Glücklich leben als Christ?
Göttliche Kraft
In Vers 2 sprach der Apostel von der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn. Im nächsten Vers lernen wir nun, dass mit dieser Erkenntnis etwas Wesentliches verbunden ist: göttliche Kraft.
„Da seine göttliche Kraft uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt hat durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend“ (Vers 3).
Es ist bemerkenswert, wie der Heilige Geist uns zuerst in Vers 3 die göttliche Kraft und dann in Vers 4 die göttliche Natur vorstellt. Damit sind erhabene Gedanken verbunden.
Doch blicken wir zunächst nach Vers 3. Hier sind wir, die Kinder Gottes, die Gegenstände der göttlichen Kraft, des Wirkens Gottes in Macht. Gott hat ein Ziel mit uns, und um dieses Ziel zu erreichen, hat Er an uns gewirkt und wirkt Er an uns in göttlicher Kraft. In diesem Vers wird nun beides beschrieben, die Art der Wirksamkeit und das zu erreichende Ziel.
Das Wirken Gottes
Was die Art des Wirkens Gottes angeht: Er hat uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt. Das ist also die Art und Weise, in der die göttliche Kraft im Blick auf uns gewirkt hat: Sie hat uns alles geschenkt. Wollen wir dagegen das Ziel verstehen, das Gott damit verfolgt, so müssen wir den Satz anders betonen: Er hat uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt. Und so wird das Ziel der Wirksamkeit Gottes an uns deutlich: Leben und Gottseligkeit.
Wenn wir bedenken, was Gott getan hat, so können wir nur in Anbetung stehen bleiben. Denn welch ein Bündel von Segnungen finden wir hier! Da gibt es nichts, was Gott uns nicht geschenkt hätte von dem, was zum Leben und zur Gottseligkeit nötig ist. Nach Epheser i, Vers 3, gehören uns in Christus alle geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern. Das ist grundsätzlich dieselbe Wahrheit, wie wir sie hier haben, nur zeigt Petrus deren sittliche Seite: Nur das, was ich im Glauben von Ihm nehme, ist mein.
Tatsächlich schließt der Ausdruck >seine göttliche Kraft< auch den Gedanken ein, wie wir allein die Segnungen erlangen können: Gottes Macht ist dazu notwendig. Es ist dasselbe Wort (dynamis) wie in 1. Petrus 1, Vers 5: „die ihr durch Gottes Macht durch Glau-ben bewahrt werdet zur Errettung.“ Gottes Macht wirkt, aber sie wirkt durch den Glauben. Oder anders ausgedrückt: Gottes Macht wirkt nicht einfach außerhalb von uns und tut etwas Gewaltiges, ohne uns irgendwie daran zu beteiligen. Nein, sie wirkt vielmehr dadurch, dass sie unseren Glauben stärken – in 1. Petrus 1 dazu, dass wir bewahrt werden, in 2. Petrus 1 dazu, dass wir alles Geschenkte praktisch ergreifen. Es ist schon recht belehrend, dass Gottes Macht notwendig ist, um uns in den Besitz dessen zu bringen, was dann in uns Leben und Gottseligkeit zum Ergebnis hat.
Das Ziel Gottes
Damit sind wir bereits bei dem Ziel, das Gott mit uns im Auge hat: Leben und Gottseligkeit. Offenbar ist mit Leben das ewige Leben gemeint. Es ist das Vorrecht Gottes, tote Seelen lebendig zu machen. Der Vater gibt in Gemeinschaft mit dem Sohn Leben, geistliches, ewiges Leben (Joh 5,26; Röm 6,23). Doch scheint es, dass das ewige Leben, das wir durch den Glauben an den Herrn Jesus besitzen (Joh 3,16; 1. Joh 5,13), hier ebenfalls mehr in seiner praktischen, sittlichen Seite gesehen wird. Petrus geht selten, wenn überhaupt jemals, über die sittlichen Ergebnisse hinaus. So ist es auch hier. Er spricht nicht direkt von der Mitteilung des neuen Lebens, sondern davon, dass Gott alles zugunsten dieses Lebens in uns getan hat und tut, damit es sich mehr und mehr entfalte. Das ewige Leben ist ein Leben, das sich an Gott freut und dem Gott entspricht. Und noch einmal, es kommt von Gott, aber es ist nie mit etwas anderem beschäftigt als mit Gott und Seinen Gedanken.
Müssen wir uns nicht, wenn wir das bedenken, mehr oder weniger darüber schämen, wie wenig Gott sein Ziel mit uns erreichen konnte? Und sehen wir jetzt nicht auch klarer, weshalb göttliche Macht notwendig ist, um die tausend Widerstände zur Auswirkung des ewigen Lebens in uns zu überwinden? Sie hat uns in der Tat alles zum Leben Gehörende geschenkt; ja, wir besitzen das ewige Leben selbst. Aber die göttliche Kraft wird in diesem Leben erst dadurch für uns anwendbar oder wirksam, dass wir im Glauben erfassen, was Gott für uns ist und was Er für uns getan hat.
Neben dem Leben wird Gottseligkeit genannt. In den ersten vier Versen unseres Briefes haben wir im Ganzen vier Begriffspaare, und es scheint, als wenn bei den paarweise genannten Begriffen jeweils die zweite Sache aus der ersten hervor fließt. In Vers 2 waren es „Gnade und Friede“, in Vers 3 haben wir zwei Paare: „Leben und Gottseligkeit“ und dann „Herrlichkeit und Tugend“; und in Vers 4 wird uns das letzte Paar gezeigt in solchen, die einerseits „Teilhaber der göttlichen Natur“ geworden und andererseits „dem Verderben entflohen“ sind.
>Gottseligkeit< beschreibt einen Charakter, der Gott entspricht; sie bedeutet eine sittliche Gleichheit mit Ihm. Es ist das Ziel Gottes, diese praktische Frömmigkeit, diese wahre Gottesfurcht in uns hervorzurufen. Und auch hier gilt das, was wir bereits bei dem >Leben< gesagt haben: Die göttliche Kraft hat uns zwar alles, was zur Gottseligkeit gehört oder was dazu führt, geschenkt. Aber es wird erst verwirklicht durch die Erkenntnis Dessen, „der uns berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend“.
Die göttliche Berufung
Wir sprachen eben davon, dass das sittliche Ziel Gottes für uns dadurch erreicht wird, dass wir im Glauben erfassen, was Er für uns ist. Die Erkenntnis Gottes, das sehen wir hier erneut, ist der Stützpunkt für unseren Glauben. Wir hatten das schon in Vers 2 gefunden. In dieser gesegneten Erkenntnis liegt Kraft für die Seele. In dem Maß, wie wir uns an Gott erfreuen und an dem, was Er für uns ist, empfangen wir Kraft, das Ihm Wohlgefällige zu tun. Es gibt keinen anderen Weg dorthin, Geliebte. Wir mögen alles Mögliche versuchen und manche Anstrengungen unternehmen, um ein gottseliges Leben zu führen und gegen das Böse in uns und um uns anzugehen. Doch die Kraft dazu finden wir nur „durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend“.
Recht bemerkenswert ist die Ausdrucksweise, in der Gott hier beschrieben wird: Er ist, so die wörtliche Wiedergabe, der „uns Berufen-Habende“. Wie groß ist es, dass es da jemand gibt, der ein Interesse an uns hatte und uns deswegen berufen hat. Aber warum mussten wir berufen werden? Wenn wir das einmal mit dem ersten Menschen vergleichen, dann wird uns diese Gnade umso deutlicher.
Als Adam in Unschuld im Garten Eden war, empfing er keinen Ruf Gottes. Wohl besuchte Gott ihn, aber Er berief ihn nicht. Wozu auch? Er war genau an dem Platz, an den Gott ihn gestellt hatte. Dort hätte er einfach bleiben sollen, auch dann, als jemand anders ihn rief – die Schlange. Seitdem er jedoch ihren Einflüsterungen Gehör schenkte, ist der Mensch außerhalb des Paradieses-Gottes – in Sünde. Erschreckender Zustand!
Ist uns schon einmal bewusst geworden, dass die Errettung daraus nur durch die Berufung Gottes erfolgen kann? Tatsächlich besteht hierin das ganze Prinzip des Christentums: Durch die Berufung Gottes wird der Gläubige aus alledem herausgenommen, worin er natürlicherweise ist, und wird in eine neue Stellung gebracht. Es ist die Herrlichkeit Gottes selbst, zu der wir berufen worden sind (1. Thes 2,12; 1. Pet 5,10).
Können wir die Tragweite dieser Berufung auch nur annähernd ermessen? Gewiss nicht. Aber sollten wir nicht wenigstens öfter stehen bleiben, um uns daran zu erinnern, dass unsere Berufung „nach oben“, dass es eine „himmlische“ Berufung ist (Phil 3,14; Heb 3,1)? Ganz gewiss. Und trotzdem gibt es kaum etwas, was wir leichter zu vergessen geneigt sind als unsere Berufung. Unsere Gaben und Segnungen vergessen wir nicht so schnell wie gerade unsere Berufung. Wie kommt das? Weil wir oft sehr irdisch gesinnt sind und der Widersacher ein diabolisches Interesse daran hat, dass dies so bleibt. Doch Gott lässt uns nicht aus dem Auge, und Er lenkt unseren Blick nach oben zu Christus in der Herrlichkeit. Deswegen heißt es hier: „Der euch berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend“.
Wieder sind es zwei Stücke, die der Heilige Geist nebeneinander stellt: „Herrlichkeit und Tugend“, und wieder geht das Zweite aus dem Ersten hervor. Herrlichkeit ist das Ziel außerhalb dieser Welt, und Tugend (oder geistlicher Mut, geistliche Entschiedenheit) ist auf dem Weg dorthin nötig, um dieses Ziel zu erreichen. Wir sollten es uns mehr bewusst machen, dass unser Heiland bereits am Ziel ist und dass wir mit Ihm eine Stellung der Herrlichkeit einnehmen werden. Wenn dies vor unserem Auge steht, wird es uns auch nicht an der geistlichen Energie und Entschiedenheit fehlen, um dem himmlischen Ziel zuzustreben. Die göttliche Kraft hat uns alles dazu Notwendige geschenkt.
Wenn in der Heiligen Schrift im Blick auf Gott von Tugend die Rede ist, wie in 1. Petrus 2, Vers 9, dann ist damit die Vortrefflichkeit Seines Wesens gemeint. Im Blick auf den Menschen bedeutet ›Tugend‹ jedoch sittlichen Mut, geistliche Entschiedenheit. Nun, Petrus legt großen Wert auf das Vorhandensein dieses Charakterzuges in den Gläubigen. Er weiß, dass ohne ›Tugend‹ das Leben des Christen weitgehend ohne Frucht für Gott und ohne Freude für ihn selbst bleibt. In Vers 5 wird ›Tugend‹ noch einmal erwähnt, und dort gehört sie zu den grundlegenden Stücken, aus denen sich die anderen Züge geistlichen Lebens entwickeln.
Ja, wir haben geistliche Entschiedenheit nötig, um der Macht des Fleisches in uns und der Macht der Welt um uns zu widerstehen. Wir finden dafür ein schönes Beispiel in Mose, der durch Glauben sich weigerte, ein Sohn der Tochter Pharaos zu heißen, und lieber wählte, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben (Heb 11,24.25). Mose wollte diese Welt und ihre Freude nicht. Er sagte „Nein“ zu den Verlockungen durch Fleisch und Welt und stellte sich auf die Seite jener verachteten Sklaven, die nichtsdestoweniger das „Volk Gottes“ waren. Ja, es ist Tugend nötig, geistliche Entschiedenheit, so zu handeln. Mose besaß sie, und so schlug er das aus, wonach er sich seiner menschlichen Natur nach ausgestreckt hätte: den Palast, den Thron, die Krone Ägyptens. Er wählte stattdessen etwas, was der natürliche Mensch niemals begehrt hätte: in Gemeinschaft mit solchen zu sein, die zum Ziegelbrennen gerade gut genug waren. Doch Mose sah in diesen Menschen das Volk Gottes. Das machte den ganzen Unterschied aus.
Brauchen nicht auch wir in unseren Tagen diese geistliche Energie, um uns der Welt in ihren tausendfachen Formen zu verschließen? Und sind wir bereit, uns mit der kleinen Schar derer eins zu machen, die heute das „Volk Gottes“ sind?
Leider geben wir den Versuchungen zu oft nach, weil uns die ›Tugend‹ fehlt; und das Ergebnis ist, dass wir oft fallen. Wenn wir diese geistliche Entschiedenheit in unserem Herzen nicht lebendig erhalten, gleiten wir früher oder später in jene Dinge zurück, die wir einst aufgegeben haben. Machen wir jedoch die Herrlichkeit, in der unser Heiland schon ist, zu unserem Gegenstand, so entfaltet sich in uns auf dem Weg dorthin geistlicher Mut, sittliche Kraft.