Betrachtung über das Buch Hohelied (Synopsis)
Kapitel 5
Kapitel 5 zeigt uns eine andere Erfahrung. Durch die Bezeugung der Liebe des Bräutigams ist Vertraulichkeit entstanden, und das beruhigte Herz, Seiner Liebe gewiss, redet von seiner Trägheit. Ach was für ein Herz haben wir! Kaum sind wir durch das Zeugnis der Liebe des Herrn getröstet, so wenden wir uns wieder uns selbst zu! Das zartfühlende und aufrichtige Herz des Bräutigams tut nach ihrem Wort: Er entzieht sich einer Seele, die nicht auf seine Stimme lauscht. Sie steht dann auf, um zu erkennen, wie töricht sie gewesen ist, und wie genau es Ihm, den sie vernachlässigt hat, gerechterweise mit seinen Wegen ihr gegenüber hält.
Wie oft handeln auch wir leider in ähnlicher Weise, wenn es sich um die Stimme des Geistes und Kundgebungen der Liebe des Herrn handelt! Überaus ernst sind die Verluste, die wir dadurch erleiden, aber wie wertvoll auch die Unterweisungen, die wir durch die Gnade empfangen! Die Geliebte wird von denen geschlagen, die über den Frieden Jerusalems wachen. Was hatte sie nachts in den Straßen zu tun, sie, die der Bräutigam zu Hause gesucht hatte? Und nun setzt gerade ihre Liebe sie dem Tadel aus, indem die Kraft derselben sie in eine Lage gebracht hat, die ihre Vernachlässigung des Geliebten beweist. Ähnlich ist es mit uns. Wenn wir nicht in dem friedlichen Genuss der Liebe des Christus stehen, da wo Er uns in Gnade entgegenkommt, so führt uns gerade die Kraft unserer Liebe und unsere Selbstverurteilung dahin, diese Liebe in gewissem Sinn in verkehrter Weise zu offenbaren und bringt uns in Verbindung mit solchen, die unsere Stellung verurteilen. Es war recht für einen Wächter, eine Frau zu strafen, das draußen umherlief, was auch die Veranlassung dazu sein mochte. Bezeugungen der Liebe zu ihrem Geliebten daheim sowie die Liebe in ihrem Herzen sind nicht Sache des Wächters. Es mag wahre Liebe vorhanden sein, aber der Wächter hat für Ordnung und einen geziemenden Wandel zu sorgen. Dennoch war ihre Liebe echt und führte zu einer glühenden Beschreibung alles dessen, was ihr Geliebter ihr war; aber auch hier sind ihre Worte an andere gerichtet, die sie hätten verstehen sollen, an ihre Gefährtinnen, nicht an den Wächter. Doch wenn Trägheit sie verhindert hatte, Ihn bei seinen liebenden Besuchen zu empfangen, so weiß ihr Herz jetzt, wo Er zu finden ist, nachdem es durch den Wächter gestraft und ihrem Geliebten wieder zugewandt ist, und nun, von Gott belehrt, von seinem Lob überfließt.