Betrachtung über das erste Buch Samuel (Synopsis)
Kapitel 22-24
Nun nimmt David seinen Platz unter den Herrlichen der Erde völlig ein (Heb 11, 38). Dort gesellt sich der Prophet Gad zu ihm; er wird durch das klare Zeugnis Gottes direkt geleitet, und bald darauf gesellt sich auch der Priester zu ihm, so daß, obwohl er verworfen ist, sich alles zu ihm versammelt, was zum Zeugnis und zum Wirken Gottes gehörte. Er war der König; der Prophet war da, der Priester war auch da. Die äußeren Formen waren anderswo. Im Gegenteil dazu hatte Saul dadurch seine Verachtung Samuel gegenüber gezeigt, daß er David bis in seine Gegenwart verfolgte, und zwar ohne Mitleid wie auch ohne Furcht Gottes, und ohne Gewissensbisse entledigt er sich der Priester durch die Hand eines Fremden, eines Edomiters, eines unbarmherzigen Feindes des Volkes, als das Gewissen des letzteren seine Hand zurückgehalten hätte. Bei dieser Gelegenheit geschieht es, daß der Priester durch Gott zu David gebracht wird, wie wir in gleicher Weise den Propheten dort finden, nachdem Saul seine Verachtung für ihn erwiesen hatte. Ein feindseliger König, ist er somit ein Verächter des Propheten, ein Feind des Priesters Gottes.
Welch eine traurige Geschichte des allmählichen aber fortschreitenden Sturzes eines Menschen, der die Form des Guten, aber nicht Glauben an Gott besaß, und der Gott verlassen hatte! Wie sicher sind die Wege Gottes, welcherart der Schein auch sein mag!
Wie verachtet er auch sein mag, David ist der König und Erretter des Volkes: er schlägt die Philister mit einer großen Niederlage in die Flucht. In Israel findet er nichts als Verrat, den sich Saul zunutze macht in der Hoffnung, David zu ergreifen. Da aber die Weisheit des Propheten bei David ist, so hat er auch die Antwort Gottes durch das Ephod des Priesters, der bei ihm ist.
Laßt uns nebenbei bemerken, daß Saul sich, äußerlich gesehen, sehr vergrößert hat. Er steht nicht mehr mit seinen sechshundert Mann da, die ihm zitternd nachfolgten; er kann von seinen Obersten über Tausende und Obersten über Hunderte reden; er kann Felder und Weinberge verleihen; er hat seinen Doeg, den Aufseher seiner Hirten. Vor Gott macht er innerlich schreckliche Fortschritte im Bösen; er ist nicht nur von Gott verlassen, sondern er durchbricht alle Schranken des Gewissens und des Zeugnisses und der Satzungen Gottes. Denn der Prophet Samuel und die Priester hätten für einen solchen eine Einschränkung bedeutet haben sollen, der sich als mit den Interessen des Volkes Gottes verbunden bekannte.
Äußerer Fortschritt im Wohlstand in Verbindung mit tatsächlichem innerem Fortschritt im Bösen ist etwas sehr Ernstes. Es ist gleichzeitig ein Fallstrick für das Fleisch und eine Prüfung für den Glauben. Im Gegensatz hierzu wird David scheinbar - und betreffs der Umstände auch tatsächlich - aus dem Volk ausgestoßen. Er hatte weder Heim noch Zuflucht. Das Zeugnis Gottes aber in der Person des Propheten Gad, und Gemeinschaft mit Gott durch des Priesters Ephod sind sein Teil in der Verbannung. Von Menschen ausgestoßen ist er dort, wo die Hilfsquellen Gottes der Not Seines Volkes gemäß erlebt werden.
Man beachte auch, daß David selbst als Priester wirkt, um den Ausdruck des Sinnes Gottes zu erlangen. Er nimmt das Ephod, um bei Gott Rat zu suchen; er ißt das Schaubrot - ein bemerkenswertes Vorbild von Christo - was uns belehrt, daß, wenn alles in Verfall ist, der Segen auf diejenigen übertragen wird, die durch den Glauben im Gehorsam wandeln, indem sie die Pflicht des Gläubigen verstehen, der den moralischen Platz des Glaubens unterscheidet, was er Gott schuldig ist und wie er (der Glaube) sich auf Ihn verlassen kann.
Man beachte auch, daß es hier nicht leuchtende Taten, die Frucht der Kraft des Glaubens sind, die David auszeichnen, sondern der Instinkt und die Erkenntnis, die seiner Stellung entsprechen, ein moralisches Unterscheidungsvermögen für das, was Gott wohlgefällig ist, und die Richtschnur des Verhaltens, wonach Sein Knecht als das Gefäß Seiner geistlichen Energie streben sollte, während die ihm gehörende Macht sich in den Händen eines anderen befindet. Es ist der Wandel eines solchen, der erfaßt hat, was in dieser schweren Lage, und in allen Umständen, in die sie ihn bringt, passend ist, der das achtet, was Gott achtet, und wenn Gott ihn beruft, Sein Werk unerschrocken ausführt: in all dem ist er ein bemerkenswertes Vorbild von Christo, und ein Beispiel für uns.
Außer diesem geistlichen Auffassungsvermögen und diesem moralischen Passendsein stellt uns der größte Teil dieser Lebensgeschichte die Art und Weise vor Augen, wie Gott alles zur Erfüllung Seiner Vorsätze lenkt (trotz aller Beweggründe und Absichten der Menschen), um David durch Geduld und die Energie des Glaubens in die Stellung zu bringen, die Er für ihn bereitet hatte.
Nichtsdestoweniger bedarf David der Einschaltung und des Schutzes Gottes. Als er infolge der Warnung Gottes Kehila verläßt, zieht er in die Wüste (Kap. 23). Dort wird er von den Männern Sauls umringt. In dem Augenblick aber, wo sie ihn festgenommen hätten, da fielen die Philister in das Land ein, und Saul mußte zurückkehren.
„Und David zog von dannen hinauf und blieb auf den Bergfesten Engedi.“ Nachdem Saul von der Verfolgung der Philister zurückgekehrt war, verfolgte er David bis dahin, indem er mehr von seiner Eifersucht dem von Gott erwählten König gegenüber erfüllt war als den Feinden des Volkes Gottes. Dieser Feldzug gereicht ihm aber nicht zur Ehre. Eine Gelegenheit, seinen Verfolger zu töten, bietet sich David; die Furcht Gottes regiert ihn aber, und sogar das Herz Sauls wird einen Augenblick durch eine Bewahrung gerührt, welche bewies, daß David ihn in einer Weise achtete, die er sich nicht vorgestellt hatte. Er sieht deutlich, was sich daraus ergeben wird, und er beschwört David, seine Nachkommenschaft zu beschützen, David kehrt aber nicht zu Saul zurück. Die Beziehung war abgebrochen.