Anmerkungen zum Brief an die Hebräer
Teil 5 (Kapitel 12,1-13,25)
Die letzten beiden Kapitel bilden den fünften und letzten Teil des Briefes. Dieser Teil betont die Verantwortung, die sich aus dem ergibt, was bisher gezeigt wird. Er gliedert sich in zwei Teile. Zunächst (Heb 12,1 - 13,6) spricht der Schreiber von dem unterschütterlichen Festhalten an dem Bekenntnis des Glaubens durch alle Schwierigkeiten hindurch, anschließend (Heb 13,7-25) von der entschiedenen Trennung vom „Lager“ des Judentums.
Unterabschnitt 1 (Heb 12,1 - 13,6)
Der erste Unterabschnitt scheint sich in sieben Abschnitte zu gliedern. Das erste Abschnitt davon fordert uns dazu auf, mit Energie unserem einzigartigen Vorbild nachzufolgen – demjenigen, der Anfänger und Vollender des Glaubens ist. Um uns her haben wir eine Wolke von Zeugen, die die Grundsätze des Weges des Glaubens bezeugen. Legen wir also jede Bürde und die Sünde ab, die uns so leicht umstrickt, und laufen wir mit Ausharren den vor uns liegenden Wettkampf. Für einen Läufer ist es in einem Rennen unerlässlich, alle unnötigen Lasten abzuwerfen. Bürde und Sünde sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, obwohl sie hier eng miteinander verbunden werden. Eine Bürde ist etwas, das ich auf mich nehme, obwohl ich es nicht müsste. Es handelt sich nicht um eine Pflicht, denn das, was wirklich eine Pflicht ist, ist niemals eine Bürde. Natürlich ist es möglich, dass Menschen etwas auf sich nehmen und es fälschlicherweise als Pflicht bezeichnen. Doch für Gott ist es unmöglich, uns etwas als Pflicht aufzuerlegen, was notwendigerweise Schaden zufügt. Andererseits belasteen das gekünstelte Leben der heutigen Zeit und die vermeintliche Verantwortung, seiner Stellung unter den Menschen gerecht werden zu müssen, in der Tat oft den Rücken und machen das Laufen unmöglich. Das, worauf das Herz des Läufers gerichtet ist, befindet sich am Ende des Weges. Sein Motto lautet: „Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist“. In dem Maß, in dem diese Einstellung vorhanden ist, wird der Gläubige alle Dinge an dem Wunsch messen, im Glaubenslauf voranzukommen.
Die Verbindung zu der Sünde ist hier sehr wichtig. Der Schreiber spricht in abstrakter Weise von Sünde, obwohl es zweifellos Sünden gibt, die jeden von uns in besonderer Weise heimsuchen. Wenn wir uns die Sünde als ein Rufel Wölfe vorstellen, erkennen wir leicht den Zusammenhang zwischen „Bürde“ und „Sünde“. Man muss die Bürden fallen lassen, um sich von den Wölfen zu distanzieren. Amalek schlug die Nachzügler des Volkes Israel. Dadurch wird klar: Auf dem Weg voranzukommen ist das Mittel, um einer Verstrickung und der Notwendigkeit eines Kampfes zu entgehen.
Christus ist das Ziel. Wenn unsere Augen auf Ihn gerichtet sind, finden wir zugleich das vollkommene Beispiel und die Kraft für den Weg. „Anfänger“ ist dasselbe Wort, das wir bereits zuvor im Hebräerbrief gefunden haben, und kann auch „Anführer“ oder „Urheber“ übersetzt werden. Der Weg, den wir gehen, ist derselbe Weg, den er gegangen ist und bereits vollendet hat.
„Die vor ihm liegende Freude“ beinhaltet alle Ergebnisse seines Werkes – „die Frucht der Mühsal seiner Seele“. Dafür ertrug er das Kreuz und achtete die Schande nicht. Als Ergebnis hat er sich bereits zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt, und eine volle Belohnung liegt bereit.
Damit wird der zweite Unterabschnitt eingeleitet (Verse 3.4). Wir haben nicht nur einen Wettlauf zu laufen, sondern wir müssen auch den Widerspruch der Sünder ertragen, wie er ihn ertragen hat. Die Hebräer hatten bereits viel gelitten, doch sie durften nicht ermüden. Noch hatten sie nicht – wie Christus selbst – bis aufs Blut widerstanden und mit der Sünde gerungen, die sie umgab. Hier geht es um einen anderen Kampf als dem in Galater 5 und in Epheser 6, denn das Thema hier ist Verfolgung und nicht der Kampf gegen die List des Teufels. Christus ist in den Tod gegangen. seine Nachfolger müssen dafür bereit sein, es ihm gleichzutun und mit Ihm zu leiden, soweit es die Menschen betrifft. Die Leiden von Seiten Gottes jat mir Er ertragen. Für uns gibt es keinen Kelch dieser Art zu trinken, wir werden niemals von Gott verlassen. Das Gegenteil ist der Fall: „Wenn ihr im Namen Christi geschmäht werdet, glückselig seid ihr! Denn der Geist der Herrlichkeit und der Geist Gottes ruht auf euch“.
Im dritten Unterabschnitt (Verse 5–11) lernen wir, dass es im Blick auf uns einen Charakter des Leidens gibt, den es im Blick auf Ihn nicht gab und nicht geben konnte. Doch für uns gibt es Züchtigung, weil wir so sind, wie wir sind. Gott benutzt Schwierigkeiten auf unserem Weg, „damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.“ Im Römerbrief heißt es, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, also die Unterwerfung unseres Willens unter Gott. Das Ausharren bewirkt Bewährung – die Bewährung in dem, was sein Wille ist –, und die Bewährung bewirkt Hoffnung.
Der Schreiber hat hier kein aktives Versagen im Blick. Bei dem Apostel war der Dorn für das Fleisch notwendig wegen des Übermaßes an Offenbarung, die er bekommen hatte, und natürlich auch im Hinblick auf die Neigung, sich selbst zu erheben. Es war eine vorbeugenende Maßnahme. Allein das ist schon ein Argument gegen die Ansicht, dass ein Mensch hier so vollkommen werden könnte, dass er frei von einer solchen Neigung wäre. Paulus war ein Mann, der im dritten Himmel gewesen war und dort unaussprechliche Dinge gehört hatte, die ein Mensch nicht sagen darf. Doch selbst er brauchte eine solche Maßnahme der Züchtigung. Er benötigte sie sogar kontinuierlich, denn sein Gebet um die Beseitigung wurde nicht in der Weise erhört, wie er vielleicht erwartet hätte. Doch die Gnade ließ ihn über den Dorn im Fleisch triumphieren.
Wir müssen uns vor dem Argument der Freunde Hiobs in Acht nehmen, dass der geistliche Zustand eines Menschen aus seinem körperlichen Zustand abgeleitet werden kann. Diese Lehre wird heute in einigen Kreisen als gesunde, christliche Lehre verbreitet. Doch Johannes schreibt an Gajus: „Geliebter, ich wünsche, dass es dir in allem wohlergeht und du gesund bist, wie es deiner Seele wohlergeht.“
Der „Herr“ im vorliegenden Zitat ist in Wirklichkeit der HERR. Die Wiedergabe „Herr“ entspricht der üblichen Wiedergabe der Septuaginta im Neuen Testament. In 1. Korinther 11 bezieht sich die Aussage „vom Herrn gezüchtigt“ auf den Herrn Jesus. Bei Petrus heißt es: „...dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“. Auch hier geht es um Züchtigung, denn das „Haus“ bei Petrus besteht aus lebendigen Steinen (1. Petrus 2).
Das Handeln Gottes mit uns in Seiner Regierung gleich in vielerlei Hinsicht der Begebenheit, wo Mose auf dem Berg war. Wolken und Finsternis umgaben ihn. Wie Mose können auch wir Gott nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen. Doch nachdem Er vorübergegangen ist, können wir Seine Herrlichkeit von hinten sehen: „Danach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die“ in der Finsternis „durch sie geübt worden sind.“ Durch das Gesetz regierte Gott. Doch es enthielt nicht die Offenbarung des Angesichts Gottes, wie sie uns in Christus gegeben ist. Wenn Gott in seinen Erziehungswegen mit uns handelt, dann ist die Wolke da – wir aber kennen denjenigen, der sich hinter der Wolke befindet. Doch was seine Wege bedeuten, lernen wir nur, indem wir sie gehen. Deswegen darf es uns nicht verwundern, wenn wir gezüchtigt werden.
Es ist nicht Gottes Absicht, dass wir leichtfertig über diese Dinge hinweggehen. Was aus der Hand eines Vaters kommt, hat einen Sinn und sollte daher nicht leichtfertig behandelt werden. Doch weil es aus der Hand eines Vaters kommt, ist es segensreich und wir dürfen darunter nicht ermatten.
Deshalb folgen im nächsten Abschnitt (Verse 12–17) nun Ermahnungen. Dieser vierte Abschnitt stellt eine Lebensführung vor, die Gott wohlgefällig ist, und warnt in Übereinstimmung mit dem Rest des Briefes davor, von ihm abzufallen. Die Hebräer sollten sie nicht entmutigen lassen, sondern die Hände und die Knie aufrichten. Sie sollten aber auch ihren Füßen eine gerade Bahn machen, damit das Lahme nicht vom Weg abkomme, sondern vielmehr geheilt werde. Nur in dem Pfad Gottes für uns finden wir Kraft, wie schwierig er auch sein mag. Je schwächer wir sind, desto größer sollte unser Wunsch sein, einen Weg zu gehen, den er allein mit uns gehen kann, denn was sind dann alle Schwierigkeiten?
Die Hebräer sollten außerdem den Frieden mit allen Menschen suchen, und zwar nicht auf Kosten der Heiligkeit, sondern in Heiligkeit, ohne die niemand den Herrn schauen wird. Deshalb mussten sie sorgfältig darauf achten, dass niemand unter ihnen an der Gnade Gottes Mangel litt. Andernfalls bestand die Gefahr, dass eine Wurzel der Bitterkeit in ihrer Mitte aufsprossen würde, die viele verunreinigt konnte. Leider haben wir Menschen in uns alles, was uns für eine solche Infizierung anfällig macht. Wenn ein solches Übel vorhanden ist, ist es bereits ein Beweis des lauen Zustandes, der es hat aufkeimen lassen.
Manchmal kann eine einzelne Tat den Charakter eines Menschen offenbaren. Hier bei Esau ist es der Fall. Für ein wenig Speise verkauft er sein Erstgeburtsrecht. Diese Tat erwies ihn als einen gottlosen Menschen, der Gott gewohnheitsmäßig aus seinen Gedanken ausschloss. Dennoch begehrte er den Segen und suchte ihn eifrig, nachdem er ihn verloren hatte. Doch so, wie Bileam den Tod der Gerechten begehrte, aber nicht daran dachte, auch ihr Leben zu leben, so fand Esau keinen Raum zur Buße. Seine Reue bezog sich nur auf den verlorenen Segen und beinhaltete keine Verurteilung seiner Wege vor Gott. Er schätzte den Gewinn der Gottesfurcht, aber nicht die Gottesfurcht selbst. Doch um Esau das zu geben, was sein Verlangen war, hätte das Wesen Gottes verändert werden müssen.
Der fünfte Abschnitte (Verse 18–24) zeigt uns das, was der Glaube dem Christen bringt, und stellt es gleichzeitig in Gegensatz zu dem, was das Judentum kennzeichnete – und zwar hinsichtlich der Erfahrungen, die dort gemacht werden konnten. Wie wir gesehen haben, hätte der Glaube dem Juden etwas von dem vor Augen stellen können, was vor den Christen liegt. Doch die Fragestellung hier lautet: Hat das Gesetz der Seele bei dieser herrlichen Aussicht geholfen oder sie an dieser herrlichen Aussicht gehindert? Deshalb führt der Apostel sie zurück zu dem Bericht über die Anfänge des Judentums, damit sie sich anhand dessen selbst ein Urteil bilden konnten.
Israel war zu dem Berg Sinai gekommen – und dort war das Volk geistlicherweise geblieben. Es war ein sichtbarer Berg, der infolge der Gegenwart Gottes mit Feuer brannte. Damit verbunden war eine schreckliche Finsternis, aus welcher Posaunenschall die Aufmerksamkeit auf sich zog. Dann folgte eine Stimme, die schrecklicher war als alles andere, weil sie zwar deutliche Worte, aber kein Evangelium aussprach. Was war die Wirkung auf diejenigen, die das, was dort geschah, hörten und sahen? Sie konnten den Berg nicht berühren, denn selbst das Tier, das ihn berührte, sollte gesteinigt werden. Der Schrecken des Volkes war so groß, dass sie darum baten, dass das Wort nicht mehr an sie gerichtet würde. Sogar Mose, der Mittler, sagte: „Ich bin voll Furcht und Zittern.“ Das war der Charakter jener Zeitepoche: Finsternis über dem Angesicht Gottes und Dunkelheit über der Zukunft. Wenn Gott sich näherte, bedeutete das Furcht.
Welch ein Kontrast zur heutigen Zeit. Der apostel hatte bereits von dem geöffneten Heiligtum gesprochen, von der Berechtigung, hinzuzutreten, und von der Sicherheit der Verheißungen. Deshalb stellt er seinen Lesern nun nur noch die Erwartung im Blick auf Himmel und Erde vor Augen stehen, die für den Glauben bereits jetzt am Horizont sichtbar ist. Er spricht von einer Hoffnung, die sowohl jüdisch als auch christlich ist und die noch durch viele weitere Merkmale erweitert werden könnte. Doch das Ziel des Apostels ist nicht die Beschreibung dieser herrlichen Szene. Er möchte lediglich einige Merkmale aufzeigen.
Zunächst spricht er von dem Berg Zion auf der Erde. Es ist der Ort, den Gott aus Gnade erwählte, nachdem in Israel alles zerbrochen war (Ps 78,67-70). Daher ist es auch der Ort seiner ewigen Ruhe (Ps 132,13-14).
Von hier erhebt er sich „zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem“, dem Zentrum der himmlischen Herrlichkeit. Wir dürfen es nicht mit der Versammlung Gottes verwechseln, die unmittelbar danach gesondert erwähnt wird. Es ist die Heimat der Heiligen – das ist der allgemeine und korrekte Gedanke.
Als nächstes finden wir „Myriaden von Engeln“, die allgemeine Versammlung. Diese Bezeichnung schließt alle Ränge und Ordnungen dieser himmlischen Wesen ein.
Dann spricht der Apostel von der „Versammlung der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind“. Sie steht im Gegensatz zu Israel, das Gottes erstgeborenes Volk auf der Erde ist. Gemeint sind die Erben, die Brüder, unter denen Christus als der Erstgeborene die Vorrangstellung hat. Sie unterscheiden sich deutlich von der „Stadt Gottes“, von der zuvor die Rede war.
Als Nächstes erheben wir uns zu „Gott, dem Richter aller“. Er ist der Souverän, der jedem seinen Platz, seinen Dienst und seine Belohnung zuweist. Aus diesem Grund wird in Verbindung der heiligen Stadt die Zahl 7, die wir dort erwärtet hatten, zu der Zahl 12 erweitert. Die Zahl 12 ist die Zahl der sichtbaren göttlichen Regierung. Die Zahl 7 besteht aus 4+3, während die Zahl 12 das Produkt aus 4x3 ist. So gesehen ist die Zahl 12 also eine Erweiterung der Zahl 7. Wo kann Vollkommenheit besser gesichert werden als darin, dass Gott die absolute Oberherrschaft innehat und sein Wille alle Dinge im Blick auf seine Geschöpfe ordnet?
Wir finden dann die „Geister der vollendeten Gerechten“. Gemeint sind die Gläubigen des Alten Testaments, die sich als Gruppe von der Versammlung der Erstgeborenen unterscheiden. Die Bezeichnung „gerecht“ ist der natürliche Titel der alttestamentlichen Heiligen. Und der Begriff „Geister der Gerechten“ zeigt, dass es sich um Personen handelt, die gestorben sind. Auf die christliche Gemeinde als Ganzes wird das nicht zutreffen. Sie bleibt bis zur Ankunft des Herrn hier. Die Vollendung dieser Gerechten erfolgt durch die Auferstehung. Sie erfolgt zur selben Zeit wie unsere Auferstehung, wie der letzte Vers des elften Kapitels zeigt: „...damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“.
Wir werden dann an die Grundlage jeden Segens erinnert: Jesus, den Mittler eines neuen Bundes, und das Blut der Besprengung, von dem bereits ausführlich die Rede war.
Zu diesen Dingen sind wir als Christen gekommen. Diese Aussage meint, dass nicht, was wir sehen könnten, zwischen ihnen und uns steht. Als Erben Gottes und Miterben Christi stehen sie alle mit uns in Verbindung. Deswegen sind sie für uns von ganz persönlichem Interesse.
Der sechste Unterabschnitt reicht bis zum Ende des Kapitels. Er ist eine weitere der vielen Warnungen dieses Briefes und erinnert daran, dass die göttliche Geduld eine Grenze hat. Wie groß ist die Verantwortung, wenn man sich dieser göttlichen Stimme widersetzt, die jetzt in so wunderbarer Gnade vom Himmel spricht! Die Stimme am Sinai erschütterte die Erde. Nun wird sie noch einmal erschüttern, und zwar nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel. Wenn es „noch einmal“ heißt, dann beinhaltet die Entfernung von allem, was erschüttert werden kann. Im Anschluss bleiben die Dinge übrig, die nicht erschüttert werden können. Deshalb lasst uns Gnade haben, Gott wohlgefällig zu dienen mit Frömmigkeit und Furcht, denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Alles, was nicht in Übereinstimmung mit seinem Willen steht, ist für das Feuer bestimmt.
Im siebten Unterabschnitt (Heb 13,1-6) fügt der Apostel einige Ermahnungen hinzu. Sie zeigen, wie Menschen, die auf der von Gott erschaffenen Erde leben, Gott wohlgefällig dienen können, obwohl alles durch die Sünde in Unordnung geraten ist. Die Ermahnungen sind sehr einfach gehalten und bedürfen keiner Auslegung, um sie verständlich zu machen.
Unterabschnitt 2 (Heb 13,7-25)
Nun kommen wir zu den letzten Worten, deren Ziel es ist, den Christen vollständig vom Judentum zu trennen. Die Entwöhnungszeit Isaaks ist zu Ende und die Magd und ihr Sohn sollen aus dem Haus geworfen werden.
Der Schreiber beginnt mit diesem Thema, indem er zu seinen Lesern von ihren inzwischen verstorbenen Führern spricht, die das Wort Gottes zu ihnen geredet hatten. Nun sollten sie ihren Glauben nachahmen. Führer wird es immer geben, und das ist richtig so, wenn es ihr Glaube ist, der sie anderen vorausgehen lässt. Doch der Glaube muss sich auf das Wort Gottes stützen. Wahre Führung geschieht immer durch das Wort Gottes. Nur das bewaahrt davor, bloße Nachfolger von Menschen zu sein. Andernfalls kann man leicht hinter sehr guten Menschen her in die Irre gehen. Petrus führte Barnabas auf diese Weise in die Irre. Paulus sagte zwar auch: „Seid meine Nacahmer“, aber er fügte hinzu: „Wie auch ich Christi“.
Christus ist der Fülle dieses Wortes, und die Wirkung wahren Dienstes besteht daher immer darin, ihn zu verherrlichen. Wie wir am Anfang des Briefes gesehen haben, ist Christus ist auch derjenige, der die volle Offenbarung Gottes gebracht hat. Daher kann es nichts mehr geben, was danach – keine Ergänzung zu ihm. Er ist Israels HERR, der unveränderliche Gott, immer eins und „derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“.
Christus ist also das Maß für jeden wahren Reichtum seines Volkes, der Prüfstein jeder wahren Lehre und der Gegenstand allen wahren Glaubens. Doch weil das so ist, ist er auch ständig das Ziel der Feindschaft Satans. Er wirkt unermüdlich, um verschiedene fremde Lehren zu konstruieren. Wie widersprüchlich sie auch untereinander sein mögen: Sie präsentieren den Menschen eine Vielzahl von Wegen, die sie von dem einen wahren Weg abziehen. Von allen diesen Wegen war zweifellos derenige am erfolgreichsten, auf dem das wieder eingeführt werden sollte, was durch göttliche Autorität beiseite gesetzt worden war. Das Judentum ist das beste Beispiel dafür. Die Anordnungen, die das Judentum betreffen, gehen darüber hinaus und weisen klar und unmissverständlich auf Christus hin – auf einen neuen Bund, der den alten ersetzt, und eine Zeit, in der er selbst alle Dinge wiederhergestellt. Welch satanisches Geschick ist es, aus diesem Judentum gerade das menschliche Element herauszunehmen, das erprobt und verworfen worden war. Das Urteil Gottes wird ignoriert und das Judentum wird als der gottgebene Weg zum Segen angesehen. Dadurch wird der Schatten zur Wirklichkeit erhoben und der Name Christi auf das Gewand des Antichristen geprägt.
Dieses verdrehte Judentum, wie wir es heute im römischen und anderen verwandten Systemen sehen, zeigt die Notwendigkeit einer solch entschiedenen Trennung vom jüdischen Lager, wie der Apostel sie hier fordert. Es ist klar, dass er bei seiner Warnung vor mancherlei und fremden Lehren fast ausschließlich fast ausschließlich dieses Lager im Blick hat, denn es ist in gewisser Weise das einzige religiöse System, das der natürliche Menschen akzeptiert und gutheißt.
„Denn es ist gut“, sagt er, „dass das Herz durch Gnade befestigt wird, nicht durch Speisen, von denen die keinen Nutzen hatten, die darin wandelten“. Wer das gesetzliche System annimmt, ersetzt die Gnade durch das Gesetz, das Himmlische durch das Irdische und das Geistliche durch das Fleischliche. Außerdem stellt er die Versammlung, die aus der Welt herausgerufen wurde, auf eine Stufe mit einer andersartigen Versammlung – der Synagoge des Satans. Ein Gläubiger, der damit verbunden ist, hat keine Gewissheit, sondern Ungewissheit. Er hat keinen Frieden, sondern Zweifel, und anstelle von Freiheit befindet er sich in Knechtschaft. Anstelle davon, Gemeinschaft mit Gott zu genießen, hört er das Zwischen der Schlange. Gnade ist das einzige, was die Furcht nehmen, die Sünde überwunden und die Oberhoheit Gottes über das menschliche Herz herbeiführen kann. Es ist kein Wunder, dass sie auf verschiedenste Art verleumdet wird und jede Form von Widerstand erfährt. Doch jede ehrliche und dadurch geübte Seele wird bestätigen, dass der Appell des Apostels zutreffend ist.
Der Apostel kommt gleich zur Sache. „Wir haben einen Altar, von dem zu essen die kein Recht haben, die der Hütte dienen.“ Er stellt nun die Wirklichkeit dem Schatten gegenüber. Zu diesem Zweck benutzt er die Sprache des Zeltes der Zusammenkunft. „Wir haben einen Altar, sagt er – einen Altar, den das Zelt der Zusammenkunft nicht bereitstellen kann –, „und ein Opfer, von dem zu essen die kein Recht haben, die der Hütte dienen. Gemeint ist das Friedensopfers. Es ist das einzige Opfer, bei dem ganz Israel „Gemeinschaft mit dem Altar“ haben konnte. Doch allein der Begriff „Friedensopfer“ zeigt sofort den Unterschied zwischen Schatten und Wirklichkeit. Haben die Opfer, die immer wieder dargebracht wurden, jemals wirklich Frieden bewirkt? Wie wenig konnte die Gemeinschaft mit Gott genossen werden. Für Israel befand sich Gott hinter dem noch nicht zerrissenen Vorhang und wohnte dort im Dunkeln.
Der Altar – „der Altar, der die Gabe heiligt“ ist ein Bild von Christus als Person. Was sonst könnte die Gabe heiligen, die dargebracht wurde, als das, was der war, der diese Gabe darbrachte. Doch wie standenhatten die Menschen, die an dem buchstäblichen Zelt der Zusammenkunft festhielten, zu Christus? Und wie könnten sie Gemeinschaft mit dem Altar haben, wenn sie Christus ablehnten?
Natürlich hatten die Israeliten das getan, was ihnen aufgetragen wurde und die Wirklichkeit vorbildete. Jedes Sündopfer, dessen Blut der Hohepriester in das Heiligtum trug, wurde außerhalb des Lagers verbrannt. So hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores der heiligen Stadt gelitten. Diese Anordnung des Gesetzes ist ein Hinweis auf das, was auf dem Kreuz Realität wurde. Es zeigt, dass der Herr außerhalb des Tores, in der Finsternis und am Holz hängend das wahre Sündopfer sein würde. Er war dort von Gott verlassen und unter dem Fluch der Sünde! Das war notwendig, um Sühnung zu tun. Doch wenn sein Blut auch zur Heiligung seines Opfers notwendig sar, dann war damit das Versagen des gesetzlichen Systems bewiesen. Das Gesetz war „durch das Fleisch kraftlos“. Nichts kann dem Menschen im Fleisch verbessern, sodass er für Gott annehmbar ist. Auch unter den günstigsten Umständen ist die Gesinnung des Fleisches „dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht“. Mehr noch: Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott. Das Ergebnis kann nichts anderes als Gericht sein. Das Kreuz zeigt genau dieses Gericht, doch damit wird gleichzeitig das ganze System des Gesetzes beiseite gesetzt. Das Lager, das aus Menschen auf einer gesetzlichen Grundlage besteht, wird aufgegeben. Die Gnade Gottes für den Menschen ist nicht mehr im Lager zu finden, sondern am Kreuz. Auch die Herrlichkeit Gottes befindet sich außerhalb des Lagers.
Die Herrlichkeit Gottes befand sich bereits vorher draußen. Nachdem Israel das goldene Kalb errichtet hatte und der gesetzliche Bund in seiner ersten Form durch die Zerstörung der ersten Tafeln Vergangenheit war, nahm Mose das Zelt und schlug es sich „außerhalb des Lagers auf, fern vom Lager“. Dort befand sich die Wolke der Herrlichkeit Gottes und dort redete der HERR mit Mose.
Nachdem die erste Form des Bundes vorüber war, führte Gott eine zweite Form ein. In dieser zweiten Form waren Gesetz und Barmherzigkeit vermischt. Doch nach einer weitaus längeren Prüfung hatte sich der Mensch auch unter dieser Form des Bunds als kraft- und gottlos erwiesen. Aus diesem Grund sah der Prophet Hesekiel zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft die Herrlichkeit erneut aus der Mitte des Volkes weichen. Stadt und Tempel wurden der Zerstörung preisgegeben.
Nun wird die Herrlichkeit Gottes in der Person Jesu, des Sohnes Gottes, zum dritten Mal verworfen. Sie befindet sich erneut außerhalb des Lagers. „Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers“, sagt der Apostel, „seine Schmach tragend. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“. Unser Blick ist nicht einmal auf die irdische Stadt Zion in der Zukunft gerichtet, sondern auf das „Jerusalem droben ..., welches unsere Mutter ist“.
Wir sind Priester eines himmlischen Heiligtums. Die Opfer auf dem kupfernen Altar haben aufgehört, weil das wahre Opfer ein für alle Mal darbgeracht wurde. Unser Altar ist der goldene Altar des Heiligtums, der auch ein Bild von Christus ist. „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“ Damit verbunden ist eine andere Form des Opfers: „Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.“ Wie schön ist das als Kennzeichen eines christlichen Lebens! Wie vollkommen zeigt es den Wert des ein für alle Mal vollbrachten Werkes Christi für uns, während es unserem praktischen Leben den höchsten Charakter verleiht. Unser Werk ist ein Lobpreis, ein Dankopfer. Das ist das Opfer, woran Gott Gefallen findet.
So gehören „das Innere des Vorhangs“ und „außerhalb des Lagers“ notwendigerweise zusammen, denn die wahre himmlische Stiftshütte befand sich immer außerhalb. Natürlich geht es hier in der direkten Bedeutung um das Judentum, doch grundsätzlich kann das auf jedes gesetzliche System angewandt werden. Es ist nicht wirklich möglich, zum Judentum zurückzukehren. Niemand kann es wieder einführen und niemand kann dorthin zurückkehren, wo einst die Propheten und heiligen Männer waren. Es ist unmöglich. Jüdische Elemente in das Christentum einzuführen, bedeutet – wie der Herr uns selbst gelehrt hat –, eine Synagoge des Satans zu schaffen. Natürlich müssen wir bedenken, dass Menschen heute in solchen Systemen aufgezogen werden, und dass auch viele aus dem Volk des Herrn darin verstrickt sind. Sie sind wie diejenigen, die in Thyatira unter der „Frau Jesabel“ litten, obwohl sie nicht ihre Kinder waren. Wir müssen hier unbedingt dieselbe Unterscheidung machen, die auch der Herr macht. Doch das System ist nicht weniger böse, weil Jahrhunderte verstrichen sind – im Gegenteil.
Der Brief schließt mit einigen kurzen Ermahnungen, die mit Gebet verbunden werden und denen einige Grußworte beigefügt sind.
Auch hier werden die Führer der Gläubigen erneut erwähnt, doch hier sind die lebenden Führer gemeint. Die Gläubigen werden ermahnt, ihnen zu gehorchen, weil sie über ihre Seelen wachen. Hier geht es nicht um eine offizielle Anstellung, sondern um ein Handeln, zu dem die Liebe anspornt und das unter uns zu finden sein wird, wenn uns in mitten der Zerrüttung das treue Herz eines Überrests kennzeichnet. Mit der Aussage: „Als solche, die Rechenschaft geben werden“, sind natürlich die Führer gemeint, die sich um die Seelen anderer kümmern. Doch sie schließt auch diejenigen ein, über die sie wachen und die die Führer vielleicht an der Ausübung ihrer Aufgabe hindern. Wie viele von uns erkennen die Verantwortung für die Seelen anderer?
Der Apostel bittet um ihre Gebet, und zwar als eine Person, die ein gutes Gewissen hat und in allem ehrbar zu wandeln begehrt. Es sind Worte von wunderbarer Niedrigkeit, wenn man bedenkt, wer spricht. Und dann formuliert er ein Gebet für sie, das auf ganzer Linie mit den Gedanken dieses Briefes steht. Er betet, dass sie in jedem gut vollendet werden, damit sie den Willen Gottes tun. Er spricht von dem „Blut des Bundes“ als Grundlage von allem. Dadurch haben wir einen „großen Hirten der Schafe“, der für uns von den Toten auferweckt wurde. Der Gott des Friedens hat entsprechend dem „Rat des Friedens“ unseren Herrn Jesus aus den Toten wiedergebracht. Die Frucht davon, die er am Kreuz erwirkt hat, ist Frieden – Frieden des Gewissens, dessen Ergebnis der Friede des Herzens und im Leben ist. Wir sind nun mit Gott versöhnt, nehmen das sanfte Joch Christi auf und lernen von dem, der sanftmütig und von Herzen demütig war, um Ruhe zu finden für unsere Seelen.
Der Gott des Friedens hat auf diese herrliche Harmonie in der Beziehung zu seinen Geschöpfen hingewirkt. Sie allein kann ihn zufriedenstellen. Das Ergebnis dieses Friedens, dass das Herz und das Leben durch Anbetung geprägt sind. Deshalb wird der Brief durch ein solches Gebet abgeschlossen.
Der Schreiber bittet seine Leser, das Wort der Ermahnung – den Brief selbst – zu ertragen. Für eine Person, die ihn aus jüdischer Sicht liest, ist er schwer zu erfassen. Doch der Segen, der darin gezeigt wird, entschädigt für jeden vermeintlichen Verlust.
Der Brief endet mit typisch christlichen Grüßen.