Betrachtung über das erste Buch Samuel (Synopsis)
Kapitel 8-10
Der Glaube wird aber nicht durch Erbfolge weiter gegeben. Samuel konnte seine Söhne nicht zu Propheten machen. Als Richter waren sie nicht besser, als die Söhne Elis als Priester gewesen waren, und das Volk hatte selbst keinen Glauben, um sich unmittelbar auf Gott zu stützen. Sie bitten darum, den Nationen gleichgemacht zu werden.
„Nun setze einen König über uns ein“, sprachen sie zu Samuel. Wo war Jehova? Für Israel nirgends. Es war aber übel in den Augen Samuels, und er betete zu Jehova. Obwohl Er zur Kenntnis nahm, daß das Volk Ihn, wie gewöhnlich, verworfen hatte, gebot Gott dem Samuel, auf die Stimme des Volkes zu hören. Samuel warnt sie dem Zeugnis Gottes gemäß und stellt ihnen das Unpassende und die Folgen eines solchen Schrittes vor Augen; das Volk will aber nicht auf ihn hören. Durch von der Vorsehung herrührende Umstände bringt Gott den Mann zum Propheten, den Er dazu erwählt hatte, die fleischlichen Begierden des Volkes zu erfüllen. In alledem richtet Er das Volk und ihren König. („Ich gab dir einen König in meinem Zorn, und nahm ihn weg in meinem Grimm.“) Er gedachte aber Seines Volkes. Er verließ sie nicht. Während Er ihnen ihre Untreue zeigt, handelt Er durch Saul zu ihren Gunsten, und auch nachher, indem Er den ungehorsamen König hinwegnahm. Schönheit und hoher Wuchs kennzeichneten den Sohn Kis; in den Zeichen aber, die Samuel ihm gab, nachdem er ihn gesalbt hatte, lag eine Bedeutung, die seine Gedanken über ihn selbst hinaus hätten lenken sollen.
Wie oft gibt es eine Bedeutung, eine Sprache, die dem, der Ohren hat zu hören, vollkommen verständlich ist, die uns aber entgleitet, weil unser grobes und verhärtetes Herz keine geistliche Erkenntnis und kein Unterscheidungsvermögen besitzt! Und doch hängt unsere ganze Zukunft davon ab. Gott hat unsere Unfähigkeit bezüglich der darin enthaltenen Segnung gezeigt. Nichtsdestoweniger mangelte es nicht an Mitteln.
Obwohl die Bedeutung dieses Umstandes weniger augenscheinlich war, als die der anderen Zeichen, so hätte doch das Grab Rahels Saul, den Sohn und Erben des dort nach dem Fleische Geborenen, daran erinnern sollen, daß der Sohn der Not seiner Mutter der Sohn der Rechten des Vaters war (1.Mo 35, 18).
Nun hatte Gott Israel nicht verlassen; Glaube war noch vorhanden; Männer gingen zu Gott hinauf. Es gab einige in Israel, die sich des Gottes von Bethel erinnerten, der Sich dem Jakob offenbarte, als er floh 1, und der ihn in Seiner Treue in Frieden zurückbrachte; und Gott gab dem Saul Gunst in ihren Augen. Die Knechte des Gottes von Bethel grüßen ihn und stärken ihn auf seinem Wege. Doch der Berg Gottes war von den Philistern besetzt - noch ein Umstand, der das Herz eines treuen Israeliten, der die Herrlichkeit Gottes und das Wohl Seines Volkes wünschte, hätte berühren sollen. Das begleitende Zeichen aber verlieh ihm noch mehr Nachdruck; denn an diesem Ort geriet der Geist Jehovas über Saul, und er wurde in einen anderen Mann verwandelt, deshalb lautete seine Berufung: „Tue, was deine Hand finden wird“. (Kap. 10,7) 2
Es geschieht oft, daß der Glaube klar darstellt, was getan werden soll, während das fett und untreu gewordene Herz das gar nicht einsieht. Und was bedeuten diese Zeichen? Es gibt solche in Israel, die des Gottes von Bethel gedenken und die Ihn suchen - das sind aufrichtige und zubereitete Herzen, die Ihn als die Hilfsquelle des Glaubens kennen. Der Berg Gottes aber, der öffentliche Sitz Seiner Stärke, befindet sich in den Händen des Feindes. Wenn dies auch so ist, ist der Geist Gottes noch auf dem Manne, der dies zur Kenntnis nimmt, und es ist gerade an diesem Berge, daß der Geist über ihn gerät. Der Name Gottes ist hier auch von Bedeutung. Es ist Gott im abstrakten Sinne - Gott, der Schöpfer; es handelt sich um Gott Selbst. Der Geist Jehovas gerät über Saul, weil Er dort den Lauf Seiner Beziehungen zu Israel wieder aufnimmt.
Samuel ist aber immer noch der einzige, den Gott als das Bindeglied zwischen Sich und dem Volke anerkennt. Wenn Saul es mit Samuel zu tun gehabt hat, war er ein anderer Mensch. Er muß auf Samuel warten, um zu wissen, was er tun soll, und auf daß Segen auf ihm ruht. Somit muß er zugeben, daß der Segen mit dem Propheten zusammenhängt und er nicht ohne ihn handeln darf; er muß in vollkommener Geduld (sieben Tage) auf ihn warten, einer Geduld, die sich dem Zeugnis Gottes beugend, keinen Segen getrennt von Seinen Wegen suchen will.
Hier sehen wir auch in den Philistern die Feinde, die den Glauben auf die Probe stellen. Wir haben oft solche Feinde, über die wir einen leichten Sieg erringen, und deretwegen man uns für geistlich hält, sie sind aber nicht solcherart (von seiten Gottes, und man darf sagen, auch ihrerseits), die den Glauben auf die Probe stellen. Mit diesen muß die Geduld ihr vollkommenes Werk tun. Die Philister aber hielten diesen Ort im Blick auf Saul. Es war wohl gut, daß das Volk von seinen anderen Feinden befreit werden sollte; das waren aber nicht diejenigen, die ihnen ein Fallstrick waren und die die Macht des Feindes inmitten Israels und der Verheißungen offenbarten.
Herrschen über uns geistliche Mächte in der Versammlung, an dem Orte, wo die Verheißungen Gottes sich erfüllen sollten? Und welche Kraft sehen wir, um die Macht des Bösen und der geistlichen Bosheit innerhalb der Grenzen der bekennenden Kirche niederzuwerfen?
Von den Philistern hätte Saul das Volk Gottes erretten sollen (siehe Kap. 9, 16). Der Berg Gottes war in den Händen der Philister (siehe auch Kap. 14, 52). Wenn Saul auf Samuel geharrt hätte, so hätte er ihm alles erklärt, was er tun sollte. Nun werden wir sehen, daß Saul zwei Jahre später dieser Sache wegen vor den Philistern auf die Probe gestellt wird; wie lange der Aufschub auch gedauert hätte, wäre die Sache nicht geändert worden; der ganze mittlerweile errungene Erfolg hätte seinen Glauben mehren und ihn im Gehorsam gestärkt haben sollen.
Samuel beruft das Volk nach Mizpa. Dort stellt er ihnen ihre Torheit vor Augen, wie sie den Gott ihres Heils verworfen hatten. Dem Befehl Gottes gemäß schreitet es aber zur Wahl eines Königs. Gott kommt den Wünschen des Volkes entgegen. Wenn das Fleisch Gott hätte verherrlichen können, so mangelte es an nichts, um sie dazu zu veranlassen, Ihm zu vertrauen. In äußeren Dingen paßt Sich Gott ihnen an; und wir wissen ferner, daß, wäre das Volk Jehova nachgefolgt, Jehova sie nicht verlassen hätte (Kap. 1.Sam 12, 20-25).
Da Gott nun einen König eingesetzt hat, sind diejenigen, die ihn nicht anerkennen wollen, „Söhne Belials“. Das Volk sieht aber Gott kaum in alledem: sie erkennen Ihn bloß in jenen Dingen, die das Fleisch wahrnehmen kann, wie z. B. die Schönheit des Königs und der Erfolg seiner Waffen, d. h. in den Dingen, in denen Gott Sich der Natur anpaßt und in denen Er Segen gewährt, auf daß Er erkannt werde und man Ihm vertraue. Darin freuen sie sich, aber weiter gehen sie nicht. Der Glaube ist nicht aus der Natur.
Fußnoten
- 1 Der Gott, der ihm am Tage seiner Drangsal, als er vor seinem Feinde her vertrieben wurde, sagte, daß Er ihn nicht verlassen würde.
- 2 Demgemäß war es der Geist der Weissagung, der Geist, der segnend wirkte, der auf die Gegenwart Gottes hinwies und darauf, wohin Saul seine Zuflucht hätte nehmen sollen, obwohl (ja, eben weil) der Berg Gottes, der öffentliche Sitz Seiner Autorität in Israel sich in den Händen der Feinde des wahren Volkes Gottes befand. Diese Szene war eine bildliche Darstellung des ganzen Zustandes Israels.