Da bin ich in ihrer Mitte
3. Die Versammlung als Haus Gottes
Verantwortlichkeit
Hatten wir im vorigen Kapitel die Versammlung als den Leib Christi vor uns, so wollen wir uns jetzt mit ihr als dem Haus Gottes beschäftigen. Es sind dies zwei ganz verschiedene Seiten der Versammlung, die wir nicht miteinander verwechseln sollten. Wie wir gesehen haben, zeigt uns der Leib Christi die innige Vereinigung, in die wir mit dem verherrlichten Christus und untereinander durch die überströmende Gnade Gottes eingetreten sind. Dies ist die himmlische Seite der Versammlung Gottes. Aber sie hat auch eine irdische Seite, und die wird uns im Bild des Hauses Gottes vorgestellt. Mit „irdisch“ meine ich ihre Beziehung zur Erde.
Natürlich ist es auch nur Gnade, ist es ein unbegreifliches Vorrecht, dort zu weilen, wo Gott wohnt; denn wo Gott wohnt, fließt Sein Segen herab und steigt Lobpreis zu Ihm empor. Dennoch (oder: gerade deswegen) ist der Hauptgedanke beim Haus Gottes Verantwortlichkeit:
„auf dass du missest, wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist „(1. Tim 3,15).
Wenn Gott irgendwo wohnt, dann müssen die Dinge dort Ihm entsprechen, dann müssen wir uns, wenn auch wir dort sein dürfen, so verhalten, wie es nach Seinen Gedanken ist; denn „deinem Hause geziemt Heiligkeit, Jehova, auf immerdar“ (Ps 93,5). Heiligkeit ist also der vorherrschende Wesenszug des Hauses Gottes. Das wird durch eine Stelle im Propheten Hesekiel unterstrichen: „Dies ist das Gesetz des Hauses: Auf dem Gipfel des Berges soll sein ganzes Gebiet ringsherum hochheilig sein; siehe, das ist das Gesetz des Hauses“ (Kapitel 43, 12).Die Regeln und die Ordnung für ein Haus werden vom Eigentümer festgelegt. Und legt uns nicht allein die Bezeichnung „Haus Gottes“ dieVerpflichtung nahe, in Seinem Wort nachzuforschen, was die Ordnung Gottes für Sein Haus ist, was die Regeln sind, nach denen alles dort geleitet und geordnet werden soll? Welcher Mensch hätte das Recht, eigene Regeln für das Haus eines anderen, ja für das Haus Gottes aufzustellen? – Der oberste Gedanke beim Haus Gottes ist daher nicht Vorrecht oder Stellung, sondern Verantwortlichkeit.
Wohlbemerkt, es handelt sich beim Haus des lebendigen Gottes um die Versammlung Gottes auf der Erde, weil der Apostel von dem Verhalten in ihr spricht. Die Versammlung ist nicht ein ideelles Gedankengebäude, ist nicht eine mystische, unbestimmte Sache, die gar aus Toten und Lebendigen zusammengesetzt wäre – eine Sache, die man nirgend zu finden wüsste, weil ein Teil davon auf der Erde lebte und ein anderer Teil aus Seelen im Himmel bestünde. Nein, sie ist das Haus Gottes auf der Erde, in dem wir uns in einer dem Hausherrn geziemenden Weise zu verhalten haben.
Ein Bethaus
Ein zweiter, wichtiger Gedanke in Verbindung mit dem Haus Gottes ist Abhängigkeit, die im Gebet zu Gott ihren besonderen Ausdruck findet. Der Herr Jesus hatte schon von dem Tempel in Jerusalem gesagt: „Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Nationen“ (Mk 11,17).Wieviel mehr ist das wahr von der Versammlung, wie uns 1. Timotheus 2 zeigt:
„Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, auf dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst. Denn dieses ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (Verse 1–4).
Das Haus Gottes ist durch Abhängigkeit von Ihm gekennzeichnet; und weil Er der „Heiland-Gott“ ist, will Er, dass Sein Haus ein „Bethaus für alle Nationen“ sei, wo nicht allein Flehen und Gebete für die Belange Seiner Kinder, sondern für die aller Menschen vor Ihn gebracht werden, damit noch viele errettet
werden. Wir kommen später bei der Behandlung des gemeinsamen Gebets auf diese Stelle zurück. Es lag mir jetzt nur daran, diesen zweiten Wesenszug des Hauses Gottes zu erwähnen -Abhängigkeit von Gott Auf weitere Merkmale des Hauses Gottes komme ich im Verlauf dieses Kapitels zu sprechen. Doch wollen wir uns zuerst mit der grundlegenden Frage beschäftigen: Seit wann wohnt Gott auf der Erde?
Wohnen Gottes – Ergebnis der Erlösung
Es ist ein überaus beglückender Gedanke, dass Gott, den der Himmel Himmel nicht fassen können, bei den Menschen wohnen will. Und es ist ein sehr alter Gedanke Gottes – ein Gedanke, der auch bis in die zukünftige Ewigkeit hineinreicht.
Gott wohnte nicht im Garten Eden bei dem unschuldigen Menschen – Er besuchte ihn und verließ ihn dann wieder. Wohl spricht bereits Jakob vom Haus Gottes (1. Mose 28,17), aber Gott wohnte auch nicht bei den Patriarchen – Er erschien ihnen zuweilen, um dann wieder ihren Blicken zu entschwinden. Das alles war Gnade, aber ehe die Erlösung -wenigstens im Vorbild – geschehen war, konnte Gott nicht bei dem Menschen wohnen. Deswegen hören wir nichts von einem Wohnen Gottes im ersten Buch Mose. Erst im zweiten Buch Mose, nachdem das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst war (ein Vorbild unserer Erlösung von der Knechtschaft Satans durch den Tod Christi), sagt Gott zu Mose: „Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich in ihrer Mitte wohne“ (2. Mose 25,8). Erlöst am anderen Ufer des Schilfmeeres stehend, hatte das Volk schon zuvor glaubensvoll gesungen: „Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils, die Stätte, die du, Jehova, zu deiner Wohnung gemacht, das Heiligtum, Herr, das deine Hände bereitet haben“ (2. Mose 15,17).
Während der Haushaltung des Gesetzes wohnte Gott mehr symbolisch und in einer mehr äußeren Weise unter Seinem irdischen Volk, weil das Erlösungswerk Christi noch nicht vollbracht war. Und weil das Gesetz die Grundlage der Regierung Gottes mit Seinem Volk bildete, hatte die Herrlichkeit, die in dem Heiligtum wohnte, richterlichen Charakter. Doch, durch die Sünde des Volkes gezwungen, bewegte sich die Herrlichkeit Gottes fort von dem Volk, wenn auch zögernd, und verließ schließlich das irdische Heiligtum inmitten Israels (Hes 10,18; 11,23).
Dann kam in Gnaden der Herr Jesus auf diese Erde, und in Ihm wohnte die Fülle der Gottheit leibhaftig (Kol 1. 19; 2, 9); aber auch diesen Tempel brachen sie ab (Joh 2,19-21). Dennoch gibt Gott Seine Gedanken nicht auf. Gegründet auf das Erlösungswerk Christi, ist heute die Versammlung der Wohnplatz Gottes auf der Erde. Er wohnt in ihr – wie auch in dem einzelnen Gläubigen – durch die Person des Heiligen Geistes (1. Kor 3,16; 6,19) in einer nie zuvor gekannten Weise Wohl war man schon in Israel mit dem Gedanken einer Wohnung Gottes, eines Hauses Gottes, eines Tempels Gottes vertraut und erfreute sich auf gewisse Weise dieser Vorrechte; aber was neu und der christlichen Haushaltung eigen ist, ist die Anwendung dieser Ausdrücke „Wohnung“, „Haus“ und „Tempel“ direkt auf die Kinder Gottes heute auf Erden. Seit jenem Pfingsttag, als die Jünger in Jerusalem versammelt waren und der Heilige Geist auf sie herabkam und das ganze Haus erfüllte, besteht dieses „geistliche Haus“. Die bis dahin zerstreuten Kinder Gottes wurden an diesem Tag zu der Behausung Gottes zusammengefügt, und Gott nahm Wohnung in dem Haus.
Wenn ich nun darauf zu sprechen komme, was der Herr Jesus selbst zur Verherrlichung Gottes baut, und auf die Vorrechte, die damit für uns verbunden sind, so liegt es mir am Herzen, noch einmal daran zu erinnern, dass zuvor der Tod unseres Herrn und Heilandes nötig war, ehe die Kette Satans brach, ehe es ein Haus Gottes, in dem wir selbst Seine Hausgenossen sein sollten, geben konnte. Mit dem Leib Christi verhält es sich ebenso. Was auch immer die Segnungen sind, die Gott jetzt in überreicher Gnade über uns ausschüttet – sie sind doch nur das Ergebnis des Todes Seines Sohnes, des von Ihm vollbrachten Erlösungswerkes. Das wollen wir bei allen unseren Betrachtungen nicht aus dem Auge verlieren! IHM gebührt die Ehre und die Herrlichkeit bis in alle Ewigkeit, und durch Ihn dem Vater.
Lebendige Steine
Im einleitenden ersten Kapitel erinnerten wir uns schon daran, dass Gott heute „nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind“, wohnt (Apg 17,24). Aus was für „Steinen“ das Haus Gottes besteht, das der Herr Jesus selbst baut und das Er „Seine Versammlung“ nennt (Mt 16,18),macht uns Petrus in seinem ersten Brief auf kostbare Weise klar:
„Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Steine, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, werdet auch ihr selbst, als lebendige Steine, aufgebaut, ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus“ (Kapitel 2, 4 und 5).
Petrus liebt das Wort „lebendig“. Er hatte von dem Herrn Jesus bezeugt, dass Er der Christus sei, „der Sohn des lebendigen Gottes“, und hier redet Er von Christus als einem lebendigen Stein, zu dem die Gläubigen kommen und selbst als lebendige Steine zu einem geistlichen Haus aufgebaut werden. Wie kostbar ist dieser Gedanke! Christus ist ein lebendiger Stein, und wir sind lebendige Steine. Wie wurden wir, die wir einst nur Staub waren (1. Mose 3,19), zu lebendigen Steinen? Indem wir im Glauben zu Ihm kamen (und noch kommen – der griechische Ausdruck beinhaltet das) und die Stimme des Sohnes Gottes hörten (Joh 5,25). Sein Leben ist nun auch unser Leben. Welch ein Bewusstsein von Sicherheit gibt uns das! Gewiss, Er ist von den Menschen verworfen, und auch wir sind es. Bei Gott aber ist Er auserwählt, kostbar; und auch wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten.
Aus solchen „Steinen“ also besteht das geistliche Haus, das Christus baut. Nur solche Steine benutzt Er. Da es Christus selbst ist, der baut, da es Seine Versammlung ist, gibt es in dem, was Er baut, kein lebloses Material, keinen toten Bekenner. Unvollkommenheit und Vergänglichkeit haben dort keinen Platz. Es handelt sich um die Versammlung gemäß dem Ratschluss Gottes. Deswegen werden auch des Hades Pforten sie nicht überwältigen (Mt 16,18).
Aber die Gläubigen sind, wie uns der Nachsatz in Vers 5 zeigt, nicht nur ein geistliches Haus, sondern sie sind auch ein „heiliges Priestertum“, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus. Sie bilden also nicht nur – wenn ich das einmal so ausdrücken darf – den geistlichen Rahmen, wo Gott wohnen kann, ja wo Er wohnt; sondern sie haben das weitere Vorrecht, selbst als Priester dort zu weilen, wo Gott wohnt, um Ihm Anbetung darzubringen. Das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt des geistlichen Hauses. Wir werden auf ihn im zweiten Teil des Buches zurückkommen, wenn wir über das Zusammenkommen zum Brotbrechen sprechen.
Wenn wir eben von einem geistlichen Haus und dann von einem heiligen Priestertum hörten, obwohl es sich um dieselben Personenhandelt, so sei, um das Verstehen zu erleichtern, noch einmal daran erinnert, dass Gottes Wort für unterschiedliche Beziehungen unterschiedliche Bilder benutzt. Das werden wir auch weiterhin finden.
Ein heiliger Tempel im Herrn
Das zuvor Bemerkte führt uns zu einem wichtigen Abschnitt im Epheserbrief:
„Also seid ihr denn nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, indem Jesus Christus selbst Eckstein ist, in welchem der ganze Bau, wohl zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, in welchem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste“ (Kapitel 2, 19–22).
Die Gläubigen aus den Nationen, die einst dem Bürgerrecht Israels entfremdet und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung waren, an denen sie als Heiden keinen Anteil hatten; sie, die einst keine Hoffnung hatten und ohne Gott in der Welt und fern von Ihm lebten (Vers 12),sie sind nun – und wir können mit Freuden „WIR“ sagen –, wir sind durch das Blut des Christus nahe geworden. Glückseliges Teil! Gott hat uns zu Seinen Hausgenossen gemacht, hat jeden einzelnen Gläubigen zu einem Teil dessen gemacht, was Er einen „heiligen Tempel im Herrn“ (oder „heiligen Schrein“)1 nennt und wo Opfer des Lobes und Dankes zu Gott emporsteigen.
Aber noch eines ist bemerkenswert: Dieser Bau wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Wenn es um den Gesichtspunkt dieses Baues als Tempel geht, dann wächst er und ist noch nicht vollendet. Während der Zeit der Gnade zieht Gott immer noch Seelen zum Sohne, und die lebendig gemachten Steine kommen noch immer zu Ihm, und Er baut sie auf. „Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu“ (Apg 2,47). So wächst dieser Tempel. Er ist nicht eher vollendet, bis der letzte Gläubige der Gnadenzeit hinzugefügt und er selbst, dieser heilige Tempel, in der Herrlichkeit ist. Der „Tempel“ umfasst also alle Heiligen von Pfingsten an bis zur Entrückung der Versammlung, wie sie uns in 1. Thessalonicher 4 geschildert wird. Er wird droben in Herrlichkeit gesehen.
Ja, einmal wird die Versammlung vollendet und in der Herrlichkeit Gottes sein. Sie wird immer der Wohnplatz Gottes bleiben und im ewigen Zustand die Hütte Gottes sein, mittels derer Gott bei den Menschen auf der neuen Erde wohnen wird (Off 21,3). Unfassbare Reichweite des Ratschlusses und der Gnade Gottes!
Eine Behausung Gottes
Am Ende von Epheser 2 haben wir noch eine andere Seite des Baues Gottes:
„in welchem (d.i. im Herrn) auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste“ (Vers 22).
„Behausung Gottes im Geiste“ – das ist, was die Versammlung jetzt ist, auf dieser Erde. Welch ein großes Vorrecht ist es, dass die Gläubigen, die jetzt auf der Erde leben, die Behausung Gottes bilden dürfen, in der Gott durch Seinen Geist wohnt!
Das griechische Wort für „Behausung“ (katoiketerion) setzt sich aus zwei Wörtern zusammen, die „Bewohner“ und „Haus“ bedeuten und noch von einer Vorsilbe verstärkt werden, so dass seine Bedeutung mit „Wohnung“ oder „Wohnstätte“ wiedergegeben werden kann. Nun mag manchem der Unterschied zwischen Wohnung und Haus gering erscheinen, aber er ist vorhanden. Ein Haus ist eine Wohnstätte, aber nicht jede Wohnstätte ist notwendigerweise ein Haus. Wenn die Schrift vom „Haus Gottes“ spricht, dann weist sie uns, wie eingangs dieses Kapitels erwähnt, auf unsere Verantwortlichkeit hin. So lesen wir im Hebräerbrief: „Dessen Haus“ (Gottes Haus) „wir sind, wenn wir anders die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten“ (Kapitel 3, 6). Sie würden durch ihre Standhaftigkeit beweisen, dass sie wirklich Teil vom Haus Gottes waren. Auch Petrus erinnert die Gläubigen aus der Beschneidung daran, dass das Gericht am Haus Gottes anfängt, und fährt fort: „Wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen“ (1. Pet 4,17). Über die Verpflichtung, sich im Haus Gottes recht zu verhalten, sprach ich schon (1. Tim 3,15). All diese Stellen liegen auf der Linie der Verantwortlichkeit des Menschen.
Wenn aber Paulus in obiger Stelle von der „Wohnstätte Gottes“ spricht, dann will er uns die Vorrechte derer vorstellen, die sie bilden dürfen. Es ist eine außerordentliche Segnung, die für uns aus dieser Nähe zu Gott hervorfließt. Haben wir immer das Bewusstsein, dass wir die Behausung Gottes sind? Wie könnten wir dann Sein Heiligtum durch falsche Lehre oder ungeziemenden Wandel beflecken?
Diese Behausung, diese Wohnung Gottes ist zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens auf der Erde vollständig, fertig. Alle Kinder Gottes zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der Erde bilden sie. Wir müssen uns nicht vorstellen, dass Gott in einem halbfertigen Haus wohnt. Aber wo Gott wohnt, da ist der Ort des Segens, und von dort geht das Licht des Zeugnisses in diese Welt aus.
Das Bauen des Menschen
Bisher haben wir von verschiedenen Seiten das betrachtet, was der Herr Jesus baut und was daher vollkommen und von absoluter Stabilität ist: Selbst des Hades Pforten werden die Versammlung nicht überwältigen. Von keinem anderen „Baumeister“, von keinem anderen menschlichen Werkzeug war bisher je die Rede. Aber es gibt in der Schrift auch ein anderes Bauen am Hause Gottes, das der Verantwortlichkeit der Menschen unterworfen ist. Davon redet der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief:
„Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr. Nach der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer aber baut darauf; ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, köstliche Steine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer geoffenbart wird; und welcherlei das Werk eines jeden ist, wird das Feuer bewähren“ (Kapitel 3, 9–13).
Hier ist es der Mensch, der unter dem Auge Gottes und in der Verantwortlichkeit vor Ihm an Gottes Bau arbeitet. Auch das ist eine sehr wichtige Seite des Hauses Gottes, die wir gut verstehen und von dem Haus Gottes, wie Christus es baut, unterscheiden müssen, um vor Irrtümern bewahrt zu bleiben. Paulus hatte in Korinth die Grundlage zum Bau Gottes dort gelegt, und diese Grundlage war Christus. Er war ein weiser Baumeister gewesen, denn er hatte ihnen Christus, und Ihn allein gebracht. Aber es mochte andere Arbeiter geben, die nicht edle Materialien, sondern Holz, Heu und Stroh verwenden würden.
Ich glaube nicht, dass „Gold, Silber, köstliche Steine“ einerseits direkt Gläubige und „Holz, Heu, Stroh“ andererseits direkt Ungläubige bezeichnen, die dem Haus hinzugefügt werden. Es mag dahin führen, ist aber nicht der erste Gedanke des Apostels. Das Bauen mit köstlichen Materialien scheint vielmehr auf die Anwendung von gesunder, apostolischer Lehre und schriftgemäßen Belehrungen hinzuweisen, mit denen die guten Arbeiter den Seelen in Gott wohlgefälliger Weise dienen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen werden dem prüfenden Feuer Gottes am Tag des Gerichts ebenso standhalten wie diejenigen, die durch sie gebildet worden sind. Denn die Belehrung beeinflusst und formt die Herzen der Menschen – gute Lehre zum Guten, böse Lehre zum Bösen.
An dieser Stelle ist also von dem Dienst der Arbeiter die Rede – wie, womit sie bauen. Verwendet jemand wertlose Stoffe zum Bauen, das heißt, arbeitet er auf dem gelegten Grund weiter mit dem Stroh eitler Gedankengänge und menschlicher Weisheit, wie die fleischlichen Korinther sie liebten, so wird er am Tag des Gerichts von seiner Arbeit nichts wiederfinden, wenn er selbst auch wie durchs Feuer gerettet werden mag (Vers 15), weil er ein wirkliches Kind Gottes war. Dass es in unserem Abschnitt in erster Linie um die Lehre geht, die jemand bringt, untermauert der 17. Vers: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben.“ Es mochte dahin kommen, dass ein Ungläubiger verderbliche Lehren einführte und dadurch den Tempel Gottes verdarb, indem er die Grundlagen des Christentums zerstörte. Er würde nicht nur keinen Lohn bekommen, sondern selbst verlorengehen.
Durch die Einführung falscher Lehren sind auch falsche Menschen, die Produkte dieser Lehren, in die Kirche hineingekommen. Wenn auch Simon, der Zauberer, in Apostelgeschichte 8 nicht direkt ein Ergebnis falscher „christlicher“ Lehre war, so war er doch einer von diesen falschen Menschen; und als er getauft wurde, da wurde – wohl zum ersten Mal in der Geschichte der christlichen Kirche – ein lebloser Bekenner getauft und auf diese Weise dem Haus Gottes in seinem äußeren Aspekt hinzugefügt. Spätestens seit jenem Augenblick ist das äußere Haus Gottes dem Umfang nach größer als der Leib Christi, der keine toten Glieder kennt. Bis dahin waren beide deckungsgleich, wenn sie auch nicht dasselbe bedeuten.
Ach, dass sich doch jeder Diener des Herrn prüfte, wie er baut! Welch ein Segen Gottes ist es, wenn den Menschen die klare Lehre des Wortes Gottes gebracht wird! Und welch ein Unheil, wenn die Seelen mit hohlen Worten menschlicher Gelehrsamkeit und mit den Meinungen und Einbildungen der Menschen abgespeist und betrogen werden! Wie verhängnisvoll für die Zuhörer, wenn dem, was menschlich, irdisch und vergänglich ist, der Stempel des Göttlichen (Gold), der Erlösung (Silber), des vor Gott Beständigen (köstliche Steine) aufgedrückt wird! Wie ernst dieses Wort: „Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut!“
Herr, Dein Wort ist allgewaltig,
wunderbar und mannigfaltig;
sonst ist ja kein Licht vorhanden,
fremde Lehre macht zuschanden.
Deine Wahrheit, Deine Gnade
leiten uns auf rechtem Pfade.
Echter Glaube, wahres Lieben
hat den Grund „Es steht geschrieben“.
Die schon früh einsetzende traurige Entwicklung, dass unter der Verantwortung des Menschen dem Haus Gottes in seiner äußeren Darstellung als Bekenntnis zum Christentum immer mehr tote Steine, leblose Bekenner, zugefügt wurden, hat sich im Lauf der Zeit rasch fortgesetzt. Am Ende seines Lebens redet Paulus in seinem zweiten Brief an Timotheus daher nicht mehr von einem „Haus Gottes“, sondern er vergleicht das christliche Bekenntnis nur noch mit einem „großen Haus“, das Gefäße zur Ehre und Gefäße zur Unehre enthält. Das ist das bestürzende Ergebnis dessen, was der Mensch baut. Was der treue Gläubige in solchen Zeiten zu tun hat, welche Hilfsquellen ihm inmitten des Verfalls zur Verfügung stehen, soll uns am Ende des Buches beschäftigen.
Fußnoten
- 1 Ich möchte hier auf den besonderen Ausdruck hinweisen, den der Heilige Geist in Verbindung mit der Versammlung als dem Tempel verwendet. Während an sehr vielen Stellen des Neuen Testaments für Tempel das griechische Wort hieran gebraucht wird (es bezeichnet den äußeren Bereich und die Gebäude des Tempels, 1 a. des jüdischen Tempels), wird in Epheser 4, Vers 21, das griechische Wort naós benutzt, das das innere Heiligtum des Tempels beschreibt. Dieses Wort wird u.a. auch für den Leib des Herrn Jesus (Joh 2,19.21), für eine örtliche Versammlung (1. Kor 3,16.17; 2. Kor 6,16) und für den Körper des einzelnen Gläubigen (1. Kor 6,19) verwendet. In der heidnischen Welt war dieses Wort nicht unbekannt. Es bezeichnete dort ein götzendienerisches Heiligtum, den sog. Schrein, der den eigentlichen Götzen enthielt (vgl. Apg 17,24,19,24) Auch der zukünftige Tempel von 2. Thessalonicher 2, Vers 4, der Sitz des Menschen der Sünde, wird mit diesem Wort beschrieben. Und wenn in Offenbarung 21, Vers 22, gesagt wird, dass in dem neuen und himmlischen Jerusalem kern Tempel gesehen wurde, weil der Herr, Gott, der Allmächtige, ihr Tempel sei und das Lamm, dann steht auch dort das Wort naós.