König – Priester – Richter
Messianische Herrlichkeiten in Psalm 110
Teil 5: Christus als der Demütige und Erhabene (Vers 7)
Vers 7: Auf dem Weg wird er trinken aus dem Bach, darum wird er das Haupt erheben.
Der letzte Vers dieses Psalms stellt die Ausleger vor gewisse Schwierigkeiten. Das betrifft besonders die erste Satzaussage. Man fragt sich, worauf sich die Aussage bezieht. Die Erklärungen dazu sind unterschiedlich. Das Ende hingegen zeigt noch einmal deutlich den Vorrang des Messias. Er wird das Haupt erheben und Haupt über alles sein (Eph 1,22).
Auf dem Weg wird Er trinken aus dem Bach
Hier ist die Rede von einem Weg und von einem Bach, aus dem Christus trinken wird. Dazu gibt es im Wesentlichen drei Erklärungen:
- Es geht um den Richter Christus, der seinen Weg im Gericht über alle Feinde (Könige und Nationen) geht. Auf diesem Weg des Gerichts wird Er erquickt und erfrischt. So lässt Er nicht nach, das Gericht bis zum Ende zu vollziehen. Weil Wasser an einigen Stellen in der Bibel ein Bild vom Heiligen Geist ist, können wir daran denken, dass der Herr, indem Er das Gericht ausübt, vom Heilligen Geist gestärkt wird.
- Es geht um einen Rückblick auf das Erdenleben des Herrn. Er hat sich selbst erniedrigt, aber ist von Gott auf diesem Weg der Erniedrigung erfrischt worden. Die Antwort Gottes darauf ist seine Erhöhung, indem Er das Haupt erhebt. N. Darby schreibt dazu: „Der letzte Vers zeigt die Vollkommenheit Christi in diesem Geist der Abhängigkeit auf dem Weg, dem Weg, auf dem wir Ihm folgen müssen, wenn wir im neuen Menschen wandeln; froh über die Erquickungen Gottes, aber abhängig von ihnen und sie so nehmend, wie sie gefunden werden, das heißt, wie Gott selbst sie auf dem Weg gibt – der Geist der demütigen Abhängigkeit.“1 Zu keinem Zeitpunkt war Er durch seine Leiden, die Er erduldete, entmutigt. Immer wurde Er an der Quelle der Gemeinschaft mit seinem Vater erquickt und gestärkt. Aber nicht nur das. Gott sorgte dafür, dass es auf seinem Weg immer wieder Ermutigung durch Menschen gab, die Ihn erquickten. Er erfreute sich dankbar an allen Erfrischungen, die der Vater Ihm auf seinem Weg auf der Erde gab. Beispiele für solche Situationen, wo Er aus dem Bach trank, sind die Begegnungen mit der Frau am Jakobsbrunnen (Joh 4) oder die Situation, als Maria von Bethanien Ihn im Vorhinein zum Begräbnis salbte (Joh 12).
Es beindruckt uns, dass der Herr Jesus als Sohn des Menschen damals keinen Ort hatte, „wo er das Haupt hinlegen“ konnte (Mt 8,20). Es beeindruckt uns, dass wir Menschen Ihm eine Krone aus Dornen auf das Haupt setzten und mit einem Rohrstab auf dieses heilige Haupt schlugen (Mt 27,29). Es beeindruckt uns, dass Er schließlich am Kreuz das edle Haupt neigte und den Geist übergab (Joh 19,30). - Es geht um Christus im Tod. Das Trinken aus dem Bach wird mit dem Sterben des Herrn verbunden (vgl. Ps 18,5.6). Seine Erniedrigung ging so weit, dass Er sein Leben ausgeschüttet hat in den Tod und dann von Gott erhöht worden ist. Der Weg des Messias an den höchsten Platz führte Ihn zuerst „in die unteren Teile der Erde“ (Eph 4,9). Er stieg hinab in die tiefste Tiefe und versank in den Strömen des Todes (Ps 18,5). Dort hat Er „den Tod geschmeckt“ (Heb 2,9).
Es ist schwierig zu entscheiden, welche Erklärung richtig ist. Mir scheint es am plausibelsten zu sein, an das Leben des Herrn in Niedrigkeit zu denken. Der Psalm beginnt mit der Erhöhung des Herrn. Er beschreibt seine Herrlichkeit als König, als Prophet und Richter. Er schließt mit der Vorrangstellung des „Herrn der Herren“ und „Königs der Könige“. Doch bevor das im letzten Satz gezeigt wird, weist der Geist Gottes noch einmal zurück auf das, was Ihn betraf, als Er zum ersten Mal auf die Erde kam.
Darum wird Er das Haupt erheben
Das Haupt zu erheben ist hier eine öffentliche Geste des Triumphs und der Überlegenheit nach dem Sieg über seine Feinde. Der Ausdruck bedeutet auch, dass jemand ausgezeichnet und ihm Ehre erwiesen wird.
Im Zusammenhang des Psalms kann man das erstens auf seine Auferstehung und sein Sitzen zur Rechten Gottes beziehen (Vers 1). Dort sehen wir Ihn nach seinem Sieg vom Kreuz mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Zweitens – und das könnte der Hauptpunkt sein – denken wir an den Zeitpunkt, wo Er alle anderen Häupter gerichtet haben wird. Derjenige, der einmal auf der Erde der vollkommen abhängige Mensch war, wird das erhabene Haupt über alle sein. Hier heißt es nicht, dass Er (von Gott) erhöht wird, sondern dass Er selbst das Haupt erhebt. Er ist Gott und deshalb kann Er das tun.
H. Smith schreibt: „Er ist derjenige, der auf dem Weg aus dem Bach getrunken hat. Am Tag seiner Erniedrigung, als der abhängige Mensch, nahm Er an der Barmherzigkeit teil, die Gott auf dem Weg bereitstellte… Er beugte sich, um der abhängige Mensch zu sein; deshalb wird Er der erhabene Mensch sein, der das Haupt über alle anderen Häupter erheben wird. Er wird der König der Könige und der Herr der Herren sein.“2
Die Schlussfolgerung erfreut unsere Herzen. Christus erhebt das Haupt. Er, der einmal auf der Erde den niedrigsten Platz einnahm, wird auf derselben Erde den höchsten Platz haben. Er ist jetzt schon „Haupt über alles“, und einmal wird das sichtbar sein (Eph 1,22). Im 1000-jährigen Reich wird Gott „alles unter ein Haupt zusammenbringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist, in ihm“ (Eph 1,10).
Was in Psalm 110 nicht steht, zeigt uns das Neue Testament. In dem Charakter als „Haupt über alles“ ist Christus „der Versammlung gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Eph 1,22.23). Und in Ihm haben wir ein Erbteil bekommen (Eph 1,11). Christus herrscht nicht allein, sondern wir mit Ihm. Wer sich heute – in der Zeit seiner Ablehnung – zu Christus bekennt, steht auf der Seite des Siegers.
A. C. Gaebelein schreibt: „Dieser Abschnitt spricht einmal mehr von der Erniedrigung und Erhöhung unseres Herrn … Er trank von den tiefen Wassern des Leidens und des Todes, und darum hat Gott Ihn hoch erhöht. Welch wunderbarer Psalm ist das! Die Erhöhung Christi zur Rechten Gottes; sein kommender Triumph als König und Priester; mit Ihm sein irdisches Volk in heiligem Schmuck und sein vollständiger Sieg über alle Feinde … Wenn Er kommt, um sein Erbe in Besitz zu nehmen, werden wir mit Ihm kommen. Er wird uns mit sich führen in einer Herrlichkeit, welche die irdische Herrlichkeit Israels überstrahlt, und Er wird an jenem Tag bewundert und verherrlicht werden in denen, die geglaubt haben. So wie Er auf dem Weg aus dem Bach trank, so können auch wir in einem gewissen Maß trinken. Und wenn wir mit Ihm leiden, werden wir auch mit Ihm verherrlicht werden.“3
Fußnoten