Im weiteren Verlauf des Kapitels hören wir, wie eine laute Stimme im Himmel ankündigt, dass das Reich unseres Gottes und die Gewalt Seines Christus gekommen sei - also wieder das Zeugnis des 2. Psalms, nur dass die Verkündigung bisher allein vom Himmel her geschieht, wo durch das Hinabwerfen Satans die Macht des Reiches bereits geoffenbart ist. Mit Satans antipriesterlicher Macht ist es von nun an für immer vorbei. Königliche und prophetische Macht mag er noch ausüben, aber seinen Platz im Himmel hat er eingebüßt. Die Heiligen der himmlischen Örter haben ihn durch das, was ihnen ein gutes Gewissen und ein Anrecht an den Himmel verlieh, durch das Blut des Lammes und das Wort ihres Mundes (das in der Kraft des Geistes geführte Schwert Gottes) überwunden und ihr Leben in den Tod gegeben. Die Himmel und die in ihnen wohnen, können nun fröhlich sein, aber für die Bewohner der Erde und des Meeres bedeutet es ein „Wehe“, denn der Teufel ist herabgekommen und weiß, dass ihm nur noch wenig Zeit gelassen ist. Aus Vers 11 scheint hervorzugehen, dass nach der Entrückung noch Heilige getötet werden, die dem Himmel angehören. Sollten solche um ihrer Treue willen getötet und dann nicht in den Himmel aufgenommen werden, so würden sie sowohl der irdischen wie der himmlischen Segnungen verlustig gehen, obwohl sie mehr Hingabe bewiesen hätten, als diejenigen, denen die irdischen zuteil werden. Überdies begegnen wir ihnen wieder in Kapitel 20 als solchen, die der ersten Auferstehung angehören. Die Seelen unter dem Altar (Kap. 6) hatten ebenfalls auf andere zu warten, die als ihre Brüder bezeichnet werden und gleich ihnen getötet werden sollten; auch müssen wir beachten, dass die, welche hier glücklich gepriesen werden, gerade die Geschlachteten sind. Und doch stehen wir hier noch vor den letzten dreieinhalb Jahren.

Wir haben demnach folgende drei Klassen hier vor uns: erstens die im Himmel sind, deren Stimme wir hören; sodann ihre (unsere) Brüder, die überwunden haben, und endlich diejenigen, welche die noch bevorstehenden dreiundeinhalb Jahre, in denen Satan seine Wut auslassen wird, durchzumachen haben werden. Wenn nun, wie wir gesagt haben, das männliche Kind droben im Himmel Christum mit den entrückten Heiligen darstellt, dann ist die laute Stimme, die gehört wird, als die Stimme derer zu betrachten, welche sich bereits dort befinden 1, und es tritt somit jede der erwähnten Klassen deutlich hervor: erstens die mit Christo verbundenen, entrückten Heiligen, welche das Hinabwerfen des Anklägers und die Befreiung derjenigen, die dem Himmel angehören und von ihnen „unsere Brüder“ genannt werden, verherrlichen; zweitens diese Brüder selbst, deren Kampf mit dem Ankläger, da derselbe nun hinabgeworfen ist, vorüber ist, die ihm jedoch als einem himmlischen Machthaber, einem Antipriester, hatten Widerstand leisten müssen (der Teil der Geschichte, welcher für Johannes ein Geheimnis ist); und drittens diejenigen, welche sich nun, da Satan auf Erden in der Rolle eines Königs und eines Propheten seine ganze Wut auslässt, in einer Prüfungszeit befinden. Denn der Drache, nunmehr auf die Erde hinabgeworfen und unfähig, im Himmel Anklage zu erheben oder den Heiligen, die eine himmlische Berufung haben (denn mit solchen hat es das Priestertum zu tun, nicht mit einer durch Gott bewirkten Einheit), entgegenzutreten, verfolgt die Juden und sucht ihr Zeugnis zu vernichten. Gott gibt jedoch dem Weibe Macht, zwar nicht, um Widerstand zu leisten (denn der Herr Selbst muss zu ihrer Befreiung kommen), aber doch, um zu fliehen und zu entkommen und an einem Orte Zuflucht zu finden, an welchem sie während der ganzen halben Woche, außerhalb des Bereiches der Schlange, ernährt wird. Die Schlange sucht das Weib zu verfolgen; Flügel hat sie nicht, aber sie bedient sich eines Stromes, der Bewegungen von Menschenmassen, die unter dem Einfluss besonderer Beweggründe und besonderer Leitung stehen, um so das Weib zu überwinden. Aber die Erde, dieses geordnete System, in welchem die Menschen wohnen, verschlingt den Strom. Es wird jenem Einfluss nicht ein Heer, eine gegen ihn streitende Macht, entgegengestellt, sondern er wird einfach wirkungslos gemacht. Die Beschaffenheit der Erde oder der Gang der Dinge auf ihr ist derart, dass die Wirkung jenes Einflusses dadurch aufgehoben wird. Gott leitet es so in Seiner Vorsehung, und der Drache wendet sich nun von dem Weibe ab, um die einzelnen zu verfolgen, den treuen Überrest ihres Samens, d. i. die Juden, die an dem Worte Gottes festhalten.

Fußnoten

  • 1 Ich glaube nicht, dass diese Stimme für diejenige Christi gehalten werden darf. Diese Auslegung Ist mehr als fraglich.
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