Mit Gott in der Wüste
Eine Verständnishilfe zum 2. Buch Mose
Christus ‑ die Speise der Seinen

Im 16. Kapitel des zweiten Buches Mose finden wir in dem Manna ein herausragendes Vorbild auf den Herrn Jesus als die Speise für die Seinen. Es ist ein gesegnetes Thema, mit dem wir uns anhand dieses Kapitels beschäftigen wollen, zudem ein Thema, das jeden Gläubigen angeht und geradezu „lebensnotwendig“ für ihn ist. Ohne Nahrung verkommt man. Das ist bei der Seele nicht anders als beim Körper. Ob man schon länger auf dem Weg des Glaubens ist oder sich erst vor kurzem bekehrt hat, für Jedes Kind Gottes ist es wichtig, genug Nahrung und die richtige Nahrung zur richtigen Zeit aufzunehmen. Auch in dieser Hinsicht enthält unser Kapitel eine Fülle praktischer Hinweise, die sein Studium so segensreich machen. Doch wenden wir uns zuerst den Umständen zu, in denen sich die Kinder Israel damals befanden, und ihrem Verhalten in diesen Umständen! Manche Lektion können wir auch daraus für unser Leben entnehmen.
Murren in der Wüste Sin
Die ersten Verse des Kapitels berichten von einem erneuten Murren der Kinder Israel in der Wüste. Sie hatten in der kurzen Zeit bereits einige Wüstenerfahrungen gesammelt. Drei Tage lang waren sie durch die Wüste Sur gezogen, ohne Wasser zu finden, und als sie nach Mara gekommen waren und dort Wasser gefunden hatten, hatten sie es vor Bitterkeit nicht trinken können. Auf ihr Murren hin hatte Gott in Seiner Gnade Seinem Knecht Mose ein Holz gewiesen, das, ins Wasser geworfen, das bittere Wasser süß machte. In Elim hatten sie dann die reiche Fürsorge Gottes erneut erfahren und Erquickung und Schutz vor den sengenden Strahlen der Sonne gefunden.
Auf der „Wanderschaft“
Aber sie konnten an diesem Ort der Segnung nicht bleiben, denn sie waren auf dem Weg in das verheißene Land. Und so lesen wir:
„Und sie brachen auf von Elim, und die ganze Gemeinde der Kinder Israel kam in die Wüste Sin, die zwischen Elim und Sinai ist, am fünfzehnten Tag des zweiten Monats nach ihrem Auszug aus dem Land Ägypten“ (2. Mo 16,1).
Gleich den Kindern Israel sind auch wir auf der „Wanderschaft“. Unser Ziel allerdings ist die himmlische Heimat. Dennoch erreichen auch wir es nur über die ›Wüste‹. Ähnlich den Israeliten gewährt uns Gott in Seiner Güte immer wieder Augenblicke und Zeiten, in denen wir, zurückgezogen und unbehelligt von der Welt, unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes Erfrischung für Geist und Seele finden durch das Wort Gottes. Davon redeten die ›Wasserquellen‹. Aber dann heißt es immer wieder aufbrechen und weiterziehen. Wir würden oft gern länger in ›Elim‹ verweilen, würden gern die Augenblicke besonderen Segens „festhalten“. Doch Gottes Gedanken sind andere. Er möchte, dass wir das, was wir in Seiner Gemeinschaft gelernt haben, auch im praktischen Leben in die Tat umsetzen. So gesegnet und notwendig die Stunden der Beschäftigung mit Seinem Wort auch sind, auf sie folgen Zeiten der Erprobung. Erst in der Praxis des täglichen Lebens lernen wir, wie wahr die Dinge sind, die wir ins Herz gefasst haben.
Als die drei jünger mit dem Herrn Jesus auf dem heiligen Berg waren, wollten auch sie am liebsten dort bleiben. „Herr, es ist gut, dass wir hier sind“ (Mt 17,4). Der Vorschlag des Petrus, dort drei Hütten zu bauen, entsprang dieser an sich richtigen Einsicht. Ohne jetzt weiter auf den Fehler einzugehen, den er dabei machte, war auch für die jünger damals die Zeit noch nicht gekommen, in jener Sphäre der Herrlichkeit länger zu verweilen. Dieses Erlebnis sollte ihnen zur Stärkung ihres Glaubens dienen auf dem Weg der Nachfolge und Selbstverleugnung (Kap. 16, 24ff). Doch dann mussten auch sie wieder vom Berg herabsteigen, um in der Niederung menschlicher Erprobung weitere Erfahrungen zu sammeln. Wenn wir auch nicht in ›Elim‹ oder auf dem ›heiligen Berg‹ bleiben können, so können wir aber doch in dem glücklichen Bewusstsein dessen, was wir dort gesehen und erlebt haben, unseren Weg mit dem Herrn fortsetzen, und das ist der Mühe wert.
Zwischen Elim und Sinai
Zu Vers 1 bleibt noch anzumerken, dass sie, nachdem sie sich noch am Schilfmeer gelagert hatten (4. Mo 33,10), als nächstes in die Wüste Sin kamen; und hier fällt uns der Zusatz auf: „die zwischen Elim und Sinai ist“. Offenbar soll damit ein bestimmter Abschnitt in der Wüstenwanderung des Volkes Israel markiert werden. Wenn er auch nur einen relativ kurzen Zeitraum von gut drei Monaten umschloss, so erlebten sie doch in dieser Zeit in besonderer Weise die Gnade Gottes. Häufiges Murren auf ihrer Seite, wie wir es sogleich wieder finden werden, große Langmut und Geduld auf Gottes Seite, das kennzeichnete diese bedeutsame Strecke ihrer Reise. Wie mögen sie sich später während ihrer fast vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste an diese gesegneten Tage zurückerinnert haben, als sie allein unter der Gnade Gottes gestanden hatten und Gott für sie eingetreten war! Aber ob sie wohl je eingesehen haben, dass sie dann am Sinai einen ihrer verhängnisvollsten Fehler begingen? Dort stellten sie sich im Vertrauen auf ihre eigene Fähigkeit freiwillig unter das Gesetz Gottes (Kap. 19,8). Damit aber trat in den Wegen Gottes mit ihnen eine entscheidende Wendung ein.
Das zeigte sich unter anderem darin, dass Gott sie nunmehr ernstlich strafte, wenn sie gegen Ihn murrten. Es sei nur an 4. Mose 11 erinnert, weil wir auch dort von dem Manna und von Wachteln hören wie in unserem Kapitel. Trotz mancher Ähnlichkeit handelt es sich jedoch um eine andere Begebenheit, die über ein Jahr später stattfand. In 2. Mose 16 murrten sie, bevor das Gesetz gegeben wurde, und Gott gab ihnen ohne Einschränkung am Abend die Wachteln und am Morgen das Man. Aber in 4. Mose 11 „weinten“ sie, nachdem das Gesetz gegeben war, und der Zorn Gottes entbrannte gegen sie und der HERR richtete eine große Niederlage unter ihnen an (Verse 10 und 33).
Murren gegen GOTT
„Und die ganze Gemeinde der Kinder Israel murrte wider Mose und wider Aaron in der Wüste. Und die Kinder Israel sprachen zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten durch die Hand des HERRN gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung! denn ihr habt uns in diese Wüste herausgeführt, um diese ganze Versammlung Hungers sterben zu lassen“ (Verse 1‑3).
Wieder murrt die ganze Gemeinde der Kinder Israel. Ihr diesmaliges Murren, das in diesem kurzen Abschnitt mehrere Male erwähnt wird (Verse 2.7.8.9.12), richtete sich nur vordergründig gegen Mose und Aaron. In Wahrheit galt es Gott selbst. „Nicht wider uns ist euer Murren, sondern wider den HERRN“; „... indem der HERR euer Murren gehört hat, womit ihr wider ihn murrt“ (V. 8). Dass sich jede Sünde in erster Linie gegen Gott selbst richtet, ist ein erforschender Gedanke, den wir mehr bedenken sollten. David verstand das. Wie sehr er sich auch an Uria versündigt hatte, so wendet er sich doch zu Gott mit dem Bekenntnis: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt“ (Ps 54,4).
Aber dann ist es auch eine ernste Sache, gegen Knechte Gottes aufzutreten. Wenn man das tut, bekommt man es mit dem Herrn selbst zu tun. Er betrachtet den Angriff als auf Sich selbst gerichtet. Der Herr Jesus sagte zu Seinen Jüngern: „Wer euch hört, hört mich; und wer euch verwirft, verwirft mich; wer aber mich verwirft, verwirft den, der mich gesandt hat“ (Lk 10,16). Es ist ein allgemein gültiges Prinzip: Gott verbindet Seine Botschaft mit den Boten, die sie verkündigen. Werden Seine Boten abgelehnt, wird auch Seine Botschaft und damit Er selbst abgelehnt.
Noch ein Wort dazu, was Murren bedeutet. Murren ist das Unzufriedensein des Herzens mit dem Handeln Gottes. Für das Fleisch ist die Wüste stets eine übende Sache, denn das Fleisch ist absolut nicht in der Lage, auf Gott zu vertrauen. Sind wir in einem fleischlichen Zustand, so kommt das Murren gegen Gott wie von selbst hervor. Wir mögen die Gütigkeiten Gottes in tausendfacher Weise erfahren haben; begegnet uns dann jedoch auch nur ein einziger Umstand, der dem Fleisch in uns missfällt, äußert sich der Mangel an Glauben sogleich darin, dass wir etwas an den Wegen Gottes mit uns auszusetzen haben. Letzten Endes zweifeln wir damit die Liebe und Weisheit unseres Gottes in Bezug auf uns an. Satan schürt nach Kräften solche Gedanken des Unglaubens in uns. Das sind dann die „feurigen Pfeile des Bösen“, mit denen er unsere Zuversicht auf Gott und Seine Liebe zu erschüttern sucht (Eph 6,16). Nur mit dem „Schild des Glaubens“ können sie abgewehrt werden.
Sind wir uns bewusst, dass all unser unzufriedenes Klagen und Jammern nur unseren Mangel an Gottvertrauen und unsere Undankbarkeit offenbart? Sollte es uns nicht zu denken geben, dass Gott auch in unserem Fall sehr wohl von dem Murren Kenntnis nimmt, dass Er es „hört“? Obwohl der Herr Jesus körperlich nicht zugegen gewesen war, als Thomas Worte des Unglaubens aussprach, so hatte Er sie doch gehört, und Er musste ihn zurechtweisen: „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig“ (Joh 20,27). Und würden uns nicht alle mürrischen Worte über die Wege Gottes mit uns auf den Lippen ersterben, wenn wir mehr für all die Gütigkeiten dankbar wären, die Gott uns schon erwiesen hat? „Danken schützt vor Wanken“ ist ein altes, wahres Sprichwort.
›Durst‹ und ›Hunger‹
Der Anlass für das Murren der Gemeinde Israel in der Wüste Sur war der Mangel an Wasser gewesen, hier murren sie, weil sie kein Brot haben. Nun ist es das Kennzeichen der Wüste, dass sie weder den Durst der Seele noch den Hunger des inneren Menschen zu stillen vermag. Dabei scheint auch im übertragenen Sinn ein Unterschied zwischen ›Durst‹ und ›Hunger‹ zu bestehen.
Im geistlichen Sinn ›Durst‹ zu haben bedeutet, ein vom Heiligen Geist bewirktes inneres Verlangen nach geistlichen, göttlichen Dingen zu verspüren. ›Durst‹ kann sowohl den Sünder als auch den Gläubigen kennzeichnen. Wenn der Geist Gottes an der Seele des Sünders wirkt, kommt er dahin, nach Frieden mit Gott zu dürsten. Diesem Dürstenden bietet der Herr Jesus das Wasser des Lebens an, umsonst (Off 11,17). Dass auch die Seele des Gläubigen nach Gott dürsten kann (und im gewissen Sinn dürsten sollte), zeigen uns gerade die Psalmen an vielen Stellen, zum Beispiel der zweiundvierzigste: „Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, also lechzt meine Seele nach dir, o Gott! Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott“ (Verse 1 und 2).
Die Seele des Menschen sucht, wenn sie erweckt ist, nach innerer Befriedigung, und diese Befriedigung kann nur von Gott kommen. Die Welt ist in dieser Beziehung eine Wüste‹ für den Glaubenden: Sie kann ihm absolut nichts bieten, was sein Inneres wirklich befriedigt. Das ist die Erfahrung von ›Mara‹ ‑ zuweilen eine recht bittere Erfahrung, weil sie oft erst durch „Leiden im Fleisch“ (1. Pet 4,1) gewonnen wird.
Grundsätzlich nicht anders verhält es sich mit dem ›Hunger‹ der Seele, nur dass damit etwas anderes bezeichnet wird. Der Hunger richtet sich auf Speise, und ›Speise‹ ist das, was uns Kraft für unseren praktischen Wandel gibt. Nur wenn wir im geistlichen Sinn die richtige ›Nahrung, zu uns nehmen, können wir hier als Christen in Neuheit des Lebens unseren Weg gehen. Dass Christus diese Speise für uns ist, wird uns sogleich noch näher beschäftigen. Nahrung für den inneren Menschen, die uns Kraft zum Überwinden und Ausharren verleihen könnte, können wir nicht aus den verschiedensten Hilfsmitteln schöpfen, die uns die Welt darbietet. Selbst wenn viele Dinge der Welt an sich nicht böse sind und wir durchaus Gebrauch von ihnen machen können (1. Kor 7,31), so haben sie doch alle einen entscheidenden Makel an sich: Christus ist nicht in ihnen, Nahrung für unser Inneres enthalten sie nicht. Ob wir uns dessen wohl immer bewusst sind? Es würde uns zu größerer Vorsicht im Umgang mit ihnen mahnen.
Mangel an der Gnade Gottes
Und dann besteht immer die Gefahr ‑ wir haben uns bereits daran erinnert ‑, dass wir uns aus dem Einfluss der Gnade Gottes wegbegeben, wie wir dies bei den Israeliten sehen. Gott hatte sie durch wunderbare Werke aus dem Haus der Knechtschaft herausgeführt, hatte sie durch Seine Kraft und Gnade völlig von der schrecklichen Macht des Feindes befreit. Und sie, sie sehnen sich gerade nach diesem Ägypten zurück! Lieber wollten sie wieder Sklaven unter dem Pharao sein, als unter der gnädigen Hand Gottes durch die Wüste zu dem Land ziehen, das von Milch und Honig floss und das Gott ihnen verheißen hatte (2. Mo 3,8). Durch das Blut des Passahlammes hatte sie Gott vor dem verdienten Gericht beschützt, und jetzt äußern sie die Ansicht, es wäre besser für sie gewesen, wenn sie damals durch die Hand des HERRN umgekommen wären. Welch eine Geringschätzung der Gnade Gottes und Seiner Gedanken mit ihnen, welch eine Verachtung auch der Erlösung, die sie erfahren hatten! Sie vergessen vollständig den wahren Charakter Ägyptens, vergessen, mit welcher Art von Leben der Genuss der Fleischtöpfe Ägyptens verbunden gewesen war. Der Heilige Geist kommentiert ihr Verhalten durch den Psalmisten mit diesen Worten: „Schnell vergaßen sie seine Taten, warteten nicht auf seinen Rat; und sie wurden lüstern in der Wüste und versuchten Gott in der Einöde“ (Ps 106,13.14).
Das alles gewährt uns einen tiefen Einblick in die ganze Verderbtheit des menschlichen Herzens. Wenn wir das Bewusstsein der Gnade Gottes verlieren, durch die wir eine ewige Erlösung erlangt haben, gewinnt auch in uns das Fleisch die Oberhand, und wir finden das, was uns die Welt anbietet, anziehender als das, was Gott uns schenken will. Wir verlieren das Unterscheidungsvermögen für das, was ›Ägypten‹ seinem Wesen nach ist. Auch Lot konnte nicht mehr den Unterschied zwischen dem „Land Ägypten“ und dem „Garten des HERRN“ erkennen; für ihn war beides dasselbe (1. Mo 13,10).
Es ist stets ein trauriges Indiz dafür, dass wir nicht nahe genug mit dem Herrn vorangehen und dass wir praktisch „Unmündige“ sind, wenn wir nicht „geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten sowohl als auch des Bösen“ (Heb 5,14).
Wie leicht kann es geschehen, dass unsere Gedanken nicht mehr aus dem Glauben hervorgehen, sondern im Fleisch ihren Ursprung finden! Dann leiden wir Mangel an der Gnade Gottes. Es ist erschreckend, festzustellen, wie leicht wir dann das aufzugeben bereit sind, was aus dem Glauben, was aus der Gnade ist. Doch wenn wir um die Verderbtheit des menschlichen Herzens wissen ‑ und die Geschichte Israels führt sie uns plastisch vor Augen ‑, dann wollen wir uns um so mehr ermuntern, uns ganz und gar auf die Gnade Gottes zu werfen. Gott gibt uns nie auf, und auf Seine Gnade können wir immer zählen.
Fleischlich ‑ im Fleisch
Einen Unterschied sollten wir allerdings nicht übersehen, wenn wir die Erfahrungen Israels auf uns anwenden. Das Volk Israel war als Ganzes gesehen „im Fleisch“, wir Kinder Gottes sind es nicht (Röm 8,9). Wir können zwar auch fleischlich sein, das heißt, uns vom Fleisch leiten lassen ‑ die Korinther sind dafür ein trauriges Beispiel (1. Kor 3,1) ‑, aber „im Fleisch“ sind wir nie mehr. Vielmehr sind wir „im Geist“: Wir sind nicht mehr durch das Fleisch charakterisiert, sondern durch den in uns wohnenden Geist Gottes. Das ist die Stellung, in die jedes Kind Gottes durch das Erlösungswerk Christi versetzt worden ist. Die Masse des Volkes Israel dagegen war im Unglauben, und deswegen brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn dieser Unglaube bei fast jeder Gelegenheit aufs neue hervorbrach.
Wir müssen also sehr wohl zwischen dem tatsächlichen Zustand des irdischen Volkes Gottes und der vorbildlichen Bedeutung unterscheiden, die wir für uns daraus entnehmen können.
Nur wenn wir diesen Unterschied beachten, werden wir vor verhängnisvollen Irrtümern im Blick auf die Sicherheit der Errettung des Gläubigen bewahrt. Und auch nur dann werden wir die Sprache Gottes verstehen, wenn Er die vierzig Jahre der Wüstenwanderung Israels folgendermaßen zusammenfasst: „Vierzig Jahre hatte ich Ekel an diesem Geschlecht, und ich sprach: Ein Volk irrenden Herzens sind sie. Aber sie haben meine Wege nicht erkannt; so dass ich schwur in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ (Ps 95,10.11).
Diese Worte werden in Hebräer 3 zitiert. Sie dienen dort zu unserer Warnung vor einem „bösen Herz des Unglaubens“ (V. 12). Aber der Heilige Geist macht unzweideutig klar, dass sie ihre direkte Erfüllung in denen fanden, „die ungehorsam gewesen waren“, die „gesündigt hatten“, die „wegen des Unglaubens“ nicht in das verheißene Land eingehen konnten, „deren Leiber in der Wüste fielen“ (Verse 17‑19). Sie beziehen sich keineswegs auf gläubige Kinder Gottes, und in keiner Weise wird deren Errettung durch sie in Zweifel gezogen.
Die souveräne Gnade Gottes
So beklagenswert der sittliche Zustand des Volkes Israel in der Wüste war, so bewundernswert ist die unumschränkte Gnade, in der Gott diesem Volk immer wieder begegnete. Auf der Seite des Volkes sehen wir nichts als Murren und Versagen, auf der Seite Gottes kommt nichts anderes zum Vorschein als Gnade. Gott hätte zu Vorwurf und Tadel Grund genug gehabt, aber nichts dergleichen wird hier vernommen. In unfassbarer Gnade geht Jehova auf das Murren des Volkes ein und spricht zu Mose:
„Siehe, ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen ... Am Abend, da werdet ihr erkennen, dass Jehova euch aus dem Land Ägypten herausgeführt hat; und am Morgen, da werdet ihr die Herrlichkeit Jehovas sehen, indem er euer Murren wider Jehova gehört hat; denn was sind wir, dass ihr wider uns murrt!“ (Verse 4‑7).
Warum Hunger?
Nun ist es wahr, dass der HERR Sein Volk in der Wüste hungern ließ, aber auch darin lag Gnade: Er ließ sie hungern, um ihnen zu geben. Es ist eine übende Erfahrung, sich all dessen beraubt zu sehen, worin das Fleisch seine Befriedigung findet, und ganz auf das angewiesen zu sein, was Gott zur Befriedigung Seines Volkes geben möchte. Aber um das Herz der Kinder Israel geneigt zu machen, Seine gnädige Fürsorge anzunehmen, gestattete der HERR, dass sie ihre Not und ihren Mangel zuerst einmal fühlten, ehe Er sie mit dem versorgte, was sie nötig hatten.
Gott handelt auch heute mit uns nicht anders. Allgemein gesehen möchte Er den Glauben Seines Volkes und das Bewusstsein der völligen Abhängigkeit von Ihm durch diese Erprobungen vertiefen. Aber dann gibt es noch den eben erwähnten Grund dafür, dass Gott uns zuweilen die Not des Hungers fühlen lässt: Er möchte uns von dem fleischlichen Verlangen nach den „Fleischtöpfen Ägyptens“ befreien und uns statt dessen ganz mit der Person Seines Sohnes und mit Seinem Wort beschäftigen. Ein Vers aus 5. Mose 8 macht das deutlich: „Und er demütigte dich und ließ dich hungern; und er speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest, und das deine Väter nicht kannten, um dir kundzutun, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht“ (V. 3).
Ja, „er demütigte dich und ließ dich hungern“. Haben wir das nicht auch schon erfahren? Gerade dann, als sich unsere Herzen nach den Dingen der Welt ausstreckten, als das Fleisch in uns seine Befriedigung in „Ägypten“ suchte, dann musste uns Gott fühlen lassen, wie leer das Herz bei allem blieb, musste uns zeigen, dass wir als solche, die „im Geist“ sind, nicht „nach dem Fleisch leben“ können (Röm 8,12.13). Der Christ ist mit Christus gestorben, ist der Sünde gestorben. Er ist daher gehalten, sich der Sünde für tot zu halten und nicht den Begierden des Fleisches zu folgen (Röm 6,1–11). Derartige Erfahrungen, die in „Er ließ dich hungern“ zum Ausdruck kommen, sind demütigend, aber heilsam. Denn Gott verfolgt mit dieser Demütigung das Ziel, unsere Herzen für die Speise empfänglich zu machen, die Er uns geben möchte: „Und er speiste dich mit dem Man.“
Doch beachten wir: Es muss entweder die Speise Ägyptens oder die Speise Gottes sein. Beides zusammen können wir nicht haben. Wir täuschen uns in diesem Punkt manchmal, aber wir müssen lernen, dass Gott uns in dem Herrn Jesus eine Speise gegeben hat, die uns in allen Umständen des täglichen Lebens völlig zu befriedigen und glücklich zu machen vermag.
Die Herrlichkeit Gottes
„Und es geschah, als Aaron zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel redete, da wandten sie sich gegen die Wüste; und siehe, die Herrlichkeit des HERRN erschien in der Wolke. Und der HERR redete zu Mose und sprach: Ich habe das Murren der Kinder Israel gehört; rede zu ihnen und sprich: Zwischen den zwei Abenden werdet ihr Fleisch essen, und am Morgen werdet ihr von Brot satt werden; und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin, euer Gott“ (Verse 10‑12).
Die Verbindung zwischen dem Murren der Kinder Israel und dem Erscheinen der Herrlichkeit Gottes ist doch sehr bemerkenswert. Vor dem dunklen Hintergrund des Versagens des Menschen offenbart Gott Seine Herrlichkeit, zeigt etwas von dem, was Er in Sich selbst ist. Das ist in der Tat ›Herrlichkeit‹, wenn Gott Züge Seines Wesens offenbart! Und dass Er gerade den Unglauben und die Sünde der Menschen zum Anlass nahm, dies zu tun, lässt die Herrlichkeit Seiner Person um so heller erstrahlen. Es ist ein vielfach zu beobachtender Grundsatz im Handeln Gottes mit den Menschen, dass Er das Böse zum Anlass nimmt, um Seine Gnade zu offenbaren.
Wir sehen dies schon bei dem ersten Menschen. Als Adam und Eva in Sünde gefallen waren, bekleidete sie Gott mit dem, was von dem Sühnungswerk Seines Sohnes sprach (1. Mo 3,21). Da steht die von Satan betrogene, schuldige Frau vor Gott ‑ und Gott denkt an Seinen Sohn und das Werk, das Er zur Befreiung des gefallenen Menschen tun sollte! Er redet prophetisch von dem „Samen der Frau“, der der Schlange den Kopf zermalmen würde (V. 15). Der erste Gedanke Gottes auf alles Böse des Menschen ist Christus. Wunderbare Gnade!
Als Gott dem Volk Israel das Gesetz gab, brach das Volk sogleich dieses Gesetz, kaum dass es gegeben war. Mose hörte von dem Tanz der Kinder Israel um das goldene Kalb, und was tat er? Er zerbrach kurzerhand die beiden Gesetzestafeln als Ausdruck davon, dass das Volk des gebrochenen Gesetzes schuldig war. Angesichts der eingetretenen Sünde wagte er gleichsam nicht, die Tafeln des Gesetzes unversehrt in die Mitte des schuldigen Volkes zu bringen: Es hätte die Vernichtung des ganzen Lagers der Kinder Israel bedeutet; denn alle waren in diese schreckliche Sünde verwickelt, von Aaron an abwärts. Es war ein kühner Akt des Glaubens aufseiten Moses (2. Mo 32). Als dann Gott zum zweiten Mal zwei steinerne Tafeln mit Seinen Finger beschrieb, wies Er Mose an, diesmal die Tafeln nicht unverhüllt unter das Volk zu bringen, sondern in einer ›Lade‹ aus Akazienholz (5. Mo 10,1‑5). Wir erkennen: Wieder dachte Gott in Seiner Gnade an Christus und führte Ihn (im Vorbild) in die von Sünde beschmutzte Szene ein. ER würde die wahre ›Lade‹ sein, würde nicht nur das Gesetz im Innern Seines Herzens tragen (Ps 40,8), sondern alles tun, was die Heiligkeit Gottes angesichts der Sünde des Menschen erforderte. Er würde die, die unter Gesetz und somit unter dessen Fluch waren (denn sie hatten es gebrochen), loskaufen von dem Fluch des Gesetzes, indem Er selbst ein Fluch für sie werden würde (Gal 3,13).
Ja, und dann kam die Erfüllung all der Vorbilder, als der Sohn des Menschen vom Himmel auf die Erde „herabstieg“ (Joh 3,13). In Ihm erschien die Gnade Gottes in Person, um allen Menschen das Heil zu bringen (Tit 2,11). Er war unter den Menschen die Offenbarung, ja, die Verkörperung der Liebe und Güte Gottes. Welche Antwort gaben sie Ihm auf Seine Liebe? Sie hassten Ihn, hängten Ihn an ein Kreuz! Das war der unbedingte Gipfelpunkt der Bosheit des Menschen. Wie aber reagierte Gott auf die Ermordung Seines Sohnes? Auf der Grundlage des vollbrachten Sühnungswerkes bot Er nun nicht allein den Juden, sondern auch allen Menschen aus den Nationen Seine Gnade, Sein Heil in Christus an. In der Tat: „Wo die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überschwänglicher geworden“ (Röm 5,20)!
Es ist so, wie wir gesagt haben: Gott nahm die Sünde des Menschen zum Anlass, um Sich in der Herrlichkeit Seiner Gnade zu offenbaren. Dafür sei Sein Name in Ewigkeit gelobt und gepriesen! Unsere ewige Glückseligkeit hängt davon ab, dass Gott so gehandelt hat. Dass Er jedoch den Schuldigen nicht für schuldlos hält, sondern ihn unter das Gericht bringt, wenn er die angebotene Gnade nicht annimmt, muss ebenfalls bedacht werden.
Was bedeuten die Wachteln?
Bevor wir uns nun eingehender mit dem Man und dessen Bedeutung beschäftigen, wollen wir uns noch die Frage vorlegen, was wir unter den Wachteln zu verstehen haben. Während zur Beschreibung dessen, was das Man war und wie mit ihm verfahren werden sollte, ein langer Abschnitt gebraucht wird, werden die Wachteln mit nur einem Satz erwähnt:
„Und es geschah am Abend, da kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager“ (V. 13).
Das also war das „Fleisch“, das sie „zwischen den zwei Abenden“ essen sollten!
Was die geistliche Bedeutung dieser Wachteln angeht, so sind die Ausleger darin geteilter Ansicht. Einige meinen in den Wachteln ebenfalls ein Vorbild auf den Herrn Jesus zu sehen. Doch es spricht manches dafür, dass wir aus der Sache mit den Wachteln etwas ganz anderes lernen sollen und dass sie nicht ein Vorbild von Christus sind, wie es das Man ist. Außer der bemerkenswerten Kürze ihrer Erwähnung im Alten Testament wird im Neuen Testament wohl ausführlich von dem „Brot aus dem Himmel“ gesprochen (Joh 6,31ff), die Wachteln dagegen bleiben völlig unerwähnt. Und dann haben wir jenes Zitat aus dem 106. Psalm, das unsere Gedanken in eine andere Richtung lenkt: „Und sie wurden lüstern in der Wüste und versuchten Gott in der Einöde. Da gab er ihnen ihr Begehr, aber er sandte Magerkeit in ihre Seelen“ (Verse 14.15).
Es ist möglich und leider oft geschehen, dass wir, unseren natürlichen oder sogar fleischlichen Neigungen folgend, Dinge von Gott erbitten, die Er uns gar nicht geben wollte. Im Allgemeinen erhört Gott solche Gebete nicht, denn sie sind nicht aus der Gemeinschaft mit dem Herrn und Seinem Wort hervorgegangen (Joh 15,7). Gott lässt Sich keineswegs Dinge abtrotzen, die unser Eigenwille vehement begehrt. Wenn Er zuweilen trotzdem solchen Bitten stattgibt, dann geschieht das zu unserer Züchtigung. Deswegen ist mit dem Empfang der erbetenen Dinge kein unmittelbarer Segen verbunden. Vielmehr ergeben sich daraus mannigfache Nöte und Schwierigkeiten ungeahnter Art. Hand in Hand mit dem äußeren „Erfolg“ stellt sich eine innere Leere ein, die den Genuss des Erreichten trübt; das persönliche Glaubensleben verkümmert mehr und mehr.
Es dauert gewöhnlich geraume Zeit, bis sich das Kind Gottes unter der züchtigenden Hand seines Vaters darüber klar wird, dass Er es war, der die Magerkeit in die Seele sandte. Das ist dann der Anfang der Wiederherstellung, die der Vater in der Liebe zu Seinem Kind immer im Auge hat. Aber es ist und bleibt stets eine ernste Sache, sich in seinem Herzen nach ›Ägypten‹ zurückzusehnen. Und wenn wir uns nicht auf andere Weise von unserer weltlichen Einstellung abbringen lassen, kann uns Gott unser Begehr geben. Doch damit sind zukünftige Sorgen geradezu vorprogrammiert. Wenn jemand, seine christliche Stellung verleugnend, unbedingt in der Welt reich werden will, so kann es sein, dass Gott ihn gewähren lässt. Aber Er lässt auch in Seinem Wort keinen Zweifel darüber, was die Folgen sein werden: Solche „fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Lüste, welche die Menschen versenken in Verderben und Untergang“ (1. Tim 6,9). Dass die Geldliebe nur eine Form der so facettenreichen Liebe zur Welt ist, muss wohl kaum betont werden.
Wie gut ist es jedoch, geliebte Freunde, dass uns Gott im Allgemeinen nicht „unser Begehr“, sondern etwas überaus Besseres gibt: das „Brot vom Himmel“. Das soll uns als nächstes beschäftigen.
Das Brot vom Himmel
„...und am Morgen war eine Tauschicht rings um das Lager. Und die Tauschicht stieg auf, und siehe, da lag's auf der Fläche der Wüste fein, körnig, fein, wie der Reif auf der Erde. Und die Kinder Israel sahen es und sprachen einer zum anderen: Was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war. Und Mose sprach zu ihnen: Dies ist das Brot, das der HERR euch zur Nahrung gegeben hat“ (Verse 13‑15).
Das Man erhielt seine Bezeichnung aus der Frage der Kinder Israel: „Man hu?“ – „Was ist das?“ Es ist, wie wir hier lernen, die Nahrung, die Gott für Sein Volk für die Zeit seiner Wanderung durch die Wüste vorgesehen hat. Und weil es die Speise Gottes für Sein Volk ist, kann sie auch nicht versagen und hat nie versagt.
Die Israeliten haben das Man all die Jahre ihrer Wüstenwanderung gegessen, es hat stets zu ihrer Ernährung ausgereicht. Was immer ihnen begegnete, ob sie zu wandern oder zu kämpfen hatten, für alles waren sie durch den Genuss des Man gerüstet.
Verhält es sich mit dem Herrn Jesus nicht ebenso? Ist Er nicht die Nahrung für unseren inneren Menschen, die Gott uns zur Stärkung auf unserem Weg durch die Wüste gegeben hat? Was gibt es in der Welt, das den neuen Menschen nähren und stärken könnte? Nichts! Aber in Christus ist alles, was wir brauchen, um bei all den Mühen und Beschwerden in dieser Welt nicht zu ermüden oder zu ermatten. Und wie einst das Man nicht ohne den Tau ‑ eine besondere Erscheinungsform des Wassers ‑ zu denken war (vgl. a. 4. Mo 11,9), so kann auch der Herr Jesus nur in Verbindung mit dem Wort Gottes unsere Speise sein. Wir wissen, dass ›Wasser‹ in der Heiligen Schrift oft ein Bild vom Wort Gottes in seiner reinigenden und erquickenden Kraft ist. Es sind nicht unsere Gedanken über Christus, die unsere Speise bilden, sondern das, was Gottes Wort über Ihn sagt. Ohne die Beschäftigung mit diesem Wort kann man nicht an Christus inneren Genuss haben, kann man nicht geistlich wachsen und erstarken. Und wenn hier das Man als feinkörnig, wie der Reif auf der Erde, beschrieben wird, so weist das auf die Niedrigkeit und Reinheit des Herrn als Mensch auf der Erde hin. In diesen Charakterzügen ist Er uns stets ein Vorbild.
Nun bietet uns das 16. Kapitel im zweiten Buch Mose noch eine ganze Reihe interessanter Einzelheiten über das Man, aus denen wir manche praktische Belehrung entnehmen können. Doch wir wollen sie für den Augenblick zurückstellen, um uns mit einem wichtigen Kapitel im Neuen Testament zu beschäftigen, dem sechsten im Johannes‑Evangelium. Dort hören wir die Worte des Sohnes Gottes selbst über das „Brot aus dem Himmel“. Sie sind von außerordentlicher Bedeutung und Tiefe.
Das wahrhaftige Brot aus dem Himmel
Schon immer war es das Begehren der Juden gewesen, von dem Herrn Jesus ein Zeichen geschehen zu sehen, um so zu „sehen“ und zu „glauben“, wie sie sagten. In Johannes 6 halten sie dem Herrn die Tatsache vor, dass ihre Väter in der Wüste das Manna gegessen hatten, und fragen den Herrn Jesus: „Was wirkst du?“ Sie meinten, Mose habe ihnen das Brot aus dem Himmel gegeben, und wenn Jesus der Prophet war, musste Er Sich durch ein ähnliches Zeichen ausweisen (Verse 30.31). Der Herr greift den Gedanken an das Manna auf und antwortet:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot aus dem Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahrhaftige Brot aus dem Himmel. Denn das Brot Gottes ist der, welcher aus dem Himmel herniederkommt und der Welt das Leben gibt ... Ich bin das Brot des Lebens: wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten“ (Joh 6,32‑35).
Der Herr Jesus zeigt den Juden, dass es nicht Mose gewesen war, der ihnen das Brot aus dem Himmel gegeben hatte. Aber dann fährt Er nicht fort und sagt: „sondern Gott tat das“. Nein, Er macht deutlich, dass das Manna nur ein Bild von dem ›wahrhaftigen Brot‹ war, das Sein Vater ihnen geben wollte. Er selbst, Christus, war dieses wahrhaftige Brot; Er war als das ›Brot Gottes‹ aus dem Himmel herniedergekommen, um der Welt das Leben zu geben. Deswegen war Er auch das ›Brot des Lebens‹, und wer glaubend zu Ihm kam, hungerte und dürstete nicht mehr.
Leben für die Welt
Ehe wir diese Verse mit den Versen 48‑59 verbinden, müssen wir erst noch auf einige Einzelheiten eingehen, die uns hier vorgestellt werden. Wenn Christus selbst das Brot aus dem Himmel war, dann war es nicht nötig, ihnen ein Zeichen zu geben: Er selbst war in Seiner Person das Zeichen davon, dass Sich in Ihm Gott als Vater offenbarte und dass der Vater in Seiner Gnade ins Mittel trat, nicht um allein dem Volk der Juden, sondern der Welt das Leben zu geben. Leben ‑ das war das erste Bedürfnis des Menschen, und in dem Herrn Jesus, dem Fleisch gewordenen Wort‹, war Leben (Joh 1,4).
Und hier erkennen wir, dass ein Vorbild nie die ganze Wahrheit ausdrücken kann. Wohl lenkt es unsere Gedanken in die richtige Richtung, zeigt uns die Hauptlinie dessen, was übermittelt werden soll; nie aber können stoffliche Dinge die geistlichen in ihrer ganzen Fülle darstellen. Im natürlichen Bereich kann Brot nicht Leben geben; es kann das Leben aufrechterhalten, kann es aber nicht mitteilen. Der Herr Jesus aber konnte geistliches, göttliches Leben sowohl mitteilen als auch aufrechterhalten.
Wenn Sich der Herr Jesus mit Brot vergleicht und Sich als ›Brot des Lebens‹ bezeichnet, so liegt in dieser bildlichen Ausdrucksweise der Gedanke, dass man, um Nutzen von Ihm zu haben, von diesem Brot essen, es „genießen“ muss. Was es bedeutet, von dem Brot des Lebens zu „essen“, wird uns sogleich näher beschäftigen, wenn wir zu dem Abschnitt ab Vers 48 kommen. Hier lernen wir zunächst einmal, dass Glaube notwendig ist, um Leben zu empfangen. Die Juden stellen sich die Sache mehr äußerlich vor und sagen: „Herr, gib uns allezeit dieses Brot!“ (V. 34). Doch der Herr zeigt im nächsten Vers, dass Er der Gegenstand des Glaubens sein müsse: Wenn jemand im Glauben zu Ihm kam und auf diese Weise von Ihm als dem Brot des Lebens Gebrauch machte, so würde er für immer seine tiefe Befriedigung in Ihm finden und nie mehr hungern und dürsten.
Welch ein großer Gedanke liegt hier vor uns! In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Kol 2,9), und Ihn als Den zu genießen, der Gott vollkommen offenbart, kann nur tiefste Befriedigung für die Seele bedeuten. Dem Wesen nach macht dies das ewige Leben aus (Joh 17,3); und wer an den Sohn glaubt, in dessen Person das ewige Leben vom Himmel auf die Erde herabgekommen ist, besitzt es (Kap. 6,47). Glückselige Tatsache!
Aber der Mensch muss kommen. Zu Christus zu kommen bedeutet nichts anderes als an Christus zu glauben. Das macht der 35. Vers klar und gilt allgemein für das Johannes‑Evangelium. So betrachtet bedeutet ›kommen‹ und ›glauben‹ dasselbe. Nur ist die Betrachtungsweise ein wenig eine andere. ›Kommen‹ bezeichnet die Bewegung der Seele auf Christus zu, und ›glauben‹ weist auf das Vertrauen hin, das sie in Ihn setzt.
Die Menschwerdung Christi
In Vers 48 greift der Herr den Gedanken an das Manna erneut auf und vertieft die Belehrung darüber, was es bedeutet, von Ihm als dem Brot des Lebens zu essen:
„Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben das Manna in der Wüste gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herniederkommt, damit man davon esse und nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, so wird er leben in Ewigkeit“ (Verse 48‑51).
Die Juden hatten den Herrn an das Manna erinnert, das ihre Väter in der Wüste gegessen hatten, aber der Herr Jesus stellt Sich jetzt als das ›lebendige Brot‹ in gewissem Gegensatz dazu, oder wir können auch sagen: Er macht deutlich, wie Er in Seiner Person das Vorbild auf unvergleichliche Weise übertraf. Gewiss, die Väter hatten von dem Manna gegessen, aber sie waren trotzdem alle gestorben. Ganz anders verhielt es sich mit dem, der Ihn, das lebendige Brot, essen würde. Christus war aus dem Himmel herniedergekommen und wellte in Niedrigkeit in dieser Welt, für jeden Menschen vollkommen zugänglich. Das ist die große Wahrheit hier: Der Sohn Gottes ist Mensch geworden (Joh 1,14); das Leben, das bei dem Vater war, ist uns offenbart worden (1. Joh 1,2).
Wenn nun jemand von diesem ›Brot‹ aß, so würde er nicht sterben, sondern in Ewigkeit leben. Die Väter waren in ihrer Mehrheit trotz des Mannas nicht nur dem Körper nach gestorben – „wegen des Unglaubens“ (Heb 3,19), wie wir uns schon erinnert haben ‑, sondern sie waren auch geistlicherweise tot gewesen. Wer aber von dem Brot aus dem Himmel aß, würde geistlicherweise nicht sterben, was auch immer mit seinem Körper geschehen mochte.
Hier müssen wir uns noch einmal vergegenwärtigen, was ›essen‹ und ›trinken‹ in dieser Verbindung bedeutet. Wenn wir etwas essen oder trinken, gebrauchen wir es zu unserem Guten, machen wir es uns zu eigen, machen uns damit in so starkem Maß eins, dass es ein Teil von uns selbst wird. Das ist genau das, was auch der Glaube tut. Er ergreift geistliche Dinge, „genießt“ sie und macht sie sich zu eigen.
Von dem Herrn Jesus als dem wahrhaftigen Brot zu essen bedeutet also, von dem Fleisch gewordenen Wort, in dem das Leben ist, im Glauben Gebrauch zu machen, Ihn im Glauben sich zu eigen zu machen. Damit ist, sagt der Sohn Gottes, ewiges Leben verbunden.
Einsmachung mit dem Tod Christi
Aber dann lässt der Herr keinen Zweifel daran, dass Er in der Absicht Mensch geworden ist, um hier zu sterben. Auf andere Weise konnte niemand erlöst werden.
„Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt“ (V. 51 b).
Hatte der Herr in der ersten Vershälfte von Seiner Menschwerdung gesprochen, so deutet Er jetzt mit dem Ausdruck ›mein Fleisch geben‹ Seinen Sühnungstod an. Er blickt voraus auf das Kreuz. Dort würde Er den Tod erdulden im Hinblick auf die ›Welt‹ oder zugunsten aller Menschen, wie wir auch sagen können. Für den einzelnen hing das ewige Leben davon ab, ob er sich im Glauben mit dem Sohn des Menschen und dessen Opfertod einsmachte.
Doch welch eine vollkommene Gnade wird auch in diesen Worten des Herrn sichtbar! Er wollte Sich an den Platz stellen, den wir verdient hatten. Ja, wir wissen, Er hat es getan.
Lob und Dank und Anbetung schulden wir Ihm dafür, heute und in alle Ewigkeit. ‑ Auf die ungläubigen Einwendungen der Juden: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“, antwortet der Herr in noch detaillierterer Weise:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, dass ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag; denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank“ (Verse 53‑55).
Viele haben gemeint, dass der Herr, wenn Er von dem Essen Seines Fleisches und dem Trinken Seines Blutes redet, auf das Abendmahl anspielt. Als Er in der Nacht, in der Er überliefert wurde, Brot genommen und gedankt hatte, hatte Er Seinen Jüngern gesagt‑ „Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1. Kor 11,24‑26; vgl. a. Lk 22,19ff).
Nun gibt es eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass der Herr in Johannes 6 nicht von Seinem Mahl spricht. Einige seien hier kurz aufgeführt. Zuerst war es nicht die Aufgabe des Apostels Johannes, von „kirchlichen“ Dingen und Institutionen wie der Taufe und dem Abendmahl zu schreiben. Die Aufgabe, die Vorrechte und Pflichten der Versammlung Gottes vorzustellen, war in der Hauptsache dem Apostel Paulus anvertraut worden. Deswegen bezeichnet er sich auch als den ›Diener der Versammlung‹ (Kol 1,24). An keiner Stelle seiner Schriften spricht Johannes jedoch von kirchlicher Gemeinschaft. Er sieht die Summe der Erlösten nicht als Versammlung des lebendigen Gottes oder als den Leib Christi, sondern als Familie Gottes. Das ist die Sicht der Dinge, die Gott uns durch ihn geschenkt hat. Und wenn der Herr Jesus in Johannes 3 davon sprach, dass jemand aus „Wasser und Geist geboren“ werden müsse, so meinte Er damit ebenso wenig die Taufe, wie Er mit dem Essen Seines Fleisches und dem Trinken Seines Blutes das Abendmahl meint.
Und dann macht das angeführte Zitat aus 1. Korinther 11,1 deutlich, dass dort überhaupt nicht von einem Essen des ›Fleisches‹ und einem Trinken des ›Blutes‹ Christi die Rede ist. Was die Gläubigen beim Mahl des Herrn essen, ist ›Brot‹, und was sie trinken, ist der ›Kelch‹. Eine Verwandlung der Elemente in Fleisch und Blut ist der Lehre der Heiligen Schrift absolut fremd. Auch in 1. Korinther 10, wo der Apostel Paulus von derselben Einrichtung, allerdings unter dem Blickwinkel des ›Tisches des Herrn‹ redet, spricht er auch von dem ›Brot‹, das wir brechen, und dem ›Kelch‹ der Segnung, den wir segnen (V. 16), und sagt im nächsten Vers: „denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot“.
Es wäre zudem ein unverständlicher und unerträglicher Gedanke, wenn der Empfang des ewigen Lebens von der Einnahme des Mahles des Herrn abhinge. Dadurch würden nicht nur dem Formalismus und dem Aberglauben Tür und Tor geöffnet, sondern viele Gläubige, die durch die verschiedensten Umstände des Lebens an der Teilnahme am Abendmahl gehindert wurden, zum Beispiel dadurch, dass sie sich erst auf dem Sterbebett bekehrt haben, würden verlorengehen.
Wenn wir überdies verstanden haben, was der Herr Jesus in Johannes 6 unter Essen und Trinken versteht, nämlich ein Sicheinsmachen mit Ihm als Dem, der in Wahrheit das Herz des Menschen zu befriedigen und ewiges Leben zu geben vermag, dann haben wir mit dieser Stelle keinerlei Schwierigkeit. ›Sein Fleisch essen‹ und ›Sein Blut trinken‹ sind einfach bildliche Umschreibungen davon, dass sich jemand im Glauben mit Ihm, dem gestorbenen Christus, einsmacht. Das wiederum bedeutet nichts anderes, als dass der Glaubende durch die Gnade Gottes dahin geleitet wird, in dem Tod Christi seinen eigenen Zustand anzuerkennen. Wer das tut, hat ewiges Leben; wer es nicht tut, hat kein Leben in sich selbst.
Etwas vereinfacht ausgedrückt können wir sagen: In diesen Versen wird uns das vorgestellt, was an anderen Stellen des Neuen Testaments mit ›Errettung‹ beschrieben wird. Aber diese Errettung ist von dem Glauben an den gestorbenen Heiland, ist von dem Glauben an Sein Blut (Röm 3,25) abhängig. Die Anerkennung eines lebenden Christus, auf den sich manche beschränken wollen, führt nicht zum ewigen Leben. Viele möchten sich durchaus das Leben Christi zum Vorbild nehmen, stoßen sich aber an Seinem Tod.
Aus diesem Grund geht der Herr Jesus von dem Ausdruck ›Brot‹ unversehens zu den Ausdrücken ›mein Fleisch‹ und ›mein Blut‹ über. Jemand, der wirklich an Seine Person glaubt, glaubt an das Wunder Seiner Menschwerdung ebenso wie an das Wunder Seines Sterbens. Nur solch ein Glaube ist mit ewigem Leben verbunden.
Was die Reihenfolge unseres Erfassens angeht, so ist sie der historischen Reihenfolge entgegengesetzt. Natürlich wurde der Herr Jesus zuerst Mensch, und erst danach starb Er. Wir beginnen jedoch mit dem Essen Seines Fleisches und dem Trinken Seines Blutes, um in dem Bild zu bleiben, und erst dann essen wir von dem Brot. Erst wenn wir die Bedeutung Seines Todes erfasst haben, sind wir in der Lage, uns an der Bedeutung Seines wunderbaren Lebens zu erfreuen ‑ eines Lebens in Demut und Niedrigkeit und Hingabe an Seinen Gott. Dieser gesegnete Gegenstand soll uns im nächsten Abschnitt beschäftigen.
Gemeinschaft
Wenn der Herr Jesus in Vers 51 sagt: „Wenn jemand von diesem Brot isst“, und in Vers 53: „Es sei denn, dass ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt“, so bezeichnet Er damit eine einmalige, abgeschlossene Handlung, beschreibt die Sache an sich. Die im Griechischen benutzten Verbformen für ›essen‹ und ›trinken‹ machen das deutlich.
Wie wir gesehen haben, handelt es sich um das grundsätzliche Sich‑Einsmachen mit Christus und Seinem Tod, womit in der Gnade Gottes ewiges Leben verbunden ist. Durch den Glauben nimmt der einzelne teil an den gesegneten Folgen Seines Sühnungstodes. Ohne dies gibt es kein ewiges Leben.
Dieser Glaubensakt liegt am Anfang des christlichen Weges und trägt einmaligen Charakter. Man kann sich eben nur einmal bekehren.
Aber in den Versen 54 und 56 benutzt der Herr eine andere Verbform, die einen länger anhaltenden Vorgang oder eine wiederholte Tätigkeit ausdrückt:
„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag ... Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm“ (Verse 54‑56).
Wörtlich heißt es: „Der mein Fleisch Essende und der mein Blut Trinkende.“ „Der ... Essende“, „der ... Trinkende“ ‑ damit bezeichnet der Herr den einzelnen Gläubigen, der sich ständig oder wiederholt von Ihm und Seinem Opfertod nährt.
Hier lernen wir etwas sehr Wichtiges: Das ewige Leben kann nicht von seiner Quelle getrennt werden. Wir haben es nicht unabhängig von Ihm, sondern haben es nur „in seinem Sohn“; und „wer den Sohn hat, hat das Leben“ (1. Joh 5,11.12). „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben“, hat der Herr Jesus an anderer Stelle gesagt (Joh 14,19).
Deshalb ist es notwendig, dass der Gläubige immer wieder von dem Fleisch des Herrn isst und von Seinem Blut trinkt. Das göttliche Leben in uns muss ständig genährt werden, und das geschieht dadurch, dass wir uns immer wieder an Seine Liebe bis in den Tod erinnern und uns daran erfreuen. Könnten wir uns damit zufriedengeben, es einmal getan zu haben? Und doch müssen wir uns oft gerade in diesem Punkt sehr schämen. Wie wenig sind wir in unserem täglichen Leben mit Seiner Liebe beschäftigt, die Er in Seinem Sterben offenbarte! Schreiber wie Leser mögen sich gleicherweise hierin prüfen, denn manche Kraft‑ und Lieblosigkeit unter uns rührt ohne Frage daher, dass diese Liebe zu wenig vor unseren Herzen steht. Wir haben in dem Apostel Paulus ein so schönes Beispiel zu unserer Nachahmung. Er konnte sagen: „Was ich aber jetzt lebe Im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20).
Ergebnisse
Beachten wir auch die kostbaren Ergebnisse des ›Essens‹ und ›Trinkens‹. Wir haben schon gesehen, dass in allgemeiner Hinsicht damit das Heil und in spezieller Hinsicht das ewige Leben verbunden ist (Verse 51.53).
Aber in Vers 54 fügte der Herr noch ein weiteres Ergebnis hinzu: Er würde „ihn auferwecken am letzten Tag“. Wenn der Tag des Menschen vorüber ist, wird der Herr alle die an Seiner Auferstehung teilhaben lassen, die an Ihn geglaubt haben. Der ›letzte Tag‹, der wiederholt im Johannes‑Evangelium erwähnt wird, beginnt mit der Auferstehung und Entrückung der Gläubigen (vgl. Kap. 6,39ff; 11,24) und endet mit dem Gericht derer, die Christus nicht angenommen haben (Kap. 12,48). Er schließt das dazwischenliegende 1000-jährige Reich mit ein. Dieser ›letzte Tag‹ bezeichnet nicht das Ende der Welt, sondern die letzte Epoche, die es mit der Verantwortlichkeit des Menschen Gott gegenüber zu tun hat. Das ewige Leben, das die Seinen in Christus besitzen, wäre unvereinbar damit, dass ihr Leib im Grab bliebe.
Aber dann in Vers 56 weist Er auf noch ein Ergebnis hin: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.“ Nun, das ist Gemeinschaft. Dadurch, dass wir Ihn essen und trinken, werden wir eins mit Ihm und wird Er eins mit uns. Es ist die Vereinigung mit dem Herrn Jesus im Leben, das Er durch die Gnade gibt. ›Bleiben‹ bedeutet auch ›wohnen‹, und wer könnte die Größe der Segnung erfassen, die darin liegt, dass die Heimat unserer Seele in Christus ist und dass Christus Seinen Wohnort in uns sieht?
Nun ist die häufig im Johannes‑Evangelium vorkommende Wendung ›er in mir und ich in ihm‹ kein leeres Wortspiel. Es scheint auch, dass sie nicht in jedem Fall genau dieselbe Bedeutung hat. je nach dem Zusammenhang wird mehr der eine oder der andere Aspekt des Ausdrucks hervorgehoben. Doch können wir wohl allgemein sagen: Wenn der Gläubige als in Christus gesehen wird, dann bezeichnet das seine christliche Stellung, in der er vor Gott steht. Damit verbunden ist die Verantwortlichkeit, durch Abhängigkeit dieser Stellung zu entsprechen. Wenn davon die Rede ist, dass Christus in dem Gläubigen ist, dann wird auf die Offenbarung hingewiesen, die Christus in dem Gläubigen von Sich gibt. Damit verbunden ist die Verantwortlichkeit, Christus als Maßstab für unseren Wandel zu haben und Ihn vor den Menschen zu offenbaren.
Wenn wir all das erwägen, was der Herr in diesem Kapitel von Sich als dem Brot des Lebens zum Ausdruck gebracht hat, dann bestätigen wir gern, was Er gesagt hat: „denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank“ (V. 55). Und es entsteht in uns der Wunsch, Ihn in Seiner Person und in Seinem Werk mehr zu genießen ‑ zu unserem Segen und zu Seiner Verherrlichung.
›Manna‹ und ›geröstete Körner‹
In den Verordnungen des zweiten Buches Mose über das Man sind eine Reihe wichtiger Einzelheiten enthalten, aus denen wir für unser praktisches Glaubensleben manche wichtige Belehrung entnehmen können. Diesen praktischen Hinweisen wollen wir uns nun zuwenden.
Wenn wir den ersten Teil des 16. Kapitels noch einmal überdenken und auch in Erinnerung behalten, was wir aus Johannes 6 über das Manna gelernt haben, können wir zusammenfassend sagen: Das ›Man‹ ist für uns Christus als Der, der zu uns in diese Welt kam, um hier als Mensch in Niedrigkeit zu leben und zu sterben; als solcher ist Er die Speise Seines Volkes für die Wüste. Dabei haben wir gesehen, dass wir zuerst an Ihm als gestorben Anteil erhalten müssen („Sein Fleisch essen“ und „Sein Blut trinken“), bevor wir Ihn als das aus dem Himmel gekommene ›Brot‹ genießen, bevor wir aus Seinem wunderbaren Leben Kraft schöpfen können. Aber als das ›Brot‹ ist Er die Speise für die Seinen während ihres Weges durch die Wüste.
Das machen die Worte Moses an das Volk Israel in 2. Mose 16 so recht deutlich: „Dies ist das Brot, das der HERR euch zur Nahrung gegeben hat“ (V. 15). Gott hatte die Türen des Himmels aufgetan und das Manna auf sie regnen lassen, „damit sie es äßen“, und Er hatte „ihnen Himmelsgetreide gegeben“ (Ps 78,23.24). „Mit Himmelsbrot sättigte er sie“, sagt uns ein anderer Psalm (Ps 105,40). Aber als sie dann nach vierzig Jahren Wüstenwanderung „in ein bewohntes Land kamen“ (V. 35), hörte das Man auf, und sie aßen von dem „Erzeugnis des Landes, ungesäuertes Brot und geröstete Körner“ (Jos 5,11). Die ›gerösteten Körner‹ reden ebenfalls von Christus als der Speise für die Seinen; aber es ist Christus als der Auferstandene und in den Himmel Erhobene, und von Ihm, dem Verherrlichten, nähren sich die Heiligen, wenn sie im Glauben in den himmlischen Örtern wellen (Eph 2.). Das ›Man‹ ist nicht diese himmlische Seite, sondern ist Christus für uns auf der Erde. Die ›gerösteten Körner‹ dagegen bilden Christus in der Herrlichkeit vor, jenseits des Todes und des Gerichtes Gottes.
Was den Kindern Israel im Verlauf ihrer Geschichte nacheinander als Speise gegeben wurde, zuerst das Man, dann das Erzeugnis des Landes, steht den Kindern Gottes der Gnadenzeit gleichzeitig zur Verfügung. Damit soll nicht gesagt werden, dass wir uns dieser beiden Seiten unseres Herrn direkt zum gleichen Augenblick erfreuen können. Das ist in der Praxis gar nicht möglich. Unser Erkennen ist stets fragmentarisch, bruchstückartig (1. Kor 13,9), und wir können uns nicht mit mehreren Seiten gleichzeitig befassen. Dennoch ist es wahr, dass wir uns unserer Stellung nach in den himmlischen Örtern bewegen und mit einem verherrlichten Christus beschäftigt sein dürfen, während wir uns zur gleichen Zeit unseren Erfahrungen nach in der Wüste befinden und Ihn als das Manna nötig haben. Mit dieser zweiten Seite beschäftigen wir uns hier in erster Linie, weil wir von dem Weg durch die Wüste sprechen. Aber auch diese Seite ist ‑ wie alles, was von Ihm redet ‑ von großer Schönheit.
Vermag uns nicht der Gedanke zu trösten, dass der Herr Jesus hier auf der Erde war und in allem in gleicher Weise versucht worden ist wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 4,15)? Kann Er dann nicht Mitleid mit uns haben in unseren Nöten und Versuchungen? Weiß jemand besser als Er, wie schwer und entbehrungsreich der Weg des Glaubens in einer Welt ist, in der Satan Fürst und Gott ist? Mit welcher Zartheit vermag den Müden aufzurichten, dem Verzagten Mut zu sprechen, dem Fragenden die Richtung zu weisen, d Bangenden die Furcht zu nehmen! Er ist durch dieselben Umstände gegangen, durch die auch wir geh Können wir Ihm nicht völlig vertrauen und mit Sein tiefen Verständnis rechnen? Er weiß, wie uns zum ist, und Er schenkt uns Seine Gnade entsprechend Umständen, in die uns Seine Weisheit geführt hat.
Seine Gnade und Seine Liebe sind grenzenlos. liebt uns gerade so, wie wir sind: „... da er die Seinigen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er bis ans Ende“, bis zum Äußersten (Joh 13,1). So wie die Seinen in der Welt waren, geradeso liebte Er und geradeso liebt Er uns, die wir heute in der Welt sind. Der Herr Jesus ist absolut Derselbe, ob Er damals in der Welt war oder heute im Himmel ist. Das ist es, was so köstlich ist: dass Er Sich nicht verändert hat, wie groß für Ihn auch der Wechsel von der Erde zum Haus Seines Vaters war. An Seiner Liebe änderte das nicht das geringste. Und Er hat ‑ lasst uns das bedenken, Geliebte! ‑ Er hat Seine Erfahrungen nicht vergessen.
O wer ist Ihm gleich,
so mild und so reich
an Liebe und Macht und Erbarmen!
Ahnen wir ein wenig, was es heißt, den Herrn Jesus als das ›Manna‹ zu essen? Haben wir schon gelernt, uns dieses ›Brotes‹ zu bedienen, wenn uns die Macht notvoller Umstände hart bedrängt oder wenn Er uns eine Zeit der Ruhe gewährt? Was wir immer brauchen, ob unser Boot gerade durch ruhiges oder stürmisches Gewässer läuft, ist Christus, ist Seine überreiche Gnade. „Meine Gnade genügt dir“ ‑ dieses Bewusstsein wird die erfüllen, die wissen, was es heißt, Ihn als das ›Manna‹ zu essen.
Das Manna essen jedoch bedeutet, Ihn als Den zu betrachten und zu genießen, der als vollkommener Mensch über diese Erde ging. „Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“ (Heb 112,3). In dem Befolgen dieser Aufforderung des Heiligen Geistes versagen wir alle mehr oder weniger. Wir „betrachten“ oft ganz andere Gegenstände als Ihn, irdische Dinge ‑ und wundern uns, dass wir dann so wenig geistliche Kraft, so wenig wirkliche Freude haben. Das neue Leben in uns ist Christus (Kol 3,3.4); es kann nur aus seiner Quelle, aus Christus genährt werden.
Ja, Er ist die Quelle der Gnade, die wir für jeden Schritt hier brauchen. Gewiss, in Ihm finden wir auch das vollkommene Vorbild für unseren Weg, für unser Verhalten, unsere Gesinnung. Doch das ›Man‹ weist auf mehr hin: Der Herr Jesus schenkt uns auch die Kraft, Seinem hehren Vorbild im praktischen Leben zu entsprechen, wenn wir in Gemeinschaft mit Ihm bleiben.
So lasst uns in die Heiligen Schriften schauen, um darin Ihn, das aus dem Himmel gekommene ›Brot‹, zu suchen und zu finden! Haben wir in einer besonderen Situation Ausharren nötig? Der Heilige Geist wird uns Christus und Dessen Worte vor die Seele stellen (Joh 14,2‑6; 16,13‑115), und auf diese Weise wird uns Christus zum ›Man‹ in dieser Lage werden. Er wird uns zeigen, wie Christus in noch ernsteren Umständen vollkommen auf Gott geharrt und Seine Antwort erlebt hat. Fehlt es uns an der Energie des Glaubens, um Widerständen entgegentreten zu können? In der Betrachtung des Beispiels des Herrn finden wir sie. Hat Er Sich nicht um das Haus Seines Gottes, in der Verfolgung der Interessen Seines Vaters verzehrt ‑ und obgesiegt? So will Er uns in jedem Punkt unseres Lebens zum ›Man‹ werden und uns jede Gnade gewähren, die wir im Augenblick benötigen.
Wenn wir in Verbindung mit dem Man wiederholt von Kraft gesprochen haben, so bleibt davon die andere Wahrheit unberührt, dass Kraft für den inneren Menschen nicht von dem verherrlichten Christus getrennt werden kann. Das aber wird uns, wie bereits bemerkt, in den ›gerösteten Körnern‹ vorgestellt. Nur in dem Bewusstsein davon, dass Der, der einst in Niedrigkeit hier war, nun „überwunden“ (Off 5,5), „eine ewige Erlösung erfunden“ (Heb 9,12) und Sich „zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt“ hat (Kap. 1,3), liegt die eigentliche Quelle der Kraft. „... gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ ist die Sprache des Heiligen Geistes im Kolosserbrief (Kap. 1,11).
Praktisch bedeutet das für uns: Wenn wir Christus als ›Man‹ betrachten ‑ und es kann kaum etwas Gesegneteres geben, als Sein wunderbares Leben anzuschauen ‑, so dürfen wir uns zugleich daran erinnern, dass Er jetzt jenseits des Todes ist und bereits das Ziel Seines Laufes, die Herrlichkeit Gottes, erreicht hat. Geradeso wird es uns ergehen. Und dieses Bewusstsein führt zu Kraft in der Seele des Gläubigen. Wir sollten im Anschauen des Herrn diese beiden Seiten Seiner Person nicht zu sehr voneinander trennen ‑ wohl unterscheiden, aber nicht trennen. Es ist ein und dieselbe Person. Ähnlich verhält es sich mit den Opfern des Alten Testaments. Auch sie zeigen uns die verschiedenen Seiten des Opfers unseres Herrn, obwohl es nur ein Opfer ist.
Es bleibt noch zu bemerken, dass wir Christus als ›Man‹ in besonderer Weise in den Evangelien finden. Wenn wir unter Gebet in diesem wunderbaren Teil des Wortes Gottes lesen, nach Ihm forschen und über Ihn sinnen, wird Er uns zur Speise werden für unser tägliches Leben.
Aber in der praktischen Verwirklichung gibt es einige Dinge zu beachten, ohne die wir trotz allem Verlust und Enttäuschungen erleben würden. Davon reden die nächsten Verse unseres Kapitels.
Nach dem Maß des Essens
„Dies ist das Wort, das der HERR geboten bat: Sammelt davon, ein Jeder nach dem Maß seines Essens; einen Ghomer für den Kopf, nach der Zahl eurer Seelen, sollt ihr nehmen, ein jeder für die, welche in seinem Zelt sind. Und die Kinder Israel taten also und sammelten, der viel und der wenig. Und sie maßen mit dem Ghomer: da hatte, wer viel gesammelt hatte, nicht übrig, und wer wenig gesammelt hatte, dem mangelte nicht; sie hatten gesammelt, ein jeder nach dem Maß seines Essens“ (2. Mo 16,16‑18).
Wir können und wollen nicht alle Einzelheiten dieser Vorgänge „vergeistlichen“. Auch liegt manches Wunderbare in der Art und Weise, in der Gott den Israeliten dieses Himmelsbrot gab. Aber das eine ist unserem Verständnis sogleich zugänglich: Die Kinder Israel mussten sich um das Man bemühen. Wie groß die Gnade Gottes in der Vorsorge für sie auch war, sie mussten selbst hinausgehen und sammeln. Das Man lag auf der Fläche der Wüste, und um in dessen Besitz zu kommen, mussten sie sich bücken oder niederknien.
So gesehen, fällt auch uns nicht alles einfach in den Schoß. Mit dem Genuss des ›Man‹ ist durchaus Mühe und Arbeit verbunden. Gott erwartet, dass wir Fleiß anwenden, um in den Besitz der uns zugedachten Segnungen zu kommen. Gewiss liegen alle unsere Hilfsquellen in Ihm, und ohne Seine Gnade haben wir nichts. Trotzdem sollen wir uns danach als etwas Begehrenswertem ausstrecken.
Diese geistliche Entschiedenheit, diese „Tugend“ (2. Pet 1,5) fehlt uns so oft. „Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln“ (V. 10). Der hochbetagte Apostel Petrus selbst „befleißigte“ sich, ihnen diese Dinge vorzustellen, solange er noch lebte (V. 15). Und Judas wandte auch „allen Fleiß“ an, den Gläubigen „über unser gemeinsames Heil zu schreiben“.
Doch damit sind wir unversehens auf das Gebiet des Dienstes gekommen. So können wir festhalten: Ob es um das eigene Sammeln oder um den Dienst im Werk des Herrn geht, stets ist auf unserer Seite Fleiß und Abhängigkeit nötig.
Es scheint, dass darin, dass sich die Sammelnden auf den Boden bücken mussten, auch der Gedanke an Abhängigkeit zum Ausdruck kommt. Denn können wir wirklich von dem ›Man‹ essen, ohne dass auch wir auf unsere Knie gehen und darüber im Gebet zu Gott sind? Fleiß in geistlichen Dingen allein macht es eben auch nicht, „der Segen des HERRN, er macht reich, und Anstrengung fügt neben ihm nichts hinzu“ (Spr 10,22). Diese beiden Grundsätze in den Wegen Gottes, der Fleiß des Menschen und die souveräne Gnade Gottes, widersprechen sich in keiner Weise. Wir sollten uns stets bewusst sein, dass wir aus uns heraus gar nichts tun können. Aber neben Fleiß und Abhängigkeit lernen wir etwas Weiteres: Die einen sammelten viel, die anderen wenig; doch hatte keiner zu viel und keiner Mangel. Sie hatten gesammelt „ein Jeder nach dem Maß seines Essens“.
So ist es auch heute. Die Gnade Gottes trägt allen Bedürfnissen Rechnung. Gott ist für jeden einzelnen der Seinen besorgt, jeder bekommt seinen ›Ghomer‹ voll. Aber das ›Maß des Essens‹ ist verschieden, und Gott gibt entsprechend diesem Maß.
Es ist tatsächlich so, liebe Freunde, wie einmal jemand treffend bemerkt hat: Jeder von uns hat nur so viel von Christus, wie er unbedingt haben will, nicht mehr und nicht weniger. Diesen Grundsatz Gottes können wir uns nicht tief genug ins Herz schreiben.
Unser geistlicher Appetit ist verschieden. Er hängt ganz davon ab, welche Prioritäten wir setzen, das heißt, wie tief unser Verlangen nach Christus ist und wie wir dementsprechend die Dinge in unserem Leben ordnen. Sind wir selbst in unserer freien Zeit hauptsächlich mit irdischen Dingen beschäftigt, so dass wir gerade noch Zeit zum Lesen eines kurzen Bibelabschnittes finden, wird Gott uns gewiss das wenige segnen und uns nicht umkommen lassen.
Wenn wir uns unter den Einfluss Seines Wortes begeben, wird immer Segen daraus für uns hervorkommen. Das ist Seine Gnade. Er wird uns etwas von Christus genießen lassen; aber weil wir nicht viel begehrten, wird es vergleichsweise wenig sein.
Doch wie wird Er andererseits dadurch geehrt, wenn wir viel von Ihm und Seinem Sohn begehren! „Tue deinen Mund weit auf, und ich will ihn füllen“ (Ps 81,10), das gilt uns auch heute noch. Wir können in dieser Hinsicht nicht zu viel von Ihm erwarten. je tiefer unser Bewusstsein von Seiner Gnade ist, je mehr wir fühlen, wie sehr wir sie benötigen, desto reichlicher wird Er sie uns in Seinem Sohn zuwenden. Er wird uns einen tiefen Genuss an der Person Christi gewähren und uns dadurch Kraft in die Seele geben, damit wir in dieser Welt das vollbringen können, was Seinem Willen entspricht.
Wir können Gott auch in diesem Sinn „auf die Probe stellen“, wie Er einst Seinem irdischen Volk in Bezug auf den Zehnten zurief: „Prüft mich doch dadurch, spricht der HERR der Heerscharen, ob ich euch nicht die Fenster des Himmels auftun und euch Segen ausgießen werde bis zum Übermaß“ (Mal 3,10). Wollen wir viel von Christus haben? Er wird es uns geben.
Morgen für Morgen
„Und Mose sprach zu ihnen: Niemand lasse davon übrig bis an den Morgen. Aber sie hörten nicht auf Mose, und etliche ließen davon übrig bis an den Morgen; da wuchsen Würmer darin, und es ward stinkend. Und Mose wurde zornig über sie. Und sie sammelten es Morgen für Morgen, ein jeder nach dem Maß seines Essens; und wenn die Sonne heiß wurde, so zerschmolz es“ (Verse 19‑21).
Hier finden wir eine weitere Belehrung: Wir können das ›Man‹ nicht horten oder speichern. Was uns gestern als Speise diente, kann uns heute nicht stärken. Das will nicht sagen, dass wir uns mit dem, was uns gestern beschäftigte, nicht heute noch einmal befassen dürfen. Ganz und gar nicht. Aber wir können von den Erfahrungen, die wir gestern mit Gott und Seiner Gnade gemacht haben, nicht auch heute leben. Wir müssen uns im lebendigen Glauben täglich von Christus nähren. Gott hatte zum Volk Israel gesagt, sie sollten hinausgehen und „den täglichen Bedarf an seinem Tag sammeln“ (V. 4). Wenn wir das versäumen, werden wir keine Kraft für den Tag haben. Die Niederlage in irgendeiner Form ist dann bereits vorprogrammiert.
Wer von uns hat nicht schon den Fehler begangen, zu glauben, das gestern mit dem Herrn Erlebt reiche auch für heute aus, bewahre und erhalte uns auch an diesem Tag! Es ist ein Trugschluss. Wenn wir so denken, haben wir in Wahrheit bereits die Abhängigkeit vom Herrn verloren, ohne dass wir uns dessen unbedingt bewusst geworden sind. Doch der Herr Jesus möchte uns immer ganz nahe bei Sich haben, und wir müssen lernen, dass wir Seine Gnade, Seine Person jeden Tag, jede Stunde, Ja, Jeden Augenblick in unserem Leben nötig haben.
Gott warnte die Kinder Israel davor, etwas von dem aufgelesenen Man auf den nächsten Tag aufzuheben. Trotz dieser Warnung versuchten es einige Israeliten dennoch, und das Ergebnis davon war, dass Würmer hineinkamen und das Man zu stinken anfing. Wie leicht bilden wir uns auf zurückliegende Erfahrungen mit dem Herrn etwas ein! Vielleicht sprechen wir gern davon zu anderen, ohne dass sie den leichten Unterton des Stolzes wahrnehmen, der da mitschwingt. Aber in den Augen Gottes sind die ›Würmer‹ bereits darin! Die Beschäftigung mit uns selbst ist eben nie ungefährlich. Selbst unsere gesegneten Erfahrungen können uns zum Fallstrick werden, wenn wir nicht nahe beim Herrn bleiben und Ihn als die Quelle von allem sehen. Natürlich können und dürfen wir uns unserer Erfahrungen und all dessen erfreuen, was wir von dem Herrn Jesus gesehen und mit Ihm erlebt haben, und dürfen Ihn dafür rühmen. Aber die für heute benötigte Kraft finden wir nicht darin.
Wir müssen in unserem Inneren darüber ›geübt‹ sein, Ihn selbst täglich als das Brot Gottes zu uns zu nehmen. Und was Gott uns heute von Christus gibt, gibt Er uns nicht, damit wir es für spätere Zeiten im Kopf aufhäufen, sondern damit wir es heute im praktischen Leben verwirklichen. In angesammeltes Kopfwissen geraten gar leicht die Würmer‹ hinein. Gott möchte, dass wir das, was wir von Christus gelernt haben, auch in die Praxis umsetzen. Wenigstens muss das unser Bemühen sein. Andernfalls bläht uns die Erkenntnis nur auf (1. Kor 8,1). Nein, Gott gestattet uns nicht, geistliche Güter für künftige Tage anzusammeln. Wie schnell würde es uns zur Unabhängigkeit von Ihm führen! Selbst so etwas Kostbares wie die Gnade Gottes können wir nicht „horten“.
Aber liegt nicht auch ein Hinweis für uns in der Tatsache, dass die Israeliten das Man frühmorgens auflesen mussten, „ehe die Sonne heiß wurde“? Wir können uns mühelos vorstellen, was mit der heiß scheinenden ›Sonne‹ gemeint ist, vor der das ›Man‹ zerschmolz. Wenn erst der Alltag mit seinen Problemen und Belastungen begonnen hat, ist es im Allgemeinen zu spät, um sich dafür zu wappnen.
Nun mag es nicht jedermanns Sache in gleichem Maß sein, sehr früh am Morgen aufzustehen und sich dem gründlichen Studium des Wortes Gottes zu widmen. Manchen fällt das ausgesprochen schwer, und nicht selten ist das sogar gesundheitlich bedingt. Vielen liegt es deswegen weit mehr, sich abends nach des Tages Arbeit mit dem Wort zu beschäftigen. Wir wollen das alles durchaus stehenlassen und anerkennen. Viele von uns haben das Wort in der Nacht studiert, und Gott hat Seinen Segen dazu gegeben.
Dennoch dürfen wir uns über zwei Punkte nicht hinwegtäuschen. Wenn wir die Angelegenheit unter dem Blickpunkt des ›Maus‹ sehen, gibt es für die Beschäftigung mit Christus tatsächlich keinen günstigeren Zeitpunkt als den Morgen. Denn was kann gesegneter sein, als seine ersten Eindrücke zu Beginn eines neuen Tages von der Person Christi prägen zu lassen, wenn man noch ganz mit Ihm allein ist? Später kommen so viele Eindrücke und Einflüsse von der Welt hinzu, dass es einiges an Kraft und Energie braucht, um sich davon freizumachen.
Das ist also das erste, was wir bedenken sollten. Am Morgen den Faden glücklicher Gemeinschaft bewusst wieder aufzunehmen, der uns am Abend zuvor beim Einschlafen entglitt, ist jedenfalls eine beglückende Erfahrung, die schon der Psalmist machte: „Ich erwache und bin noch bei dir“ (Ps 139,18).
Aber zweitens besteht eine absolute Notwendigkeit dafür, das ›Man‹ in der Frühe zu essen. Keiner von uns weiß, was der vor uns liegende Tag an Erprobungen und Gefahren mit sich bringen wird. Dass sie kommen werden, steht indes fest. Wie könnten wir, ohne mit dem Herrn Jesus in Kontakt gewesen und durch Ihn am inneren Menschen gestärkt worden zu sein, in den Tag hineingehen? Wie wollen wir Kraft dafür finden, in der Hitze des Tages den Willen Gottes in der jeweiligen Situation zu erkennen und zu tun? Müssen wir uns über unser häufiges Versagen wundern, wenn wir es versäumt haben, vorher ‑ und sei es nur für eine kleine Zeit ‑ mit Christus beschäftigt gewesen zu sein?
Dass der Herr Stoßgebete während der Kämpfe des Tages erhört, hat der Verfasser oft erlebt. Aber es ist doch etwas Großes und fast Unerlässliches, in einer gewissen Konzentration des Geistes, den Tag mit Christus begonnen zu haben.
Lassen wir uns deswegen die wenigen Minuten in der Frühe nicht auch noch von Satan rauben! Er wird alles daransetzen, sie uns nach und nach ganz zu entwinden. Denn er weiß oft besser als wir, wie wichtig sie für das Überwinden der Gefahren und Schwierigkeiten des Tages sind.
Ein heiliger Sabbat der Ruhe
Es gab nur eine Ausnahme für die Verpflichtung der Israeliten, täglich in der Frühe das Man aufzulesen. Am Sabbat sollten sie in ihren Zelten bleiben. Gott gab ihnen dafür am sechsten Tag die doppelte Menge, ohne dass das für den Sabbat übriggebliebene Brot stinkend geworden wäre.
„Und es geschah am sechsten Tag, da sammelten sie das Doppelte an Brot, zwei Ghomer für einen; und alle Fürsten der Gemeinde kamen und berichteten es Mose. Und er sprach zu ihnen: Dies ist es, was der HERR geredet hat: Morgen ist Ruhe, ein heiliger Sabbat dem HERRN; was ihr backen wollt, backt, und was ihr kochen wollt, kocht. Alles aber, was übrigbleibt, legt euch hin zur Aufbewahrung bis an den Morgen. Und sie legten es hin bis an den Morgen, so wie Mose geboten hatte; und es stank nicht, und es war kein Wurm darin“ (Verse 22‑24).
Es ist höchst bemerkenswert, dass Gott im Zusammenhang mit den Anweisungen über das Man zum ersten Mal den Sabbat zur Beobachtung durch den Menschen einführt. Nachdem im Schöpfungsbericht des ersten Buches Mose gesagt wurde: „Und Gott hatte am siebenten Tag sein Werk vollendet, das er gemacht hatte ... Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn; denn an demselben ruhte er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte, indem er es machte“ (Kap. 2,2.3), hören wir nie wieder etwas von dem Sabbat, weder in der Zeit der Patriarchen noch in den Jahrhunderten, während derer das Volk Israel in Ägypten wellte. Aber jetzt, wo Gott dem Volk für den Weg durch die Wüste das Man gibt, führt Er unvermittelt den Sabbat ein. Das muss seinen Grund haben, und wir wollen mit Gottes Hilfe versuchen, ihm nachzuspüren.
Dass mit dem Sabbat nicht unser Sonntag gemeint ist, sondern der siebte Tag der Woche, machen die beiden vorstehenden Zitate aus dem ersten und zweiten Buch Mose unmissverständlich klar. Der Sonntag ist der erste Tag der Woche, der „Tag des Herrn“ (Off 1,10). Und weil es der Auferstehungstag unseres Herrn ist, steht er gewissermaßen für das Christentum und ist er ein Kennzeichen für die neue Schöpfung Gottes (1. Kor 5,17; Kol 1,18; Off 3,14). Der Sabbat hingegen redet von etwas völlig anderem, Mit ihm begann nicht etwas Neues, wie es beim ersten Tag der Woche der Fall ist, sondern mit ihm wurde etwas beschlossen, nämlich das Werk Gottes. Gott ruhte am siebten Tag von all Seinem Werk der Schöpfung. So ist der Sabbat ein Bild von der Ruhe, der ewigen Ruhe Gottes, aber ein Bild der Ruhe, die der Arbeit folgt.
Vorbildlich gesprochen haben wir ja hier ein erlöstes Volk vor uns, dem Gott für die Reise ins verheißene Land das Himmelsbrot gibt. Aber in Verbindung damit gibt Er ihm auch den Sabbat (beachten wir den Ausdruck in V. 29: „Seht, weil der HERR euch den Sabbat gegeben hat...“!). Der Sabbat war ebenso eine Gabe Gottes wie das Brot aus dem Himmel. Es war das Verlangen des Herzens Gottes, Sein erlöstes Volk an Seiner eigenen Ruhe teilnehmen zu lassen. Wunderbare Gnade: Er erinnert sie dadurch, dass sie am sechsten Tag die doppelte Menge sammeln und am siebten Tag ruhen sollten (vgl. V. 30: „Und das Volk ruhte am siebenten Tag“) daran, dass die Wüstenreise ein Ende haben würde und sie einmal in Seine Ruhe eingehen würden! Dann würden sie es nicht mehr nötig haben, in die Wüste hinauszugehen, um das Man zu sammeln. Die Wüstenerfahrungen würden für immer ein Ende haben.
Ehe wir jedoch die Dinge in der Anwendung auf uns betrachten, muss noch etwas anderes bemerkt werden: Die Ruhe Gottes, von der in 1. Mose 2 die Rede ist, wurde durch den Eintritt der Sünde jäh unterbrochen. Gott wollte den Menschen in Seine Ruhe bringen, aber der Mensch wollte sie nicht, sondern handelte den Geboten Gottes entgegen. Wir sehen dasselbe auch hier in unserem Bericht in 2. Mose 16:
„Und es geschah am siebenten Tag, dass etliche von dem Volk hinausgingen, um zu sammeln, und sie fanden nichts. Und der HERR sprach zu Mose: Bis wann weigert ihr euch, meine Gebote und meine Gesetze zu beobachten?“ (Verse 27.28).
Die Sünde des Menschen verletzte die Ruhe Gottes, unterbrach sie. Denn wie könnte Gott ruhen, wenn Sünde in der Welt ist, die Er als „gut“ erschaffen hat? Trotz der Sünde des Menschen gab und gibt Er Seinen Plan, den Menschen in Seine eigene Ruhe zu bringen, nicht auf. Unbeirrt verfolgt Er die Absicht Seines Herzens. So sandte Er zu Seiner Zeit Den in die Welt, von dem das Man redete ‑ Seinen eingeborenen Sohn. Er würde als das aus dem Himmel gekommene Brot der Welt das Leben geben (Joh 6,33). Es ist in diesem Zusammenhang beachtenswert, dass, wenn der Herr Jesus in den Evangelien in Verbindung mit dem Sabbat genannt wird, Er stets den Sabbat brach. So jedenfalls deuteten die Menschen Sein Tun. Bei einer dieser Gelegenheiten antwortete der Herr Jesus nach der Heilung des Kranken am Sabbat den entrüsteten Juden: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“ (Joh 5,17). Das ist der eigentliche Grund dafür, dass der Heiland gerade am Tag des Sabbats häufig Kranke hellte. Er deutete damit an, dass der Sabbat der Ruhe Gottes durch die Sünde des Menschen gebrochen worden ist und dass folglich ein Werk nötig war, um dem schuldigen Menschen dennoch die Ruhe Gottes zu sichern ‑ das Werk der Erlösung.
Im Neuen Testament begegnet uns der Gedanke an die Ruhe Gottes im dritten und vierten Kapitel des Hebräerbriefes. Wenn dort gesagt wird: „Denn wir, die wir geglaubt haben, gehen in die Ruhe ein“ (Kap. 4, 3), so ist damit die ewige, noch zukünftige Ruhe Gottes gemeint, nicht die Ruhe des Gewissens, von der der Herr Jesus in Matthäus 11, Vers 28, spricht. Obwohl diese Ruhe Gottes erst in der Zukunft erreicht wird, gehört sie den jetzt Glaubenden. Durch den Glauben treten sie darin ein, sind überzeugt, dass sie einmal auch für sie kommen wird. Der Ausdruck in Vers 9 „Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volk Gottes aufbewahrt“ zeigt eindeutig, dass es an dieser Stelle um diesen zukünftigen Aspekt der Ruhe Gottes geht. Israel ‑ das macht auch dieser Abschnitt deutlich ‑ konnte wegen seines Unglaubens nicht in diese Ruhe eingehen.
Wenn wir noch einmal miteinander verbinden, was wir in 2. Mose 16 und Hebräer 4 über die Sabbatruhe erfahren, so erkennen wir die wunderbare Linie der Gnade Gottes und die Seiner Wege mit uns. Heute sind wir noch in der ›Wüste‹, aber Gott stärkt uns durch das wahre ›Man‹ und hält uns dadurch inmitten schwieriger Umstände in unserem Glauben aufrecht. Zugleich weist Er uns auf die bleibende Ruhe hin, die wir mit Ihm nach Beendigung aller Nöte und Kämpfe, aller Mühe und Arbeit für immer genießen werden. Christus ist dafür die Gewähr.
Das 1000-jährige Reich wird für das irdische Volk Israel in einem gewissen Maß diese Ruhe bringen, und die ganze Erde wird unter der Herrschaft Christi Ruhe und Frieden genießen. Aber im eigentlichen Sinn wird die Sabbatruhe Gottes erst im ewigen Zustand erreicht werden (Off 11,1‑8), wenn Gott alles und in allem sein wird (1. Kor 15,28). Es wird eine endgültige Ruhe für Gott und alle Erlösten aller Zeitalter sein ‑ eine Ruhe, die durch nichts mehr gestört werden kann. Gott wird in dem ruhen, was Sein Herz erfreut, und an dieser ewigen Ruhe werden alle die teilhaben, die durch das Blut des Lammes für Gott erkauft worden sind.
Wenn die Kinder Israel am sechsten Tag als Vorsorge Gottes für den siebten Tag die doppelte Menge sammelten, bedeutet das für uns, dass wir auch in der Ewigkeit Christus als das ›Man‹ genießen werden? Auf diese Frage wollen wir in Verbindung mit dem letzten Abschnitt dieses Kapitels eingehen.
Das Man im Krug
„Und Mose sprach: Dies ist das Wort, das der HERR geboten hat: Ein Ghomer voll davon sei zur Aufbewahrung für eure Geschlechter, damit sie das Brot sehen, womit ich euch in der Wüste gespeist habe, als ich euch aus dem Land Ägypten herausführte. Und Mose sprach zu Aaron: Nimm einen Krug und tue Man darein, einen Ghomer voll, und lege es vor den HERRN nieder zur Aufbewahrung für eure Geschlechter. So wie der HERR Mose geboten hatte, legte Aaron es vor das Zeugnis nieder, zur Aufbewahrung“ (Verse 32‑34).
Wenn wir im Auge behalten, dass der Sabbat vorbildlich von der ewigen Sabbatruhe Gottes und der Seines Volkes spricht, erkennen wir aus der vorstehenden Anordnung, dass wir auch in der Ewigkeit mit Christus als dem ›Man‹ beschäftigt sein werden. Gewiss, wir werden das ›Man‹ dann nicht mehr mühsam „sammeln“ müssen, aber wir werden doch die Erfahrungen, die wir mit Ihm während der Zeit unserer Wüstenwanderung gemacht haben, nicht vergessen haben. Im Gegenteil, die auf der Erde erlebte Gnade werden wir in ihrem vollen Umfang erst droben erkennen können, und das wird zur ewigen Verherrlichung Gottes ausschlagen.
In einem gewissen Maß wird also eine bestimmte Beziehung bestehen zwischen dem, was wir auf der Erde mit Christus erlebt haben, und dem, was wir im Himmel von Ihm als dem ›Man‹ werden genießen können. Das am sechsten Tag Gesammelte bildete zu einem Teil die Speise für den siebten Tag. Sollte uns nicht allein dieser Gedanke anspornen, schon hier auf der Erde möglichst viel von Christus zu „sammeln“, nicht nur einen Ghomer voll, sondern zwei? Wir werden das, was wir hier von Christus erworben haben, droben wiederfinden, wenn für uns die ewige Ruhe gekommen ist. Es wird uns die ganze Ewigkeit hindurch erfreuen und erquicken.
Aber da scheint noch ein weiterer Gedanke mit dem im Krug aufbewahrten Man in Verbindung zu stehen. Die Verheißung des Herrn an den Überwinder in ›Pergamus‹ spielt ja offenbar auf dieses Man im Krug an: „Dem, der überwindet, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben“ (Off 2,17). „Das verborgene Manna“ ‑ was können wir darunter verstehen?
Hebräer 9, Vers 4, belehrt uns darüber, dass in der Lade des Bundes außer dem Stab Aarons und den bei den Tafeln des Gesetzes auch „der goldene Krug war, der das Man enthielt“. Er wird sogar an erster Stelle erwähnt. Nun, dieser Krug mit dem Man darin war über all die Jahrhunderte seit der Wüstenwanderung Israels vor den Augen des Volkes Gottes verborgen geblieben. Er befand sich in der Lade, und wir wissen, dass niemand den Sühndeckel anheben durfte, der die Lade verschloss. So sah niemand das Man in der Lade als nur Gott allein. Menschen hatten keinen Zugang dazu: Es war vor ihren Augen verborgen.
So verhielt es sich auch, als der Herr Jesus als der Demütige und Gehorsame in dieser Welt war. All die Vortrefflichkeiten in dem Leben des Herrn konnte nur das Auge des Vaters wahrnehmen, und nur Gott konnte sie vollkommen würdigen. Wer von uns könnte auch nur annähernd die Einzelheiten im Leben des Herrn erfassen oder verstehen, die uns in den vier Evangelien mitgeteilt werden? Und ist es nicht beachtenswert, dass Johannes sein Evangelium mit der Bemerkung abschließt, es gebe noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat; „und“, so sagt er, „wenn diese alle einzeln niedergeschrieben würden, so würde, dünkt mich, selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht fassen“.
War das eine dichterische Übertreibung eines enthusiastischen Schreibers? Keineswegs! Wir lernen vielmehr: Vieles von dem, was der Herr Jesus auf der Erde getan hat, ist uns nach der Weisheit Gottes nicht überliefert worden. Wir können ja heute nicht einmal das, was uns mitgeteilt worden ist, ausschöpfen und ergründen! Was aber wird es sein, Geliebte, wenn wir von der Herrlichkeit des Himmels aus und in Gemeinschaft mit dem Vater in das hineinschauen dürfen, was
Er schon immer gesehen und wertgeschätzt hat: in die unendlichen Kostbarkeiten des Lebens, das Sein Sohn auf der Erde gelebt hat!