Haschen nach Wind
Die Arbeit
Lies Prediger 1,3; 2,18-23; 4,4-8; 6,7
„Welchen Gewinn hat der Mensch bei all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne?“ (Prediger 1,3; 3,9 ). Die erste Frage, die sich der Prediger stellt, lautet:
Hat der Mensch irgendwelchen Gewinn von all seiner Arbeit und der Mühe, die sie mit sich bringt? Ist die Arbeit ein Segen oder ein Fluch?
Etliche beziehen sich auf 1. Mose 3 und erklären, sie sei ein Fluch. Aber was lesen wir dort? „... So sei der Erdboden verflucht um deinetwillen: mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens; und Dornen und Disteln wird er dir sprossen lassen, und du wirst das Kraut des Feldes essen. Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen.“ (1. Mose 3,17-19). Der Fluch ruht auf dem Erdboden, nicht auf dem Menschen; die Arbeit ist nicht die Folge der Sünde, sondern die Mühsal in der Arbeit: „Mit Mühsal sollst du ... essen.“ Die Dornen und Disteln, nicht die Tätigkeit des Menschen, entsprangen dem Sündenfall: Gott hatte Adam in Eden gesetzt, um den Garten zu „bebauen“ und zu bewahren. Von der Frucht des Gartens durfte er „nach Belieben“ essen; nachher aber aß er sein Brot „im Schweiße seines Angesichts“.
Die Arbeit an sich ist also nicht ein aus dem Sündenfall hervorgegangener Fluch, im Gegenteil. Es genügt, daran zu denken, wie sehr der Arbeitslose oder der zu Einzelhaft verurteilte Mensch sittlich entkräftet wird, um sich bewußt zu werden, welchen Segens der Mensch durch seine Untätigkeit verlustig geht. Die Arbeit, die Adam schon in seinem Zustande der Unschuld verordnet war, bringt Befriedigung, nicht nur durch die Tätigkeit, die sie verschafft, sondern weil sie die Möglichkeit gibt, zu produzieren, zu schaffen, nützlich zu sein.
Doch kommt der Prediger dazu, uns zu sagen: „Ich Haßte alle meine Mühe, womit ich mich abmühte unter der Sonne... Denn was wird dem Menschen bei all seiner Mühe und beim Trachten seines Herzens, womit er sich abmüht unter der Sonne? Denn alle seine Tage sind Kummer, und seine Geschäftigkeit ist Verdruß; selbst des Nachts ruht sein Herz nicht. Auch das ist Eitelkeit“ (2,18.22-23).
Weiter betont der Prediger: „Und ich sah all die Mühe und all die Geschicklichkeit in der Arbeit, daß es Eifersucht des einen gegen den anderen ist“ (4,4). Es gibt in der Arbeit gewiß eine gesunde und nützliche Konkurrenz; aber wie leicht mischt sich jene Leidenschaftlichkeit hinein, die nicht nur etwas hervorbringen, sondern auch niederreißen will, was die anderen tun, oder sie in ihrer Tätigkeit zu hemmen sucht. Und angesichts des Todes ruft Salomo aus:
„Was für einen Gewinn hat er (der Mensch) davon, daß er in den Wind sich müht?“ (5,16).
Er stellt fest: „Alle Mühe des Menschen ist für seinen Mund, und dennoch wird seine Begierde nicht gestillt“ (6,7).
Weshalb kommt der Prediger zu derart verzweifelten Schlußfolgerungen? Weil er die Arbeit vom rein egoistischen Standpunkt aus betrachtet, wobei man im persönlichen Vorteil das einzige Ziel sieht und sich nicht um die anderen kümmert, noch ihnen zu helfen sucht. Wem das Jenseits verschlossen ist, dem muß der Tod als das Ende von allem erscheinen. Was bleibt dann noch von einem Leben der Arbeit und Mühe, es sei denn Eitelkeit und ein Haschen nach Wind?
Immerhin empfiehlt der Prediger nicht die Faulheit. „Der Tor faltet seine Hände und verzehrt sein eigenes Fleisch“ (4,5). „Durch Faulenzen senkt sich das Gebälk, und durch Lässigkeit der Hände tropft das Haus“ (10,18).
In den Sprüchen brandmarkt Salomo den Faulen mehr als einmal. Dieser geht auf die Jagd, wird aber sein Wild nicht erjagen oder braten (12,27); er nimmt den Winter zum Vorwand, um nicht pflügen zu müssen, und geht bei der Ernte leer aus (20,4); er steckt seine Hand in die Schüssel, ist aber zu müde, um sie zum Munde zurückzubringen (19,24)! Wozu aus dem Hause gehen, sagt er sich; „ein Löwe ist draußen; ich möchte ermordet werden mitten auf den Straßen“ (22,13). Jede Entschuldigung ist ihm willkommen, um ein wenig einschlummern, die Hände falten und schlafen zu können; und währenddessen werden Acker und Weinberg mit Disteln und Brennesseln überwachsen (24, 30-34).
Für den Prediger hat die Arbeit immerhin etliche Vorteile. Der Mensch hat Freude von all seiner Mühe (2,10; 5,19); sein Werk zu vollbringen, Gesundheit und Kraft dazu zu haben, gibt ihm eine wirkliche Befriedigung. Der Prediger sagt uns auch: „Der Schlaf des Arbeiters ist süß“ (5,12), im Gegensatz zum Reichen, den der Überfluß nicht schlafen läßt. Durch Betätigung und besonders durch körperliche Arbeit wird man müde, und das verschafft guten Schlaf.
Psalm 107,12 enthält einen beachtenswerten Grundsatz: „So beugte er ihr Herz durch Mühsal“. Wer nicht arbeitet, weil er es nicht nötig hat, ist oft stolz und hochmütig, mit sich selbst zufrieden. Allein die Tatsache, arbeiten zu müssen, genügt schon, um zu merken, daß nichts von selbst geht, genügt, um etwas von seiner Einbildung zu verlieren und in einem gewissen Maße Demut zu lernen!
Aber die Schlußfolgerung des Predigers bleibt doch äußerst pessimistisch. Er kommt zu der Einsicht, daß wer keinen Sohn oder Bruder hat, dem die Früchte seiner Arbeit zugute kommen, sich fragen muß: „Für wen mühe ich mich doch, und lasse meine Seele Mangel leiden am Guten? Auch das ist Eitelkeit und ein übles Geschäft“ (4,8). Er gelangt deshalb zu einer solchen Feststellung, weil er in dem sich selbst gegebenen Rahmen „unter der Sonne“ nur an sich selbst denkt, an seinen eigenen Nutzen und nicht an andere. Der Geist des Samariters, der sich über den Verwundeten beugt, um ihm zu helfen, ist ihm völlig fremd; er hat das Wort des Herrn Jesus: „Geben ist seliger als Nehmen“ noch nicht gehört.
Was sagt uns das Neue Testament über die Arbeit?
Lesen wir zuerst die grundlegenden Stellen, die darauf Bezug haben: 1. Thessalonicher 4,11-12 und 2. Thessalonicher 3,6-13.
Der Apostel stellt Arbeit und Unordnung einander gegenüber: „Wir hören, daß etliche unter euch unordentlich wandeln, indem sie nichts arbeiten, sondern fremde Dinge treiben“ (2. Thes 3,11). „Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen“, ein Grundsatz, den auch der Kommunismus für seine eigenen Zwecke übernommen hat, (was kann man der Bibel nicht alles entnehmen!); unter der Feder des Apostels hat dieses Wort den Sinn:
Wer zu einer Arbeit fähig ist, hat kein Recht zu essen, wenn er die entsprechende Tätigkeit vernachlässigt.
Was ist denn, nach unseren Schriftstellen, der Zweck der Arbeit?
Zunächst arbeiten wir, „um niemandem... beschwerlich zu fallen“; der Apostel ist uns hierin ein Vorbild; es gilt, „sein eigenes Brot zu essen“, für seine eigenen Bedürfnisse zu sorgen, sofern man dies kann und gesund ist. Der Ehemann hat auch seine Gattin zu „nähren“ (Eph 5,29); wer eine Familie hat, ist gehalten, für alles zu sorgen, wessen sie bedarf: „Wenn aber jemand für die Seinigen und besonders für die Hausgenossen nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlechter als ein Ungläubiger“ (1. Tim 5,8) — eine außerordentlich ernste Ermahnung. Gibt es Witwen in der Familie, so haben die Kinder die Verpflichtung, besonders wenn die verwitwete Mutter nicht mehr für ihre eigenen Bedürfnisse aufkommen kann, „den Eltern Gleiches zu vergelten“ (1. Tim 5,4). Der Apostel fügt hinzu: „Wenn ein Gläubiger oder eine Gläubige Witwen hat, so leiste er ihnen Hilfe, und die Versammlung werde nicht beschwert“ (Vers 16).
Für einen jungen Mann ist es der normale Weg, daß er sich durch eine Lehre oder durch Studium für einen Beruf vorbereitet, damit er selbst für seine Bedürfnisse sorgen kann. Begehrt er ein eigenes Heim zu gründen, so sagt ihm Sprüche 24,27: „Besorge draußen deine Arbeit und bestelle sie dir auf dem Felde; hernach magst du dann dein Haus bauen.“ Das tönt nicht sehr „modern“, aber es ist die grundlegende Belehrung der Schrift, wenn die Umstände auch unendlich verschieden sein mögen, und der Herr den einen oder anderen der Seinigen in besondere Lagen bringen kann.
Nach 1. Thessalonicher 4,12 hat die Arbeit einen doppelten Zweck: Sie setzt uns in die Lage, „niemandes zu bedürfen“, was sich mit dem soeben Gesagten deckt. Ferner hilft sie uns, „ehrbarlich zu wandeln gegen die, welche draußen sind“, ein Zeugnis, das der Christ in dieser Welt ablegen soll.
Müßiggang führt zu Unordnung. In 1. Timotheus 5,13 wird die jüngere Witwe vor dieser Gefahr gewarnt: Sie soll nicht in den Häusern umherlaufen, nicht müßig und geschwätzig sein, sich nicht um Dinge kümmern, die sie nichts angehen und Dinge sagen, die sich nicht gehören. Die Arbeit auferlegt uns eine persönliche Disziplin; sie lehrt uns Pünktlichkeit, methodisches Ausnützen der Zeit und Ausharren. Ein Christ, der lässig arbeitet, ohne triftigen Grund am Arbeitsort fehlt oder über alles und alle seufzt, ist kein gutes Zeugnis.
Die Arbeit, welcher sich ein jeder widmen wird, ist sehr verschiedenartig. Wie wichtig ist es da, vor dem Eintritt in einen Beruf mit dem Herrn zu tun zu haben, um den Weg zu erkennen, auf welchem Er uns wandeln sehen will. Hat man einmal einen Beruf ergriffen, ist es sehr schwer, ihn zu wechseln.
Für die jungen Christinnen stellt sich ein Problem. Nach dem soeben Gesagten ist es auch für eine unverheiratete Tochter normal, daß sie sich für eine bestimmte Beschäftigung ausbildet — vor allem für eine solche, wo sie christliche Liebe und christlichen Einfluß entfalten kann — und so für ihre eigenen Bedürfnisse aufkommen kann, es sei denn, daß sie berufen ist, im Rahmen der Familie zu bleiben, um ihrer Mutter zu helfen oder ihre Geschwister zu umsorgen.
Darf eine verheiratete Frau ohne Kinder nach der Bibel auswärts für Lohn arbeiten? Die Schrift macht uns in dieser Beziehung wohl keine wörtlichen Angaben. Zweifellos hat die Gattin ihren ersten Platz in ihrem Heim, um ihrem Gatten die „Hilfe seinesgleichen“ zu sein; aber die Zeiten und Umstände ändern sich, und es gibt so manche Gelegenheit, auswärts ein nützliches Amt auszufüllen.
Was aber die Hausmutter anbelangt, ist die Schrift sehr eindeutig. Sie hebt zum Beispiel das gute Zeugnis hervor, das eine Witwe hinterlassen kann: „Kinder auferzogen, ... Fremde beherbergt, ... der Heiligen Füße gewaschen, ... Bedrängten Hilfe geleistet, ... jedem guten Werke nachgegangen...“ (1. Tim 5,10), Laßt uns auf die Reihenfolge dieser fünf Beschäftigungen achten. Zu allererst soll sie die Kinder auferziehen, sie nicht nach ihrer eigenen Weise wachsen und sich entfalten lassen, sondern sie aufziehen „in der Zucht und Ermahnung des Herrn“. Sie hat auch das Vorrecht, Gastfreundschaft zu üben und wird dies umso aufmerksamer tun, wenn es sich um die „Heiligen“ handelt, denen sie, bildlich gesprochen, „die Füße wäscht“, eine Besorgung, die der Pharisäer (Lukas 7) dem Herrn Jesus gegenüber unterlassen hatte und die, gemäß Johannes 13, auch eine sittliche Bedeutung hat. Die Tätigkeit der Hausfrau überschreitet den Kreis ihres Heimes, indem sie auch Bedrängten Hilfe leistet und jedem guten Werke nachgeht. Laßt uns jedoch beachten, daß diese beiden letzten Tätigkeiten erst nach den ersten Beschäftigungen aufgezählt werden: eine christliche Frau darf ihre Kinder nicht vernachlässigen, um sich „Werken“ außerhalb des Hauses zu widmen. Ein solches Programm läßt für eine zusätzliche, auf Verdienst zielende Tätigkeit nicht mehr viel Zeit übrig; aber auch da sind die Verhältnisse äußerst verschieden. Eine Mutter wird vielleicht genötigt sein, zu den Haushaltskosten beizusteuern oder mit ihrem Gatten zusammenzuarbeiten; sie wird dabei aber auch „die Vorgänge in ihrem Hause überwachen“, damit weder die Kinder noch das Zeugnis darunter zu leiden haben. Wenn wir das sagen, so denken wir auch an unsere Schwestern auf dem Lande und an die mühevolle Arbeit, die ihnen oft obliegt, und auch an die Schwestern, deren Gatte nicht gesund genug ist, um allen Bedürfnissen des Haushaltes selber zu entsprechen.
Alle diese Arbeit, die der Apostel empfiehlt, soll sich „in der Stille“ vollziehen (1. Thes 4,11; 2. Thes 3,12). Das ist in unserer Zeit höchster Anspannung und beschleunigter Entwicklung sehr schwierig zu verwirklichen. Zwei Verse aus den Sprüchen verhelfen uns vielleicht zu einem besseren Verständnis der Bedeutung dieser „Stille“. Damit ist nicht ein Nachlassen in der Anstrengung gemeint; in Sprüche 22,29 wird der „gewandte“ Mann gelobt. Gewandtheit heißt aber nicht gewinnsüchtig: „Bemühe dich nicht, reich zu werden“ (Spr 23,4). Nicht das Streben, unter allen Umständen vorwärts zu kommen und etwas zu erreichen, soll uns kennzeichnen, sondern Sorgfalt und Aufmerksamkeit in der täglichen Arbeit. An den Landwirt gerichtet, aber auf alle anwendbar, sagt uns Sprüche 27,23-24: Bekümmere dich wohl um das Aussehen deines Kleinviehes, richte deine Aufmerksamkeit auf die Herden. Denn Wohlstand ist nicht ewig; und währt eine Krone von Geschlecht zu Geschlecht?“ Mehr als einer hat geglaubt, auf dem von seinem Vater oder Großvater geerbten Wohlstand in einem Landgut oder einem Familien-Unternehmen ausruhen zu können und hat aus diesem Grunde der Sache nicht die nötige Sorgfalt angedeihen lassen. Ein solcher vergaß, daß eine Krone nicht von Geschlecht zu Geschlecht währt!
Kann man die Ermahnung „in der Stille arbeitend“ (2. Thes 3,12) gar als Vorwand benutzen, um die Leistung von Überstunden zu verweigern? Sagt uns der Apostel nicht, er habe Nacht und Tag gearbeitet, um den Unterhalt für sich und seine Begleiter zu bestreiten? (2. Thes 3,8). Wir werden dabei jedoch nicht vergessen, daß der wöchentliche Ruhetag lange vor dem Gesetz von Gott eingesetzt worden ist. Sind auch wir Christen vom Sabbath zum ersten Tag der Woche, dem Auferstehungstag des Herrn Jesus, übergegangen, so bleibt doch der göttliche Gedanke nicht weniger bestehen; es ist daher sehr in Frage zu stellen, ob ein Gläubiger weise handelt, wenn er den Sonntag mit einer irdischen Arbeit ausfüllt, die nicht unumgänglich nötig ist und wozu er nicht durch berufliche Pflicht gezwungen ist.
Wie gut ist es auch, wenn wir uns jedes Jahr einige Wochen für genügende Ferien aufsparen, die Gelegenheit geben, mehr als gewöhnlich zu den Füßen Jesu zu sitzen, um Ihn zu uns reden zu lassen!
Die Arbeit des Christen ist durch die Ermahnung von Kolosser 3,23-24 wunderbar geadelt. Sklavenarbeit war besonders entwürdigend. Der Sklave selbst zog aus ihr keinen Nutzen, keinen Gewinn und doch sagte ihm der Apostel: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen. Ihr dienet dem Herrn Christus.“ Bei jedem Tagewerk, im Haushalt oder auf dem Lande, während der langen Stunden in der Werkstatt oder im Büro ... immer soll uns der Satz eingeprägt sein: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen als dem Herrn.“ Dann wird es weder wildes Drauflosarbeiten noch Gewinnsucht geben; wir werden der uns anvertrauten Aufgabe alle Geschicklichkeit und Sorgfalt widmen. Der Christ arbeitet nicht nur während den erforderlichen Stunden, um seinen Zahltag zu verdienen, sondern hat als Devise: „Ihr dienet dem Herrn Christus.“
Die Schrift hebt noch ein anderes Ziel der Arbeit hervor: „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr und wirke mit seinen Händen das Gute, auf daß er den Dürftigen mitzuteilen habe“ (Eph 4,28). Arbeiten, um aus dem Verdienst mitteilen zu können - an wen war diese Aufforderung gerichtet? An den, der früher gestohlen hatte! Welch eine wunderbare Veränderung bringen doch die Gnade und die Wiedergeburt hervor! Wer früher in Arglist andere ihrer Habe beraubte, wird jetzt mit Freuden von der Frucht der Arbeit seiner eigenen Hände den Dürftigen mitteilen. Er gleicht nun dem Vorbild des Apostels, der sagen konnte:
„Ich habe euch alles gezeigt, daß man, also arbeitend, sich der Schwachen annehmen ... müsse“ (Apg 20,35).
Arbeiter des Herrn
In der Apostelgeschichte und in den Briefen gibt es zahlreiche Beispiele von Personen, die der Herr berufen hat, ihre ganze Zeit Seinem Dienste zu widmen, um den Bedürfnissen der Versammlungen zu entsprechen oder das Evangelium zu verbreiten, und die darin durch ihre Brüder der Gnade des Herrn anbefohlen wurden. Eine solche Berufung setzt voraus, daß, wie Paulus zu Timotheus sagt, wer Kriegsdienste tut, sich nicht in die Beschäftigungen des Lebens verwickelt (2. Tim 2,4). Wie wird denn für seinen Lebensunterhalt gesorgt? 1. Korinther 9 und Galater 6,6 geben da vollkommen klare Antwort. Wer im Worte unterwiesen wird, soll den Lehrenden an allem zeitlich Guten teilhaben lassen. Das ist sogar, nach 1. Korinther 9,12 ein diesem zustehendes „Recht“, auf das sich der Arbeiter des Herrn zwar nicht berufen soll, aber woran der, der seinen Dienst empfängt, sich als einer ihm obliegenden Pflicht erinnern wird. Der Herr hat schon in Matthäus 10,10 gesagt: „Der Arbeiter ist seiner Nahrung wert“.
Wird nun der Diener des Herrn weniger arbeiten als seine auf materiellem Gebiet beschäftigten Brüder, weil er in eine geistliche Tätigkeit eingetreten ist? Laßt uns hören, was Paulus sagt: „Ich habe viel ... gearbeitet...; nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir war“ (1. Kor 15,10). „In Mühen überschwenglich... in Arbeit und Mühe, in Wachen oft...“ (2. Kor 11.23.27). Niemand sollte sich in das Werk des Herrn begeben in der Meinung, darin ein leichteres Leben zu haben, als an seinem weltlichen Arbeitsplatz; im Gegenteil, wenn er treu ist, wird er die gleiche Erfahrung machen, wie der Apostel, und manche andere nach ihm.
Wenn auch der Herr unter genau bezeichneten Bedingungen einige der Seinen beruft, ihre ganze Zeit Seinem so mannigfaltigen Werke in dieser Welt zu widmen, so sind wir doch alle eingeladen, daran teilzunehmen. „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“ (1. Kor 15,58). Diese Worte richten sich an jeden. In Römer 16 werden eine ganze Reihe von Gläubigen aufgezählt, die dies praktiziert haben; der Apostel läßt dort z.B. vier Schwestern grüßen und fügt hinzu: „Maria, die sehr für euch gearbeitet hat... Tryphäna und Tryphosa, die im Herrn arbeiten... Persis..., die viel gearbeitet hat im Herrn.“ Wodurch sich diese Schwestern im einzelnen nützlich gemacht haben, wird uns nicht gesagt, der Herr weiß es, es wird hier nur ihre fruchtbare Tätigkeit hervorgehoben. In Kolosser 4,17 wird Archippus öffentlich an seinen Auftrag erinnert: „Siehe auf den Dienst, den du im Herrn empfangen hast, daß du ihn erfüllest.“. Jeder von uns ist berufen, an diesem Werke des Herrn in der Welt teilzunehmen, an einer Tätigkeit, die vor allem den Seelen gewidmet ist, aber nach Jakobus 2,16 und Römer 12,8 auch im Wohltun und im Dienste der Barmherzigkeit besteht.
Wir werden uns hüten zu vergessen, daß keine Tätigkeit im Dienste des Herrn von Nutzen sein wird, wenn wir uns nicht zuvor zu Seinen Füßen niedergesetzt haben. Man kann nicht geben, ohne empfangen zu haben: „Außer mir könnt ihr nichts tun.“ Das Leben ist kurz; in welchem Verhältnis stehen die Stunden, die wir der täglichen Arbeit widmen, zu der Zeit, die wir für das Werk des Herrn benützen? Ein jeder antworte für sich selbst! Die Umstände eines Junggesellen sind von denen eines Familienvaters oder einer Mutter sehr verschieden. Rufen wir uns noch einmal ins Gedächtnis, daß, wenn auch nach Kolosser 3 jede weltliche Arbeit für den Herrn getan werden kann, nichtsdestoweniger ein Werk des Herrn zu tun bleibt, sowohl gegenüber den Seinen wie auch gegenüber den verlorenen Seelen, im Gedanken an alle Bedürfnisse um uns herum und an die Werke, die für einen jeden von uns bereitet sind (Eph 2,10).
Betrachten wir den Herrn Jesus selbst! Was hat Er während den verborgenen Jahren Seines Lebens, besonders zwischen Seinem 12. und 30. Lebensjahr getan? Die Schrift schweigt darüber; sie erwähnt nur, daß Er als „der Zimmermann“ bekannt war (Mk 6,3). Er hat mit eigenen Händen gearbeitet; Er lernte die Mühsal der Arbeit kennen, als Er sich freiwillig den Folgen der Sünde unterwarf: „Man hat mich gekauft von meiner Jugend an“ (Sach 13,5). Und wie unaufhörlich war Seine Tätigkeit in Seinem Dienst! Er stand lange vor Tagesanbruch auf, um in der Einsamkeit zu beten; dann ging Er von Dorf zu Dorf, um Gottes Wort zu verkündigen; eines Abends, nachdem Er die Volksmenge unterwiesen und ihr auf wunderbare Weise Speise verschafft hatte, führte man Ihn ermüdet in einem Schifflein hinweg, wo Er trotz des Sturmes auf einem Kopfkissen schlief. Eines Mittags setzte Er sich, ermüdet von der Reise, am Brunnen nieder; aber diese Müdigkeit hinderte Ihn nicht, mit einer armen Frau ein Gespräch anzuknüpfen, um sie dem Lichte und dem Leben zuzuführen.
Er sagte: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“ (Joh 5,17). „Ich muß die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“ (Joh 9,4).
Es kommt die Nacht. Bis der Herr wiederkommt, steht die Türe noch offen, es gibt noch Gelegenheiten zum Wirken, da sind noch zuvor bereitete gute Werke, in denen wir wandeln sollen. In einem anderen Sinne kommt für jeden von uns, wenn Gott uns zu sich nimmt, der Abschluß unserer Tätigkeit, wo wir nicht mehr wirken können. Möge der Herr uns geben, in der Arbeit, die Er vor uns legt, treu zu sein, „solange es Tag ist“. Es sei noch einmal gesagt: Die Umstände sind sehr verschieden; der Herr kennt sie alle; aber Er ist auch mächtig und voller Liebe, um ein jedes der Seinigen auf dem Wege des Lebens zu leiten, um am Tage der Belohnungen zu ihm sagen zu können: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu ... gehe ein in die Freude deines Herrn“ (Mt 25,21).