Aus dem Wort der Wahrheit (Band 5)
gesammelte Vorträge
Leiden und Herrlichkeit
(2. Kor 4,16 - 5,11)
Wir sind auf dem Weg zu dem Herrn Jesus. Der Augenblick, wo wir die Welt verlassen werden, rückt immer näher heran. Das ist das Thema der letzten Verse des vierten Kapitels des zweiten Korintherbriefs. So haben wir in Vers 16 gelesen: „Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch unser innerer Tag für Tag erneuert“, und in Vers 18: „Indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig.“ Diese Verse beschreiben die Glückseligkeit derer, die auf den Herrn vertrauen und Ihn erwarten.
Ab Vers 7 dieses Kapitels finden wir eine Beschreibung des Lebens des Paulus, eines Lebens im Dienst für den Herrn: „Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die Überfülle der Kraft sei Gottes und nicht aus uns. In allem bedrängt, aber nicht eingeengt; keinen Ausweg sehend, aber nicht ohne Ausweg; verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht umkommend; allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden allezeit dem Tode überliefert um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde.“ Wenn wir das lesen, können wir verstehen, was Paulus empfand, als er in 1. Korinther 15,19 schrieb: „Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus Hoffnung haben, so sind wir die elendesten von allen Menschen.“ Paulus erfuhr in seinem Leben mit dem Herrn viel Ungemach. Das elfte Kapitel des 2. Korintherbriefs gibt uns ebenfalls einen Einblick in dieses Leben: Oft wurde er mit Ruten geschlagen, dreimal erlitt er Schiffbruch; er kannte Gefahren durch Räuber und auf dem Meer, er wusste, was Hunger und Durst war (2. Kor 11,23ff.).
Sein Leben war eine Aneinanderreihung von Leiden und Entbehrungen, und doch schrieb er in Philipper 4,4: „Freut euch in dem Herrn allezeit“ und hier in Vers 16: „Deshalb ermatten wir nicht.“ Der Grund dafür war, dass sein Auge nicht auf die Leiden gerichtet war. Er wusste, dass sein Pfad zu dem Herrn Jesus führte. Er kannte das Ziel seiner irdischen Reise. Deshalb konnte er selbst in den Mühseligkeiten des Lebens Glück und Freude empfinden. Auch wenn er am Ende seines Lebens den Märtyrertod vor Augen hatte (2. Tim 4,7), war er dennoch guten Mutes und bekräftigte: „Der Herr stand mir bei und stärkte mich“ (V. 17). Er konnte auch sagen, dass eine Krone für ihn bereitlag (V. 8). Im Philipperbrief lesen wir von seinen Umständen im Gefängnis. Und doch schreibt er im dritten Kapitel: „Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (V. 13.14).
Im selben Kapitel heißt es: „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ (Phil 3,20.21). Paulus kannte das Ziel seiner Reise sehr gut. Als er sich bekehrte, sah er den verherrlichten Herrn; und in der Herrlichkeit des Herrn sah er, was einmal sein Teil sein würde. Er wusste, dass er einmal dem Herrn gleichförmig sein würde. Von diesem Augenblick an war in seinem Herzen nur noch der eine Wunsch, dieses Teil zu besitzen: dem Herrn gleichförmig zu sein.
Paulus wusste, wie kaum jemand sonst, was es heißt, ein Gefangener zu sein. Vermutlich befand er sich, als er den Brief an die Philipper schrieb, schon seit vier Jahren in Gefangenschaft – zuerst zwei Jahre in Cäsarea, dann zwei Jahre in Rom, von wo aus er wohl diesen Brief schrieb. Jetzt hatte er die Leiden hinter sich, von denen er im 2. Korintherbrief geschrieben hatte: Geißelung, Schiffbruch, Steinigung, Hunger usw. Nun wollte er dem Tod des Herrn Jesus gleichgestaltet werden, um hinzugelangen zur Auferstehung aus den Toten (Phil 3,10.11) – er wollte in allem dem Herrn gleich sein.
Der Apostel hatte das Ziel vor Augen, bei dem Herrn in der Herrlichkeit zu sein. Darum konnte Paulus auch schreiben: „Deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch unser innerer Tag für Tag erneuert“ (2. Kor 4,16). In einem anderen Brief schrieb er: „Da ich nun ein solcher bin wie Paulus, der Alte, jetzt aber auch ein Gefangener Christi Jesu“ (Phlm 9). Zu dieser Zeit war er wahrscheinlich ungefähr 60 Jahre alt; er nannte sich einen alten Mann. Das mühselige Leben hatte ihn früh altern lassen. Doch er wusste, dass der innere Mensch Tag für Tag erneuert wird. Das war für ihn entscheidend. Das gilt allerdings nur für diejenigen, die auf den Herrn Jesus blicken und mit Ihm beschäftigt sind – so wie es in 2. Korinther 3,18 heißt: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist.“ Das traf für den Apostel zu. Er sah den Herrn Jesus in seiner Herrlichkeit, und weil er mit Ihm und seiner Herrlichkeit beschäftigt war und dies das einzige Ziel seines Lebens war, wurde er dadurch von Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt und dem Herrn zunehmend gleichförmiger.
Das betraf allerdings nicht seinen Körper, denn er wusste, dass der Leib verfällt. So erwartete er den Herrn Jesus Christus als Heiland, der unseren Leib der Niedrigkeit bei seinem Kommen zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit umgestalten wird. Und dabei wollte er lieber überkleidet als entkleidet werden (2. Kor 5,4); entkleidet zu werden bedeutet zu sterben – doch auch das fürchtete Paulus nicht, denn er hatte Lust „abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser“ (Phil 1,23). Er wäre am Liebsten schon damals zum Herrn gegangen. Das Einzige, was ihn noch an die Erde band, war, dass er dem Herrn dienen und zum Nutzen für die Versammlung sein konnte. Überkleidet zu werden bedeutet, unmittelbar zu dem Herrn zu gelangen, ohne durch den Tod gehen zu müssen. Wer überkleidet wird, braucht nicht von seinem Leib getrennt zu werden und auch nicht zu Grabe getragen zu werden. Sein Leib wird verändert, indem er überkleidet wird und so, dem Herrn Jesus gleichförmig, zu Ihm in seine Herrlichkeit eingehen kann.
Die Herrlichkeit beim Herrn wird auch einmal unser Teil sein. Paulus hatte sie vor Augen, und das war der Grund für seine Glückseligkeit. Auch von dem Herrn Jesus heißt es, dass Er, „die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete“ (Heb 12,2): Seine Augen waren auf etwas gerichtet, das in der Zukunft lag. Deshalb erduldete Er das, was Er litt. Als Er zum Kreuz ging, sah Er nicht auf das Kreuz, sondern auf das, was danach kommen würde. Er dachte einerseits an die Errettung derer, die Er so sehr liebte, andererseits war sein Blick darauf gerichtet, dass Er nach dem Kreuzestod auferstehen und zu seinem Vater auffahren würde. Er würde dahin zurückkehren – damit wir ewig dort bei Ihm sein könnten. Wegen der vor Ihm liegenden Freude ertrug Er Schande und Leiden, und so tat es auch der Apostel Paulus, wenn auch nicht in vollkommener Weise wie der Herr, denn niemand kommt dem Herrn gleich.
Dies ist der einzige Weg, auf dem wir jetzt Glückseligkeit erlangen können. Die Umstände des Lebens können uns kein wahres Glück geben. Wenn man jung ist, denkt man manchmal, dass das irdische Leben wirklich glücklich machen könne. Das ist wahr, soweit es um die irdischen Segnungen geht, denn Gott gibt uns auch hinsichtlich unseres irdischen Lebens Dinge, für die wir danken können und an denen wir uns erfreuen können; aber nichts davon kann uns auf Dauer glücklich machen. Auf der Erde gibt es nichts, was uns dauerhafte Glückseligkeit schenken könnte, denn alles ist von der Sünde befleckt. Unser eigenes Leben hier auf der Erde hört einmal auf, so auch das Leben derer, die wir lieb haben. Es kommt ein Augenblick, wo wir uns von allem trennen müssen. Ist es bei irdischen Dingen nicht oft so, dass wir nach einiger Zeit sagen: Dies oder jenes ist doch nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte? Plötzlich haben wir Bedenken und sind mitunter sogar froh, Dinge nicht mehr zu haben, nach denen wir früher verlangten.
Paulus spricht hier von unserem Körper: „Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt.“ Wir kennen das nicht in dem Maß wie er. Wir erfahren im Allgemeinen nicht solche Leiden für den Namen des Herrn wie er, und doch leidet und verfällt auch unser Körper. Vielleicht verfällt er heutzutage nicht so rasch, aber wir brauchen gar nicht besonders alt zu werden, um festzustellen, dass unser Körper hinfällig wird, dass Gebrechen und Behinderungen kommen. Bereits ein kleines Kind kennt Schmerzen und Krankheiten, und je älter wir werden, desto mehr müssen wir erkennen, dass unser Körper, der äußere Mensch, verfällt.
Wie herrlich ist es dann zu erleben, dass der innere Mensch – und das ist ja der „wahre Mensch“ – Tag für Tag erneuert wird! Wir erkennen, dass der äußere Mensch nur das Werkzeug des inneren Menschen ist, durch das sich unsere Seele und unser Geist mitteilen, weil sie das ohne den Körper nicht tun können. Die Erneuerung des inneren Menschen geschieht durch das Anschauen der Herrlichkeit des Herrn.
Es ist richtig, dass wir dem Herrn Jesus einmal gleich sein werden (1. Joh 3,2). Hier geht es aber darum, erneuert oder verwandelt zu werden, und das ist ein Prozess, der tagtäglich in unserem Leben geschieht, indem wir seine Herrlichkeit anschauen. Genau das finden wir bei dem Apostel Paulus. Der innere Mensch wird nicht erneuert, wenn ich mich nur mit den irdischen Dingen beschäftige. Das müssen noch nicht einmal sündige Dinge sein, darum geht es gar nicht. Wenn ich mich mit sündigen Dingen abgebe, nimmt mein innerer Mensch Schaden; wenn ich mich zu sehr mit irdischen Dingen beschäftige, wächst mein innerer Mensch nicht. Der innere Mensch wächst nur dann, wenn wir mit dem Herrn Jesus Umgang haben, seine Herrlichkeit anschauen und uns mit göttlichen Dingen beschäftigen.
Der Apostel Paulus sah den Herrn in seiner Herrlichkeit, wie auch wir Ihn sehen können. In Hebräer 2,9 heißt es: „Wir sehen aber Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ In Apostelgeschichte 7,55 lesen wir von Stephanus, dass er den Herrn Jesus zur Rechten Gottes stehen sah. Auch wir können den Herrn und seine Herrlichkeit sehen, denn der Heilige Geist ist gerade dazu auf die Erde gekommen, um uns seine Herrlichkeit zu verkündigen (Joh 16,14).
Angenommen, ich unternehme eine Reise, um eine bestimmte Person zu besuchen. Je nachdem, wer diese Person ist und wie gut ich sie kenne, werde ich mit Sehnsucht danach verlangen, bei ihr anzukommen oder aber mit anderen Gefühlen der Ankunft entgegensehen. Wenn es sich um jemanden handelt, den ich sehr lieb habe, dann sage ich: Wie schön wird es sein, ihn zu treffen und bei ihm zu sein. Wenn es sich aber um jemanden handelt, den ich für einen sehr unangenehmen Menschen halte, dann werde ich Bedenken haben und es überhaupt nicht angenehm finden, mich auf die Reise zu ihm zu begeben.
So verhält es sich mit unserer Reise zu dem Herrn Jesus und dem Sterben, das Paulus mit den Worten „abzuscheiden und bei Christus zu sein“ (Phil 1,23) bezeichnet, denn das Sterben bedeutet für den Gläubigen, zu dem Herrn zu gehen und fortan bei Ihm zu sein. Dabei ist entscheidend, was für ein Verhältnis wir zum Herrn haben und was das Sterben für uns bedeutet. Wenn wir in 1. Thessalonicher 4,16ff von der Entrückung lesen, ist es deutlich, dass die Person des Herrn Jesus im Mittelpunkt steht: Wir werden entrückt, um Ihm zu begegnen und um bei Ihm zu sein.
Wir werden dann im Himmel, im Vaterhaus sein, dort, wo Er ist (Joh 14,3) – seine Gegenwart ist kennzeichnend für unsere ewige Zukunft. Und alles hängt somit davon ab, was Er für unser Herz bedeutet. Wenn Er nicht die erste Stelle in meinem Herzen einnimmt, sondern es Dinge auf der Erde gibt, denen ich diesen Platz gebe, dann kann ich unmöglich danach verlangen, bei Ihm zu sein. Dann werde ich lieber so lange wie möglich auf der Erde bleiben wollen. Dann werde ich mich nicht nach dem Augenblick sehnen, wo Er kommt und ich zu Ihm gehen werde.
Es ist gut, sich immer wieder in das Licht des Herrn zu stellen und zu fragen: Gibt es etwas, das mich an die Erde fesselt, das meiner Sehnsucht, dass der Herr jetzt, in diesem Augenblick, kommen möge, im Weg steht? Gibt es einen Hinderungsgrund dafür, dass ich glücklich wäre, wenn der Herr mich in diesem Augenblick von der Erde wegnehmen würde? Hindert mich etwas daran, glücklich zu sein, wenn ich daran denke, in diesem Augenblick entschlafen zu können? Ein solches Hindernis wäre ein Beweis dafür, dass der Herr nicht den ersten Platz in meinem Leben einnimmt. Ja, auch Empfindungen, die an sich sehr gut sind, können ein Hindernis sein, wie die Liebe zu Verlorenen. Doch im Allgemeinen bewegt uns das gar nicht so sehr.
Es ist jetzt etwa 29 Jahre her, dass ein Schwager von mir im Sterben lag. Als der Arzt morgens an seinem Sterbebett war, sagte er, dass mein Schwager an diesem Tag, und zwar mittags, sterben würde. Wir glaubten, dass mein Schwager bewusstlos sei. Als der Arzt „Guten Tag“ sagte, antwortete er laut: „Guten Tag.“ Einige Zeit später schlug er seine Augen auf und sagte zu mir: „Dann ist der Herr Jesus hier.“ Ich fragte erstaunt: „Was meinst du?“ Er erwiderte: „Wenn ich heute Mittag sterbe, ist der Herr Jesus hier.“ – „Psalm 23?“ fragte ich. – „Ja“, antwortete er, „denn du bist bei mir.“ Später bat er mich, ihm etwas vorzulesen. Als ich nachfragte, was ich ihm vorlesen sollte, antwortete er: „Was ich diese Nacht tun werde, wenn ich bei dem Herrn sein werde.“ – „Offenbarung 5?“ fragte ich. – „Ja“, sagte er zu mir, „lies mir das vor. Das werde ich singen, wenn ich bei dem Herrn bin.“
Sein Herz war mit der Zukunft beschäftigt. Er hatte deshalb keine Angst vor dem Sterben. Er sah den Herrn in seiner Herrlichkeit. Als ich ihn später fragte: „Du weißt, dass du Frau und Kinder im Stich lässt?“, antwortete er mir: „Das weiß ich wohl, aber ich vertraue nicht auf mich. Der Herr wird sie nicht im Stich lassen, und das ist viel wichtiger.“ Auf diese Zusage hatte er seine Augen gerichtet. Deshalb konnte er ruhig sterben, denn er kannte den Herrn und wusste, dass der Herr für alle irdischen Dinge sorgen konnte, und das viel besser, als wir es können.
Dieses Vertrauen finden wir auch hier bei dem Apostel Paulus. Er wusste, dass er nach dem Willen des Herrn noch auf der Erde bleiben sollte, dass er noch für die Versammlung nötig war und der Herr ihn noch gebrauchen wollte. Daher wusste er, dass er noch nicht sterben würde. Er saß in Rom im Gefängnis. Der Kaiser Nero würde ihn verhören und das Urteil aussprechen, und Nero war ein blutrünstiger Mensch, der später Zehntausende von Christen auf grausame Weise umbringen ließ. Aber für Paulus zählte das nicht, was Nero tat. Paulus konnte sagen: „Das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen. Und in dieser Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen bleiben werde“ (Phil 1,24.25). Wenn der Herr wollte, dass Paulus blieb, dann blieb er. Was konnte Nero daran ändern? Paulus wäre am Liebsten zum Herrn heimgegangen. Aber er sah nicht auf die Umstände, in denen er sich befand, und auch nicht auf seine nachlassenden körperlichen Kräfte. Wenn er hier in den ersten Versen von 2. Korinther 5 auf seine Umstände eingeht, dann nur, um darzulegen, dass er sich von diesem irdischen Leben innerlich gelöst hatte und nun um so mehr nach dem Herrn verlangte.
Er war oft in Lebensgefahr. Es ist sogar vorgekommen, dass man meinte, er sei gestorben, und ihn zur Stadt hinausschleifte (Apg 14,19). So wurde er allezeit daran erinnert, dass er mit Christus gestorben war und seit seiner Bekehrung neues Leben, Auferstehungsleben, hatte. Sein Verhalten war das eines Menschen, der der Erde gestorben war und somit auch als Gestorbener seinen Weg gehen musste, weil er, wenn er auch noch in der Welt war, nicht mehr für die Welt lebte. Er lebte im Himmel. Sein Leben war „verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol 3,3). Wenn also sein äußerer Mensch verfiel, solange er auf der Erde war, dann machte ihm das nichts aus, denn der innere Mensch wurde Tag für Tag erneuert.
„Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus, die Hütte, zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges, in den Himmeln“ (2. Kor 5,1). Welch eine wunderbare Gewissheit ist das! Während wir noch auf der Erde sind, wartet die Herrlichkeit auf uns. Und diese Herrlichkeit dauert nicht nur zwanzig, fünfzig oder achtzig Jahre, sondern ewig, unendlich. Was bedeutet die kurze Zeit, die unser Leiden dauern kann, im Vergleich zu der Herrlichkeit, die uns erwartet? Paulus nannte die jetzigen Leiden das „schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal“ (2. Kor 4,17).
Wenn wir einige Kapitel später nachlesen, welcher Art seine eigene Trübsal war, so können wir ermessen, was er „schnell vorübergehend“ und „leicht“ nennt: „In Mühen überreichlicher, in Gefängnissen überreichlicher, in Schlägen übermäßig, in Todesgefahren oft. Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Schläge weniger einen. Dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht; oft auf Reisen, in Gefahren durch Flüsse, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren von meinem Volk, in Gefahren von den Nationen, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern; in Mühe und Beschwerde, in Wachen oft, in Hunger und Durst, in Fasten oft, in Kälte und Blöße, außer dem, was außergewöhnlich ist, noch das, was täglich auf mich andringt: die Sorge um alle Versammlungen. Wer ist schwach, und ich bin nicht schwach? Wem wird Anstoß gegeben, und ich brenne nicht?“ (2. Kor 11,23-29).
Wenn Paulus dies alles eine „schnell vorübergehende“ und „leichte“ Trübsal nennt – was heißt das dann für uns, die wir manchmal dazu neigen, über die Unannehmlichkeiten zu klagen, die es in unserem Leben gibt? Und warum nannte Paulus hier diese Leiden „das schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal“? Sagen wir nicht, wenn wir die Aufzählung in 2. Korinther 11 lesen: „Sein Leben war ein einziges Martyrium. Er erlebte nur Mühe und Elend. Seitdem er sein Leben dem Herrn übergeben hatte, kannte er nichts anderes.“ – Was sein irdisches Leben betrifft, so war das auch so. In 1. Korinther 15,19 schrieb er: „Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus Hoffnung haben, so sind wir die elendesten von allen Menschen.“ Er sah aber auf die andere, die bessere Welt. Er blickte auf den Herrn Jesus, und deshalb sah alles anders aus.
Das erinnert mich an Psalm 45. In den Psalm 42,43 und 44 sehen die Söhne Korahs voller Verzweiflung auf die Umstände. Prophetisch geben sie die Gefühle des gläubigen Überrestes wieder, der von dem Antichrist aus Jerusalem in die Wüste vertrieben wurde (vgl. Off 12) und nun in Todesangst ausruft: „Du gabst uns hin wie Schlachtschafe, und unter die Nationen hast du uns zerstreut ... Warum verbirgst du dein Angesicht, vergisst unser Elend und unsere Bedrückung?“ (Ps 44,11.24). Und dann kommt plötzlich Psalm 45, wo sie den Herrn Jesus sehen und von Ihm sagen: „Meine Zunge sei der Griffel eines fertigen Schreibers! Du bist schöner als die Menschensöhne“ (V. 1.2). Sie sind hier noch in denselben Umständen. Ebenso ist es in den folgenden Psalm 46 bis 49, die auch von den Söhnen Korahs stammen. Sie sind von denselben Menschen in denselben Umständen geschrieben worden. Doch nun ist die Verzweiflung dem Vertrauen gewichen, sie wissen nun, dass alles gut werden wird. Sie können jetzt lobpreisen, sie können sogar von der neuen Stadt Gottes singen (Ps 48), weil Ihre Augen allein auf Ihn gerichtet sind.
So ist es auch bei uns. Wenn unsere Augen auf den Herrn Jesus und auf die herrliche Zukunft gerichtet sind, die uns erwartet, und auf den Augenblick, wo Er kommen und uns von der Erde wegnehmen und in seine Herrlichkeit einführen wird, dann wird unser Herz mit Freude und Lob erfüllt. Die Umstände bleiben zwar dieselben. Aber wir haben uns verändert: Wir sehen die Umstände in einem anderen Licht. Wir empfinden, dass sie für uns doch nur einen kurzen Augenblick dauern. Wenn ich irgendwo starke Schmerzen habe und weiß, dass es nur eine halbe Stunde dauern wird, dann ist es viel leichter zu ertragen, als wenn ich nicht weiß, ob sie noch lange anhalten werden. Ich kenne starke Schmerzen. Einmal hatte ich eine Gallenkolik, die normalerweise nicht lange dauert. Wenn sie kommt, ist das etwas Schreckliches, aber nach einer halben Stunde ist es vorbei. Wenn es aber länger dauert, vielleicht ein paar Stunden, dann ist das etwas anderes. So ist es auch mit unserer Mühsal in dieser Zeit. Wenn wir sie mit der Herrlichkeit vergleichen, ist sie nur von kurzer Dauer. Und wenn wir auf den Herrn Jesus schauen, dann wird unser Herz von Ihm erfüllt, und wir werden die Mühseligkeiten nicht mehr so stark empfinden.
Stephanus stand da, umringt von seinen Feinden, die schon Steine aufgehoben hatten, um ihn zu Tode zu steinigen. Er aber blickte auf zum Himmel. Als er das tat, sah er nicht mehr die hassverzerrten Gesichter der Juden, die ihn steinigen wollten. Da sah er nicht mehr die großen Steine, die sie auf ihn schleudern wollten, sondern er sah die Himmel geöffnet und den Herrn Jesus zur Rechten Gottes stehen – als ob Er ihn erwartete, um ihn in die Herrlichkeit aufzunehmen. Er stand tatsächlich dort, um Stephanus in die Herrlichkeit aufzunehmen; aber nicht nur das, sondern Er stand auch da als Beweis für Stephanus, dass Er sich für ihn interessierte, dass Er Stephanus genau kannte und seine Umstände sah. Er wusste aus Erfahrung, wie es Stephanus zumute war, denn das Synedrium, das Stephanus verurteilt hatte, war dasselbe, das auch den Herrn Jesus verurteilt hatte. Wahrscheinlich war ein Großteil der Männer, die Stephanus jetzt steinigten, dabei gewesen, als der Herr Jesus angespieen, geschlagen und getötet wurde, denn seitdem waren erst ein paar Jahre vergangen.
Ob Stephanus in seinem Herzen an das Gebet des Herrn Jesus am Kreuz dachte, als er bat: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ (Apg 7,60)? So starb dieser treue Zeuge, seine Augen auf den Herrn in der Herrlichkeit gerichtet. Glaubt ihr, dass er viel von den Steinen gespürt hat? O ja, es waren große Steine, und sein Körper spürte den Schmerz ebenso, wie unser Körper Schmerz empfindet. Aber seine Augen waren auf den Herrn gerichtet. Er sah seine Herrlichkeit, und das veränderte alles, denn er wusste: Nur noch einen Augenblick, und ich gehe in die Herrlichkeit ein, denn der Himmel steht mir offen, und der Herr Jesus steht da und erwartet mich. Das war es, was seine Lage veränderte. Und das ist es auch, was für uns wichtig ist. Wir singen in einem Lied: „Mein Leben ist ein Pilgrimstand; ich reise nach dem Vaterland.“ Die Herrlichkeit erwartet uns. Welch ein wunderbares Teil ist das! Doch kennen wir die Herrlichkeit? Erfüllt sie unser Herz? Sind wir damit beschäftigt? Wenn wir den Herrn Jesus in seiner Herrlichkeit sehen, wissen wir, was uns erwartet. Dann verlangt das Herz danach.
So war es bei Paulus. Stärker als bei uns verfiel sein äußerer Mensch, aber der innere wurde Tag für Tag erneuert. Er konnte schreiben: „Das schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal bewirkt uns ein über jedes Maß hinaus gehendes, ewiges Gewicht von Herrlichkeit“ (2. Kor 4,17). Woher kannte er das ewige Gewicht von Herrlichkeit? Weil er den Herrn Jesus in seiner Herrlichkeit kannte. Die Herrlichkeit des Herrn Jesus entfaltet sich im himmlischen Vaterhaus. Wenn wir Ihn kennen, kennen wir folglich auch die himmlische Herrlichkeit. So konnte er in Römer 8,18 sagen, dass „die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit.“
Ohne Frage gibt es Mühen auf der Erde. Wir leben in einer Welt, deren Fürst und Gott der Satan ist. Wenn wir dem Herrn treu sind, dann können wir in einer solchen Welt nicht erwarten, keine Schwierigkeiten zu haben. Wenn wir treue Zeugen für den Herrn sind und mit Ihm unseren Weg gehen wollen, werden wir Unannehmlichkeiten erleben. Dann werden wir sogar oft durch unsere Kleidung auffallen und den Widerspruch der Welt hervorrufen – und das muss auch so sein. Alles andere beweist nur unsere Untreue, denn dann sieht man nicht, dass wir dem Herrn Jesus angehören. Aber was ist der Spott im Vergleich zu der kommenden Herrlichkeit?
Ich denke oft an das, was der Herr Jesus in Matthäus 25 zu dem treuen Knecht sagte: „Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn“ (V. 21). Das bedeutet nicht, dass er nur ein wenig treu gewesen wäre, sondern dass das, was dem Knecht anvertraut worden war, nur wenig war, und über dieses wenige war er treu gewesen war. Ach, wäre doch alles in unserem Leben und in unseren Häusern so, dass Er uns wohlwollend anblicken und sagen könnte: Du warst über das wenige, das ich dir anvertraut habe, treu! Die Treue zeigt sich in deiner eigenen Umgebung, in deinem eigenen Haus, in deinem eigenen Zeugnis an dem Ort, an den der Herr dich gestellt hat. Es geht nicht nur um das Evangelium. Es geht um alles, was uns anvertraut ist, und es ist jedem von uns etwas vom Herrn anvertraut worden. Manchmal äußert sich das auch nur in unserem alltäglichen Leben. Es geht um alles, was unser gesamtes Zeugnis ausmacht.
Und das wird bestimmt durch die Frage: Was bedeutet es für uns, zum Herrn zu gehen? Denken wir täglich daran, dass Er heute kommen kann? Der Apostel Paulus tat das. Bei ihm war es so, wie wir in 1. Johannes 3,3 lesen: „Jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist.“ Die Erwartung des Herrn Jesus übt einen enormen Einfluss auf unser Leben aus. Dann werden wir uns bei allen Dingen fragen: Was denkt der Herr darüber? Ist diese oder jene Sache in Übereinstimmung mit der herrlichen Berufung, Ihm gleich zu sein, wenn wir bald bei Ihm sind?
Beachten wir, dass es in 1. Johannes 3,3 nicht heißt: „muss sich reinigen“, sondern „reinigt sich“. Es ist die zwangsläufige Folge. Als Mose vierzig Tage und Nächte in der Nähe Gottes auf dem Berg war, war ihm nicht bewusst, dass die Herrlichkeit Gottes auf ihn abstrahlte (obwohl das die zwangsläufige Folge war). Als er dann von dem Berg herabstieg, wusste er noch nicht, dass diese Herrlichkeit auf ihm lag. Aber das Volk sah es. Die Herrlichkeit Gottes strahlte aus seinem Angesicht, und zwar so intensiv, dass das Volk sie nicht ertragen konnte: Mose musste eine Decke auf sein Angesicht legen.
„Das, was man sieht, ist zeitlich“ (2. Kor 4,18). Paulus sah alle irdischen Dinge in ihrer wahren Bedeutung: es war alles nur zeitlich; es hatte nur für kurze Zeit Bestand. Die geistlichen Dinge, die man nicht sieht, die sind ewig. Darum ist es auch kein Verlust für einen Gläubigen, wenn er stirbt.
„In diesem freilich seufzen wir und sehnen uns, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden“ (2. Kor 5,2). Wir können gut verstehen, dass Paulus danach verlangte, aus seinen Leiden weggenommen und mit der himmlischen Behausung überkleidet zu werden. Und wenn wir mit der Herrlichkeit beschäftigt sind, die uns erwartet, dann verlangen wir ebenso sehnlich danach. Dieses Verlangen ist nicht von den Umständen abhängig, in denen wir uns befinden, sondern von unserer Kenntnis über die Herrlichkeit und von dem Maß, wie unser Herz damit erfüllt ist. Ich kann nicht mit der Herrlichkeit des Vaterhauses beschäftigt sein, ohne dass ich dann sehnlich danach verlange, selbst wenn ich in solchen Umständen leben würde wie der reiche Mann in Lukas 16, der „alle Tage fröhlich und in Prunk“ lebte (V. 19). Was ist ein fröhliches und prunkvolles Leben hier auf der Erde, verglichen mit der Herrlichkeit? Was ist das Glück, das die Erde geben kann, verglichen mit der Glückseligkeit, die wir dort haben werden?
Kennen wir etwas von dieser Glückseligkeit? Haben wir es schon einmal erlebt, dass wir mit dem Herrn beschäftigt waren – Gott gebe, dass das oft der Fall ist – und das Gefühl hatten, im Himmel zu sein? Kennen wir Augenblicke, wo wir so glücklich waren, dass wir alles um uns herum vergessen konnten? Diese Glückseligkeit wird dort in Vollkommenheit unser Teil sein. Das wird höher und zugleich tiefer sein als alles, was wir jemals auf der Erde hatten, und das für immer. Wir werden in seiner Gegenwart allezeit vollkommen glücklich sein.
Darauf kommt es also an: Was bedeutet uns der Herr Jesus? Womit beschäftigen wir uns? Mit den irdischen Dingen oder mit Ihm? Haben wir die Herrlichkeit vor Augen, die uns erwartet und auf die unser irdisches Leben lediglich eine Vorbereitung ist? Junge Menschen werden in der Schule auf das Leben vorbereitet. So ist für einen Christen das ganze Leben eine Vorbereitung, eine Erziehung auf das Leben in der Herrlichkeit hin. Und wie kurz ist das irdische Leben im Vergleich zu der Ewigkeit, die wir in der Herrlichkeit verbringen werden! Wie unwichtig sind dann die irdischen Dinge im Vergleich dazu!
Diese Erziehung und Vorbereitung auf die Herrlichkeit ist nicht immer angenehm. Es gibt nicht viele junge Leute, die gerne zur Schule gehen und alle ihre Zeit mit Lernen verbringen. Einige wenige gibt es, aber die meisten tun das ungern. Sie finden es viel schöner, wenn die Ferien kommen und sie nichts zu arbeiten haben. Wenn es dann an den Beruf geht, werden die meisten wohl immer noch nicht mit Begeisterung viel und hart lernen wollen, aber sie tun es dennoch, um ihr Ziel zu erreichen. So kennt auch das Leben eines Gläubigen seine Mühen.
Auch das Leben eines Ungläubigen ist mühevoll. Doch ist das etwas anderes, weil er das Glück eines Gläubigen nicht kennt und es niemals haben kann. Und sein Leben ist auch eine ganz andere Art von Vorbereitung auf die Zukunft: Der Ungläubige bereitet sich in seinem Leben sozusagen selbst auf die Hölle vor. Das sagt Römer 2,5: „Nach deinem Starrsinn und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf am Tag des Zorns.“
Die Zukunft des Gläubigen dagegen ist die Herrlichkeit; und es ist das Ziel des Herrn, uns in diesem Leben eine Erziehung, eine Vorbereitung zu geben, damit wir für diese Herrlichkeit passend gemacht werden, damit wir all das, was sie beinhaltet, völlig genießen können. Wenn ich hier eine Ausbildung in einem bestimmten Fach bekomme und nichts dafür tue, dann wird es keine angenehme Aufgabe für mich werden, wenn ich einmal einen Arbeitsplatz in diesem Bereich bekomme. Jemand, der alles getan hat, was er konnte, um sich die Aufgabe zu Eigen zu machen, wird Freude an seiner Arbeit haben. Niemand hat Freude an einer Aufgabe, wenn er nicht in der Lage ist, sie zu erfüllen.
So wird, denke ich, auch ein Unterschied in der Herrlichkeit zwischen den einzelnen Gläubigen bestehen. Je mehr wir jetzt mit dem Herrn leben, je mehr wir die himmlische Herrlichkeit jetzt kennen gelernt haben, umso mehr werden wir sie dann einmal genießen können. Ich will damit nicht sagen, dass diejenigen, die ihren Weg nicht so mit dem Herrn Jesus gegangen sind, im Himmel nicht glücklich sein werden. Sie werden glücklich sein, aber sie werden nicht dasselbe Teil haben wie die, die ihr irdisches Leben als eine Vorbereitung für die Herrlichkeit ansahen und nur ein Ziel hatten, wie es bei dem Apostel der Fall war: „Eines aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3,13.14). Paulus wird eine besonders tiefe Freude erfahren. Wenn auch der Becher jedes Gläubigen voll sein wird, der Becher des Apostels wird weitaus mehr enthalten, denn sein Becher wird größer sein, weil er viel größere Erfahrungen mit dem Herrn gemacht hat. Er sah die Herrlichkeit des Herrn Jesus in allen Umständen seines Lebens. Das können wir im Himmel nicht mehr tun, denn dort gibt es solche Umstände nicht mehr.
Schließlich kam für den großen Apostel der glückselige Augenblick, als er zum Herrn Jesus gehen durfte und der Herr zu ihm sagen konnte, dass er über das wenige, das Er ihm anvertraut hatte, treu war (vgl. Mt 25,21). Obwohl in unseren Augen all das, was dem Apostel Paulus anvertraut war, sehr groß erscheint, war es im Vergleich zu dem, was der Herr Jesus selbst ist, nur sehr wenig.
Was würde es sein, wenn der Herr Jesus heute Abend oder in dieser Nacht noch käme und zu jedem von uns persönlich sagen könnte, dass wir über das wenige, das Er uns anvertraut hatte, treu waren! Was würde es sein, wenn wir dann seine Stimme hören und sein freundliches Lächeln sehen würden, wenn Er uns anschauen und unser Leben betrachten würde und wir dann in seine Freude eingehen könnten! Der Herr sagte zu dem Knecht in Matthäus 25 nicht: „Geh ein in die Freude des Himmels“, denn in diese Freude gehen alle ohne Unterschied ein; sondern Er sagte: „Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Wir werden in die Freude des Herrn eingehen, wenn wir Ihm hier auf der Erde gedient haben.
Was für eine Freude ist das? Es ist die Freude, die der Herr Jesus darüber empfindet, dass Er sieht, dass Er so viel für uns bedeutet, dass wir alles andere für nichts und für Dreck achten und dass es nichts gibt, was wir nicht seinetwegen aufgeben würden. Es ist die Freude darüber, dass wir in allem nach seinem Willen fragen und Dinge, von denen wir uns denken können, dass sie Ihm nicht gefallen, um seinetwillen lassen. Das ist die Freude seines Herzens. Ist es nicht eine Freude für Eltern, wenn sie feststellen, dass ihre Kinder Dinge, die sie eigentlich gern tun würden, ihren Eltern zuliebe doch lassen? So ist es auch eine Freude für den Herrn Jesus, wenn etwas in Einfalt für Ihn getan wird, wenn Er eine Antwort auf seine Liebe in unserem Herzen findet.
Diese Antwort unseres Herzens wird nur dann gesehen, wenn wir tun, was wir in Johannes 14,21 lesen: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt“, und in Vers 23: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten.“ Das ist die einzige Art und Weise, wie wir zeigen können, dass wir Ihn lieben, oder besser: Das ist der einzige Beweis dafür, dass wir Ihn lieben. Der Herr sagte: „Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht“ (Joh 14,24). Er sagt das, Er, der Herz und Gewissen kennt: Wenn jemand meine Gebote nicht bewahrt, dann ist das der Beweis dafür, dass er mich nicht liebt. Unser Leben ist also der Beweis dafür, wie sehr wir die himmlischen Dinge und Ihn selbst wertschätzen.
Das hat auch Einfluss auf die Erwartung seines Kommens. Ihn erwarten, ist nicht dasselbe, wie in der Versammlung ein Lied von seiner Wiederkunft zu singen, selbst wenn wir es vielleicht sehr laut singen. Wir wissen sehr wohl, dass der Herr Jesus jeden Augenblick kommen kann. Aber inwieweit ist diese Gewissheit in unserem Herzen lebendig, so dass wir jeden Augenblick nach Ihm Ausschau halten? Morgens denke ich: Vielleicht kommt Er heute Morgen, und mittags denke ich: Er kann heute Mittag schon kommen. Und abends kann ich denken: Er könnte heute Abend kommen. Und wenn ich abends schlafen gehe, dann kann ich denken: Vielleicht werde ich nicht mehr wach – ja: vielleicht werde ich nur wach, um zu Ihm zu gehen. Der Herr möge es uns allen schenken, dass wir Ihn so erwarten!