Gottes kostbare Gedanken

Der Weg des Glaubens

Gottes kostbare Gedanken

DER DIENST DES Apostels Petrus unterscheidet sich wesentlich von dem des Apostels Paulus. Petrus war ein Zeuge der Leiden des Christus und auch ein Teilhaber der Herrlichkeit (1. Pet 5,1). Paulus war ein Zeuge der Herrlichkeit (Apg 22,14.15) und ein Teilhaber der Leiden des Christus (Kol 1,24; Phil 3,10). Der große Gegenstand des Apostels Paulus sind die himmlischen Örter, das beherrschende Thema des Apostels Petrus ist die Wüste. Glauben brauchen wir jedoch für unser Weilen in den himmlischen Örtern ebenso wie für das Wandern durch die Wüste. Mit dem zweiten möchten wir uns heute ein wenig befassen.

Bewahrt durch Gottes Macht

Es ist beglückend, dass Gott uns in Seinem Wort immer zuerst das herrliche Ziel zeigt, bevor Er uns mit dem Weg dorthin beschäftigt. Das lehrt uns schon ein Blick nach Psalm 84. Die ersten vier Verse zeigen uns die Wohnungen des Herrn, ab Vers 5 wird dann von den Wegen dorthin gesprochen. Auch spricht der Herr Jesus in Seinen Abschiedsreden zuerst von dem Haus Seines Vaters (Joh 14,2) und danach von dem Weg der Jünger in der Welt. Als Petrus seinen ersten Brief schrieb, leitete der Geist Gottes ihn ebenfalls dahin, zuerst das Erbteil vorzustellen, das für uns in den Himmeln aufbewahrt ist (Kap. 1, 4), um uns anschließend mit dem Weg zu beschäftigen, der dorthin führt – einem Weg, der voller Gefahren und Erprobungen ist.

Es genügt eben nicht, wenn das Erbteil droben, vor jedem Zugriff geschützt, für uns aufbewahrt wird. Auch wir müssen auf unserem Weg dorthin bewahrt werden, und der Apostel sagt, dass dies „durch Gottes Macht durch Glauben“ geschieht (Vers 5). Allein durch die (oder: in der) Macht Gottes können wir bewahrt werden. Das macht deutlich, wie mächtig unsere Feinde und wie gefährlich ihre Angriffe auf uns sind. Wir können uns nicht selbst bewahren, wie wir uns auch nicht selbst aus der Gewalt der Finsternis erretten konnten (Kol 1,13).

Wie schnell würden wir den Weg verfehlen, wie unversehens vom Feind überwältigt werden, wenn nicht die Macht Gottes ständig für uns tätig wäre, um uns zu verteidigen und zu bewahren. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass da jemand ist, der nur kommt, „um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben“ – ein Dieb, ein Wolf, der „raubt und zerstreut“ (Joh 10,10.12). In dem wunderbaren Gebet zu Seinem Vater sagte der Herr Jesus von Seinen Jüngern: „Als ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen“ (Kap. 17, 12), und Er betete: „Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen“ (Vers 11). Die großartige Feststellung, dass wir durch Gottes Macht „bewahrt werden zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit offenbart zu werden“, ist die Antwort auf dieses Gebet.

Bewahrt durch Glauben

Aber diese Zusicherung in 1. Petrus 1 enthält noch einen Zusatz, durch den wir die Art und Weise erfahren, wie Gott uns bewahrt: „durch Glauben“. Er bewahrt uns in sittlicher Hinsicht – nicht dadurch, dass Er die Umstände, sondern dass Er uns verändert. Er stärkt den Glauben in den notvollen Umständen unseres Lebens, so dass wir uns näher zu Ihm halten und in Seiner Kraft die Erprobungen ertragen und darin ausharren können. Wir dürfen stets auf die ganze Macht Gottes rechnen, die sich in der Stützung unseres Glaubens kundgibt.

Es wird viel vom Glauben gesprochen in diesen Versen: In Vers 5 finden wir die Ausübung des Glaubens, in Vers 7 die Bewährung des Glaubens und in Vers 9 das Ende des Glaubens. Bleiben wir einen Augenblick bei dem ersten Punkt stehen, um zuerst über Voraussetzungen für die Ausübung des Glaubens nachzudenken und sodann über notwendige Schlussfolgerungen!

Der Glaube zieht Nutzen aus dem, was Gott gibt; er nährt sich von dem, was Gott von Sich offenbart. Tag für Tag gab Gott einst vom Himmel her Seinem irdischen Volk das Manna, aber die Israeliten hatten es zu sammeln. So sammelt der Gläubige auch heute das, was Gott Tag für Tag zu seiner Stärkung gibt. Das ist äußerst wichtig; denn ehe man Glauben ausüben kann, muss der Glaube in uns genährt werden. Wenn wir es versäumen, täglich das Manna zu sammeln, erlahmt rasch die Glaubenskraft. Das Manna, das wir gestern gegessen haben, genügt nicht für heute. Das, was in der Vergangenheit vom Wort Gottes mit Kraft in unser Herz strömte, kann uns nicht Kraft für die heutigen Probleme geben. Wir meinen das zwar oft, aber es stimmt nicht. Die Schriftstellen, auf die wir uns heute stützen, mögen freilich dieselben sein wie gestern, aber wir müssen sie neu zu uns reden lassen.

Ohne Glauben haben wir nichts. Auch ist es ohne Glauben nicht möglich, Gott wohlzugefallen (Heb 11,6). Wenn nicht der Glaube der Motor unseres Lebens ist, dann ist es die Welt. Aber der Weg der Welt ist nicht der Weg „zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit offenbart zu werden“ (1. Pet 1,5). Gott bewahrt uns auf diesen wunderbaren Augenblick hin, aber Er tut es in Seiner Macht „durch Glauben“. Wir können nicht sagen: „Ich werde ja errettet, werde gewiss das Ziel erreichen. Mithin spielt es keine große Rolle, was für ein Leben ich hier führe.“ Solch ein (ungläubiger, ja niederträchtiger) Gedanke findet nirgends im Wort Gottes Raum.

Aber greift diese verwerfliche Einstellung nicht in unseren Tagen um sich? Ein anderer Apostel, Paulus, beschreibt den Grundsatz des christlichen Lebens so: „Denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen“ (2. Kor 5,7). Manchmal scheint es fast so, als müssten wir heute im Blick auf unser praktisches Verhalten den Satz umkehren: „Wir wandeln durch Schauen, nicht durch Glauben.“ Doch Gott wird Seine Absicht nie aufgeben, uns den Weg durch die Wüste in sittlicher Weise, das heißt so zu führen, dass wir dazu Glauben nötig haben, dass innere Tugenden darin gefordert werden. Und sollte einmal unser Glaube zusammenbrechen, so dürfen wir an den Fall des Schreibers unseres Briefes denken. Was hatte der Heiland einst angesichts des bevorstehenden Versagens Seines Jüngers gesagt? „Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,32). Wunderbare Gnade, auf die auch wir zählen dürfen! Heute ist unser Herr im Himmel und lebt dort allezeit, um sich für uns zu verwenden (Heb 7,25). Wir werden das Ziel erreichen, Gott wird uns in Seiner Macht bewahren, aber es geschieht durch Glauben.

Die Bewährung unseres Glaubens

Im sechsten Vers unseres Kapitels kommt eine seltsame Zusammenstellung vor uns: „Worin ihr frohlockt, die ihr jetzt eine kurze Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen.“ Ist das nicht eine sonderbare, verwunderliche Kombination? „Ihr frohlockt“ – „ihr seid betrübt“? Doch auch Paulus beschreibt seinen Lauf und den seiner Mitarbeiter so: „… als Traurige, aber allezeit uns freuend“ (2. Kor 6,10). Und das Besondere ist, dass nicht Betrübtsein zu einer Zeit und Frohlocken zu einer anderen gemeint ist, sondern beides miteinander. Ja, wir erleben vieles, was uns traurig macht; und doch besitzen wir zur gleichen Zeit vieles, was uns von Herzen erfreut. Unter unseren Tränen liegt oft tiefe Freude, und unter unsere Sorgen mischt sich der Lobpreis Gottes. Haben wir das nicht mehr als einmal erlebt?

Dieser Brief beschreibt den Weg der Gläubigen durch die Wüste, zeigt, was ihre Erfahrungen dort sind. Sie werden nicht als engelhafte Wesen gesehen, die über jede Schwierigkeit hinwegfliegen, sondern als das, was sie tatsächlich sind: in sich schwache, leicht irrende Menschen, die oft sich selbst zum Rätsel sind.

Doch wenn Gott uns erprobt, dann setzt Er dabei in Seiner Gnade gewisse Grenzen: „eine kurze Zeit“ und „wenn es nötig ist“. Beides liegt in Seiner Hand. Es ist nur für eine bestimmte Zeit, für „zehn Tage“ (Off 2,10), und Gott sieht es für uns als nötig an. Wir wollen beides nicht vergessen, Geliebte, wollen uns vielmehr mit dem Gedanken ermuntern: Die Freude wird anwachsen, bis sie in die ewige Freude mündet; die Beschwerung dagegen ist nur für eine Zeit, und sie wird schließlich ganz ein Ende haben.

Wenn es „mancherlei Versuchungen“ sind, die Gott uns auferlegt – Versuchungen körperlicher, geistiger und geistlicher Art –, dann lasst uns auch daran denken, dass Er der „Gott aller Gnade“ ist (1. Pet 5,10). Nicht immer nimmt Er uns die Belastungen und Nöte fort, aber Er hat immer die Gnade bereit, die wir gerade brauchen, um in ihnen bestehen zu können. In der heutigen Zeit stellt es eine besondere Erprobung unseres Glaubens dar, wenn viele unserer bisherigen Weggenossen den Weg nach der Heiligen Schrift verlassen, an dem wir festhalten möchten. Gott lässt das zu. Er ließ es auch bei Paulus zu. Aber werden wir unter den Bewährten sein?

Die Kostbarkeit des Glaubens

Wenn der Goldschmied das edle Metall in den Schmelztiegel gibt, dann tut er das nicht, weil er meint, es sei gar kein Gold. Nein, weil er davon überzeugt ist, Gold vor sich zu haben, wirft er es in den Tiegel, damit es von noch vorhandenen Schlacken befreit wird. Was verbrannte bei den drei Freunden Daniels im Feuerofen Nebukadnezars? Die Stricke, mit denen sie gebunden gewesen waren, so dass sie nun im Feuer frei gehen konnten in Gemeinschaft mit Einem „gleich einem Sohn der Götter“ (Dan 3,25).

Davon spricht Petrus als Nächstes im ersten Kapitel seines Briefes, wenn er fortfährt: „damit die Bewährung eures Glaubens, viel kostbarer als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, befunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (Vers 7).

Im Ganzen sagt er in seinen Briefen von sieben Dingen, dass sie ›kostbar‹ sind. Die im Griechischen benutzten Wörter für ›kostbar‹ sind jeweils nahe miteinander verwandt und entstammen einer Wortfamilie. Der Glaube ist kostbar, die Bewährung (Erprobung) des Glaubens ist sehr kostbar, das Blut Christi wird kostbar genannt, ebenso die Verheißungen. Zweimal heißt es von dem Stein, dass er kostbar ist. Und schließlich wird gesagt, dass uns, den Glaubenden, die Kostbarkeit ist, das heißt, dass wir schon heute die Kostbarkeit Christi erkennen und genießen können, ehe Er sichtbar kommt. Aber den ersten Platz in der Reihenfolge der Erwähnungen nimmt die Erprobung unseres Glaubens ein.

Zwei Ziele sind es, die Gott in Seiner vollkommenen Weisheit stets miteinander zu verbinden weiß, wenn Er uns erprobt. Einerseits will Er uns von Fesseln lösen, die uns an einer tieferen Erkenntnis Seiner selbst hindern. Andererseits möchte Er unseren Glauben stärken und sich darin verherrlichen. Ein im Feuer erprobter Glaube ist ein stärkerer Glaube, weil die Erprobungen uns zu tieferer Vertrautheit mit Gott, unserem Vater, führen. Deswegen lässt Er Seinem Volk mancherlei Schwierigkeiten begegnen. Ja, Er benutzt sogar den Teufel selbst, wie bei Hiob, oder einen Engel Satans, wie bei Paulus, oder eben irgendeinen ›Nebukadnezar‹, um Sein Ziel mit uns zu erreichen: dass wir freier gehen können, dass das Gold eines echten Glaubens heller strahle.

Nichts macht uns unserer Erfahrung nach mit Gott so sehr vertraut wie gerade Erprobungen. Durch das Wort Gottes lernen wir Gott unserem Verständnis nach kennen – eine Gnade von unschätzbarem Wert. Aber das tiefe Vertrautsein mit Ihm ist weit mehr eine Sache unserer praktischen Erfahrung. Es wird erlangt durch die Erprobung unseres Glaubens. Wann gebrauchte der Herr die vertraute Anrede „Abba, Vater“? Nur im Garten Gethsemane, als Er in Seiner heiligen Vorempfindung unsagbar unter dem litt, was Ihn am Kreuz treffen sollte.

Abgesehen davon, dass der Weg der Erprobung stets auch der Weg der Sicherheit und der Bewahrung ist – Gott findet darin etwas, was in Seiner Wertschätzung sehr kostbar für Ihn ist. Der Verfasser dieser Zeilen ist schon oft durch den Gedanken getröstet worden: Wenn du jetzt in dieser Not Gott vertraust, ist das für Ihn sehr kostbar. „Wie gut bist Du, o Gott, dass Du uns in Deiner Gnade und Herablassung solche Worte hören lässt und so zu unseren Herzen redest!“

Die Belohnung des Glaubens

Doch damit nicht genug! Wenn der Herr Jesus einmal in Seiner Herrlichkeit sichtbar werden wird, dann wird Gott den Glauben, den wir hier gezeigt haben, ausschlagen lassen zu „Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (Vers 7). An jenem Tag wird unser Heiland verherrlicht werden in Seinen Heiligen und bewundert in denen, „die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10).

Denken wir einmal auch darüber nach, wie der Herr Jesus an dem Tag Seiner Herrlichkeit mit dem einen und anderen Seiner hier verachteten und niedrigen Knechte handeln wird, um sich an ihnen zu verherrlichen! Hatte Sein Diener Ihm während dieser Zeit Treue erwiesen? Hatte er um Seines Namens gelitten und manche Schmach erfahren, weil er treu an der Wahrheit Gottes festhielt? Er wird ihn dann herbeirufen und ihn vor allen loben: „Wohl, du guter und treuer Knecht!“ Was werden wir darum geben, einmal dieses „Wohl!“ aus Seinem Mund zu hören! Beachten wir, es heißt nicht: „du erfolgreicher“, sondern: „du treuer Knecht.“ Die Menschen preisen die, die das aufweisen können, was sie Erfolg nennen. Christus aber wird die Treue belohnen, die hier Ihm gegenüber erwiesen wurde. Und wenn wir hier „mitgelitten“ haben, dann werden wir auch „mitverherrlicht werden“, sagt uns Römer 8. Die Kronen, die Er schenkt, werden ewig sein – passend für das ewige Reich unseres Herrn und Heilands Jesus Christus (2. Pet 1,11).

Wie verleiht all das unserem gegenwärtigen Leben eine Tiefe und Bedeutung, die wir gar nicht abschätzen können. Es gibt in unserem Leben keinen Tag, der nicht droben seine Antwort finden wird. In einem gewissen Sinn schreiben wir heute unser Leben in ein Buch. Wir werden einmal hören, wie daraus vorgelesen wird. Und alles wird zur Ehre Dessen ausschlagen, der uns geliebt und Sich selbst für uns hingegeben hat.

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