Betrachtung über den Propheten Hesekiel (Synopsis)

Kapitel 33-34

Betrachtung über den Propheten Hesekiel (Synopsis)

Angesichts dieser Gerichte, durch welche Sein Volk einen ganz neuen Platz erhält (denn es war als Lo-Ammi mit den Nationen gerichtet worden, weswegen auch die Weissagung, obwohl die Gerichte nur teilweise gewesen waren, doch die letzten Tage mit ins Auge fassen kann) - angesichts dieser Gerichte, sage ich, stellt Gott in Kapitel 33, den Folgen der Sünde des ganzen Volkes gegenüber, einen völlig neuen Grundsatz fest, nämlich: jeder einzelne soll aufgrund seines persönlichen Verhaltens von Gott behandelt werden. Auf diese Weise stand dem einzelnen die Tür zur Buße noch völlig offen, und diese Buße sollte durch ein Zeugnis hervorgebracht werden, das sich, unbekümmert um das Gericht Israels als Nation, an die einzelnen wandte. Die Endzeit, auf welche die Gerichtsankündigung ihre Anwendung findet, steht im Gegensatz zu der Wirkung, die diese bei dem einzelnen hervorrufen soll, und eben dadurch wird jener Grundsatz bestätigt. Jetzt sollte sich der Glaube nicht darin zeigen, daß er auf die Israel gemachten Verheißungen rechnete, oder darauf, daß Gott zugunsten Seines Volkes einschreiten würde, als wenn sich dieses im Besitz Seiner Verheißungen befände, denn das Volk war ja gerichtet; und eben das, was in den Zeiten der Verheißungen Glaube gewesen wäre und was in kommenden Zeiten wiederum Glaube sein wird, ist zu der Zeit des Gerichts nur Herzenshärtigkeit (V. 24). Man vergleiche dazu Jesaja 51, 2 , eine Stelle, die oft ganz falsch angewendet wird. Der kleine Überrest der letzten Tage mag sich wohl auf Gott stützen, der einen einzelnen Mann berufen und reichlich vermehrt hatte; wenn aber das Volk zu einer Zeit, da Gott die Masse desselben seiner Missetaten wegen vor Seinem Angesicht hinwegtat, sich mit einem solchen Gedanken trösten wollte, so würde es infolgedessen das Gericht nur um so schärfer fühlen müssen. Dieses Gericht über die Missetaten, deren sie sich als Volk schuldig gemacht hatten (und nicht ein Segen, den sie in ihrer Anmaßung Gott aufzudrängen vermeinten), sollte das Mittel sein, durch welches sie erkennen würden, daß Jehova Gott war.

Am Schlusse des Buches Jeremia fanden wir einen Bericht davon, wie sich die Worte Hesekiels erfüllt haben; indessen lassen alle diese Gerichte Raum für ein Eintreten Gottes zugunsten Seines Volkes, vermittels einer unumschränkten Gnade, die in dem Messias zum vollen Ausdruck gekommen ist. Indessen lag das Böse bei den Hirten (Kap. 34), das heißt bei den Königen und Fürsten Israels, welche keine wahren Hirten waren (es gab überhaupt keine wahren); und die schwache, zerstreute, bedrängte und mißhandelte Herde wurde eine Beute ihrer Feinde. Die Hirten verschlangen sie; sie schützten sie nicht, noch sorgten sie für sie. Jehova aber deckt dieses böse Verhalten jetzt auf, um dann zu erklären, daß Er Selbst Sich Seiner armen Schafe annehmen, zwischen Schaf und Schaf richten, sie aus dem Munde derer, die sie fraßen, erretten 1 und auf den Bergen Israels, auf fetten Triften weiden wolle. Er will ihnen den wahren und einzigen Hirten erwecken, David (das heißt den vielgeliebten 2 Messias). Jehova will ihr Gott sein und Sein Knecht David ihr Fürst. Der Bund des Friedens soll wiederhergestellt werden, und ein vollkommener und gesicherter Segen soll das bleibende Teil des Volkes Gottes, des Hauses Israel, sein. Keine Hungersnot soll mehr in ihrem Lande herrschen, und die Nationen sollen sie nicht mehr fressen. Man beachte hier die Art und Weise, in welcher Jehova Seine Schafe rettet, ohne Sich Selbst ihren Hirten zu nennen; aber dann erweckt Er ihnen eine Pflanzung zum Ruhme, den wahren David, zu ihrem Hirten.

Fußnoten

  • 1 Nachdem im dreiunddreißigsten Kapitel der wichtige Grundsatz dargelegt worden ist, nach welchem Gott in den letzten Tagen handeln will (nämlich gemäß dem Zustande eines jeden einzelnen vor Ihm), wird in Kapitel 34 das Verhalten der Führer des Volkes aufgedeckt: Jehova richtet die letzteren als solche, die Sein Volk in die Irre geführt und unterdrückt haben, und Er richtet Selbst „zwischen Schaf und Schaf“. Dann folgt in Hes 35 das Gericht über Edom (vgl. Jesaja 34). Hier finden wir nur im allgemeinen die Wirkung desselben, die für ganz Israel („die beiden Länder“) von Bedeutung sein wird. In Hes 36 sehen wir dann die moralische Erneuerung des ganzen Volkes, so daß es dazu kommt, seine bösen Wege zu verurteilen; in Hes 37 die völlige Wiederherstellung des Volkes, indem Gott es als Nation wiederaufleben läßt; und endlich in Hes 38; 39 das Gericht der Feinde oder, besser gesagt, des Feindes (nämlich Gog) des also in Frieden wiederhergestellten Volkes. Alle diese Dinge stehen in Verbindung mit den Beziehungen Jehovas zu Seinem Volke. Es wird zwar Davids gedacht, als des Königs, den Gott dem Volke geben will, doch geschieht des Messias keine Erwähnung, als wäre Er schon mit dem Volke in Berührung getreten; denn dies konnte tatsächlich nur von Juda gesagt werden. Wir haben hier ein allgemeines Bild der Ereignisse der letzten Tage und ihrer Wirkungen vor uns; alles steht in Beziehung zu dem ganzen Volke Israel, ohne daß jedoch eine ins einzelne gehende Schilderung gegeben würde.
  • 2 „David“ bedeutet „Geliebter“ (Anm. des Übersetzers).
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