Aus dem Wort der Wahrheit (Band 1)
gesammelte Vorträge
Der Brunnen Beer-Lachai-Roi
(1. Mose 16,7-14; 24,61-67; 25,1-16)
Die drei gelesenen Stellen handeln von dem Brunnen Beer-Lachai-Roi, und die Fußnote zu Kapitel 16,14 gibt Aufschluss über die Bedeutung dieses Namens: Brunnen des Lebendigen, der sich schauen lässt, oder: der mich gesehen hat. Wir werden im folgenden sehen, dass beide Bedeutungen möglich sind. Der Brunnen ist also ein Bild davon, worin Gott Sich geoffenbart hat (also Seinem Wort), und auch von der Tatsache, dass Gott uns sieht. Das machen uns auch die Worte des Herrn Jesus in Johannes 4 und 7 klar, wo Er über lebendiges Wasser spricht, das Er geben würde. Der Brunnen gibt lebendiges Wasser, das eine innere Kraft hat, durch die es ausströmt. Wir lesen in Johannes 4,14, dass dieses Wasser in dem Gläubigen eine Quelle (wörtlich: Fontäne) Wassers wird, das ins ewige Leben quillt (oder: springt). Lebendiges Wasser ist daher ein Bild des Wortes Gottes, das durch den Heiligen Geist lebendig gemacht ist und den Gläubigen in Verbindung bringt mit den Segnungen des ewigen Lebens.
Wenn wir die Stellen im Neuen Testament aufschlagen, die über die neue Geburt sprechen, finden wir bestätigt, dass das Wasser ein Bild des Wortes Gottes ist. In Johannes 3,5 sagt der Herr Jesus, dass jemand aus Wasser und Geist von neuem geboren werden muss. Epheser 5,26 sagt uns, dass Christus die Versammlung durch die Waschung mit Wasser durch das Wort reinigt. Paulus spricht in Titus 3,5 von der Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes. Das Wasser ist also ein Bild von dem Wort Gottes in seiner reinigenden Kraft, wie der Herr Jesus auch in Johannes 15,3 zu den Jüngern sagt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“ So macht auch Jakobus 1,21 und 1. Petrus 1,23 klar, dass die neue Geburt durch das Wort Gottes zustande gebracht wird. Der Heilige Geist wendet das Wort auf Herz und Gewissen an und überführt so einen Menschen von seinem sündigen Zustand, bringt ihn zum Selbstgericht und zum Bekenntnis seiner Sünde vor Gott. Das ist der einzige Weg, den das Wort Gottes beschreibt, auf dem ein Mensch von seinen Sünden gereinigt werden kann. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh 1,9). Es ist die Seite der Verantwortung des Menschen, dass er seine Sünde vor Gott bekennt (obwohl auch das letztlich ein Werk des Heiligen Geistes ist), doch zur gleichen Zeit wirkt der Heilige Geist durch das Wort Gottes in einem solchen Menschen durch die neue Geburt neues Leben.
Wir haben also gesehen, dass der Herr in Johannes 3 über die neue Geburt spricht, die durch Wasser und Geist zustande kommt. Doch dann spricht der Herr in Kapitel 4 zu der samaritischen Frau und teilt dort, wenn ich so sagen darf, die beiden Dinge, Wasser und Geist, auf und zeigt uns eine andere Verbindung, um uns deutlich zu machen, was der Heilige Geist wirkt, indem er uns das Wort Gottes klarmacht und auf uns anwendet. Der Herr Jesus sagt hier: „Wenn du die Gabe Gottes kenntest und wer es ist, der zu dir spricht..., so würdest du ihn gebeten haben, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ (4,10). Der Herr weist hier weniger darauf hin, was Gott gibt, sondern vielmehr darauf, dass Er der große Geber ist, der es liebt zu geben. Er würde ihr lebendiges Wasser geben, das in ihr eine Quelle werden würde, die ins ewige Leben springt. Später in Kapitel 7 sagt der Herr dann, dass jeder, den dürstet, zu Ihm kommen solle, um bei Ihm zu trinken. Wer an Ihn glauben würde, aus dessen Leibe würden Ströme lebendigen Wassers fließen. Dies sagte Er von dem Geist, welchen die an Ihn Glaubenden empfangen würden, nachdem der Herr Jesus verherrlicht sein würde. Das lebendige Wasser steht also in Verbindung mit der Person des Heiligen Geistes. Er ist die Kraft, die das Wort Gottes lebendig macht. Durch diese Kraft springt das Wasser hoch und wird zu einer Fontäne. Der Heilige Geist ist es, der das Wort Gottes in uns lebendig macht, so dass wir es verstehen können.
Das ist ein sehr wichtiger Gedanke, den wir auch in 1. Korinther finden, nämlich dass ein Mensch aus sich selbst das Wort Gottes nicht verstehen kann und dass allein der Heilige Geist es ist, der das Wort verständlich macht. Dazu ist es nötig, dass der Heilige Geist in uns wohnt. Ein Unbekehrter hat den Heiligen Geist nicht und wird deshalb auch niemals Gottes Wort verstehen können, außer dass Gott ihm durch Sein Wort klarmacht, dass er ein verlorener Sünder ist und einen Retter braucht. Um jedoch die Gedanken, die Gott in Seinem Wort entfaltet hat, wirklich verstehen zu können, ist es notwendig, dass der Heilige Geist in uns wohnt, in jedem, der dem Evangelium geglaubt hat. So macht der Heilige Geist das Wort Gottes in uns lebendig, und wir können es verstehen. Es wird zu einer Quelle, zu einer Fontäne in uns, die ins ewige Leben quillt. Und 1. Johannes 5,20 sagt uns, dass der Herr Jesus „der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ ist. Das bedeutet also, dass der Heilige Geist, indem er das Wort in uns lebendig macht, so dass wir es wirklich als das Wort Gottes lesen, uns in eine lebendige Verbindung mit dem Herrn Jesus bringt, der nun in der Herrlichkeit ist. Ja, Er ist das ewige Leben, die Quelle unseres Lebens. Er Selbst ist unser Leben! Am letzten, das ist dem achten Tag des Laubhüttenfestes (dieser Tag spricht von dem ewigen Zustand, wenn wir im Himmel, im Haus des Vaters sein werden, um dort die ewigen Segnungen zu genießen), spricht der Herr Jesus von dem lebendigen Wasser, dem Wort Gottes, das jetzt schon so in uns wirken kann, dass unsere innersten Gefühle nach außen strömen. Es heißt dort: „Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7,38). Das bedeutet also, dass wir durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt, jetzt schon fähig sind, das Wort zu verstehen, so dass wir schon jetzt die ewigen Segnungen kennen, die unser Teil sein werden, wenn wir im Haus des Vaters sind. Wenn wir dem Heiligen Geist Gelegenheit geben, das Wort Gottes in uns lebendig zumachen, werden aus unserem Innern Ströme lebendigen Wassers, Ströme dieser herrlichen Dinge, die wir in dem Wort finden, sich zu anderen ergießen, so dass wir Quellen des Segens für jeden werden, der mit uns in Berührung kommt. Das ist es auch, was die Söhne Korahs in Psalm 84 besingen: „Durch das Tränental [Bakatal] gehend, machen sie es zu einem Quellenort“ (V. 6). Wenn sie durch die Wüste, das Trauertal, gehen, dann machen sie es zu einem Quellenort, weil sie Quellen sind, aus denen Segen hervorkommt.
Das sehen wir nun vorbildlich in den Stellen, die wir in 1. Mose gelesen haben. Wir finden hier klare Hinweise auf das Wort Gottes als das Buch, durch das Gott Sich geoffenbart hat und worin wir erkennen, dass Er uns sieht. Ich erinnere mich an eine Begebenheit, die sich vor einigen Jahrzehnten in Deutschland zutrug. Der Vater eines guten Freundes von mir war völlig ungläubig, obwohl seine Frau schon lange zur Bekehrung gekommen war und am Brotbrechen teilnahm. Sie versuchte immer wieder, ihn in die Zusammenkünfte mitzunehmen, aber er wollte nicht. Als dann einmal Bruder Paul Schwefel das Evangelium verkündigte, war er erstmalig bereit, mitzugehen. Auf dem Heimweg schimpfte er sie aus und machte ihr den Vorwurf: Warum hast du diesem Mann alles aus meinem Leben erzählt? Sie versicherte ihm, dass sie Bruder Schwefel durchaus nichts erzählt habe, aber er glaubte ihr nicht und sagte wütend: Niemals werde ich wieder mit dir gehen. Am nächsten Tag führte der Herr es so, dass Bruder Schwefel diese Schwester besuchte. Sie weinte und bat Bruder Schwefel, ihrem Mann doch zu sagen, dass sie ihm nichts aus dem Leben ihres Mannes erzählt habe. Bruder Schwefel konnte dann diesem Mann beweisen, dass es nicht wahr war, sondern dass er unmittelbar vom Zug zu dem Lokal, wo er das Evangelium verkündigen sollte, gegangen war. Ein Bruder, der ihn bei dem Besuch begleitete, konnte das ebenfalls bezeugen. Der Mann wurde dadurch getroffen und sagte: Dann muss es Gott gewesen sein, der das gesehen hat und es auf Ihre Lippen gelegt hat. Dadurch kam er zur Bekehrung und wurde ein Kind Gottes.
Das ist es auch, was wir hier in 1. Mose 16 bei Hagar finden. Hagar war vor ihrer Herrin Sara geflüchtet. In Vers 6 steht, dass Sara sie hart behandelt hatte und sie deshalb vor ihr geflohen war. Hagar war eine Sklavin, die mit aus Ägypten (Ägypten ist ein Bild der Welt als dem Land, das unter dem Gericht Gottes steht) gekommen war, und sie hatte das große Vorrecht, in der Gegenwart Abrahams verkehren zu dürfen. Sie lebte in dem Haus des Mannes, dem Gott alle Seine Verheißungen gegeben hatte. An diesem Platz des Segens, auf den Gott in Güte herniederschaute, hielt sie sich auf. Nun flüchtete sie, um nach Ägypten zurückzukehren.
Wir können in Hagar das Bild eines Menschen sehen, der seiner Natur nach zu dieser Welt gehört, aber durch die Güte Gottes an einen Ort des Segens gebracht worden ist. Sie gleicht darin Kindern von Gläubigen, die durch die Gnade Gottes in einer christlichen Familie aufgewachsen sind und den Herrn kennen. Hebräer 6 zeigt uns, welche wunderbaren Segnungen mit diesem Platz verbunden sind. Sie schmecken die Kraft des Heiligen Geistes. Sie sind unter dem Einfluss des Wortes Gottes, und ihre Eltern bringen sie dorthin, wo der Herr ist und Sein Segen gespürt wird. Doch dann geschieht es, dass junge Menschen aus christlichen Familien nach Ägypten zurückfliehen wollen, wo sie, was ihre Natur betrifft, ursprünglich herstammen. Doch wie wunderbar ist es, wie wir auch hier sehen, dass Gott sie liebt, sie sucht und bemüht ist, ihnen zum Bewusstsein zu bringen, was sie sind und wohin sie gehen. Gott sieht alles. Kein Geschöpf ist vor Ihm unsichtbar (Heb 4,13).
„Und der Engel Jehovas“ – ich denke, dass wir überall im Alten Testament in dem Engel Jehovas ein Bild des Herrn Jesus sehen -„fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste.“ – Er fand sie, weil er sie suchte. Welche wunderbare Gnade, auch für Eltern, die sich vielleicht um ihre Kinder sorgen, weil sie in die Welt zurückgehen wollen. Doch auch welche Gnade für diese Kinder. Der Herr sucht sie. Der Engel sagt zu Hagar: „Hagar, Magd Saras, woher kommst du, und wohin gehst du?“ (V. 8). Stehe einen Augenblick still und frage dich, woher du kommst und wohin du gehst! Woher kommst du? Wurde ihr nicht bewusst, welchen Platz sie bei Abraham hatte, dort, wo Gott alle Seine Verheißungen gegeben hatte? Sie stand mit ihm in Verbindung und hatte Anteil an den Segnungen, auch wenn sie nicht ausdrücklich für sie waren, weil sie nicht wirklich innerlich mit Abraham verbunden war. Und wohin gehst du? Sie flüchtete zu dem Land, über das das Gericht Gottes hereinbrechen würde. Eine ernste Tatsache! Ich weiß nicht, ob hier noch solche unter uns sind, Jüngere oder Ältere, die den Segen geschmeckt haben, der damit verbunden ist, dass sie in einer christlichen Familie aufgewachsen sind oder unter Kindern Gottes leben und den Platz kennen, wo der Herr Jesus in der Mitte der Seinen ist, wo der Heilige Geist alles leitet, so dass sie teilhatten an den Segnungen, die dort gefunden werden. Dann sagt der Herr Jesus auch zu dir an diesem Abend: Denke einmal nach, woher du kommst und wohin du gehst. Du kommst von dem Platz, wo du ewiges Leben empfangen kannst, dem einzigen Platz, wo ewiges Leben geschenkt wird. Das kann nämlich nur dort empfangen werden, wo der Herr Jesus ist, und zwar durch das Evangelium. Du kommst von dem Platz, wo ewiges Glück und ewige Freude dein Teil sein können. Und wohin gehst du? In diese Welt, von der Gottes Wort sagt, dass sie im Bösen liegt und das Gericht Gottes auf ihr ruht und auch bald über sie hereinbrechen wird. Ewige Verdammnis, ewiger Aufenthalt in der Hölle ist das Teil derer, die zur Welt gehören. Welch eine Gnade, dass der Herr Jesus immer noch auffordert: Stehe einen Augenblick still und denke darüber nach, woher du kommst und wohin du gehst. Gott sieht dich! Gott sieht uns.
Prophetisch hat diese Begebenheit mit Hagar einen anderen Charakter. Der Galaterbrief sagt uns, dass sie ein Bild des Alten Bundes ist und dass Ismael, ihr Sohn, ein Bild Israels nach dem Fleische ist. Auch das ist wahr: Gott hat Sein Wort zuerst dem Volk Israel anvertraut. Die Kinder Israel waren die ersten, denen Gott Sich offenbarte, denen Er Sein Wort gab, wenn auch nicht so deutlich und herrlich, wie wir es empfangen haben. Wenn Gott Sich im Alten Testament auch nicht so deutlich offenbarte, wie wir Ihn heute kennen, so ist es doch eine Tatsache, dass Er Sich geoffenbart hat. Es gab auch da schon einen Brunnen des Lebendigen, der Sich offenbart. Er, der in einem unzugänglichen Licht wohnt, den keiner der Menschen gesehen hat noch sehen kann, hat Sich geoffenbart (1. Tim 6,16). Und die Bilder des Alten Testamentes machen uns klar, worin Er Sich geoffenbart hat: in Seinem Wort, lebendiggemacht durch den Heiligen Geist. Um das zu verstehen, war es notwendig, wie wir in Johannes 3; 4 und 7 gesehen haben, dass wir durch die neue Geburt Kinder Gottes wurden und den Heiligen Geist als in uns wohnend empfingen. Nur so können wir in dem Wort Gottes den Lebendigen sehen, der Sich darin geoffenbart hat.
Haben wir Gott nicht in Seinem Wort kennengelernt? Ja, und in besonderer Weise im Neuen Testament. Da sehen wir den Herrn Jesus, der Gott geoffenbart hat: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,6). Die ganze Fülle des Heiligen Geistes wohnte in dem Herrn Jesus; Gott hatte Ihm den Geist nicht nach Maß gegeben (Joh 3,34). „Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen“, sagt Kolosser 1,19. Besonders in den Evangelien sehen wir, wie Gott Sich als der Lebendige geoffenbart hat, der Sich schauen lässt. Aber auch weiterhin im Neuen Testament, in der Apostelgeschichte, in den Briefen und in der Offenbarung, hat Gott all Seine Herrlichkeit geoffenbart, so dass wir den Unsichtbaren sehen können, weil Er Sich hat schauen lassen.
Und sehen wir ihn nicht auch im Alten Testament in all den Bildern, die wir von 1. Mose 1 bis Maleachi 4 haben? Sehen wir Seine Majestät nicht in der Schöpfung? Sehen wir Ihn nicht in 1. Mose 3 im Vorbild des Tieres, das Gott schlachtete, um mit dessen Fellen Adam und Eva zu bekleiden? Sehen wir Ihn nicht in dem Opfer, das Abel darbrachte? Sehen wir Ihn nicht auf jedem Blatt des Alten Testamentes? Überall sehen wir den Herrn Jesus, und der Heilige Geist ist es, der in uns das Wort lebendig macht, so dass wir die Herrlichkeit Gottes sehen. Und schließlich haben wir die volle Offenbarung Gottes in dem Sohn Seiner Liebe. Welch einen wunderbaren Schatz haben wir empfangen! Wenn wir das Wort Gottes betend lesen, so dürfen wir uns bewusst sein, dass es nicht unser Intellekt, sondern der Heilige Geist ist, der das Wort in uns lebendig macht und uns Gott offenbart.
Nun kommt die Frage: Was bedeutet das Wort Gottes in unserem praktischen Leben? Welche Absicht hatte Gott damit, dass Er uns Sein Wort gegeben hat? Ich denke, dass die gelesenen Stellen in 1. Mose 24 und 25 uns eine Antwort darauf geben.
In Kapitel 24 finden wir, dass der Knecht Rebekka als Braut für Isaak holt. Wir haben gelesen, wo Rebekka Isaak trifft, nämlich nicht in dem Zelt Saras, sondern noch in der Wüste, und zwar am Brunnen Beer-Lachai-Roi. Dort hält sich Isaak auf und sinnt beim Anbruch des Abends. Welch ein wunderbarer Platz! Wer von uns weiß nicht, dass Isaak ein Bild von dem Herrn Jesus ist, Abraham ein Bild von Gott dem Vater und der Knecht ein Bild von dem Heiligen Geist, der ausgesandt ist, eine Braut für Isaak zu holen? Dann muss Rebekka ein Bild der Versammlung sein, der Braut des Herrn Jesus. Hier trifft Rebekka mit Isaak zusammen, nämlich an dem Brunnen Beer-Lachai-Roi. Als Rebekka Isaak sieht, wirft sie sich vom Kamel herab und fragt den Knecht: „Wer ist der Mann, der uns da auf dem Felde entgegenwandelt?“ Als der Knecht ihr sagt: „Das ist mein Herr“, nimmt sie den Schleier und verhüllt sich. Sie sagt gleichsam: Von jetzt an will ich nur noch für Isaak da sein. Kein anderer Mann sollte jetzt noch etwas von ihrer Schönheit sehen, denn sie war sehr schön von Ansehen (1. Mo 24,16). Sie wollte nur noch für Isaak, für ihren Bräutigam, da sein, nur noch ihm gehören. Von diesem Augenblick an liebte sie nur noch ihn. Sie war bereit, alles preiszugeben, um seine Frau zu werden.
Rebekka ist nicht das Bild eines Sünders, der zur Bekehrung kommt, sondern das Bild eines Gläubigen, der nur noch für den Herrn Jesus da sein möchte. Hier finden wir den Weg, auf dem es Wirklichkeit werden kann, dass wir in praktischer Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus leben. Rebekka trifft Isaak an dem Brunnen Beer-Lachai-Roi, an dem Brunnen „des Lebendigen, der sich schauen lässt“. Wir finden den Herrn Jesus allein im Worte Gottes. Dort offenbart Er Sich uns, dort füllt Er unsere Herzen mit Seiner Herrlichkeit, so dass wir nur noch verlangen, mit Ihm in Gemeinschaft zu sein.
Ich möchte besonders zu den jungen Gläubigen unter uns sagen: Das ist der einzige Weg, wodurch man wirklich von der Welt getrennt wird, um allein für Ihn da zu sein, um Seine Herrlichkeit zu sehen. Das ist nur dann der Fall, wenn wir Ihn dort suchen, wo Er allein zu finden ist: bei dem Brunnen des Lebendigen, der Sich schauen lässt. Wenn wir mit dem Wunsch im Herzen, den Herrn Jesus zu sehen, das Wort Gottes auf unseren Knien lesen, wird der Heilige Geist uns den Herrn Jesus in all Seiner Herrlichkeit vor Augen stellen. Hebräer 2,9 sagt: „Wir sehen aber Jesum...“. So sah auch Stephanus den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen (Apg 7,56). Dort können wir Ihn finden. Das ist der Schlüssel: Wenn unsere Herzen danach verlangen, nur für den Herrn Jesus zu leben und etwas für Ihn zu bedeuten, zu Seiner Ehre hier zu sein, müssen wir Ihn suchen, wo Er zu finden ist: an dem Brunnen des Wortes Gottes. Das ist der normale Platz für jeden Gläubigen.
Das sehen wir auch sehr schön in Kapitel 25. Dort haben wir, wenn ich so sagen darf, einen Überblick über die ganze Geschichte von Abraham an bis zur Ewigkeit, einen Überblick über die Geschichte des Volkes Israel. Gott hatte Abraham alle Verheißungen gegeben; er war das Gefäß der Verheißungen Gottes. Vor Abraham hat Gott keine Verheißungen gegeben. Gott hat wohl in 1. Mose 3 gesagt, dass der Same des Weibes der Schlange den Kopf zermalmen würde, doch das ist keine Verheißung Adam gegenüber, sondern eine Gerichtsankündigung für die Schlange. Alle Verheißungen waren dem Abraham gegeben. Er hatte viele Söhne (25,1.2), ein Hinweis darauf, dass alle Geschlechter der Erde in ihm gesegnet werden sollten (12,3). Im Tausendjährigen Reich werden alle Nationen der Erde mit den Verheißungen gesegnet werden, die Gott Abraham gegeben hat. Und doch nimmt Isaak einen besonderen Platz hierin ein: „Und Abraham gab dem Isaak alles, was er hatte“ (25,5). Aus Kapitel 22 wissen wir, dass Isaak ein Bild von dem Herrn Jesus als dem Gestorbenen ist, der das Werk vollbracht hat, aber auch von Ihm als dem aus den Toten Auferstandenen. Psalm 8 sagt uns, dass Gott alles unter Seine Füße gestellt hat. Der Herr Jesus hat als Mensch von Gott alle Verheißungen empfangen. Im Vorbild sehen wir, wie Abraham Isaak alles gibt, was er hat.
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels lesen wir, dass Abraham stirbt und von seinen beiden Söhnen Isaak und Ismael in der Höhle Machpela begraben wird (V. 9). Ismael ist ein Bild von Israel dem Fleische nach, also von dem ungläubigen Israel. Der Augenblick, wo die Verheißungen Gottes erfüllt wurden, war zur gleichen Zeit das Ende aller Segnungen für Ismael. Ismael stand durch Abraham in Verbindung mit den Verheißungen Gottes. Als Abraham starb, war jede Verbindung zwischen Ismael und den Verheißungen Gottes zerbrochen. Isaak war der Sohn der Verheißung, der Sohn der Freien und daher Erbe der Verheißungen an Abraham. Hier sehen wir, was das Kreuz bedeutet. Der Tod Abrahams spricht von dem Ende der Verheißungen Gottes, weil Gott sie erfüllte, indem er nämlich den Herrn Jesus aus den Toten auferweckte, nachdem Er das Werk an dem Kreuz vollbracht hatte. Das war das Ende der Geschichte Israels. Von diesem Augenblick an hatte Israel keinen Anteil mehr an den Verheißungen. Israel wurde beiseite gesetzt, und der Herr Jesus empfing alle Verheißungen Gottes als der Sohn des Menschen. Im Vorbild sehen wir das in Vers 11: „Und es geschah nach dem Tode Abrahams, da segnete Gott Isaak, seinen Sohn; und Isaak wohnte bei dem Brunnen Lachai-Roi.“ Aller Segen ist jetzt verbunden mit der Person des Herrn Jesus. Außerhalb von Ihm gibt es keine Segnungen. Das bedeutet nicht, dass es in der Zukunft keinen Segen mehr für das Volk Israel geben wird. Im Gegenteil: Ismael hatte zwölf Söhne, und diese Söhne werden Fürsten genannt (V. 12–16). Das bedeutet, dass eine Zeit kommen wird, wo die Söhne Ismaels, die Söhne Israels nach dem Fleische, Fürsten sein werden und wieder teilhaben werden an den Segnungen, die der Herr Jesus erworben hat. Das sind die Gewaltigen, mit denen der Herr Jesus Seine Beute teilen wird (Jes 53,12).
Während dieser Zeit, also zwischen dem Tod Abrahams und der Herrschaft der zwölf Söhne Ismaels, wohnt Isaak bei dem Brunnen Beer-Lachai-Roi. Wie wir gesehen haben, ist das die Zeit zwischen dem Kreuz und der Wiederherstellung Israels, und während dieser Zeit wohnt Isaak bei dem Brunnen und mit ihm verbunden Rebekka. So lernen wir, was nach Gottes Gedanken unser Platz ist, wo auch wir wohnen sollen, wo die Versammlung wohnen soll, verbunden mit Isaak an diesem Platz, an dem Brunnen des Lebendigen, der sich offenbart. Nun die Frage an uns: Wohnen wir bei dem Wort? Leben wir bei dem Wort? Damit meine ich nicht, dass wir eine Bibel zu Hause haben. Sicher ist es auch eine gute Gewohnheit, täglich zwei oder dreimal ein Kapitel aus Gottes Wort zu lesen, aber das ist noch kein Wohnen bei dem Wort Gottes. Wohnen bedeutet, dass wir dort unsere Ruhe finden. Spielt sich unser Leben in Verbindung mit dem Wort Gottes ab? Schöpfen wir aus der Quelle, aus dem Brunnen des Lebendigen, der Sich offenbart? In Johannes 14 spricht der Herr Jesus über Sein Wort. Das sind sehr bedeutende Worte. Er sagt in Vers 21: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Und in Vers 23: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten“, oder, wie die Fußnote sagt, „bewahren“. Das bedeutet nicht, dass wir das Wort Gottes in Händen haben, sondern dass wir es in unseren Herzen bewahren, dass es eine lebendige Wirklichkeit in meinen Gefühlen, in meinem Herzen und in meinem Leben ist. Wodurch können wir beweisen, dass wir den Herrn Jesus lieben? „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Wir können das allein dadurch beweisen, dass wir Seine Gebote bewahren.
Ich unterhielt mich einmal mit einem jungen Mädchen, dessen Eltern mich gebeten hatten, mit ihr zu sprechen. Sie wusste das nicht. Ich fragte sie: „Liebst du deine Eltern?“ Sie antwortete darauf mit „ja“. Ich fragte sie: „Liebst du den Herrn Jesus?“ Wieder antwortete sie mit „ja“. Darauf stellte ich die Frage: „Woran kann ich das erkennen?“ Sie gab keine Antwort. Nach einer Weile sagte ich: „Kann ich das daran erkennen, dass du einen Weg gehst, worüber deine Eltern weinen? Kann ich daran erkennen, dass du sie liebst? Kann ich an deinem Weg, der in völligem Widerspruch zu Gottes Wort steht, erkennen, dass du den Herrn Jesus liebst? Zeige mir doch einmal, woran ich erkennen kann, dass du den Herrn Jesus liebst?!“ Sie hatte darauf keine Antwort, und ich glaube auch nicht, dass sie den Herrn Jesus liebte. Wenn ich sage, dass ich den Herrn liebe, aber mein ganzes Leben in Widerspruch zu Seinem Worte steht und ich mich nicht darum kümmere, was Seine Gedanken sind, kann man dann sagen, dass ich den Herrn Jesus liebe? Könntest du dir ein Mädchen vorstellen, das verlobt ist und sagt: Ich liebe meinen Bräutigam, sich aber überhaupt nicht um ihn kümmert und keinen Augenblick daran denkt, wodurch sie ihm gefallen mag? Glauben wir, dass solch ein Mädchen ihren Bräutigam liebt? Das ist doch unmöglich.
So sagt es der Herr Jesus hier: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Gebote sind deutlich ausgesprochene Dinge in Gottes Wort, die klar zum Ausdruck bringen, was wir tun sollen oder auch nicht tun sollen. Wenn jemand selbst diese Gebote nicht hält, muss man doch die Frage stellen, ob wirklich Liebe vorhanden ist. „Zeige mir deinen Glauben aus deinen Werken“, sagt Jakobus. Glaube ohne Werke ist tot. Liebe, die sich nicht in irgendeiner Weise offenbart, ist nicht vorhanden.
Doch wenn wir Seine Gebote halten, sehen wir, was die Folge sein wird: „Wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbar machen“ (Joh 14,21). Vielleicht gibt es hier Gläubige, die erst seit kurzem bekehrt sind und das Wort Gottes noch nicht so gut kennen. Es gibt doch Gebote des Herrn, die ihr kennt. Wenn ihr diese tut, wird der Herr kommen, um Sich euch zu offenbaren. Er tut das nur bei solchen, die Seine Gebote halten. Wenn der Herr keine Liebe sieht, offenbart Er Sich auch nicht. Diese Liebe können wir nur beweisen, wenn wir Seine Gebote halten. Wenn Er Sich uns dann offenbart, lernen wir Ihn besser kennen, wir lernen Seine Gefühle und Seine Gedanken kennen. Als der Knecht Rebekka fragte, ob sie Isaaks Frau werden wollte, antwortete sie mit „ja“. Doch wieviel wusste sie von ihm? Ja, der Knecht hatte ihr einiges von ihm erzählt. Sie wusste zumindest, dass er der Geliebte des Vaters war. Auch hatte sie etwas von seinen Reichtümern und Herrlichkeiten durch die Schätze gesehen, die der Knecht ihr gezeigt und gegeben hatte. Doch kannte sie das Verlangen und die Wünsche Isaaks? Kaum. Wohl hat der Knecht ihr auf der Reise noch manches von Isaak erzählt. Doch dann kommt der Augenblick, wo Rebekka Isaak vollkommen kennen lernt, auch die Gedanken und Wünsche seines Herzens. So ist es auch bei jedem Gläubigen, der beginnt, den Herrn Jesus kennen zulernen, indem er sich bekehrt und dann das tut, was er in Gottes Wort findet. Dann kommt der Herr Jesus zu ihm und offenbart Sich ihm. Das ist der einzige Weg, auf dem man Ihn besser kennen lernt.
Dann sehen wir ein weiteres Resultat in Vers 24: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten.“ Das Wort geht viel weiter als die Gebote. Gebote sind ausdrückliche Anweisungen, wohingegen das Wort der umfassende Ausdruck der Gedanken des Herrn ist. Auch in unseren menschlichen Verhältnissen, wenn wir an eine Familie denken, besteht doch ein großer Unterschied zwischen dem, was ein Vater gebietet, und dem, was er sagt. Das ist doch kein schönes Familienleben, wo der Vater nichts anderes ausspricht als Gebote. Ein Junge, der seine Eltern Hebt, wird nicht nur fragen: Was hat der Vater geboten? Sondern auch: Womit kann ich meinem Vater und meiner Mutter Freude bereiten? So ist es auch in unserem Verhältnis zu dem Herrn. Wer Ihn aufrichtig liebt, wird auch tun, was nach Seinen Gedanken ist. Sobald Paulus wiedergeboren war, sagte er: „Was soll ich tun, Herr?“ (Apg 22,10). Das ist das Kennzeichen des neuen Lebens, das zu tun, was der Herr wünscht. Wenn wir das verwirklichen, wird der Herr Sich offenbaren, so dass wir Ihn besser kennenlernen, Sein Wort besser kennenlernen und nicht nur Seine Gebote. Das Neue Testament enthält wenig Gebote, denn Gebote sind nicht der Ausdruck eines Verhältnisses der Liebe. Aber das ist doch gerade das Verhältnis zwischen dem Herrn Jesus und uns und zwischen dem Vater und uns. „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir [also der Vater und der Sohn] werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Also der Vater und der Sohn wollen bei uns wohnen. Hier geht es nicht darum, dass wir im Hause des Vaters wohnen werden -das wird in der Zukunft der Fall sein. Nein, schon in dieser Zeit wollen der Vater und der Sohn zu uns kommen, um Wohnung bei uns zu machen. Der Vater kann nur dort auf der Erde wohnen, wo Er Gott sein kann. Und auch der Herr Jesus kann nur dort wohnen und Ruhe finden, wo Er als Herr anerkannt wird. Das ist der Fall, wenn wir Ihn lieben und Sein Wort bewahren.
„Isaak wohnte bei dem Brunnen Lachai-Roi.“ Welch ein wunderbarer Platz ist es, dort zu wohnen, bei dem Brunnen des Lebendigen, der Sich offenbart. Dort, in der unmittelbaren Gegenwart des Herrn Jesus, und dort bei Ihm zu sein. Das bedeutet nicht nur, dass wir sonntags morgens eine Stunde zu Ihm kommen oder auch sonntags nachmittags und vielleicht auch ein oder zwei Abende in der Woche. Dann kommen wir zu Ihm dorthin, wo Er wohnt. Aber Er wohnt bei uns, in unseren Häusern, in unseren Familien. Er wohnt bei uns. Dort findet Er Seine Ruhe in unserer Gegenwart. Welch ein wunderbarer Platz ist das, wo der Herr Jesus täglich nicht nur bei uns ist, sondern wo Er Seine Ruhe findet, wo Er bei uns wohnt und wo auch der Vater Wohnung machen kann.
Das ist nach den Gedanken Gottes der kennzeichnende Platz eines jeden Gläubigen in der heutigen Zeit. Dort lernen wir Ihn kennen. Das ist auch der Ort, von dem wir in 1. Mose 24,63 gelesen haben: „Und Isaak ging aus, um auf dem Felde zu sinnen beim Anbruch des Abends.“ Gottes Wort sagt nicht, worüber Isaak nachsann. Doch muss das ausdrücklich gesagt werden? So spricht das Neue Testament von dem Ausharren des Christus (2. Thes 5; Off 3,10). Er wartet auf uns. Bewahren wir das Wort Seines Ausharrens? Warten auch wir auf den Augenblick, wo Er kommt, um uns zu Sich zu nehmen in die Herrlichkeit, um uns einzuführen in „das Zelt seiner Mutter“ oder, wie wir auch sagen könnten: in das Haus Seines Vaters? Doch Er möchte schon jetzt in uns wohnen, in uns Ruhe finden und Sich uns vollkommen offenbaren, aber das kann Er nur, wenn wir uns aufhalten bei dem Brunnen des Lebendigen, bei dem Wort Gottes, und es in unseren Herzen bewahren. Leben wir, wohnen wir bei dem Brunnen Lachai-Roi?