Betrachtung über Esther
Kapitel 10
Das Buch Esther endet in Kapitel 10 mit einem Bericht über die Größe des Herrschaftsbereichs des Königs sowie über die Größe Mordokais, seines Ministers. „Denn Mordokai, der Jude, war der zweite nach dem König Ahasveros und groß bei den Juden und wohlgefällig der Menge seiner Brüder; er suchte das Wohl seines Volkes und redete zum Frieden seines ganzen Geschlechts.“ In dieser würdigen Weise endet dieses bemerkenswerte Buch. Die Juden sind aus aller Verfolgung errettet und in die nächste Gegenwart des Königs gebracht; und anstatt selbst ein Opfer des Hasses der Nationen zu sein, besitzen sie die Autorität Rache an all denen auszuüben, die das Geschlecht Abrahams vernichten wollen.
Möge der Herr schenken, dass wir uns an den Wegen Gottes erfreuen! Möchten wir Sein Wort lesen und Nutzen daraus ziehen in aller Weisheit und geistlichem Verständnis! Wir werden nicht den geringsten Nutzen haben, nur weil wir das Buch verstehen. Wenn wir es auf uns selbst anwenden, betrügen wir uns. Wir sehen die Stellung des Volkes Gottes, wenn die stolzen Nationen aufgrund ihres Ungehorsams gerichtet werden und die Juden in alle lieblichen Vorrechte, die Gott ihnen gibt, zurückgebracht werden, an den ihnen zustehenden Platz vor den Augen der ganzen Erde.
Das sind die Aussichten, die wir in diesem Buch finden. Und wir finden nicht nur das, sondern auch die wunderbare Tatsache - und ich denke wir sehen das vom Anfang bis zum Ende - dass diese Dinge an einem Tag des Wolkendunkels, der Zerstreuung und des Nicht-Anerkennes der Juden geschahen. Den Namen Gottes selbst finden wir nirgends. Es ist die verborgene Kraft Gottes, die durch solche Umstände wirkt, die ungünstig erscheinen. Aber welch einen Trost gibt uns das! Auch wir haben es mit der gleichen Vorsehung Gottes zu tun - die aber nicht mit derselben Absicht wirkt; denn Gott gibt uns nicht Rache über unsere Feinde und erhebt uns auch nicht in eine bedeutende irdische Stellung, aber wir haben es mit demselben Gott zu tun; und nur mit Ihm - Ihm sei Dank! Er verstößt uns nicht. Er hat uns in eine Beziehung zu Ihm gebracht, die nicht aufgelöst werden kann - eine Beziehung, die ihre Grundlage in Christus hat und durch den heiligen Geist besiegelt ist. Folglich wird Er es uns nie verweigern Ihn „unseren Gott und Vater“ zu nennen noch wird Er uns - als Kinder seiner Liebe - verstoßen.
So sehen wir, dass das Buch bezüglich der Person Esthers nicht im geringsten auf uns Anwendung findet; aber wir dürfen ganz bestimmt den Trost der mächtigen Hand Gottes für uns in Anspruch nehmen. Wo die Menschen nur die Umstände sehen, dürfen wie wissen, dass „denen, die Gott lieben, alle Dingen zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind.“ (Röm. 8, 28; Anm. d. Ü.) Wir mögen den Weg nicht sehen, aber wir kennen und sehen den Gott - und wenden uns an Ihn - der alle Dinge in der Hand hat und alles zu unserem Besten führt.
So ist die Vorsehung Gottes eine allgemeine Wahrheit bis zu dem Tag, wenn das Handeln Gottes offenbar sein wird und Sein Name in Verbindung mit Seinem Volk genannt wird. In der Zwischenzeit hat dies für Israel seine Gültigkeit. Wir wissen, dass sie heute in der Zerstreuung und in einem nicht normalen Zustand sind, aber der Tag wird kommen, wenn Gott die Nationen beiseite setzen und Israel Wiedereinpfropfen wird, und darüber freuen sich unsere Herzen. Und wenn nur das unser Beweggrund wäre, ist es auch kein Verlust für uns, denn auch die Tatsache als solche wird in Wahrheit kein Verlust für uns sein. Wir werden mit dem Herrn Jesus in der Herrlichkeit sein, und erst danach wird Gott die Nationen richten und die Juden zurückführen.