Christus in den Psalmen

Psalm 109

Christus in den Psalmen

Wir hatten uns das letzte Mal mit Psalm 102 beschäftigt. Der nächste Psalm, der sich in besonderer Weise auf den Herrn Jesus bezieht, ist Psalm 109. Wir wollen zusammen die ersten sechs Verse lesen:

„Dem Vorsänger. Von David, ein Psalm. Gott meines Lobes, schweige nicht! Denn der Mund des Gottlosen und der Mund des Truges haben sich gegen mich geöffnet, mit Lügenzunge haben sie zu mir geredet; und mit Worten des Hasses haben sie mich umgeben und haben gegen mich gekämpft ohne Ursache. Für meine Liebe feindeten sie mich an; ich aber bin stets im Gebet. Und sie haben mir Böses für Gutes erwiesen und Hass für meine Liebe. Bestelle einen Gottlosen über ihn, und ein Widersacher stehe zu seiner Rechten!“

Obwohl David, der diesen Psalm schrieb, in gewissem Maß etwas von diesen Dingen erfuhr, so hören wir doch den Herrn Jesus in Johannes 15,24.25 sagen: „Jetzt aber haben sie gesehen und doch gehasst sowohl mich als auch meinen Vater. – Aber damit das Wort erfüllt würde, das in ihrem Gesetz geschrieben steht: ‚Sie haben mich ohne Ursache gehasst.‘“ Hier haben wir also ein Beispiel davon, dass der Herr Jesus das, was in diesem Psalm und auch in anderen Psalmen gesagt wird, auf sich selbst anwendet.

Die Evangelien schildern uns, wie der Herr von allen Seiten von Hass und Lügenlippen umgeben war. Böse Anschuldigungen und Verleumdungen wurden gegen Ihn erhoben. Die religiösen Führer wagten sogar, Ihm vorzuwerfen, Er sei von einem Dämon besessen und vollbringe seine Wunder nur in der Macht Beelzebubs (das ist Satans). Sie hassten Ihn ohne Ursache, und trotz all seiner Liebe. Trotz all der Wohltaten seines gütigen Herzens dem Volk gegenüber wurden sie seine erbitterten Feinde. In der Tat, sie erwiesen Ihm Böses für Gutes und Hass für seine Liebe, wie es der Psalm vorhergesagt hatte.

Doch inmitten all des Hasses und der Feindschaft nahm der Herr seine Zuflucht im Gebet zu seinem Vater, wie uns der vierte Vers andeutet: „Ich aber bin stets im Gebet.“

Wörtlich lautet der hebräische Text nur: „Ich aber Gebet“; die Worte „bin stets im“ sind durch den Übersetzer hinzugefügt worden. Der Herr war Gebet selbst – ein kostbarer Hinweis auf seine völlige Abhängigkeit von Gott, wie sie in seinem Leben stets offenbar wurde. Wir lesen in Lukas 6,11.12: „Sie aber wurden mit Unverstand erfüllt und besprachen sich untereinander, was sie Jesus tun sollten. Es geschah aber in diesen Tagen, dass er auf den Berg hinausging, um zu beten; und er verharrte die Nacht im Gebet zu Gott.“ Dies ist ein Beispiel der Erfüllung dessen, was unser Psalm von dem Herrn Jesus vorhergesagt hat. Wir erinnern uns auch daran, wie der Herr Jesus zu seinem Vater um Vergebung für jene betete, die Ihn kreuzigten (Lk 23,34).

Mit Vers 6 beginnt ein Abschnitt, der bis Vers 20 reicht und die Herabrufung des Gerichts auf die Feinde zum Inhalt hat. Dieses Beten um Rache ist zweifellos nicht die Sprache Christi, sondern die des jüdischen Überrests späterer Tage. Dennoch ist die Anrufung Gottes zur Bestrafung und Vergeltung des Bösen ebenso der Ausfluss des Glaubens, wie das Beten um Gnade und Vergebung; denn Gott hat erklärt: „Mein ist die Rache und die Vergeltung“ oder „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der HERR“ (5. Mo 32,35; Röm 12,19).

Dieser durch Rache gekennzeichnete Abschnitt beginnt im Singular und endet im Plural. In Apostelgeschichte 1,15-20 bezieht sich der Apostel Petrus auf diesen Psalm und zitiert den achten Vers in Verbindung mit Judas Iskariot, der denen, die Jesus festnahmen, ein Wegweiser geworden ist. Judas war ein besonderes Beispiel jenes bösen, von Satan inspirierten Hasses gegen Christus, der sich an einem noch zukünftigen Tag völlig in dem Antichristen und dem römischen Tier von Offenbarung 13 offenbaren wird. Unser Psalm sagt in Vers 6: „Ein Widersacher (wörtlich ‚Satan‘) stehe zu seiner Rechten!“ Wie erschreckend ist die Erfüllung auch dieses Wortes, wie wir in Johannes 13,27 lesen: „Und nach dem Bissen fuhr dann der Satan in ihn!“

In dem letzten Abschnitt dieses Psalms von Vers 21 an bis zum Ende finden wir wieder die Sprache des jüdischen Überrests, wobei wir hier und da auch Worte finden, die in dem abhängigen Herrn hier auf der Erde eine kostbare Erfüllung fanden – in Ihm, der elend und arm, dessen Herz in seinem Innern verwundet war (V. 22).

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