Aus dem Wort der Wahrheit (Band 1)
gesammelte Vorträge

Erziehung zum Anbeter

Aus dem Wort der Wahrheit (Band 1)

(1. Mose 47,27-31; Heb 11,21; 2. Sam 15)

Ich dachte an diese Stellen, als wir sangen, was der Herr für uns bedeutet, dass Er unser treuer Herr, unser guter Hirte ist, und auch, was Er für uns tut, dass Er unser Teil ist und Ihm unser Herz gehört. Damit drückten wir aus, was wir bei dem Herrn gefunden haben. Dabei musste ich an ein Gespräch denken, das ich heute morgen nach der Zusammenkunft hatte. Eine Schwester fragte mich: Wie fandest du es heute morgen? Ich dachte kurz nach und sagte dann zu ihr: Wir hätten wohl alle gerne gehabt, dass mehr Anbetung vorhanden gewesen wäre. Trotzdem glaube ich, dass es ein guter Morgen war, wo doch der Anfang der Anbetung sicher gefunden wurde.

Anbetung ist nicht Danken für das, was wir bekommen haben. Sie ist das Ansprechen und Bewundern der Herrlichkeit des Vaters und des Sohnes, die wir bei ihnen selbst gesehen haben. „Der Vater sucht solche als seine Anbeter. Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4,23.24). In Hebräer 1,6 wird im Blick auf den Herrn Jesus gesagt, dass Gott den Engeln befohlen hat, Ihn anzubeten.

In Johannes 4 wird uns der tiefste Grund für die Anbetung genannt und auch, wodurch wir imstande sind anzubeten. Das lebendige Wasser, das der Herr geben würde, würde in uns eine Quelle werden, die ins ewige Leben springt. In Johannes 14; 15 und 16 spricht Er über den Heiligen Geist, den der Vater in Seinem Namen senden würde (14,26) und den Er senden würde (15,26; 16,7). Das ist die Gabe, über die der Herr Jesus mit der Frau spricht, und sogleich im Anschluss daran spricht Er über die Anbetung.

Wir wissen aus Johannes 3 und anderen Stellen, dass Wasser ein Bild des Wortes Gottes ist, lebendig gemacht durch den Heiligen Geist. Das Wort ist eine Beschreibung der Herrlichkeit des Sohnes und des Vaters. So kann der in uns wohnende Heilige Geist das Wort lebendig machen, und es wird zu einer Quelle lebendigen Wassers in unseren Herzen, das ins ewige Leben quillt. Dadurch kommen wir in eine lebendige Verbindung mit Ihm, der der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist (1. Joh 5,20). So kennen wir den Vater und den Sohn und können anbeten. Wenn wir diese Kenntnis zum Ausdruck bringen, die wir bekommen haben – nein, nicht mit unserem Verstand, sondern mit unserem Herzen, mit unserer Liebe –, das ist Anbetung. Wir haben davon gesungen, was wir bekommen haben, doch in beiden Liedern haben wir auch ausgedrückt, dass wir das von Ihm bekommen haben und dadurch kennengelernt haben, wer Er ist.

Als ich im Krieg im Konzentrationslager starken Hunger hatte und der Herr mir in einer besonderen Weise Brot gab, lernte ich dadurch kennen, welch eine Macht Er hat. Wir lernen tatsächlich den Herrn durch die Erfahrungen des Lebens besser kennen. Doch wir sind zudem bevorrechtigt, indem wir das Wort Gottes haben, und das ist die lebendige Beschreibung der Herrlichkeit des Herrn Jesus. Er ist ja das Wort, wie Johannes 1,1 sagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Alles, was in dem Wort gut genannt wird, ist eine Beschreibung dessen, was Er ist.

Er ist die Offenbarung Gottes. Er ist aber auch die Offenbarung dessen, was der Mensch nach Gottes Gedanken ist. In jedem Fall lernen wir Ihn in dem Wort kennen und können Ihn dann anbeten. Er sagte in Johannes 14,9: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Wenn wir also durch die Kraft des Heiligen Geistes Ihn in Seiner Herrlichkeit kennenlernen, bedeutet das ebenfalls, den Vater zu kennen, so dass wir auch den Vater anbeten können. So sagt der Herr Jesus in Johannes 17,3: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich [Vater], den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“

Nun, wir finden hier in 1. Mose 47 Jakob am Ende seines langen Lebens. Er ist hundertsiebenundvierzig Jahre alt geworden, also 21x7 Jahre. Sieben ist in der Schrift die Zahl einer vollständigen (meistens auch vollkommenen) Zeit. Wir finden das überall wieder, bereits in 1. Mose 1 in den sieben Tagen, in denen der Herr die Erde für den Menschen zubereitete und am siebten Tag ruhte. Die Zahl 147 setzt sich zusammen aus 7x7x3. Drei ist die Zahl der völligen Offenbarung, so dass darauf der Nachdruck liegt. Wir haben hier also einen Mann vor uns mit allen Erfahrungen des praktischen Lebens eines Gläubigen auf der Erde. Wir können auch sagen, wir sehen in dem Leben Jakobs die Zubereitung eines Gläubigen durch den Heiligen Geist, um ihn zur Anbetung zu bringen.

Das ist der allgemeine Charakter des Lebens Jakobs. Abraham ist zunächst ein Bild von unserem Wandel im Glauben als Fremdlinge hier auf der Erde (1. Mo 12-21) und ab Kapitel 22 ein Bild von Gott, dem Vater. Isaak stellt mehr die Person des Herrn Jesus vor und danach die Sohnschaft. Doch im Leben Jakobs finden wir die Zucht und Erziehung des Heiligen Geistes vorgebildet. In den hundertsiebenundvierzig Jahren sehen wir also ein vollkommenes Zeugnis von dem umfassenden Werk des Heiligen Geistes.

Als erstes haben wir hier in 1. Mose 47 gelesen, dass er im Land Gosen wohnte. Dieses Land war ein Ort des Segens und der Ruhe. Hier werden uns keine Übungen Jakobs mehr beschrieben. Die finden wir in den vorhergehenden Kapiteln. Sein Leben war reich an Übungen – Übungen eines Menschen, der wirklich die Verheißungen Gottes liebte und auch den Segen Gottes zu empfangen wünschte, der aber versuchte, diese durch seinen natürlichen Verstand und durch seine natürlichen Kräfte zu erwerben, und der lernen musste, dass auf diesem Weg der Segen nicht zu erreichen ist. Auch wir können Segen nur dadurch empfangen, dass wir uns den Händen des Herrn und der Leitung des Heiligen Geistes übergeben. Dann kann dieser uns zu einem Fürsten Gottes machen, wie wir das bei Jakob finden (Kap. 32). Als Gott Jakobs Hüfte anrührte, brach seine natürliche Kraft, so dass er von da ab hinkte und an einem Stab gehen musste. Diesen Stab finden wir auch hier wieder. Damals gab Gott ihm diesen neuen Namen: Israel (= Fürst Gottes oder Kämpfer Gottes). Es ist das Ziel der Erziehung Gottes, auch uns zu Fürsten und Kämpfern Gottes zu machen.

Ein Fürst Gottes ist jemand, der nicht meint, Kraft in sich selbst zu haben, sondern der seine Kraft in Gott findet. So singen die Söhne Korahs in Psalm 84: „Glückselig der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in deren Herzen gebahnte Wege sind!“ (V. 5). Sie kennen Gott als die Quelle alles dessen, was sie nötig haben. Sie vertrauen allein auf Ihn. Sie haben die Erfahrung gemacht, von der wir gesungen haben: 0 Herr, mein Hirt! Im Schatten deiner Güte frohlockt mein Herz, singt jauchzend mein Gemüte und dankt, weil mir nichts mangeln wird ... Du tränkest mich, wenn Hitz' und Durst mich schwächen ... Wenn Du gebeutst, muss aller Sturm sich legen... Herr! Du bist mein, und Dein ist meine Seele. Du salbst mein Haupt mit Deinem Freudenöle, Du schenkst den Becher voll mir ein .... Das kann man noch nicht aus Erfahrung singen, wenn man erst seit einer Stunde bekehrt ist oder erst soeben Frieden mit Gott gefunden hat. Wenn jemand wirklich seine Sünden im Licht Gottes gesehen hat, ein tiefes Bewusstsein seiner Verlorenheit hat und einige Zeit in diesem Zustand gewesen ist, dann ist er unsagbar glücklich, wenn er singen kann: „Alle, alle meine Sünden hat Sein Blut hinweggetan.“ Glaubt man dann nicht, dass es kein größeres Glück geben kann? Die Freude braucht jemand auch in diesem Augenblick, und es wäre traurig, wenn er dieses Glück nicht hätte. Doch es ist bis jetzt nur das negative Glück – wenn ich so sagen darf –, nämlich nicht \n die Hölle zu kommen, nicht mehr verloren zugehen, zu wissen, dass es für ihn kein Gericht mehr gibt. Es ist noch nicht das.positive“ Glück, das der Herr und der Vater für uns bestimmt haben: die eigenen Kinder des Vaters, das Eigentum des Herrn Jesus zu sein. Das kommt in dem Vers zum Ausdruck, den ich soeben angeführt habe:

„Gleichwie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, auf dass er allen, die du ihm gegeben, ewiges Leben gebe. Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich [Vater], den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ (Joh 17,2.3).

Wir kennen den Vater des Herrn Jesus als unseren Vater. Wir kennen den Sohn Gottes, der uns, ja, mich, geliebt hat (vgl. Gal 2,20). Es ist das Ziel des Heiligen Geistes mit uns, dass wir bald bei Ihm in der Herrlichkeit sein werden, dort, wo nur der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sind und bald auch alle, die an Ihn geglaubt haben. Da werden wir die Gegenstände all der Liebe des Vaters und all der Liebe und Sorge des Herrn Jesus sein. Dort werden wir – und das wird der Höhepunkt unseres Glückes sein – Ihn sehen, wie Er ist (1. Joh 3,2). Das muss vollkommen sein. Und da Er so kostbar ist, dass der Vater in aller Ewigkeit durch Seine Herrlichkeit vollkommen befriedigt wurde, kann es nicht anders sein, als dass auch unsere kleinen Herzen vollkommen befriedigt sind. Und wenn das Herz des Herrn Jesus in aller Ewigkeit vollkommen durch die Liebe und Herrlichkeit des Vaters befriedigt wurde, Er, der allezeit im Schoß des Vaters war, sollten unsere kleinen Herzen dann nicht immer befriedigt sein können, ja, bereits jetzt auf der Erde, und werden sie nicht vollkommen in alle Ewigkeit befriedigt sein, wenn wir in der Herrlichkeit sind? Das ist das Ziel der Erziehung des Heiligen Geistes, Seiner Führung in unserem Leben.

Dieses Ziel sehen wir bei Jakob erfüllt, wenn wir von ihm lesen: „Und Israel betete an zu den Häupten des Bettes“ (1. Mo 47,31). Der Heilige Geist übernimmt in Hebräer 11,21 diesen Vers aus der ersten griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, der Septuaginta, wo er lautet: „Jakob betete an über der Spitze seines Stabes“, und fügt auf diese Weise einen neuen Gedanken hinzu.

Wenn wir das Leben Jakobs betrachten, sehen wir darin unsere eigene Geschichte, nachdem wir den Herrn Jesus kennengelernt hatten und danach verlangten, die Segnungen Gottes zu empfangen. Aber glaubten wir nicht auch, selbst die Umstände so gestalten zu müssen, dass wir die Segnungen bekamen, anstatt uns völlig den Händen des Herrn Jesus und der Leitung des Heiligen Geistes zu übergeben? Ich denke, dass wir alle noch wissen, vielleicht außer den Jüngsten in unserer Mitte, wie wir in Römer 7 waren und wie wir versuchten, uns zu bessern, nachdem wir die Sicherheit bekommen hatten, dass unsere Sünden vergeben waren, oder auch schon vorher, nachdem wir gesehen hatten, dass wir Sünder waren. Wir fühlten sehr wohl: So können wir nicht vor Gott bestehen, und es muss anders mit uns werden. Aber es gelang uns nicht. Je mehr wir es versuchten, um so unglücklicher wurden wir, weil wir es nicht schafften. Dieser Kampf, der in Römer 7 beschrieben wird, endet mit den Worten: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“ Doch dann gibt der Herr sogleich die Antwort, indem der Heilige Geist es durch die Inspiration hat niederschreiben lassen: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, unseren Herrn.“ Er hat auch das zustande gebracht.

Es gibt nichts, was wir nötig haben, was nicht durch den Herrn Jesus zustande gebracht ist und wir nicht bei Ihm finden können. Es gibt nichts, was wir nötig haben, was der Vater uns nicht in dem Herrn Jesus gegeben hat. Wir haben alles, was wir brauchen, um bald bei Ihm zu sein in der Herrlichkeit, um dort alle Seine Herrlichkeit genießen zu können, all die Herrlichkeit des Herrn Jesus. Dort werden wir zur Anbetung kommen und dabei alles genießen, was im Hause des Vaters ist. Alles dort ist nur die Widerspiegelung der Herrlichkeit des Vaters und des Sohnes. Das Vaterhaus ist erfüllt von der Atmosphäre der Liebe des Vaters und strahlt all die Herrlichkeit des Herrn Jesus, des Schöpfers des Himmels und der Erde, wider.

„Und Jakob lebte im Lande Ägypten siebzehn Jahre“ (47,28). Wenn nach Kapitel 32 (wo Gott Jakob den Namen Israel gab) über Jakob gesprochen wird, wird er in dem vorgestellt, was er in sich selbst ist. Wohl ist er immer das Bild eines Gläubigen, aber es geht bei dem Namen Jakob doch um seine Lebensoffenbarung, und wer von uns, der sich selbst betrachtet, muss sich nicht verurteilen und sagen: Wie ist es möglich, dass mein Wandel so ist? Wie ist es möglich, dass in solch einem Dienst, wo der Heilige Geist unsere Augen auf den Herrn Jesus richtet, auf Sein Werk, unsere Herzen plötzlich abgelenkt werden und mit völlig anderen Dingen beschäftigt sind? Wie ist das möglich, wenn wir an die wunderbare Liebe des Herrn Jesus denken, die Liebe, die nicht durch die Wasser des Gerichtes ausgelöscht werden konnte? Wie klein ist im Gegensatz dazu unsere Liebe, und wie kalt sind unsere Herzen oft, während wir damit beschäftigt sind. Das ist unsere Praxis, wie wir uns sehen, wenn wir mit uns selbst beschäftigt sind. Ich denke jetzt nicht an das, was wir in dem Herrn Jesus geworden sind. Dann sehen wir Ihn und Seine Herrlichkeit, dann dürfen wir uns immer erinnern, wenn wir Ihn sehen, dessen Leben wir empfangen haben: Das ist mein Leben. So stellt Johannes Ihn in seinem Evangelium vor und in seinem ersten Brief. In diesem Evangelium finden wir all die Herrlichkeit des Herrn Jesus, und zwar menschgeworden, aber doch als Gott, der Sohn.

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ward durch dasselbe, und ohne dasselbe ward auch nicht eines, das geworden ist“ (Joh 1,1-3). Er war Gott. Und Vers 18: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht.“ Das ist der Charakter des Johannesevangeliums. Der Heilige Geist hat dieses Evangelium etwa sechzig Jahre nach dem Kreuz durch Johannes niederschreiben lassen. Und seinen ersten Brief hat Johannes wahrscheinlich einige Jahre nach dem Evangelium geschrieben, vielleicht nur ein Jahr danach. Er sagt in diesem Brief gleichsam: Habt ihr den Herrn Jesus kennengelernt? Ihn, der zu dem Vater sagte: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ (Joh 17,3)? Und in 1. Johannes 5 lesen wir zuerst: „Dies habe ich euch geschrieben, auf dass ihr wisset, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes“ (V. 13), und dann in Vers 20: „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, auf dass wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“ Er ist unser Leben geworden, Er, der der wahrhaftige Gott ist, Gott, der Sohn. Und so kennen wir den Vater und den Sohn. Das neue Leben kann den Vater und den Sohn kennen, doch die Kraft dazu ist allein der Heilige Geist, so wie er auch immer die Kraft des neuen Lebens ist. Und Er hat das Wort gegeben, damit wir aus dem Wort sowohl den Vater als auch den Sohn kennenlernen. Im Licht dieses Wortes können wir in der Praxis des Lebens Erfahrungen mit dem Herrn Jesus machen und diese Dinge kennenlernen. Wenn wir die Bibel nicht hätten, wenn wir Psalm 23 nicht hätten und nicht wüssten, was ein Gläubiger, inspiriert durch den Heiligen Geist, über den Herrn Jesus sagt, könnten wir dann singen: „Treuer Herr, Du bist mein guter Hirte“? Wenn wir das Wort Gottes nicht hätten, worin der Herr Jesus in Johannes 10 sagt: „Ich bin der gute Hirte“, und den Hebräer 13 den „großen Hirten“ und 1. Petrus 5 den „Erzhirten“ nennt, würden wir Ihn nicht als den guten Hirten kennen. Das zeigt uns, dass unsere Gedanken durch das Wort Gottes geformt werden, dass es das Wort ist, das uns für alle praktischen Umstände auf der Erde Licht gibt. Und was wir in den praktischen Umständen darüber lernen, wer der Herr Jesus und wer der Vater ist, das finden wir hier am Ende des Lebens Jakobs vorgebildet.

„Und als die Tage Israels herannahten, dass er sterben sollte ...“ (V. 29). Nun nennt Gott ihn Israel. Das ist das Ergebnis aller Erfahrungen, die er in seinem Leben gemacht hat. Es waren tatsächlich Erfahrungen, die größtenteils die Folge seines eigenen Weges waren, auf dem er, obwohl er den Segen Gottes zu besitzen wünschte, versuchte, ihn durch menschliche Weisheit und menschlichen Verstand zu erreichen. Hier sehen wir, dass er durch die Erziehung des Heiligen Geistes so weit gekommen ist, dass er nun als „Israel“ Gott naht, als der Fürst, der Kämpfer Gottes, und anbetet über der Spitze seines Stabes. Diesen Stab musste er benutzen, nachdem Gott seine Hüfte angerührt hatte und er dadurch ein Krüppel geworden war. In jenem Augenblick machte Gott seiner Unabhängigkeit ein Ende. Der Sitz seiner Kraft wurde von Gott angerührt und seine Kraft weggenommen. Doch nun betet er an über der Spitze dieses Stabes.

Dieser Stab, das Bild der Abhängigkeit von Ihm, brachte ihn zur Anbetung. Jakob lernte Gott kennen, wie Er ist. Er musste die Erfahrung machen, die Jahrtausende später die Apostel niederschrieben: „Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2. Kor 12,10). Das waren auch die Erfahrungen eines Elia und eines David, der schrieb: „Denn mit dir werde ich gegen eine Schar anrennen, und mit meinem Gott werde ich eine Mauer überspringen“ (Ps 18,29). Das ist das Endergebnis all der Erfahrungen Jakobs in seinem Leben, die ihn zu einem Israel machten, und als solcher verlässt er nun diese Erde.

Sicher, in diesem Augenblick brauchte er nicht mehr zu kämpfen. In diesen siebzehn Jahren wird uns kein Kampf Jakobs mehr mitgeteilt. Zu Beginn der letzten siebzehn Jahre in Ägypten stand er vor dem Pharao, dem mächtigsten König, den es zu der Zeit gab; und da lesen wir: „Und Jakob segnete den Pharao“ (47,7). Hier steht nicht: Israel segnete den Pharao, sondern: Jakob segnete den Pharao. Jakob war zu der Zeit hundertunddreißig Jahre alt. Er stand scheinbar als ein Flüchtling vor Pharao, angenommen aufgrund der Tatsache, dass Joseph sein Sohn war, und er war nach Ägypten gekommen, um dort Nahrung und Schutz zu suchen. Dieser Mann mit einer solchen Vergangenheit segnete den Pharao, den mächtigen König. Und Pharao lässt sich segnen. Er anerkennt die Erhabenheit Jakobs nach all den Erfahrungen, nach der Erziehung, die der Heilige Geist ihm hat zuteil werden lassen.

Dann wohnte Jakob noch siebzehn Jahre in der besten Gegend Ägyptens, in Gosen. Diese siebzehn Jahre sind ein Bild des Tausendjährigen Reiches. Doch Jakob wünschte nicht, in Gosen zu bleiben. Es war nicht sein Wunsch, noch siebzehn Jahre dort zu leben. Sein Wunsch war abzuscheiden. Er hatte alles gelernt. Sein Wunsch war nun, im Land Gottes zu sein, im Land Israel. Im Alten Testament ist das Land Israel ein Bild des Himmels – nicht des Vaterhauses, sondern des Himmels, in den wir jetzt schon eingehen können und der im Epheserbrief die „himmlischen Örter“ genannt wird. In Christus sind wir schon jetzt versetzt in die himmlischen Örter (Eph 2,6). „Örter“ ist dort immer kursiv gedruckt, es fehlt also im Griechischen. Es heißt einfach: „In den Himmlischen“. Das ist dasjenige, was den Charakter des Himmels hat, sich also außerhalb der Erde befindet. Dorthin sind wir in Christus versetzt. In unserem praktischen Leben müssen wir das glauben und selbst dort eingehen, obwohl wir unserer Stellung nach da sind. Davon ist im allgemeinen das Land Israel in der Schrift ein Bild. Doch für Jakob, der das Haus des Vaters nicht kannte und auch niemals kennenlernen wird (denn er gehört nicht zur Versammlung, die dort ihren Platz haben wird), war es der Ort, wo er bei Gott sein konnte, und deshalb sagt er auch, dass er nicht in Ägypten begraben werden wollte: „Wenn ich mit meinen Vätern liegen werde, so führe mich aus Ägypten und begrabe mich in ihrem Begräbnis“ (V. 30). Und Joseph, ein Bild von dem Herrn Jesus, versprach es ihm: „Ich werde tun nach deinem Worte.“ Dann sagt Jakob: „Schwöre mir!“ Und Joseph schwur ihm.

„Und Israel betete an zu den Häupten des Bettes“ (V. 31). Nun war Jakob am Ende seines an Erfahrungen reichen Lebens angekommen. Hier kommt er zur Anbetung. Ja, es ist so, ich habe ein längeres Leben der Erfahrung hinter mir als junge Brüder und Schwestern. Doch jeder hat bereits Erfahrungen gemacht. Wenn jemand 25 Jahre alt ist, dann hat er 25 Jahre Erfahrungen hinter sich. Ich durfte den Herrn schon siebenundfünfzig Jahre kennenlernen auf dem Weg, den Er mich geführt hat, nachdem ich wusste, dass meine Sünden vergeben waren. In dieser Zeit habe ich Erfahrungen machen dürfen, die immer dieses Ergebnis hatten: Sie bewiesen, wie dumm ich war, der ich glaubte, selbst etwas tun zu müssen, und wie herrlich der Herr ist, der über allen Umständen stand. Er gebrauchte sogar meine Dummheit, um mich zu Seinem Ziel zu bringen, mich näher zu Sich zu bringen und Sich mir in den Schwierigkeiten, in denen ich war, zu offenbaren. Doch jeder hat seine Lebenserfahrungen, und alle Erfahrungen haben das Ziel, dass wir den Herrn besser kennenlernen. Es gibt auch solche, die direkt zu dem Herrn gegangen sind wie der Mörder am Kreuz. Er war in derselben Nacht im Paradies Gottes. Wenn in diesem Augenblick ein Kindlein stirbt, das noch nicht verantwortlich ist, geht es zum Herrn und wird einmal mit uns im Haus des Vaters sein. Doch so vollkommen es auch den Herrn im Himmel kennen wird, wie es Seine Herrlichkeit sehen wird, wird es doch niemals erfahren, was der Herr für jemanden bedeutet, der gewaltige Schmerzen hat. Es konnte nicht die Erfahrung machen wie jemand, der rasend ist vor Hunger. Es kann den Herrn niemals kennenlernen wie jemand, der im Leben Schwierigkeiten hatte oder der vielleicht sehr einsam war. Wir kennen diese Erfahrungen, um so mehr, je älter wir werden. Und vor allem lernen wir Ihn in diesen Umständen kennen.

Glauben wir, dass Lazarus jemals vergessen hat, dass er gestorben war und dass der Herr ihn aus der Gruft herausrief? Denken wir, dass seine Schwestern jemals vergessen konnten, wie sie den Herrn da kennengelernt haben? Glauben wir, dass die samaritische Frau in Johannes 4 jemals das Gespräch mit dem Herrn Jesus vergessen hat und wie sie Ihn dort am Brunnen als den Allwissenden kennen lernte, aber auch als den Geber, der nichts lieber tut als geben, und von dem die Bewohner der Stadt später sagten: „Wir glauben nicht mehr um deines Redens willen, denn wir selbst haben gehört und wissen, dass dieser wahrhaftig der Heiland der Welt ist“ (Joh 4,2). Konnten sie das jemals wieder vergessen? So haben wir alle unsere Erfahrungen mit dem Herrn Jesus gemacht, und die werden das persönliche Geheimnis zwischen dem Herrn und uns bleiben, wenn wir bei Ihm sind, die persönliche Kenntnis des Herrn Jesus, die kein anderer hat. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen, die ihn persönlich zurückschauen lassen auf diese Zeit, in der wir Ihn von dieser Seite kennenlernten. Kann jemand jemals wissen, was der Herr Jesus ist, wenn er bei einem geöffneten Grab eines Geliebten steht, wenn er das niemals getan hat? Maria und Martha haben Ihn so kennengelernt. Sie gingen mit ihrem Schmerz zu Ihm, und sie fühlten Sein Herz. Als sie dort standen und weinten, weinte auch Er. Sie haben Sein Mitgefühl empfunden und haben gesehen, dass Er über allem steht. Er hat ihnen den Lazarus zurückgegeben, doch als einen neuen Menschen, als jemanden, der auferstanden war aus den Toten – obwohl es ein leiblicher Tod war und er ohne Zweifel später wieder gestorben ist. So haben sie den Herrn kennengelernt.

Wer Ihn so kennengelernt hat, vergisst das nicht. In der Ewigkeit wird dieses persönliche Kennen bleiben als das persönliche Geheimnis. Welch ein wunderbares Licht wirft das auf das praktische Leben hier auf der Erde. Das ganze Ziel des Heiligen Geistes ist es, dass wir den Vater und den Sohn besser kennenlernen. Natürlich haben wir zuerst den Herrn als Heiland kennengelernt, als wir sahen, dass wir Sünder und dadurch verloren waren und allein durch die Gnade Gottes gerettet werden konnten, durch das Werk des Herrn Jesus auf dem Kreuz. Zweitens lernten wir Gott kennen als Denjenigen, der den Sohn gegeben hat. Wir glaubten an Ihn, der Jesum, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist (Rom 4,24.25). Darauf folgt: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch welchen wir mittelst des Glaubens auch Zugang haben zu dieser Gnade, in welcher wir stehen, und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (5,1.2).

Doch danach haben uns alle Umstände im Leben näher zu Ihm gebracht und selbst unsere Torheiten, wenn wir eigene Wege gingen, selbst wenn wir vom Herrn abwichen. Das wusste der Heilige Geist noch in Seiner göttlichen Weisheit zu gebrauchen, um uns mehr Kenntnis über den Vater und den Sohn zu geben. Wir haben dadurch gelernt, dass der Vater noch immer mit uns beschäftigt war und der Sohn uns immer wieder durch den Heiligen Geist zurückgebracht hat und uns sagte, dass Er uns noch immer liebte, wie wir in 1. Johannes 2 finden: „Und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden.“ Das ist der Dienst des Herrn Jesus als Sachwalter, wie wir ihn auch im Blick auf Petrus finden. Bevor Petrus den Herrn verleugnete, sagte der Herr bereits im voraus zu ihm: „Simon, Simon! siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, auf dass dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,31.32). Im Hebräerbrief wird uns der Herr beschrieben als Hoherpriester bei Gott. Er ist dort vor dem Thron des Schöpfers, damit wir Gnade und Barmherzigkeit finden zur rechtzeitigen Hilfe.

Das ist die wunderbare Weisheit Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und über allem die wunderbare Gnade und Liebe des Vaters und des Sohnes, und wir können auch sagen, des Heiligen Geistes, der trotz dessen, was wir sind, doch mit uns beschäftigt ist und sogar unsere Torheiten zu benutzen weiß. Wieviel Kummer wir auch durch diese Torheiten haben und wie viele Narben wir uns auch dadurch zuziehen: Gott offenbart Sich uns dadurch, so dass wir selbst auf diese Weise noch einen Schatz bekommen, den wir sonst in Ewigkeit nicht hätten bekommen können: die Erinnerung an das, was der Herr und der Vater für uns in den Schwierigkeiten des Lebens waren, sogar in unseren Torheiten, und was der Heilige Geist für uns auf unserem Weg hier auf der Erde tat, als wir unseren eigenen Weg gehen wollten, und wie Er uns in allen Umständen führt.

Zuletzt haben wir von Jakob gelesen: „Und Israel betete an zu den Häupten des Bettes“ (V. 31). Er betete an! Das war das Ende Israels, des Fürsten Gottes. Hebräer 11 sagt, dass er über der Spitze seines Stabes anbetete. Er hatte nun Kenntnis über Gott. Er hatte Gott kennengelernt. Neutestamentlich würden wir sagen: Er hatte den Vater und den Sohn und auch den Heiligen Geist in all den Erfahrungen des Lebens kennengelernt, den dreieinen Gott, und war, wie wir in 1. Johannes 2,14 lesen, zu einem Vater in Christus geworden: „Ich habe euch, Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang ist.“ Mehr kann von einem Vater in Christus nicht gesagt werden, darin ist alles enthalten. Ist es nicht wunderbar, dass die Wege des Herrn Jesus mit uns, die häufig die Folge unserer Torheit sind, doch alle zu dem Ergebnis kommen, dass wir den Herrn Jesus kennenlernen, wie wir Ihn noch niemals gekannt haben, und das uns schließlich zur Anbetung bringt?!

Diese Wege bereiten uns zu, Anbeter zu sein wie die Gläubigen im Himmel. Wenn die 24 Ältesten (das sind die verherrlichten Heiligen nach der Entrückung der Versammlung) den Herrn Jesus als das geschlachtete Lamm, also den Verworfenen, stehen sehen, singen sie ein neues Lied: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation, und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen“ (Off 5,9.10). Sie sagen da nicht: Du hast uns erkauft, wie wir wohl singen, sondern: Du hast für Gott erkauft. Sie vergessen sich selbst. Sie haben Seine Herrlichkeit als Erlöser gesehen. Sie haben die Größe Seines Werkes kennengelernt, das auch ihr Teil geworden ist, und zwar in reichstem Maße. Sie denken nicht an sich selbst. Sie haben Ihn kennengelernt wie hier Jakob. Das ist das Ergebnis. Wenn unser Herz erfüllt ist von dem Herrn Jesus, erfüllt mit dem Vater und mit der Herrlichkeit Seiner Person, dann denken wir nicht mehr an uns selbst, sondern nur noch an den Herrn Jesus und Seine Herrlichkeit, nur noch an den Vater und Seine Herrlichkeit, und das allein ist Anbetung. Wenn wir an uns denken, können wir danken, können wir loben, aber das ist keine Anbetung. Wahre Anbetung ist, sich selbst zu vergessen und allein die Herrlichkeit dieser Peron und die Herrlichkeit Seines Werkes zu sehen, denn in Seinem Werk kommt die Herrlichkeit Seiner Person zum Ausdruck. Das war bei Jakob der Fall. Bei ihm hatte der Heilige Geist sein Ziel erreicht.

Ich möchte nun noch aus 2. Samuel 15 lesen, wo wir ebenfalls etwas davon finden, wie der Heilige Geist das praktisch in unserem Leben bewirkt. Dieses Kapitel beschreibt einen traurigen Zeitpunkt im Leben Davids. Er dachte, nachdem er die schreckliche Sünde mit Bathseba getan und dann von Gott Gnade empfangen hatte, dass auch er jemandem Gnade erweisen müsste, der gesündigt hatte und in der Sünde lebte. Das war Absalom, der den abscheulichen Mord verübt hatte, aber darüber keinerlei Reue hatte, wie es doch bei David der Fall war. Absalom war nicht bekehrt, er hatte keine Buße getan, kein Bekenntnis vor Gott abgelegt. Was David getan hatte, war wenigstens so schlimm wie das, was Absalom tat, aber David hatte Reue darüber. Wir sehen das, wenn wir die Psalm 32 und 51 lesen. David spricht in diesen Psalmen darüber, dass er unschuldiges Blut vergossen hatte. Das ist die Reue, die Absalom nicht kannte.

Die Folge finden wir hier. Absalom, der zuerst seinen Bruder Amnon ermordet hat, jagt nun hier David selbst vom Thron, so dass er flüchten muss. Er wird von beinahe dem ganzen Volk im Stich gelassen, Der von Gott gesalbte König muss Jerusalem verlassen. Es heißt in Vers 30: „David aber ging die Anhöhe der Olivenbäume hinauf und weinte, während er hinaufging: und sein Haupt war verhüllt, und er ging barfuss; und alles Volk, das bei ihm war, hatte ein jeder sein Haupt verhüllt und ging unter Weinen hinauf.“ So wurde er verjagt. Doch dann kommt das Schlimmste: Nicht nur sein Volk verjagte ihn, nicht nur sein Sohn stellte seinem Leben nach, sondern es heißt in Vers 31: „Und man berichtete David und sprach: Ahitophel ist unter den Verschworenen mit Absalom.“ Das war etwas Schreckliches für David. Ahitophel war sein größter Ratgeber. Er war ein Mann, der so verständig war, dass man zu der Zeit den Rat Ahitophels ansah wie einen Ausspruch Gottes. Niemand wagte jemals etwas anderes zu tun, als was Ahitophel sagte. Ahitophel war ein Verwandter Davids. Er war der Großvater Bathsebas. Ich zweifle nicht daran, dass David hierdurch an seine Sünde mit Bathseba erinnert wurde, wodurch er Urija ermorden ließ. Was muss das alles für David gewesen sein. Ich denke, dass Psalm 41,9 die Gefühle Davids in diesem Augenblick wiedergibt, wenn sich die Stelle auch prophetisch auf den Herrn Jesus bezieht und auch auf den künftigen gläubigen Überrest aus Israel: „Selbst der Mann meines Friedens, auf den ich vertraute, der mein Brot aß, hat die Ferse wider mich erhoben.“

Da war scheinbar alles verloren. Scheinbar war sein Los entschieden. Das Heer und auch das ganze Volk war mit Absalom gegangen und sogar sein größter Ratgeber Ahitophel. Was sollte noch geschehen, nachdem sich nun alles gegen ihn gekehrt hatte? Doch dann heißt es in Vers 32: „Und es geschah, als David auf den Gipfel gekommen war, wo er Gott anzubeten pflegte1...“ Wir können sagen, der Gipfel war gleichzeitig der Höhepunkt der Schwierigkeiten, wo scheinbar alles verloren war. Wir können aber auch sagen: Er war der Höhepunkt seines Glaubens. Als alle menschlichen Hilfsmittel erschöpft waren und er scheinbar völlig machtlos war, lesen wir nicht, dass er zu Gott um Hilfe ruft oder Zorn auf seine Feinde herabfleht. Nein, er betet Gott an. Er ist überzeugt, nachdem alle Machtmittel verloren sind, dass allein bei Gott Hilfe ist, dass Gott ausreicht. Er betet Ihn an und – daran zweifle ich nicht – fand Ruhe für sein Herz. Wir können Gott nicht anbeten, ohne Ruhe für unsere Herzen zu bekommen. Wir können nicht in den größten Schwierigkeiten unsere Zuflucht zu dem Vater und dem Sohn nehmen, ohne dass dann unsere Herzen Ruhe finden.

Ist hier jemand, der noch niemals erfahren hat, wenn sein Herz voller Sorgen war und er dann niederkniete, dass er augenblicklich erfrischt wurde, die Sorgen aus dem Herzen verschwanden und Ruhe einkehrte? Das ist immer der Fall, wenn wir in Schwierigkeiten unsere Zuflucht zu dem Herrn Jesus und zu dem Vater nehmen. Der Herr hat doch gesagt: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden ... Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28,18.20). Er trägt alle Dinge durch das Wort seiner Macht (Heb 1,3).

Auch David wird augenblicklich ruhig, und Gott hat Sein Ziel mit dieser Erprobung bei David erreicht. Diese ganze Sache war ja die Folge der Torheit Davids, wie ich soeben versucht habe darzulegen. David hatte einem kaltblütigen Mörder Gnade erwiesen, der keinerlei Reue zeigte. David wandte Gnade in der falschen Weise an. Er übersah die Sünde und erwies Gnade, bevor Bekehrung vorhanden war, bevor aufrichtige Reue zutage trat. David öffnete Absalom alle Möglichkeiten, sich gegen ihn zu erheben. Wir sehen, dass David nach seiner Sünde mit Bathseba seine frühere Weisheit niemals zurückbekommen hat. Wie töricht handelte er doch, als er sozusagen Absalom die Tür öffnete, so dass dieser frei handeln konnte und das Volk hinter sich herzog. David handelte wie jemand, der mit Blindheit geschlagen war. Er öffnete Absalom selbst den Weg zu seinem Handeln.

So sehen wir auch in diesem Abschnitt des Lebens Davids die Zucht Gottes mit ihm in Seinen Regierungswegen. Und doch ist es das Ziel Gottes, ihn näher zu Sich zu bringen. Schließlich kann David von allen Umständen absehen und ist sich bewusst, dass alles, was er aus eigener Kraft getan hat, Torheit und Sünde war. Wie steht es mit uns? Wollen wir uns nicht auch Ihm übergeben und dann sehen, wer Er ist und wie wunderbar Er ist, der uns niemals, wie auch immer unsere Praxis sein mag, im Stich lassen wird, der uns niemals loslassen wird, sondern uns zurückführen wird, wenn auch auf einem Weg, der für das Fleisch hart ist, der aber doch ein Weg der Liebe ist!

Schließlich lesen wir noch in Vers 34: „Wenn du aber in die Stadt zurückkehrst und zu Absalom sagst: Dein Knecht, o König, will ich sein; wie ich von jeher der Knecht deines Vaters gewesen bin, so will ich jetzt dein Knecht sein: so wirst du mir den Rat Ahitophels zunichte machen.“ Dadurch wird dann erfüllt, wofür David in Vers 32 gebetet hatte. Husai ist das Mittel dazu. Er kommt zu David in dem Augenblick, als dieser Gott auf dem Gipfel anbetet. Im selben Augenblick sendet Gott Rettung. Es findet zwar noch ein Kampf statt, aber dieser Kampf erweist nur den Sieg des Herrn. Dadurch wird der Weg des Herrn offenbar, auf dem David in seinem Königtum wiederhergestellt wird und nach Jerusalem zurückkehrt. Eigentlich hätte er seinen Sohn zum Tode verurteilen müssen, doch nun lässt der Herr dieses Gericht durch einen ungöttlichen Menschen ausführen. David hätte die Sünde mit der Todesstrafe belegen müssen, doch der Herr handelte für ihn. So ordnet der Herr alles im Blick auf David. So wird es auch bei uns der Fall sein, wenn wir auf den Herrn sehen. Dann wanken und verzagen wir nicht. Wir sind in Seinen sicheren Händen und wissen, dass alles zu einem guten Ende kommen wird. Das bringt uns wieder um so mehr zur Anbetung.

Fußnoten

  • 1 Andere übersetzen: „Und es geschah, als David auf den Gipfel gekommen war, dass er Gott anbetete.“
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