König – Priester – Richter
Messianische Herrlichkeiten in Psalm 110

Teil 1: Die Erhöhung des Messias zur Rechten des Herrn (Vers 1)

Vers 1: Von David, ein Psalm. Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!

Der Psalm beginnt mit einer sehr weitgehenden Aussage. Wir lernen drei Dinge:

  1. Der Sohn Davids (der Messias) ist niemand anderes als der Herr (Adon).
  2. Der Sohn Davids sitzt jetzt zur Rechten Gottes (des Herrn).
  3. Der Zeitpunkt kommt, an dem Gott dem Messias seine Feinde unterwerfen wird.

Allein dieser Vers wird im Neuen Testament siebenmal angeführt (Mt 22,44; Mk 12,36; Lk 20,42; Apg 2,34; 1. Kor 15,25; Heb 1,3.13). Es lohnt sich also, gründlich darüber nachzudenken.

Von David, ein Psalm

Ein Psalm ist ein Loblied, ein Lobpreis oder ein Gesang (wörtlich: Saiten zupfen, zur Laute singen). David (der Geliebte oder Liebende) hat diesen Gesang geschrieben.1 Der Psalm handelt jedoch nicht vonDavid, sondern David weissagt – geleitet vom Heiligen Geist – über den wahren David, den Christus Gottes (den geliebten Sohn des Vaters). In vielen Psalmen ist David ein Bild (Typus) auf Christus. In diesem Psalm ist das anders. Unmöglich können die Aussagen dieses Psalms auf David zutreffen. Er hat nie zur Rechten Gottes gesessen und ist nie Priester gewesen. Psalm 110 ist – wie Psalm 22 – einer der Psalmen, in denen David deutlich von Christus zu unterscheiden ist. Petrus sagt das in seiner Ansprache an die Juden eindeutig: „Denn nicht David ist in die Himmel aufgefahren; er sagt aber selbst: Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten“ (Apg 2,34).

Alle Psalmen sind vom Heiligen Geist inspiriert, sonst wären sie nicht Teil des Wortes Gottes. Im Blick auf Psalm 110 wird das sogar ausdrücklich von unserem Herrn bestätigt. Er sagt den Pharisäern: „Wie nennt David ihn denn im Geist Herr?“ (Mt 22,43). Die Parallelstelle in Markus 12,36 bestätigt, dass damit der Heilige Geist gemeint ist. Dort sagt der Herr ausdrücklich: „David selbst hat in dem Heiligen Geist gesagt“.

Der Herr sprach

Gemeint ist ein „Spruch“ oder ein „Orakel“. Es ist ein Ausdruck, den wir häufig in den Büchern der Propheten finden (allein bei Jeremia über 150-mal). In den Psalmen ist das anders. Nur Psalm 110 gebraucht diese Formulierung im Blick auf das Reden Gottes.2 Das unterstreicht, dass es sich hier um eine direkte Prophezeiung auf den Messias handelt. Der Prophet ist David, der als Sprachrohr Gottes fungiert. Er sagt an anderer Stelle von sich selbst: „Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge“ (2. Sam 23,2). Petrus bezeichnet David ausdrücklich als Propheten (und bezieht sich dabei auf Psalm 16,8-11): „Da er nun ein Prophet war …, hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus geredet“ (Apg 2,30.31).

Der Herr sprach zu meinem Herrn

Um diesen Satz richtig zu verstehen, müssen wir zwei Personen unterscheiden. Es ist der Herr (Jahwe), der zu dem Herrn (Adon) Davids spricht. Neutestamentlich können wir sagen, dass Gott (der Vater) zu seinem Sohn (Christus) spricht. Das Zitat des Verses in Hebräer 1,13 macht das klar. Das war natürlich im Alten Testament nicht bekannt. Doch im Licht des Neuen Testamentes sind wir dankbar, gewürdigt zu sein, zu hören, was der Vater zu dem Sohn sagt.

Der Herr (Jahwe) weist ohne jede Frage auf den Bundesgott Israels hin. Es ist der ewig Unveränderliche, der sich Mose als der „Ich bin, der ich bin“ vorgestellt hatte (2. Mo 3,14). Der Name Herr bedeutet, dass Er sich nicht verändert (Mal 3,6). Zugleich verbirgt sich hinter diesem Namen der Gedanke, dass der „Ich bin“ ein lebhaftes Interesse an einer Beziehung zu Menschen hat (2. Mo 6,7).3

Das zweite Wort „Herr“ (im Text immer ohne Kapitälchen) ist hier die Übersetzung des hebräischen „Adon“. Es bedeutet „Herrscher“ oder „Meister“ und bezeichnet jemand, der Autorität hat. Obwohl es – in der Einzahlform – nicht ausschließlich für göttliche Personen verwendet wird, ist dies doch an vielen Stellen der Fall.4 So auch hier. Wenn das Wort für Gott benutzt wird, spricht es von seiner allmächtigen Herrschaft. Gott ist „der Herr der ganzen Erde“ (Jos 3,11; Sach 4,14).

David spricht also von seinem Herrn. Er selbst war König über Israel und hatte insofern keinen menschlichen „Gebieter“ über sich. Bei anderen Psalmdichtern war das anders. Asaph z. B. war der Chorleiter Davids. Er hat 12 Psalmen gedichtet. Wenn er von seinem Herrn (Adon) gesprochen hätte, könnte man an seinen irdischen Herrn – David – denken. Bei David ist das anders. Sein Herr (Gebieter) kann nur Gott sein. Eine Alternative gibt es nicht.

Wir können die Aussage nur so verstehen, dass Gott (Jahwe) mit Gott (dem Herrn) spricht. Es ist fraglich, ob David das wirklich in der Tiefe verstanden hat oder nicht. Er mag es jedoch geahnt und im Glauben angenommen haben. Jedenfalls wurde er vom Geist geleitet, es so zu schreiben, und im Licht des Neuen Testaments verstehen wir gut, was gemeint ist: Gott spricht mit dem Herrn Jesus, der selbst Gott ist.

Alle drei synoptischen Evangelien berichten davon, wie der Herr die Pharisäer in Jerusalem über den Messias befragt (Mt 22,41-46; Mk 12,35-37; Lk 20,41-44). Sie antworten richtig, dass Er der Sohn Davids sei. Doch dann beweist der Herr gerade anhand dieser Aussage, dass der Messias nicht nur der SohnDavids, sondern zugleich sein Herr (Gebieter) ist. Das ist nur möglich, wenn der Herr Davids – der Messias – sowohl Gott als auch Mensch ist. Er ist die „Wurzel und das Geschlecht Davids“ (Off 22,16), d. h. Ursprung (Gott) und Nachkomme (Geschlecht) gleichzeitig. Der Herr ist Gott und Mensch in einer Person. Das können wir nicht verstehen, denn „niemand erkennt den Sohn als nur der Vater“ (Mt 11,27), aber wir werden dieses Wunder ewig anbeten.

Die Pharisäer wollten das nicht akzeptieren, obwohl der Beweis eindeutig ist. Sie kannten die Schriften und mussten aus Psalm 2 wissen, dass der Messias (der Gesalbte) der Sohn Gottes war (Ps 2,7). Sie kannten Psalm 8 und mussten wissen, dass der Sohn des Menschen (der niemand anderes als der Messias war) einmal über alle Werke der Hand Gottes regieren würde.5 Er würde also größer sein als David. Das Alte Testament zeigt also einerseits, dass der Messias der Sohn Davids ist, und andererseits, dass Er der Herr Davids (und damit Gott) ist. Dennoch kam es für sie nicht in Frage zu akzeptieren, dass diese Aussagen auf den Menschen Jesus zutrafen, der vor ihnen stand. Deshalb gaben sie Ihm keine Antwort. Sie wollten Ihn nicht akzeptieren. Und deshalb lässt der Herr ihnen gegenüber die Frage ebenfalls offen.

Für den, der glaubt, ist der Sachverhalt jedoch nicht schwierig. Jesus Christus ist Gott und Mensch in einer Person. Hier wird also bereits im Alten Testament – in verhüllter Weise – auf das große Geheimnis angespielt, dass Gott in Christus Mensch wurde und dass der Sohn Davids deshalb zugleich sein Herr war. Er ist Gottes Sohn und deshalb Davids Herr. Das ist eine seiner großen Herrlichkeiten.

Setze dich zu meiner Rechten

Diese Aufforderung richtet sich an den Herrn Davids, den Messias. Es ist eine persönliche Aufforderung. Niemals vorher ist jemand dazu aufgefordert worden und nie mehr wird jemand aufgefordert werden, sich zur Rechten Gottes zu setzen. Das ist ein Platz, der nur Christus zukommt und niemand anderem. Auch darin muss Er den Vorrang haben (Kol 1,18). Es ist eine weitere Herrlichkeit unseres Herrn.

Die Aussage müssen wir gut verstehen. Im Licht des Neuen Testamentes setzt sie erstens voraus, dass der Sohn Gottes Mensch geworden ist. Nur dem Menschen Christus Jesus kann das gesagt werden (Gott kann nicht aufgefordert werden, etwas zu tun). Sie setzt zweitens voraus, dass das Werk vom Kreuz geschehen und Christus siegreich auferstanden ist. Denn nur so konnte Er diesen Platz einnehmen (vgl. Heb 10,12).

Fragen wir uns nun, was der Platz „zur Rechten“ bedeutet. Es ist klar, dass es nicht um einen geographischen Ort geht. Gott möchte uns zeigen, was es bedeutet, dass Christus im Himmel „von Gott begrüßt“ wurde (Heb 5,10). Der Platz zur Rechten beinhaltet vor allem vier Dinge:

  1. Es ist ein Platz besonderer bzw. höchster Ehre. Man ehrt einen anderen damit, dass man ihm den Platz an der rechten Seite gibt (vgl. 1. Kön 2,19; Ps 45,10). Gott ehrt also den Messias, indem Er Ihm diesen Platz zu seiner Rechten gibt.
  1. Es ist ein Platz besonderer und größter Macht (vgl. Lk, 22,69; Eph 1,20.21). Die Macht, die Christus hat, ist über jede Macht erhaben. Ihm ist alle Gewalt gegeben, im Himmel und auf der Erde (Mt 28,18). Wir wissen das heute schon. Die Welt wird es einmal erfahren.
  1. Es ist ein Platz besonderer und größter Herrlichkeit. Das zeigt Hebräer 1,3. Es ist ein Platz zur „Rechten der Majestät in der Höhe“, der über jeden anderen Platz erhaben ist. Die Person, die sich auf diesem Platz befindet, ist höher und herrlicher als ein Geschöpf6 je sein könnte. Gott hat Ihn mit „Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,7.9).
  1. Es ist ein Platz besonderer und größter Segnungen, die Christus jetzt genießt. „Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar“ (Ps 16,11). In seiner Rede in Apostelgeschichte 2 verbindet Petrus Psalm 16,11 direkt mit Ps 110,1.

Das Neue Testament zeigt uns mit allem Nachdruck, dass Christus diesen Platz nach vollbrachtem Werk eingenommen hat.

  • In den Evangelien wird es siebenmal gesagt (Mt 22,44; 26,64; Mk 12,36; 14,62; 16,19; Lk 20,42; 22,69).
  • In der Apostelgeschichte wird es viermal in drei Begebenheiten erwähnt (Apg 2,33.34; 5,31; 7,55.56).
  • In den Briefen an die Römer, die Epheser und die Kolosser wird es je einmal gesagt (Röm 8,34; Eph 1,20; Kol 3,1).
  • Der Hebräerbrief spricht fünfmal in vier Abschnitten davon (Heb 1,3.13; 8,1; 10,12; 12,2).
  • Petrus spricht einmal davon (1. Pet 3,22).

Dabei fällt auf, dass zwei Unterschiede gemacht werden:

  • Der erste Unterschied liegt darin, wie Christus an diesen Platz gekommen Manchmal liegt der Schwerpunkt darauf, dass Er sich selbst gesetzt hat. Manchmal ist es der Vater, der Ihm diesen Platz gibt. Beides ist gleichzeitig wahr, weil Er Gott und Mensch in einer Person ist.
  1. Als Sohn Gottes hat Er sich selbst gesetzt (z. B. Mk 16,19Heb 1,3; 8,1; 10,11.12; 12,2Off 3,21). Er selbst ist hier derjenige, der etwas tut (Er setzt sich).
  2. Als wahrer Mensch wurde Er von Gott dorthin gesetzt (z. B. Ps 110,1Mt 22,44Mk 12,36Lk 20,42; Apg 2,34.35Eph 1,20Heb 1,13). Hier ist Gott derjenige, der handelt (Er setzt Ihn dorthin).

Noch andere Stellen weisen einfach auf den Umstand hin, dass Er diesen Platz hat, ohne dabei im Detail anzugeben, ob Er sich selbst setzte oder ob der Vater Ihn gesetzt hat (z. B. Mt 26,64; Mk 14,62; Lk 22,69; Röm 8,34; Kol 3,1; 1. Pet 3,22). Der Schwerpunkt liegt einfach auf der Tatsache, dass Er diesen Platz hat und welche Konsequenzen damit für den Gläubigen und auch für die Welt verbunden sind.

  • Der zweite Unterschied liegt darin, wie Christus diesen Platz einnimmt. Wir lesen meistens davon, dass Er sich dort gesetzt Allerdings gibt es auch Stellen, die zeigen, dass Er dort steht oder dass Er einfach dort ist. Beides ist wahr, es kommt auf den jeweiligen Blickwinkel an.
  1. Die Tatsache, dass Er dort sitzt, zeigt, dass das Werk vom Kreuz vollbracht und ihm nichts mehr hinzuzufügen ist (Heb 10,12). Jeder Priester im Alten Bund vollführte seinen Dienst stehend. Christus hingegen hat sich gesetzt.7
  2. Die Tatsache, dass Stephanus Ihn dort stehend sah, weist darauf hin, dass Er zu diesem Zeitpunkt noch in innerer Bereitschaft war, seinem Volk „Zeiten der Erquickung“ zukommen zu lassen, wenn sie Ihn nur angenommen hätten (Apg 3,20).8

Es lohnt sich, dieses Thema zu vertiefen, denn es gibt uns erstens die richtige Ausrichtung auf das Ziel und hilft uns, auf das zu sinnen, „was droben“ ist (Kol 3,1.2). Zweitens ist der Blick nach oben auf den verherrlichten Herrn zur Rechten Gottes eine enorme Quelle der Kraft für uns. Durch den Blick auf den verherrlichten Christus zur Rechten Gottes bekommen wir die nötige Kraft, um Christus hier auf der Erde nachfolgen zu können. Ein Beispiel dafür ist Stephanus, der voll Heiligen Geistes nach oben blickte und Jesus zur Rechten Gottes stehen sah. Anschließend hatte er die Kraft, in seiner Gesinnung zu reagieren (Apg 7,54-60).

In unserem Vers liegt der Schwerpunkt darauf, dass Gott Ihm diesen Platz gibt und Er sich gesetzt hat. Gott schätzt das Werk seines Sohnes so sehr, dass Er Ihm diesen Ehrenplatz gibt. Menschen verachteten Ihn und gaben Ihm den niedrigsten Platz an einem Kreuz. Nachdem die Menschen ihren Hass am deutlichsten an dem erwiesen hatten, der in Liebe zu ihnen gekommen war, sagt Gott jetzt: „Setze dich zu meiner Rechten.“ Er gibt Ihm den Platz der höchsten Ehre, Macht, Herrlichkeit und Segnung zu seiner Rechten. Aus „Benoni“ (Sohn meiner Not, Sohn meines Schmerzes) wurde „Benjamin“ (Sohn meiner rechten Hand oder Sohn des Glücks) (1. Mo 35,18). Aus dem Mann der Schmerzen wird der Mann der Herrlichkeit.

Der Kontrast zwischen dem Platz, den Gott Ihm gibt, und dem, den die Menschen Ihm gaben (und in ihren Herzen immer noch geben), könnte nicht größer sein. Wir Menschen haben Ihn verraten, misshandelt, als Gottlosen verurteilt und am Kreuz ermordet. Er hingegen übergab sich dem, der gerecht richtet (1. Pet 2,23). Deshalb hat Gott „seinen Knecht Jesus“ verherrlicht, indem Er Ihn erhöhte und Ihm den Ehrenplatz zu seiner Rechten gab (Apg 3,13).

Die Tatsache, dass Gott das tat, unterstreicht mit Nachdruck, dass

  • Gott sein Werk angekommen hat (Heb 10,11-13),
  • Jesus „Herr und Christus“ ist (Apg 2,36),
  • der Sohn Davids größer ist als David (Apg 2,34),
  • Er größer ist als jeder Engel (Heb 1,13),
  • wir einmal bei Ihm sein werden (Heb 6,20).

Bis ich deine Feinde hinlege

Es ist eine große Ermutigung, daran zu denken, dass Er jetzt auf dem Thron seines Vaters sitzt. Diesen Platz teilt Er mit niemand. Doch Er hat auch seinen eigenen Thron, den Er einmal mit uns teilen wird (Off 3,21). Das ist noch zukünftig. Als der Herr als niedriger Mensch auf der Erde war, wartete Er darauf, dass Gott sein Gebet beantwortete und Ihn aufnahm in Herrlichkeit. Jetzt wartet Er auf einen anderen Moment. Hebräer 10 sagt uns, dass Er sich gesetzt hat zur Rechten Gottes, „fortan wartend, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße“ (Heb 10,12.13). Das eine hat sich erfüllt, das andere wird sich ganz sicher erfüllen.

Wir haben hier das, was andere Ausleger „den großen Einschub“ nennen. Es ist das gegenwärtige Zeitalter der Versammlung (Gemeinde), das von Pfingsten bis zur Entrückung geht. Diese Zeit ist im Alten Testament thematisch ausgeklammert. Sie wird lediglich hier und da angedeutet, aber nicht näher beschrieben. Eine solche Stelle haben wir hier, denn es ist offensichtlich, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Satzteil, eine gewisse – nicht näher definierte – Zeitspanne vergehen muss.9 Christus sitzt jetzt noch nicht auf seinem eigenen Thron, sondern auf dem Thron des Vaters (Off 3,21). Doch die Zeit wird kommen, in der Er auf seinem eigenen Thron (ein Bild für seine Herrschaft) sitzen wird. „Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen“ (Mt 25,31). Das geschieht dann, wenn das Warten des Christus ein Ende hat und Er in Macht und Herrlichkeit auf der Erde erscheint (und wir mit Ihm).

Es gibt eine Lehre, die besagt, dass Christus heute schon seine Feinde zum Schemel seiner Füße macht. Anhänger dieser Lehre lesen den Vers so, als wenn er einen gegenwärtigen und fortlaufenden Prozess zeige („…bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße gemacht habe“). Diese Lesart ist jedoch nicht korrekt. Es geht um etwas, das noch zukünftig ist. Die Unterwerfung der Feinde wird zu einem zukünftigen Zeitpunkt erfolgen – nämlich nach der Entrückung der Gläubigen und verbunden mit den Gerichten am „Tag des Herrn“. Jetzt ist nicht die Zeit, in der Er inmitten seiner Feinde regiert. Obwohl Er das Böse immer kontrolliert und ihm Grenzen setzt, lässt Er die Menschen in ihrer Bosheit und Feindschaft gegen Ihn innerhalb dieser Grenzen dennoch gewähren. Das wird sich jedoch einmal ändern.

Der Herr Jesus hatte damals, als Er in Niedrigkeit auf der Erde lebte, viele Feinde (Gegner, Verfolger). Sie ließen keine Ruhe, bis sie Ihn umgebracht hatten. Es wäre einfach für den Herrn gewesen, diese Feinde mit dem Hauch seines Mundes zu verzehren. Doch Er tat es nicht. Er ließ sie gewähren und gab ihnen sogar die Kraft, Ihn zu misshandeln. Doch das wird sich einmal ändern. Wenn Er zum zweiten Mal erscheint, wird Er wieder Feinde haben. Doch dann wird Er sie nicht gewähren lassen, sondern Er wird sie sich unterwerfen. Der „Hauch seines Mundes“ wird genügen, sie zu bezwingen (2. Thes 2,8). Dann kommt Er im flammenden Feuer und übt Vergeltung (2. Thes 1,8). „Mit eisernem Zepter wirst du sie zerschmettern, wie ein Töpfergefäß sie zerschmeißen“ (Ps 2,9). Hier in Psalm 110,1 liegt der Schwerpunkt jedoch nicht auf dem, was Christus tut, sondern es ist Teil der Antwort Gottes, dass Gott das für Ihn tun wird. Gott selbst legt die Feinde hin als Schemel seiner Füße.

Was Gott mit Christus tun wird, macht der Versanfang deutlich. Jetzt wird gezeigt, welche Folgen das für seine Feinde haben wird. Gottes Antwort ist eindeutig: Sie werden gerichtet und dem unterworfen werden, der jetzt zur Rechten Gottes sitzt. Wer sich gegen den Messias stellt, stellt sich gegen Gott. Er wird einmal hingelegt als Schemel seiner Füße.

Als Schemel für deine Füße

Ein Schemel (oder Fußstuhl) gehörte üblicherweise zu einem Thron (2. Chr 9,18). Er symbolisiert einerseits einen „Ort der Ruhe“. David hatte es im Herzen, ein Haus der Ruhe für die Bundeslade und für den Schemel der Füße Gottes zu bauen (1. Chr 28,2; Ps 99,5). Andererseits ist es zugleich ein Ausdruck von Macht (Jes 66,1) und Majestät (1. Chr 28,2). In Verbindung mit den Füßen denken wir auch an völlige Unterwerfung. So ist es hier. Ein Beispiel dafür haben wir in Josua 10,24: „Und es geschah, als sie diese Könige zu Josua herausgebracht hatten, da rief Josua alle Männer von Israel und sprach zu den Anführern der Kriegsleute, die mit ihm gezogen waren: Tretet herzu, setzt eure Füße auf die Hälse dieser Könige! Und sie traten herzu und setzten ihre Füße auf ihre Hälse.“ C. Briem schreibt: „Wenn der Vater die Feinde seines Sohnes zum Schemel seiner Füße macht (Heb 10,13), dann wird der Sohn beginnen, sie niederzutreten. Er wird dies tun von seinem Kommen zur Aufrichtung seines Reiches an bis zu seinem Ende.“10

Die Feinde des Messias sind zugleich die Feinde des Volkes Israel, d. h. des treuen Überrestes. Sie befinden sich sowohl innerhalb des Volkes (z. B. der Antichrist und seine Anhänger) als auch außerhalb (z. B. die Assyrer unter der Führung des Königs des Nordens und anderer Nachbarländer Israels). Gott sorgt dafür, dass alle, die sich geweigert haben, Buße zu tun und sich ständig voller Hass gegen Ihn und sein Volk gewandt haben, als besiegte Feinde unter seinen Füßen liegen werden.

Dabei sollten wir nicht vergessen, dass Christus jetzt schon gesetzt ist „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“. Gott hat „alles seinen Füßen unterworfen“ (Eph 1,21.22). Allerdings sehen wir Ihm noch nicht alles unterworfen. Der Hebräerbrief sagt: „… mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt…; du hast alles seinen Füßen unterworfen. Denn indem er ihm alles unterworfen hat, hat er nichts gelassen, was ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen“ (Heb 2,7.8.). Doch der Augenblick wird kommen, an dem das nicht länger unsichtbar bleibt, sondern öffentlich sichtbar wird. Jede Zunge wird bekennen müssen, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters (Phil 2,11). Das geschieht dann, wenn Er zum zweiten Mal erscheint.

Es gibt zwei Ausnahmen, die das Neue Testament uns zeigt:

  • Die erste Ausnahme ist Gott, der Ihm alles unterworfen hat (1. Kor 15,27). Das ist gut zu verstehen. Wie könnte Gott Ihm unterworfen sein?
  • Die zweite Ausnahme ist die Versammlung (Gemeinde). Sie ist Ihm im kommenden Reich nicht unterworfen, sondern teilt seine Herrlichkeit und Herrschaft (Eph 1,22.23). Das ist reine Gnade, über die wir nur staunen können. Darüber spricht das Alte Testament nicht. Deshalb fehlt in Psalm 110 jeder Hinweis darauf.

Erinnern wir noch daran, dass es mehrere Stellen gibt, die von dem reden, was unter die Füße des verherrlichten Christus gelegt wird.

  1. In Psalm 8,7 sind es alle Werke der Hände Gottes. Hier geht es um die universale Herrschaft des Sohnes des Menschen über das gesamte Universum und nicht speziell um seine Feinde. Der Vers wird im Neuen Testament dreimal zitiert (1. Kor 15,27; Eph 1,22; Heb 2,8), und jedes Mal heißt es: „Er hat alles seinen Füßen unterworfen.“
  1. In Offenbarung 10,2 stellt Christus „seinen rechten Fuß auf das Meer, den linken aber auf die Erde“. Dieses Bild erinnert an den Augenblick, an dem Christus seine Rechte über alle Dinge einfordern wird und bereit ist, das Gericht endlich auszuführen, das lange hinausgezögert wurde.
  1. In Psalm 110,1 sind es konkret die Feinde, die unter seine Füße gelegt werden. Das geschieht durch kriegerisches Gericht (und nicht nur durch Herrschaft). Davon sprechen auch andere Psalmen (z. B. Ps 2,9; 18,38; 21,9; 45,6; vgl. auch Jes 63,3).
  1. In 1. Korinther 15,25.26 lesen wir: „Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod weggetan“ (Verse 25.26). Das bezieht sich nicht auf den Anfang des 1000-jährigen Reiches, sondern auf das Ende und den Beginn des sogenannten „ewigen Zustandes“.11

Fußnoten

  • 1 Man hat den Eindruck, dass der Heilige Geist den Autor besonders hervorhebt. Er sagt nicht – wie in den meisten Psalmen – von ihm: „Ein Psalm von David“, sondern „Von David, ein Psalm“. Diese Formulierung zu Beginn eines Psalms kommt zwar ein paar Mal vor, aber doch nicht sehr häufig. David war selbst König und besaß große Autorität. Er war ein Kriegsheld in Israel. Und gerade Er wird beauftragt, über den „großen König“ zu schreiben, der zugleich mehr als König ist.
  • 2 In Psalm 36,2 kommt das Wort zwar noch einmal vor, dort ist es aber nicht Gott, der spricht, sondern „die Übertretung des Gottlosen“.
  • 3 Die Verbindung des Herrn (Jahwe) zu den Menschen ist bereits im Schöpfungsbericht erkennbar. Während in 1. Mose 1 (materielle Schöpfung) durchweg von Gott (El) die Rede ist, lesen wir in 1. Mose 2 (Erschaffung des Menschen) häufig von dem Herrn (Jahwe).
  • 4 „Adon“ heißt „Herr“. Wenn man in Israel jemand mit „Herrn X“ anreden will, dann gebraucht man das Wort „Adon“. Wenn man den Namen nicht kennt, kann man auch „Adoni“ (mein Herr) sagen. Die Mehrzahlform „Adonai“ (vgl. Vers 5), die eigentlich „meine Herren“ bedeuten würde, wird jedoch niemals für Menschen gebraucht. Es ist eine typische Anrede für Gott, der alle Autorität besitzt.
  • 5 Darüber hinaus kannten sie die Aussagen der schreibenden Propheten (wie z. B. Jes 9,5.6), die David nicht kannte.
  • 6 Damit ist nicht gesagt, dass der Herr ein Geschöpf ist. Er ist es nicht. Als Er durch Geburt Mensch wurde, ist Er in seine Schöpfung eingetreten und als solcher ist Er der „Sohn des Menschen“ (Ps 8,5) und der „Erstgeborene aller Schöpfung“ (Kol 1,15). Er nimmt als Mensch den ersten Platz unter allen ein. Aber niemals dürfen wir Ihn als ein Geschöpf bezeichnen. Die Bibel achtet sorgfältig darauf, diesen Begriff nicht zu verwenden.
  • 7 Auch wenn wir an die Engel denken, existiert dieser Unterschied. Wir lesen nicht, dass Engel im Himmel sitzen. Christus hingegen hat sich gesetzt.
  • 8 Hinzu kommt, dass Christus zur Rechten Gottes stand, um seinen Diener Stephanus sozusagen persönlich in Empfang zu nehmen.
  • 9 Dabei dürfte Psalm 110 der einzige Hinweis im Alten Testament sein, dass diese Zeitspanne länger dauern würde. Wie lang, bleibt hier offen, aber man gewinnt doch beim Lesen den Eindruck, dass es keine ganz kurze Zeit sein wird.
  • 10 C. Briem: Wo ist, o Tod, dein Sieg? (Zeitschrift: Ermunterung und Ermahnung 2003)
  • 11 Deshalb zitiert Paulus an dieser Stelle auch nicht aus Psalm 110, sondern aus Psalm 8,7. Wir müssen bedenken, dass die Aussage „Feinde hinlege als Schemel deiner Füße“ sich aus der Sicht des Alten Testamentes auf die kriegerischen Gerichte bezieht, aus der Sicht des Neuen Testamentes aber bis an die Schwelle des ewigen Zustandes reicht.
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