Salomo und der Tempelbau
„Geglättetes“ Erz
Wenn wir 1. Könige 7,40-50 recht verstehen, so überwachte Salomo persönlich die Anfertigung aller goldenen Geräte für das Haus des Herrn, während Hiram, der König von Tyrus, alle Gegenstände aus Erz anfertigte. Unter ihm arbeitete ein geschickter Mann desselben Namens, „der Sohn einer Frau von den Töchtern Dans, und dessen Vater ein Tyrer war“ (2. Chr 2,14). Die Verbundenheit beider Könige, eines Israeliten und eines Heiden, und beider Harmonie in Bezug auf die Person des „kunstverständigen, einsichtsvollen“ Arbeiters erinnert uns erneut daran, dass Gott sowohl Israel als auch die Nationen zu segnen gedachte, als Er den Tempel bauen ließ. Der Prophet sagt darüber: „Der Sohn der Fremde, der sich dem HERRN angeschlossen hat, spreche nicht und sage: Der HERR wird mich sicherlich von seinem Volk ausschließen ... die werde ich zu meinem heiligen Berge bringen und sie erfreuen in meinem Bethaus; ihre Brandopfer und ihre Schlachtopfer sollen wohlgefällig sein auf meinem Altar. Denn mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Völker“ (Jes 56,3.7). Wie böse waren daher jene jüdischen Eiferer, die Paulus in Jerusalem angriffen, weil sie meinten, er habe Trophimus, einen Epheser, in den Tempel mitgebracht (Apg 21,28)! In ihren Ohren mag vielleicht noch die Warnung des Herrn Jesus in Matthäus 8,11.12 nachgeklungen haben.
Im Tempel gab es viele eherne Gegenstände, denn die Obersten Israels hatten vor Davids Tod zusätzlich zu ihren Beiträgen an Gold, Silber und Eisen noch 18.000 Talente Erz gegeben (1. Chr 29,7). Das war aber noch nicht alles, denn „Salomo ließ alle Geräte ungewogen vor übergroßer Menge, das Gewicht des Erzes wurde nicht untersucht“ (1. Kön 7,47).
Weiter wird berichtet, dass „alle diese Geräte, welche Hiram dem König Salomo für das Haus des HERRN machte, von geglättetem Erz“ waren (1. Kön 7,45). „Geglättet“ bedeutet nach dem Urtext auch „poliert“ oder „blank gemacht“, eine Kleinigkeit, die leicht übersehen wird, aber von jenen beachtet werden sollte, die den „Sinn des Geistes“ verstehen wollen. Das „Glätten“ oder „Polieren“ macht blank. Was hat uns das zu sagen? „Alle Züchtigung aber erscheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; danach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind“ (Heb 12,11). Hebräer 12 redet von drei Arten, wie man die Züchtigung aufnehmen kann. Wir können sie „geringachten“, unter ihr „ermatten“ oder durch sie „geübt“ werden. Für die „geübte“ Seele gibt es ein gesegnetes „danach“: Das „Glätten“ oder „Polieren“ hat sein Werk getan.
Doch wir schrecken vor jeder schweren Prüfung zurück. Als Paulus sich des Dornes für sein Fleisch bewusst wurde, flehte er zum Herrn, dass Er ihn wegnehmen möge. Da er aber im Gebet beharrlich war und weil er keine sofortige Antwort bekam, flehte er dreimal zum Herrn. Sobald er jedoch das Wort des Herrn bekommen hatte, war er zufrieden. „Er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht. Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf dass die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2. Kor 12,8-10). Wenn seine Prüfungen dazu führten, dass er seine ganze Nichtigkeit fühlte, aber der „Kraft des Christus“ Gelegenheit geboten wurde, sich wie ein Zelt über ihn auszubreiten, so dass Christus und nicht Paulus gesehen wurde, so hatte er Wohlgefallen daran. Sollte es nicht auch bei uns so sein?
Gott empfängt von Seinen leidenden Kindern – wenn wir so sagen dürfen – mitunter am meisten. G. V. Wigram sagte einmal: „Mit einem zerbrochenen Herzen und einem unterworfenen Willen habe ich Gott für Trübsale gedankt, die wie Eisen in meine Seele drangen. Ich sage das nicht leichtfertig, sondern vor Gott:,Du weißt, dass ich dieses oder jenes nicht hätte durchleben können, wenn Du mir nicht Gnade geschenkt hättest, es aus Deiner Hand zu nehmen und zu erfahren, dass aus dem Fresser Fraß kam.“ Und Lord Bacon erinnert uns daran, dass „die Feder des Heiligen Geistes weit mehr bemüht war, die Leiden Hiobs zu beschreiben als die Glückseligkeit Salomos“. Auch ist bemerkenswert, dass der Geist Gottes der Geschichte Davids mehr als den dreifachen Raum widmet als der Geschichte Salomos. Der durch Leiden geübte David hinterließ uns in dem Buch der Psalmen ein kostbares Erbe, und es ist sicher, dass David seine Psalmen nie gesungen hätte, wäre sein Herz nicht so geprüft worden.
Der Heilige Geist erwähnt die Örtlichkeit und den Charakter des Bodens, wo Hiram seine Arbeiten ausführte: „Im Jordankreise ließ der König sie gießen, in dichter Erde, zwischen Sukkoth und Zarethan“ (1. Kön 7,46). Wir alle leben sicher in „dichter Erde“ und werden, während wir auf das Kommen des Herrn warten, von Seiner Hand geformt und gestaltet. Und wie Hiram am Ende seiner Arbeit Salomo eine große Anzahl glänzender, heiliger Geräte für das Heiligtum Gottes übergab, so wird auch der Heilige Geist am Ende Seines gegenwärtigen, gnadenvollen Dienstes eine unzählbare, für die Gemeinschaft des Erstgeborenen bestimmte Schar in himmlischer Herrlichkeit darstellen.
Es ist schmerzlich, auf die spätere Geschichte alles dessen, was Salomo und Hiram gemacht hatten, in kurzen Zügen hinweisen zu müssen. Nur fünf Jahre nach dem Tode Salomos plünderte der ägyptische König Sisak den Tempel. „Er nahm die Schätze des Hauses des HERRN weg und die Schätze des Hauses des Königs, ja, alles nahm er weg; und er nahm die goldenen Schilde weg, die Salomo gemacht hatte“ (1. Kön 14,25.26). Wenn auch aller Wahrscheinlichkeit nach später einiges ersetzt wurde, so wissen wir, dass der Tempel mehrmals durch untreue Könige selbst ausgeraubt wurde, um den heidnischen Mächten die geforderten Tribute zu zahlen. Und dann kam schließlich der schreckliche Tag, an dem der HERR die böse Nation nicht mehr ertragen konnte und alles der Zerstörung übergeben wurde. Mit Herzensbetrübnis teilt uns der inspirierte Geschichtsschreiber mit, dass die berühmten Säulen „Jakin“ und „Boas“, die Gestelle, das gegossene Meer, die zwölf ehernen Rinder usw. zerschlagen wurden. Alles wurde zu Schrott gemacht und mit langer Wagenkolonne nach Babylon gebracht. „Das Erz aller dieser Geräte war nicht zu wägen“ (Jer 52,20). Damit begannen die „Zeiten der Nationen“, die heute noch nicht zu Ende sind. Israel blutet noch, und die Nationen der Erde finden keine Ruhe. Welche traurigen Folgen der Sünde gegen Gott! „O dass mein Volk auf mich gehört, dass Israel in meinen Wegen gewandelt hätte! Bald würde ich ihre Feinde gebeugt und meine Hand gewendet haben gegen ihre Bedränger“ (Ps 81,14.15).