Betrachtung über Hebräer (Synopsis)
Kapitel 13
In diesem 13. Kapitel gibt es mehr als eine Wahrheit, die unsere besondere Beachtung verdient. Die Ermahnungen sind ebenso einfach, wie sie wichtig sind, und erfordern nur einige Bemerkungen. Sie bleiben in dem Bereich, in dem der ganze Brief sich bewegt: bei dem, was sich auf den Pfad des Christen, auf seinen Wandel hienieden, bezieht. Sie erstrecken sich nicht auf das, was aus der Vereinigung mit Christus in den himmlischen Örtern hervorgeht. Brüderliche Liebe, Gastfreundschaft, Sorge für die Gefangenen, die genaue Bewahrung des ehelichen Bandes und der persönlichen Reinheit, Vermeidung der Habsucht, das sind die Gegenstände der Ermahnung hier. Sie alle sind höchst wichtig und stehen mit dem guten Wandel eines Christen in Verbindung, sind aber nicht geschöpft aus den höheren und himmlischen Quellen und Grundsätzen des christlichen Lebens, wie dies in den Briefen an die Epheser und Kolosser der Fall ist. Auch sind sie, wenngleich die Ähnlichkeit größer ist, nicht die nämlichen wie im Römerbrief, denn dieser bleibt im allgemeinen stehen bei dem Leben in Christus in dieser Welt, indem er die Auferstehung Christi darstellt, ohne bis zu seiner Himmelfahrt 1 zu gehen. Die Ermahnungen, die dann folgen, stehen in Verbindung mit den Umständen, in denen die Hebräer sich befanden, und stützen sich auf die herannahende Abschaffung und das Gericht des Judentums, von dem sie sich jetzt endgültig zu trennen hatten. Indem der Apostel sie ermahnt, der Führer der Herde zu gedenken (V. 7), spricht er von solchen, die schon heimgegangen waren, im Gegensatz zu den noch lebenden (V. 17). Der Ausgang ihres Glaubens war eine schöne Ermunterung für andere, in ihre Fußstapfen zu treten, nach denselben Glaubensgrundsätzen zu wandeln, die jene zu einem solch herrlichen Ergebnis geführt hatten.
Zudem veränderte Christus sich nie. Er war derselbe gestern und heute und in Ewigkeit (V. 8). Die gläubigen Hebräer sollten deshalb in der Einfalt und Lauterkeit des Glaubens beharren. Das unruhige Suchen nach etwas Neuem, „nach mancherlei und fremden Lehren“, ist der klarste Beweis, dass das Herz praktisch nicht im Besitz dessen steht, was in Christus Ruhe gibt, dass es nicht das verwirklicht, was Christus ist. In der Erkenntnis Christi zu wachsen, ist unser Leben und unser Vorrecht. Das Suchen nach etwas Neuem, nach etwas, das Ihm fremd ist, ist ein Beweis, dass Er uns nicht befriedigt. Wer aber nicht an Jesu genug hat, kennt Ihn nicht oder hat Ihn wenigstens vergessen. Es ist unmöglich, Ihn zu genießen und nicht zugleich zu fühlen, dass Er alles ist, d. h. dass Er genug für uns ist, und dass Er durch die Natur dessen, was Er ist, alles andere ausschließt.
In Bezug auf das Judentum, in dem die Hebräer Befriedigung für das Fleisch zu suchen geneigt waren, geht der Apostel weiter. Sie waren nicht mehr Juden, die im Besitz der wahren Anbetung Gottes standen, einer bevorzugten Anbetung, an der teilzunehmen andere kein Recht hatten. Der Altar Gottes gehörte jetzt den Christen. Diese allein hatten ein Recht daran. Eine irdische Anbetung, bei der es kein Eingehen innerhalb des Vorhangs in die Gegenwart Gottes selbst im Heiligtum gab, eine Anbetung, die ihre weltliche Herrlichkeit besaß, die zu den Elementen dieser Welt gehörte und ihren Platz in ihr hatte, konnte nicht länger bestehen. Es war jetzt entweder der Himmel oder das Kreuz und die Schmach. Das große Opfer für die Sünde ist dargebracht worden, aber dieses Opfer führt uns durch seine Wirksamkeit ins Heiligtum, in den Himmel selbst, wohin das Blut getragen wurde, und andererseits leitet es uns aus dem Lager, aus einem religiösen Volk, das mit der Welt in Verbindung ist, hinaus in Schmach und Verwerfung auf der Erde. Das ist das Teil Christi. Im Himmel ist Er angenommen worden. Er ist mit seinem eigenen Blut dort eingegangen. Auf der Erde ist Er verachtet und verworfen worden. Eine weltliche Religion, die ein System bildet, in dem die Welt wandeln kann und worin das religiöse Element dem Menschen angepasst ist, ist die Verleugnung des Christentums.
Hier haben wir keine bleibende Stadt. Wir suchen die zukünftige. Durch Christus bringen wir unsere Opfer des Lobes und der Danksagung dar. Auch dadurch, dass wir unsere Habe mit anderen teilen und auf allerlei Weise Gutes tun, bringen wir Gott wohlgefällige Opfer dar (V. 16).
Dann werden die Gläubigen ermahnt, denen zu gehorchen, die, indem sie Gott verantwortlich sind, über ihre Seelen wachen und den Heiligen vorangehen, um sie zu führen. Der Gehorsam ist ein Beweis jenes demütigen Geistes der Gnade, der nur dem Herrn zu gefallen sucht. Das Gefühl dieser Verantwortlichkeit veranlasst Paulus, von den Heiligen zu begehren, für ihn zu beten, aber mit dem Zusatz, dass er versichert sei, ein gutes Gewissen zu haben. Wir dienen Gott. Wir handeln für Ihn, wenn Er nicht genötigt ist, mit uns zu handeln, d. h. der Geist Gottes handelt durch uns, wenn Er uns nicht mit uns selbst beschäftigen muss. Wenn letzteres der Fall ist, kann man nicht als Arbeiter die Gebete der Heiligen begehren; denn solange der Geist uns in unserem Gewissen üben muss, können wir uns nicht Arbeiter Gottes nennen. Wenn aber das Gewissen gut ist, können wir freimütig um die Gebete der Heiligen bitten. Der Apostel bittet um so mehr darum, weil er sie dann umso schneller wieder zu sehen hoffte.
Schließlich fleht er Segen auf sie herab, indem er Gott den Titel gibt, den er Ihm so oft beilegt: „Der Gott des Friedens“. Inmitten seiner Herzensübungen im Blick auf die Hebräer und der Beweisgründe, die er aufzählt, um ihre Liebe vor dem Erkalten zu bewahren, sowie der innerlichen Unbeständigkeit, die den Wandel dieser Christen schwächte, und ihrer Versuchungen beim Zusammenbruch dessen, was sie für beständig und heilig gehalten hatten, trägt dieser Titel einen besonders köstlichen Charakter. Der Geist stellt sie in die Gegenwart eines auferstandenen Christus sowie eines Gottes, der den Frieden durch den Tod Christi begründet und gesichert und den Beweis davon in seiner Auferstehung gegeben hatte. Er hatte Christus aus den Toten wiedergebracht nach der Kraft des Blutes des ewigen 2 Bundes. Auf dieses Blut konnte das gläubige Volk eine Hoffnung bauen, die nichts zu erschüttern vermochte. Denn es waren keine Verheißungen, die, wie am Sinai, den Gehorsam des Volkes zur Vorbedingung hatten, sondern sie gründeten sich auf ein Lösegeld, das bezahlt worden war, und auf die vollkommene Sühnung ihres Ungehorsams. Die Segnung war deshalb unveränderlich, der Bund (wie das Erbe und die Erlösung) ewig. Der Apostel bittet, dass Gott, der dies bewirkt hatte, auch in den Hebräern wirken möge, um ihnen eine völlige Kraft und Energie zur Erfüllung seines Willens zu gewähren, indem Er selbst in ihnen schaffe, was vor Ihm wohlgefällig sei (V. 20+21). Er bittet sie schließlich, den Ermahnungen Gehör zu geben. Er hatte ihnen nur wenige Worte gesandt. Er will auch, dass sie wissen sollten, dass Timotheus wieder in Freiheit gesetzt worden sei. Er selbst war es schon. Er befand sich in Italien. Diese Umstände bestätigen den Gedanken, dass der Apostel Paulus es war, der diesen Brief geschrieben hat – an und für sich ein sehr interessanter Punkt, obgleich er nichts mit der Autorität des Briefes zu tun hat. Es ist der Geist Gottes, der überall dem Worte seine eigene Autorität verleiht.
Fußnoten
- 1 Nur in Römer 8,34 und in einer Anspielung in Römer 10,6 wird davon gesprochen.
- 2 Der Ausdruck „ewig“ ist, wie bereits wiederholt bemerkt, charakteristisch für den Hebräerbrief im Gegensatz zu einem System, das dem Verschwinden nahe war. Der Brief redet von einer ewigen Erlösung, einem ewigen Erbe, ja, sogar von dem ewigen Geist.